Solidarność 1981: Ein Lackmustest für die Trotzkisten
1981 war zweifelsohne im weltweiten Klassenkampf ein historisch wichtiges Jahr: die imperialistische Bourgeoisie setzte mit dem Neoliberalismus seit den späten 1970er Jahren v.a. in den angelsächsischen Ländern eine offensive Strategie im Kalten Krieg und gegen die Arbeiterklasse durch. Der Neoliberalismus war eine Antwort auf die Terraingewinne der Arbeiterklasse in Europa und den USA im Rahmen der ausserordentlichen Wachstumsperiode und der heroischen Arbeiterkämpfe der vergangenen 25 bis 30 Jahre. Zudem waren durch die erfolgreichen antikolonialen Kämpfe im Trikont, an deren Höhepunkt um 1975 der US-Imperialismus den Vietnamkrieg verlor, die Position des Imperialismus vorübergehend geschwächt worden. Mit der Strategie des Neoliberalismus sollte dieses verlorene Terrain wieder gutgemacht werden, mit dem Aufbau globaler Wertschöpfungsketten und der begleitenden Durchsetzung von US-Recht als Weltstandard, v.a. im Hinblick auf Eigentumsrechte im Sinne eines Marktradikalismus, mit dem weiteren massiven Ausbau von US-Militärbasen und neuen Rüstungsinitiativen, der Durchsetzung des US-Dollars als Weltgeld gebunden an die Regeln des US-Finanzmarktes, dem militanten Zurückdrängen kämpferischer Sektoren der Arbeiterklasse und der antikolonialen Bewegungen im Trikont. Die politische Führung bei diesem reaktionären Prozess lag weitgehend bei den angelsächsischen Regierungen (Thatcher, Reagan).
In der Sowjetunion und in den osteuropäischen Staaten, gerade auch in Polen, waren die wirtschaftlichen Probleme anfangs der 1980er Jahre ebenfalls nicht gelöst. Hier wie im Imperialismus wurde versucht, diese auf Kosten der Arbeiterklasse zu lösen. In Osteuropa und der Sowjetunion war die Arbeiterklasse durch die Struktur des Systems eher geschützt vor brutalen Angriffen als dies in Westeuropa und den USA der Fall war und sie hatte andererseits aufgrund des repressiven Charakters der stalinistischen Regimes aber wenig politische Ausdrucksmöglichkeiten. Die andauernden wirtschaftlichen Probleme und die offensive Linie des Imperialismus im Kalten Krieg führte dann anfangs der 1990er Jahre zum Ausverkauf durch die stalinistische Bürokratie an den Imperialismus. Auffallend ist, dass nach dem Zusammenbruch dieser Regimes überall eine Brutstätte für rechtsradikale Bewegungen zurückblieb, insbesondere in der Ukraine, wo es eine Kontinuität mit den faschistischen Bewegungen seit den 1930er Jahren gab.
Der Vormarsch der neoliberalen Offensive in Westeuropa und den USA war nur möglich, weil die grossen Aufstände der vergangenen ca. 15 Jahre unterlagen oder in die Irre geführt wurden. In Europa sind da sicher Frankreich, Italien, Portugal, Spanien, Grossbritannien, Griechenland wichtige Etappen dieser Niederlagen. Diese Aufstände hatten einen Elan, der bei entschlossener Führung zumindest in die Richtung einer politischen und ökonomischen Machtergreifung des Proletariats hätten geführt werden können. Doch die politischen Führungen des Proletariats – Sozialdemokratie, Stalinismus, Eurokommunismus, Gewerkschaftsapparate – suchten einen mit der Bourgeoisie einvernehmlichen Ausgang aus der für sie schwierigen Situation. Zum langfristig grossen Schaden und Verhängnis der internationalen Arbeiterklasse. Dies war die wichtigste Voraussetzung für die Durchsetzung der neoliberalen Offensive, nebst technischen und sozialen Bedingungen in den Ländern des Trikont.
