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Freiheit für Boris Kagarlitsky!

Eingereicht on 30. Juli 2023 – 9:34

LFI. Am 25. Juli wurde der russische Marxist, Soziologe und linke Kritiker des Putin-Regimes, Boris Kagarlitsky, vom russischen Geheimdienst FSB (Föderaler Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation; Inlandsgeheimdienst) festgenommen und inhaftiert. Das Gericht in Syktywkar (Hauptstadt der Republik Komi; Nordwestrussland) ordnete eine Untersuchungshaft bis zum 24. September an. Nach Berichten des linken Internetportals Rabkor (Arbeiter:innen-Korrespondenz) wird ihm die Rechtfertigung des Terrorismus und Propaganda für diesen vorgeworfen, wofür ihm bis zu fünf Jahre Haft drohen.

Die Anklage ist an den Haaren herbeigezogen. Sie wirft auch ein grelles Licht auf die Methoden des russischen Regimes, die an die Fabrikationen des Zarismus und Stalinismus erinnern. Als Vorwand für seine Verhaftung dient ein Telegram-Post, das Kagarlitsky am 8. Oktober 2022 nach dem Anschlag auf die Krimbrücke veröffentlicht hatte und wo er das Objekt als strategisch und symbolisch bezeichnet, das die Größe und Macht des Putin-Regimes manifestieren sollte – ein Prestigeprojekt, das die Fähigkeit des russischen Staates zeigen sollte, trotz Ineffektivität, Korruption und Plünderung der Massen „Großes“ zu leisten.

Der Anschlag auf eines der bestbewachten Bauwerke der Welt war daher, so Kagarlitsky, auch ein Schlag, der die Schwächen und Verwundbarkeit des russischen Despotismus offenbarte.

Das reichte als Vorwand für die Festnahme und Anklageerhebung. Es ist kein Zufall, dass einer der wenigen im Land verbliebenen offenen Kritiker:innen des Putin-Regimes und des reaktionären imperialistischen Angriffskriegs jetzt festgenommen wurde. Seit dem Wagner-Putsch verschärft der Staatsapparat die Verfolgung von Oppositionellen aller Richtungen, darunter rechten, monarchistischen, aber auch linken Kräften.

Zweifellos handelt es sich dabei um einen politischen Akt, der nicht nur Boris Kagarlitsky zum Schweigen bringen, sondern die gesamte linke und sozialistische Opposition weiter einschüchtern soll. Kagarlitsky selbst ist nicht nur ein marxistischer Soziologe und Analyst, sondern war auch einer der wenigen bekannten linken Oppositionellen, der sich von Beginn an eindeutig gegen den russischen Angriff auf die Ukraine aussprach und die sog. Spezialoperation Krieg nannte. Er verwies von Beginn an besonders stark auf die

inneren Widersprüche des russischen Kapitalismus, die zum Krieg geführt hätten. Dabei legte er unserer Meinung nach zu wenig Augenmerk auf andere Kriegsursachen, insbesondere auf den Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen alten und neuen Großmächten, der sich gerade in der Ukraine manifestierte. Doch das war und ist für das Putin-Regime zweifellos nebensächlich. Ihm gelten alle Kriegsgegner:innen als Vaterlandsverräter:innen.

Anders als viele eher liberal eingestellte russische Linke kritisierte Kagarlitsky 2014 das prowestliche, aus dem Maidan hervorgegangene reaktionäre Regime in Kiew, das sich auf rechte und faschistische Kräfte stützte, scharf. Er solidarisierte sich zu Recht mit den Gewerkschafter:innen, die in Odessa ermordet wurden, wie auch mit dem Widerstand in Donezk und Luhansk. Das macht ihn jedoch nicht blind gegenüber dem reaktionären imperialistischen Angriff Russlands, den er von Beginn an scharf verurteilte.

Genau diese Haltung machte ihn zu einem Ziel des Putin-Regimes – und zwar schon lange vor dem Krieg. 2018 wurde das von ihm geleitete Institut für Globalisierung und soziale Bewegungen als ausländische Agentur eingestuft. Im April 2022 wurde er persönlich auch vom russischen Staat als „ausländischer Agent“ kategorisiert – und damit seine Arbeit drastisch eingeschränkt.

Auch wenn sich Kagarlitsky nach anfänglichen Sympathien für den Trotzkismus in den 1980er und 1990er Jahren vom revolutionären Marxismus entfernte und die marxistische Staats- und Revolutionstheorie, insbesondere die Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats, ablehnte, so blieb er immer ein lesens- und überdenkenswerter Analytiker und Kämpfer. Schon unter dem Stalinismus betätigte er sich oppositionell, was noch unter Breschnew zu Festnahmen und Haft führte. Ähnlich erging es ihm unter der Jelzin-Ära. 2021 saß er wegen Protesten gegen die Dumawahl 10 Tage im Gefängnis. Offenkundig schloss er auch mit dem Putin-Regime keinen Frieden.

Die Festnahme und Anklage gegen Boris Kagarlitsky hat zu einer breiten internationalen Solidarisierung geführt, der sich alle linken, kommunistischen, sozialistischen und Organisationen der Arbeiter:innenbewegung anschließen sollten. Doch nicht nur Boris, die gesamte russische Antikriegsbewegung und insbesondere alle linken Kräfte, die sich gegen die Diktatur Putins, gegen Terror und Repression im Inneren und den Krieg gegen die Ukraine wenden, brauchen unsere Unterstützung!

  • Freiheit für Boris Kagarlitsky! Solidarität mit der russischen Antikriegsbewegung! Freilassung für alle festgenommen Kriegsgegner:innen!
  • Rücknahme aller sog. Antiterrorgesetze und Einschränkungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts!

Quelle: arbeiterinnenmacht.de… vom 30. Juli 2023

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