Florian Rötzer. Als bekannt wurde, dass die fest antirussisch ausgerichtete Nuland Nachfolgerin von Sherman wird, soll dies im Außenministerium Panik ausgelöst haben.

Vor kurzem schrieb Seymour Hersh über die Gefahr des Ukraine-Kriegs für die Biden-Regierung, dass Wendy Sherman, die Vizeaußenministerin, Ende Juli das Amt verlassen wird.  Das habe fast Panik im Außenministerium über ihre Ersetzung ausgelöst: Victoria Nuland, bislang Staatssekretärin für politische Angelegenheiten und unter Biden als Vizepräsident von 2013 bis 2017 Assistant Secretary of State im US-Außenministerium, zuständig auch für die Ukraine – und damit für den amerikanischen Kurs gegenüber der Maidan-Bewegung, der Regierung nach dem Sturz von Janukowitsch und dem Vorgehen gegen die Proteste in der Ostukraine.

Ganz versteht man allerdings nicht, warum Nuland so viel anders als Sherman sein sollte. Sie gilt als harte Verhandlerin, was sie auch im Vorfeld des russischen Kriegs gegen die Ukraine demonstrierte, als sie im Januar in Genf mit ihrem russischen Kollegen Sergei Ryabkov über die russischen Sicherheitsforderungen sprach und die Verhandlungen schließlich platzen ließ. Russland forderte schriftliche Antworten, Washington und die Nato sahen etwa die zentrale Forderung nach einem Nicht-Beitritt der Ukraine zur Nato als nonstarter, also etwas, über das man nicht verhandelt. Sherman hat jedenfalls mitgeholfen, Putin mit seinen Drohungen „militärisch-technischer Maßnahmen“, mit der er zusammen mit dem Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine Gespräche über die russischen Sicherheitsanforderungen durchsetzen wollte, auflaufen zu lassen, wodurch Putin in der Falle saß. Sherman sagte denn auch, natürlich die Schuld allein auf Russland schiebend: „Wir wussten, dass es losgehen würde.“

Hersh meint, Nulands Angriffslust auf Russland und ihre Antipathie gegenüber Putin passe perfekt zu den Ansichten von Präsident Biden. Nuland … wurde von einer Person, die mit der Situation direkt vertraut ist, als ‚Amokläuferin‘ in den verschiedenen Büros des Außenministeriums bezeichnet, während Außenminister Antony Blinken unterwegs ist. Wenn Sherman eine Meinung über ihren potentiellen Nachfolger hat, und das muss sie, wird sie diese wahrscheinlich niemals mitteilen.“

Hersh brachte Nuland in Verbindung damit, dass Biden Chancen auf einen zweiten Wahlsieg nach Ansicht von einigen in Geheimdienstkreisen abhängig von einem Sieg oder zumindest einem zufriedenstellenden Ergebnis des Ukraine-Kriegs ist. Nach dem Afghanistan-Debakel und den vielen Milliarden, die die Biden-Regierung in die militärische Ausrüstung und finanzielle Hilfe der Ukraine investiert hat, kann sich der Präsident vor der Wahl sicher kein Debakel leisten. Also muss der Krieg befördert werden, was auch Außenminister Blinken befördere, der selbst einen Waffenstillstand ausschloss.

Jetzt gab das Außenministerium bekannt, dass Nuland Wendy Sherman als Vizeaußenministerin nachfolgt, zumindest übergangsweise. Blinken betont, dass dies ein Wunsch von Biden gewesen sei: „Wir können uns glücklich schätzen, dass jemand mit ihrer Erfahrung, ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement für die Abteilung diese zusätzliche Verantwortung übernehmen wird.“ Man kann damit rechnen, dass Blinken mit Nulands Unterstützung noch einen schärferen antirussischen Kurs fahren wird. Das dürfte auch Bidens Überlegung sein, um für die Wahl zu punkten und keinen für ihn schmählichen Friedensschluss zuzulassen.

Wahrscheinlich weitsichtig sagte Elon Musk im Februar: „Niemand hat den Krieg mehr vorangetrieben als Victoria Nuland.“ Nuland ist verheiratet mit dem Neocon Robert Kagan, der wiederum mit seinem Kreis den Irak-Krieg vorangetrieben hat. Sie wurde auch bekannt mit der mittlerweile verbreiteten Argumentation, dass angeblich die USA doch mit dem Krieg nichts zu  tun habe, Russland alleine sei verantwortlich und könne ihn jederzeit beenden. Und sie machte klar, dass die USA bei einem Atomwaffeneinsatz die Ukraine nicht alleinlassen würden: „Ich denke, dass es unter diesen Bedingungen besser ist, auf Einzelheiten zu verzichten. Ich kann Ihnen nur versichern: … in diesem Fall wird der Preis für Putins Handeln einfach astronomisch sein.“

Nuland ist bekannt und berüchtigt für ihre unterstützende Rolle in der Maidan-Bewegung geworden, als ein Mitschnitt eines Telefongesprächs mit dem amerikanischen Botschafter Geoffrey Pyatt in Kiew am 4. Februar 2014 geleakt wurde, das am 28. Januar stattgefunden hatte, also vor den unaufgeklärten Schießereien, der ausgehandelten friedlichen Übergang zu Wahlen, die von den radikalen Kräften ausgeschaltet wurde, und der Einsetzung der Übergangsregierung mit der Antiterroroperation gegen die zunächst Protestierenden in der Ostukraine.

Nuland machte in den Gesprächen klar, dass Washington Jazenuk als Regierungschef wünscht, der es auch wurde. Und dass die USA für die Weichenstellung in der Ukraine sorgen soll und nicht die EU: „Fuck the EU“, sagte sie, was aber die Vasallen nicht wirklich abschreckte, auch wenn die USA offenbar damit zufrieden waren, dass die von Deutschland, Frankreich und sogar Polen ausgehandelte politische Lösung von rechtsnationalistischen Kräften torpediert wurde, eine rechtslastige Übergangsregierung ans Ruder kam und eine militärische Auseinandersetzung mit den ostukrainischen Gebieten begann, die den Separatismus beförderte. Washington hat sich auch unter Obama/Biden, Trump und Biden nie für die Umsetzung der Minsker Abkommen eingesetzt und diese wahrscheinlich mit den ukrainischen Nationalisten blockiert, weil man den Konflikt und letztlich auch den Krieg suchte, den Russland seinerseits dann offen begann.

#Titelbild: Victoria Nuland im April 2023 in der Mongolei. Bild: state.gov

Quelle: overton-magazin.de… vom 26. Juli 2023

Tags: Europa, Faschismus, Imperialismus, Neue Rechte, Politische Ökonomie, Ukraine, USA