Die im Laufe der Kämpfe der späten 1960er und der 1970er Jahre aufkommenden Formationen der radikalen Linken waren inhaltlich oft stark an die Schöpferkraft dieser Arbeiteraufstände und Widerstandsbewegungen im Trikont gebunden. Mit deren Niederlagen setzte ein materieller und vor allem ein inhaltlich substantieller Niedergang der radikalen Linken ein. Viele dieser Organisationen verschwanden und ihre Mitglieder suchten in reformistischen Organisationen, Gewerkschaftsapparaten, NGOs eine persönliche Perspektive des Marsches durch die Institutionen des bürgerlichen Staatsapparates oder sie gliederten sich aktiv in den kapitalistischen Produktionsprozess ein. Die verbliebenen politischen Organisationen, meist ohne eine einigermassen entwickelte Kultur der politischen Debatte um Strategie, Periode, Klasse, usw. setzten nun noch stärker auf eine Nachtrabpolitik gegenüber den neu aufkommenden sozialen Bewegungen – Friedensbewegung, gegen Atomenergie, Frauenbewegung, soziale Gerechtigkeit, Ökologie, politische Rechte, gegen Fremdenfeindlichkeit, usw. Anstatt sich auf die Entwicklung von revolutionären Positionen in dieser Periode der Rückschläge zu konzentrieren, setzten sie weiterhin auf eine Nachtrabpolitik, nun unter dem Namen Bewegungssozialismus.
Dies lag umso mehr auf der Hand, als dass die subjektive Basis dieser sogenannten Neuen Linken ihre meist universitäre Ausbildung mittlerweile beendet hatte und sich im Staatsapparat oder in der Privatwirtschaft um ihre berufliche Laufbahn kümmern musste. Ihre Fähigkeiten wurden für den neoliberalen Umbau des Kapitalismus benötigt. Entsprechend gab es durchaus Perspektiven des beruflichen Fortkommens innerhalb des Systems. Diese «linken» Segmente der aufsteigenden Neuen Mittelschichten benötigten einen ideologischen Orientierungsrahmen, der die dazu erforderliche Distanzierung von der Arbeiterklasse, insbesondere von deren zentralen Rolle als kollektivem Subjekt gesellschaftlicher Emanzipation, beinhaltet. Dies leistete, neben anderen Ansätzen, der Postmodernismus – aber gerade auch dem Linksliberalismus ab der zweiten Generation der Frankfurter Schule kommt hier eine grosse Bedeutung zu. Beide Ansätze setzen Fragestellungen um die Sprache und deren Gebrauch ins Zentrum und nicht den gesellschaftlichen materiellen Produktionsprozess und die damit verbundenen Eigentums- und Machtverhältnisse, also die Realität der Arbeiterklasse.
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Wahrnehmung der Arbeiteraufstände in Polen von 1981 durch die radikalen linken Organisationen in Westeuropa und in den USA; die Aufstände mündeten in die Solidarność-Bewegung ein. Diese wurde von deren Führung in das tragische Scheitern geführt. Die Niederlage von Solidarność beruht zwar auf einigen spezifisch polnischen Faktoren, etwa die traditionell starke Rolle der katholischen Kirche, und dass sich die Aufstände gegen eine stalinistische Bürokratie richteten und nicht gegen eine imperialistische Bourgeoisie. Aber wie in Westeuropa und den USA fehlte es an einer Führung, die die Energie des aufständischen Proletariats vorwärts gelenkt haben könnte. Dass dieses Problem bei der radikalen Linken in den imperialistischen Kernländern nur in Ausnahmefällen erkannt wurde, deutet auf die tiefe Krise, in der die Arbeiterbewegung und die radikale Linke mittlerweile eingetreten waren. Und dieser Zerfallsprozess der radikalen Linken hat sich bis heute mehr oder weniger international fortgesetzt. Dies wird dramatisch sichtbar an den Positionen zum Ukraine-Krieg. Dabei nimmt ein Teil unter ihnen aufgrund einer unbedingten Solidarität mit dem ukrainischen Volk sogar eine pro-Nato-Haltung ein. Dies, ohne die geschichtlichen und systemischen Zusammenhänge irgendwie zu berücksichtigen, ohne die inneren Konflikte und Spaltungen in der Ukraine zu beachten. Ganz auf der reaktionären Linie des Postmodernismus, wo nur mehr moralisierend interveniert werden darf. Sie setzen auf ein Bündnis mit dem wichtigsten kriegstreibenden Organ des Imperialismus. Weiter kann der Zerfallsprozess nicht getrieben werden.
