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Repressionen gegen russische unabhängige Kuriergewerkschaft stoppen

Eingereicht on 29. April 2022 – 18:03

Dossier. In der Nacht vom 25. auf den 26. April 2022 wurde der russische Vorsitzende der Kuriergewerkschaft Kirill Ukraintsev nach dem vierten Tag eines unbefristeten Streiks der Kolleg:innen in Moskau festgenommen. Es fand zudem eine Razzia in seiner Wohnung statt. Grund sind vermutlich die gemeinsamen „wilden Streiks“ der Kuriere von Delivery Club und Yandex Food Delivery, die die vom russischen Gewerkschaftsdachverband unabhängige Gewerkschaft in den letzten Wochen organisierte. Das verstößt gegen den Burgfrieden, den die FNPR (Federatsiia Nezavisimikh Profsoiuzov Rossii, Föderation der Unabhängigen Gewerkschaften Russlands) seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine mit der Putin Regierung eingegangen ist (siehe dazu unser Dossier zum Ausschluss der FNPR aus der ITUC). Möglicherweise ist aber auch der Hack und das Leaken von Informationen der Essenliefersparte des IT-Konzern Yandex ausschlaggebend, wodurch u.a. brisante Details zu Putins erweiterter Familie veröffentlicht wurden. Im Folgenden dokumentieren wir die Petition, die Stellungnahme der Kuriergewerkschaft und weitere Hintergründe zu dem Vorfall mit der Bitte, dass sich (nicht nur) Aktivist:innen, Riders und Kuriere weltweit mit Kirill und der unabhängigen russischen Kuriergewerkschaft solidarisieren:

  • [Petition] Freiheit für Kirill!
    Statement vom 29. April 2022 auf dem Telegram Kanal von der Kuriergewerkschaft (russ. – Maschinenübersetzung): „… Wir rufen die Kuriere der Lebensmittellieferdienste, die Kunden und alle Betroffenen auf, sich für den Gewerkschaftsaktivisten einzusetzen und ihn zu unterstützen! Die Behörden haben beschlossen, das lodernde Feuer mit repressiven Maßnahmen gegen die Führer und Aktivisten der Gewerkschaftsbewegung zu löschen. Der Fall von Kirill Ukraintsev ist ein wichtiger erster Präzedenzfall. Wir müssen ihn verteidigen! Wir fordern die sofortige Freilassung von Kirill Ukraintsev und die Einstellung der gegen ihn erhobenen Anklage! Eine Gewerkschaft ist kein Verbrechen!

  • Wie kann sonst noch Solidarität organisiert werden?
    „Freunde! Kameraden! Die häufigste Frage, die wir hören, lautet: ‚Wie können wir Kyrill helfen?‘ Wir wollen nichts beschönigen. Die Situation ist sehr schlecht, unser Freund ist in großen Schwierigkeiten. Ihm droht eine saftige Strafe in einem absurden Strafverfahren. Er befindet sich bereits in Untersuchungshaft. Dieser Prozess wird für uns alle äußerst schwierig sein. Jetzt ist es an der Zeit, den Kampf fortzusetzen und für die sofortige Freilassung von Kirill Ukraintsev zu kämpfen! Wir brauchen Mittel für eine große Kampagne zum Schutz unseres Freundes und Kameraden! Hier ist die Bankverbindung, mit der Sie Geld für jede Hilfe, die Sie leisten können, überweisen können:

    • 5228 6005 5137 7890 (Sber) Stepan Evgenievich Sh.
    • Schreibt dazu: ‚Für Kyrill‘
  • Einer für alle, und alle für einen!“ Statement der unabhängigen russischen Kuriergewerkschaft vom 29. April 2022 auf Telegram (russ. – Maschinenübersetzung).
  • Für außerhalb von Russland wird auf der Website der Kuriergewerkschaft auch diese Möglichkeit angegeben:
    • „PayPal: vestnikburi.originals@gmail.com – mit dem Vermerk ‚An die Gewerkschaft‘.“
    • „Meldet euch für ein bezahltes Abonnement bei unserem Patreon https://www.patreon.com/courier_fight an.“
  • Zur Frage der Solidarisierung schreiben RS21 am 27. April 2022 auf ihrer Seite (engl.): „… Kirills Genoss:innen haben alle aufgefordert, diese Geschichte weit zu verbreiten und den von seiner Gewerkschaft vorgeschlagenen Hashtag #ПрофсоюзНеПреступление [eine Gewerkschaft ist kein Verbrechen] zu kopieren. Sie fordern ein Ende der Verfolgung von Gewerkschaften und die sofortige Freilassung von Kirill…“
  • Siehe auch: #ПрофсоюзКурьер #КурьерыНеРабы #ПрофсоюзНеПреступление / #UnionCourier #CouriersNotSlaves #UnionNoCrime
  • Erklärung der unabhängigen russischen Kuriergewerkschaft zur Verhaftung
    „Kuriere in Russland sind nicht durch das Arbeitsrecht geschützt. Wir werden von Arbeitgebern unrechtmäßig mit Geldstrafen belegt und willkürlich entlassen. Unsere Gehälter sind ein Klacks. Unsere unabhängige Gewerkschaft „Kurier“ kämpft für die Anerkennung und den Schutz der Arbeitsrechte von Zustellern. Durch die Sensibilisierung der Kuriere für die Verteidigung ihrer Arbeitsrechte und das Eintreten für bessere Arbeitsbedingungen will die Gewerkschaft auch die Qualität der Dienstleistungen für die Kund:innen verbessern. Die aktuelle Wirtschaftskrise hat eine weitere Welle von Angriffen der Unternehmen auf unsere Rechte ausgelöst. In vielen Städten Russlands verlieren Kuriere aufgrund der sinkenden Nachfrage ihren Arbeitsplatz. Um die Kosten zu senken, manipulieren die Unternehmen die Tarife für die Zustellung, was zu einem drastischen Rückgang unserer Einkünfte führt. Dies führt zu spontanen und organisierten Arbeitskonflikten in verschiedenen russischen Städten. Nachdem die Arbeitgeber:innen die Unterstützung der Behörden gewonnen hatten, beschlossen sie, zurückzuschlagen und den Kurieren, die gegen die Ungerechtigkeit protestierten, einen schmerzhaften Schlag zu versetzen. Am 25. April wurde Kirill Ukraintsev, der Vorsitzende unserer Gewerkschaft, festgenommen und am 27. April für zwei Monate in die Untersuchungshaftanstalt eingewiesen. Formal wird er beschuldigt, gegen die Regeln für öffentliche Demonstrationen verstoßen zu haben. Der eigentliche Grund für die Verhaftung ist jedoch der Wunsch der Unternehmen, das Anwachsen der Proteste zu verhindern. Mit der Verhaftung von Kyrill hoffen sie, die Gewerkschaftsbewegung zu enthaupten und zu demoralisieren. Wir stellen daher unsere Forderungen:

    • Sofortige Freilassung des Vorsitzenden der Gewerkschaft Kurier Kirill Ukraintsev und die Einstellung des absurden Strafverfahrens.
    • die Organisation von Verhandlungen zwischen Vertretern der Unternehmen „VK“ und „Sber“, denen der „Delivery Club“ gehört, mit Vertretern der Kuriere, unter denen sich auch Kirill Ukraintsev befinden sollte.
    • Die Rückkehr zu den früheren Arbeitsbedingungen von Anfang April: sowohl die Bezahlung als auch der Status der Kuriere. Sofortige Einstellung der ungerechtfertigten Sperrung von Kurieren bei Arbeitsanträgen und Aufhebung der Sperrung derjenigen, die bereits gesperrt wurden.
      Sollten diese Forderungen bis zum 1. Mai 2022 nicht erfüllt werden, wird die Kuriergewerkschaft aktive kollektive Maßnahmen ergreifen. Wenn ihr der Sache der Kuriere, der Verfolgung von Kyrill Ukrainzew und der Kurier-Gewerkschaft im Allgemeinen nicht gleichgültig gegenüberstehen, verbreiten Sie diese Erklärung. In diesen schwierigen Zeiten brauchen wir Ihre Unterstützung und ein Maximum an Öffentlichkeitsarbeit! Was auf dem Spiel steht, ist die Freiheit des Einzelnen, anderen zu helfen, ohne auf Eigennutz zu achten. Solidarität ist unsere Waffe!“
       Stellungnahme der russischen Kuriergewerkschaft vom 28. April 2022 (russ. , Maschinenübersetzung).
  • Hintergrund und Kontakt russischen Kuriergewerkschaft
    Auf der Website der Kuriergewerkschaft steht (russ., Maschinenübersetzung): „Die Kuriergewerkschaft ist eine freiwillige öffentliche Vereinigung von Bürger:innen, die durch gemeinsame industrielle und berufliche Interessen im Bereich der Kurierdienste verbunden sind, die zur Vertretung und zum Schutz ihrer sozialen und arbeitsrechtlichen Rechte und Interessen gegründet wurde und in der Russischen Föderation tätig ist. Die Gewerkschaft wurde mit Unterstützung von Kurieren gegründet, die am 5. Juni 2020 entschlossen „NEIN!“ zu den sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, massiven illegalen Entlassungen und Geldstrafen sagten und in Moskau in der Nähe des Hauptsitzes von Delivery Club streikten.
    Unsere Hauptforderungen:

    • Abschaffung der rechtswidrigen Bußgeldregelung bei Kurierdiensten. Dies ist ein besonders akutes Problem für den Kurierdienst Delivery Club.
    • Abschluss von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmer:innen anstelle von Werkverträgen oder selbständiger Tätigkeit (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld, Arbeits- und Ruhezeiten, ein umfassendes Sozialpaket Schutz vor Sperrung des Kontos = Kündigung am selben Tag)
    • Selbstorganisation – der Weg zur Freiheit!“
  • Kontakt:
  • Russische Ordnungskräfte drangen gewaltsam in die Wohnung von Ukraintsev ein
    „Die Kuriergewerkschaft teilte in ihrem Telegramkanal mit, dass die Ordnungskräfte zur Wohnung ihres Vorsitzenden Kirill Ukraintsev gekommen seien und ‚die Tür aufgebrochen“ hätten. Nach ihren Angaben wird die Wohnung von Ukraintsev wegen einer unbekannten Strafsache durchsucht, und der Ko-Vorsitzende der Gewerkschaft, Said Shamkhalov, ‚meldet sich nicht‘. Ein Anwalt der Menschenrechtsorganisation ‚Apologia‘ sei aus der Wohnung von Ukraintsev ‚hinausgedrängt‘ worden, so die Gewerkschaft weiter. Sie brachten dies mit einem Streik der Kuriere des Delivery Club in Moskau in Verbindung, der am 22. April [2022] begann, weil die Gebühren für jede Lieferung um durchschnittlich 20 % gesenkt wurden. Einige der Kuriere weigerten sich nach Angaben der Gewerkschaft, ihre Schichten anzutreten. Etwa 30 weitere Kuriere begaben sich am 25. April in das Dienstbüro, mehrere Personen wurden festgenommen…“ Aus einem Artikel von MediaZone vom 25. April 2022 („Die Kuriergewerkschaft berichtete über einen Besuch von Sicherheitskräften bei ihrem Vorsitzenden in Moskau“) (russ.)
  • Russischer Gewerkschaftsbund solidarisiert sich verhalten mit Kuriergewerkschaft
    „… Die vorliegenden Informationen überzeugen uns davon, dass die Verhaftung des Vorsitzenden der Gewerkschaft Kurier Kirill Ukraintsev wird mit seinen Gewerkschaftsaktivitäten in Verbindung gebracht. Diesen Standpunkt vertrat Boris Kravchenko, Präsident des russischen Gewerkschaftsbundes. ‚Die Gewerkschaft Kurier befindet sich in der Anfangsphase ihrer Entwicklung, sie ist keine Mitgliedsorganisation des KTR, aber wir verfolgen ihre Entwicklung und ihre Aktionen genau und haben geholfen, als Kollegen an uns herangetreten sind‘, sagte der KTR-Präsident…“ – Stellungnahme der KTR vom 28. April 2022 (russ., Maschinenübersetzung).
  • Yandex Food Delivery hat vermutlich ganz eigene Interessen in der Verfolgung der Gewerkschaft
    Das IT Unternehmen Yandex hatte 2020 im Namen der russischen Regierung über Tracking Daten die Bewegungen der Bevölkerung ausspioniert, um Verstöße gegen die Ausgangssperren zu dokumentieren und weiterzuleiten, wie LabourNet bereits am 29. April 2020 dokumentierte. Ende März 2022 haben Hacker:innen in einer antimilitaristischen Aktion sensible Daten der Food Delivery Sparte des Konzerns gehackt und veröffentlicht. Unter diesen Daten befinden sich brisante Informationen wie Aric Toler am 1. April 2022 auf Bellingcat.com im Artikel „Food Delivery Leak Unmasks Russian Security Agents“ schreibt: „Der russische Tech-Riese Yandex hat einen seiner Mitarbeiter für den Hack und das anschließende Datenleck bei Yandex Food, einem beliebten Essenslieferdienst in Russland, verantwortlich gemacht. Unter den vielen betroffenen Nutzern sind Agenten der russischen Sicherheitsdienste und des Militärs, die in mehreren Fällen sogar über ihre offiziellen E-Mail-Adressen Essen an ihren Arbeitsplatz bestellt haben. Das Leck umfasst die E-Mails der Nutzer:innen, eine große Anzahl von Telefonnummern, Adressen und Bestellungen auf der Plattform. Die staatliche russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hat sich nachdrücklich bemüht, die Verbreitung zu verhindern. Einige Ermittler:innen haben aus diesem Datenleck bereits Hinweise auf Korruptionsermittlungen gewonnen, nämlich die 170 Millionen Rubel (~ 2 Millionen US-Dollar) teure Wohnung der angeblichen ‚geheimen Tochter‘ des russischen Präsidenten Wladimir Putin…“ Dazu kommentierte das Recherche-‚Team Sobol‘ am 23. März 2022 auf Twitter (russ., Maschinenübersetzung): „Dank der durchgesickerten Yandex-Datenbank konnte eine weitere Wohnung von Putins Ex-Geliebter Svetlana Krivonogikh gefunden werden. Dort bestellte ihre Tochter Luiza Rozova ihre Mahlzeiten. Die Wohnung ist 400 m² groß und etwa 170 Millionen Rubel wert!“

Quelle: labournet.de… vom 29. April 2022

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