Das folgende übersetzte Pamphlet der Bolshevik Tendency aus dem Jahre 1988 beschreibt den Aufstieg und Niedergang von Solidarność, deren Wahrnehmung in der europäischen und US-amerikanischen radikalen Linken und ordnet die entsprechenden Einschätzungen mithilfe der Konzepte des revolutionären Marxismus ein und bilanziert sie vor dem Hintergrund des Niedergangs des Trotzkismus ab den späten 1970er Jahren: Die meisten dieser Strömungen der radikalen Linken hatten der Prüfung durch die historische Wirklichkeit nicht standgehalten. [Redaktion maulwuerfe.ch]
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- Polen 1981: Schlüssel zur trotzkistischen Neuausrichtung
„Es ist klar, dass man nicht daran denken kann, eine neue Internationale durch Organisationen aufzubauen, die grundverschiedene und sogar entgegengesetzte Prinzipien haben.“ [1]
-Leon Trotzki, 31. August 1933
In der entscheidenden Konfrontation zwischen dem polnischen stalinistischen Regime und Solidarność im Dezember 1981 war die Internationale Spartakusbewegung (iSt) praktisch die einzige der trotzkistischen Organisationen, die sich auf die Seite von Jaruzelski und der polnischen Regierung stellte. Alle anderen – von Ernest Mandels Vereinigtem Sekretariat über Gerry Healys Internationales Komitee bis hin zur von Jack Barnes geführten Socialist Workers Party – stellten sich mit unterschiedlichem Enthusiasmus hinter Lech Walesa und Solidarność.
Bei ihrer Opposition gegen Walesa und seinesgleichen neigten die Spartakisten zuweilen dazu, plumpe Slogans an die Stelle einer durchdachten Analyse zu setzen. Weitaus schlimmer war die pro-stalinistische Gesinnung, die sich in der zynischen internen Position der iSt zeigte, die sich bereit erklärte, „im Voraus die Verantwortung für jegliche Idiotie und Gräueltaten“ zu übernehmen, die von einer sowjetischen Interventionstruppe in Polen begangen werden könnten. Trotz dieser Fehler, die auf einen bereits weit fortgeschrittenen internen politischen Degenerationsprozess zurückzuführen sind, und trotz der Tatsache, dass wir inzwischen vollständig mit den Robertsonisten [Die Bolshevik Tendency ging aus einer Abspaltung aus der iSt hervor. A.d. Ü.] gebrochen haben, erkennen wir an, dass die Internationale Spartakistische Tendenz 1981 auf der richtigen Seite der polnischen Barrikaden stand.
Diese Barrikaden stellen nach wie vor eine wichtige Demarkationslinie zwischen Sozialdemokratie und Zentrismus auf der einen Seite und dem echten Trotzkismus auf der anderen dar. Eine Einigung in dieser Frage bleibt eine unabdingbare Voraussetzung für eine trotzkistische Umgruppierung in dieser Periode.
Unserer Erfahrung nach lassen sich die „trotzkistischen“ Sprecher der Solidarność nicht von einer kohärenten Argumentation leiten. Aus einem Sammelsurium von widersprüchlichen Erklärungen kristallisieren sich jedoch mehrere Themen heraus. Viele werden zugeben, dass die Führung und die Ideologie von Solidarność reaktionär waren. Die Apologeten der Solidarność weisen jedoch darauf hin, dass sie als Arbeiterbewegung entstanden ist, sich traditioneller Methoden des proletarischen Klassenkampfes bediente und die Loyalität einer überwältigenden Mehrheit der polnischen Arbeiterklasse genoss. Ist nicht der objektive Klassencharakter einer Bewegung, so fragen die Apologeten, das ultimative Kriterium, nach dem Marxisten sie beurteilen müssen, unabhängig von ihren ideologischen Formen und Ausstattungen? Wir argumentieren, dass dies nicht der Fall ist.
Die Klassenzusammensetzung einer sozialen Bewegung ist zwar wichtig für die Bestimmung ihres politischen Charakters, aber sie reicht nicht in allen Fällen aus. Die trotzkistische Taktik gegenüber den Gewerkschaften beruht auf der Annahme, dass sie ein – wenn auch unzureichendes – Instrument sind, mit dem die Arbeiter für die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage in der kapitalistischen Gesellschaft kämpfen. Die normale Methode, diesen Kampf zu führen, ist der Entzug der Arbeitskraft – der Streik. Im Allgemeinen unterstützt die marxistische Avantgarde Streiks. Aber würde jemand leugnen, dass Streiks unter bestimmten Umständen reaktionär sein können? Ein Beispiel, das mir einfällt, ist der Streik des Ulster Workers‘ Council von 1974. Das Ziel dieses Streiks war es, die protestantische Vorherrschaft in Nordirland zu erhalten, und deshalb musste er bekämpft werden.
Es sind viele historische Situationen denkbar, in denen die unmittelbaren Stimmungen und Ziele der Arbeiterklasse im Widerspruch zu ihren langfristigen Interessen stehen. Die polnische Krise von 1981 ist ein typisches Beispiel dafür. Das Staatseigentum an den Produktionsmitteln, das die deformierten Arbeiterstaaten kennzeichnet, stellt eine historische Errungenschaft für die Arbeiterklasse dar, eine Errungenschaft, die gegen alle Versuche der kapitalistischen Restauration verteidigt werden muss. Im September 1981 war Solidarność in ihrer Ideologie, ihren internationalen Verbindungen und ihrem politischen Programm eindeutig zu einer Bewegung geworden, die auf die Wiederherstellung des kapitalistischen Eigentums in Polen abzielte. Die Krise des polnischen Staates im Dezember 1981 konnte nur durch die Machtübernahme von Solidarność oder ihre Unterdrückung gelöst werden. So schmerzlich es ist, sich auf die Seite der stalinistischen Parasiten gegen die Mehrheit der polnischen Arbeiterklasse zu stellen, so unangenehm ist die Wahrheit, dass die Stalinisten im Dezember 1981 die einzige Kraft in der polnischen Gesellschaft waren, die der kapitalistischen Restauration im Wege stand.
Trotzkismus und sowjetischer Defensivismus
Für Trotzkisten kann die Solidarność nur im Rahmen unserer Position zur „Russischen Frage“ und ihrer programmatischen Implikationen analysiert werden. Wir Marxisten bestimmen den Klassencharakter eines Staates durch seinen sozialen Inhalt, d.h. durch den Charakter der Eigentumsverhältnisse, die er aufrechterhält, und nicht durch seine politischen Formen. Trotzki wies 1939 darauf hin:
„Obwohl die Ökonomie die Politik weder direkt noch unmittelbar, sondern erst in letzter Konsequenz bestimmt, bestimmt die Ökonomie doch die Politik“. Genau das behaupten die Marxisten im Gegensatz zu den bürgerlichen Professoren und ihren Anhängern. Bei der Analyse und Entlarvung der wachsenden politischen Unabhängigkeit der Bürokratie vom Proletariat haben wir nie die objektiven gesellschaftlichen Grenzen dieser ‚Unabhängigkeit‘ aus den Augen verloren, nämlich das verstaatlichte Eigentum, ergänzt durch das Außenhandelsmonopol.“[2]
Der von der bolschewistischen Revolution geschaffene Staat war der erste in der Welt, der die Produktionsmittel kollektivierte und ein Außenhandelsmonopol errichtete. Diese historischen Errungenschaften haben in der UdSSR bis heute Bestand [Dieser Aufsatz wurde 1988 verfasst. A.d.Ü.] und wurden seit dem Zweiten Weltkrieg von den deformierten sozialen Revolutionen reproduziert, die den Kapitalismus in Osteuropa, China, Kuba und Indochina entwurzelten.
Die Abschaffung des kapitalistischen Marktes als Regulator der Wirtschaftstätigkeit verändert jede Gesellschaft tiefgreifend. Die Einführung einer Planwirtschaft – selbst wenn sie von oben per stalinistischem Dekret durchgesetzt wird – stellt einen großen Fortschritt für die Arbeiterklasse dar. Stalinistische Regime versuchen oft, ihre Herrschaft zu konsolidieren und zu legitimieren, indem sie die Lebensbedingungen der Arbeiter verbessern. In Osteuropa hat sich dies in Vollbeschäftigung, stabilen (und oft subventionierten) Lebensmittelpreisen, garantierter Gesundheitsversorgung, billigen Verkehrsmitteln und Wohnungen sowie einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards (und der sozialen Mobilität) der arbeitenden Bevölkerung niedergeschlagen. Natürlich bewerten die Arbeiter in diesen Gesellschaften diese sozialen Errungenschaften positiv und haben sich tendenziell jedem Versuch widersetzt, sie zu untergraben.
Diese sozialen Errungenschaften sind jedoch durch das absolute Monopol des politischen Lebens bedroht, das die stalinistische herrschende Kaste eifersüchtig hütet. In einer Gesellschaft, in der jeder Aspekt des Wirtschaftslebens politisch gelenkt wird – von der Festlegung der Löhne und Arbeitszeiten bis hin zur Festsetzung der Rohstoffpreise – hat die Masse der Bevölkerung keine wirksamen Möglichkeiten, auf die Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Um ihren prekären Einfluss zu sichern, müssen die Bürokraten alle Manifestationen eines autonomen politischen und sogar kulturellen Lebens unterdrücken. Die Zwangsjacke, die dem schöpferischen Potenzial der Bevölkerung angelegt wird, entfremdet viele der besten und klügsten Köpfe und bringt, in Trotzkis Worten, eine Gesellschaft hervor, die das „graue Etikett der Gleichgültigkeit“ trägt.
Die Rolle der trotzkistischen Organisationen in den deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten besteht darin, das Proletariat gegen die Bürokratie in einer politischen Revolution zu mobilisieren, die den stalinistischen Apparat zerschlägt und die direkte Arbeiterherrschaft errichtet. Die Vorbedingung für die Führung des Proletariats und seiner Verbündeten in der politischen Revolution ist die kompromisslose Verteidigung der bereits errungenen Errungenschaften. Wie Trotzki im April 1940 betonte: „Es ist die Pflicht der Revolutionäre, alle Errungenschaften der Arbeiterklasse zu verteidigen, auch wenn sie durch den Druck der feindlichen Kräfte entstellt werden. Wer alte Positionen nicht verteidigen kann, wird nie neue erobern“.[3]
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, an Trotzkis Analyse der widersprüchlichen Rolle des stalinistischen Apparats in den degenerierten/deformierten Arbeiterstaaten zu erinnern. Im Jahr 1933 schrieb Trotzki über den stalinistischen Apparat:
„Er erfüllt eine doppelte Rolle: heute, wo es keine marxistische Führung mehr gibt und noch keine in Sicht ist, verteidigt er die proletarische Diktatur mit seinen eigenen Methoden; aber diese Methoden sind so beschaffen, dass sie morgen den Sieg des Feindes erleichtern. Wer diese Doppelrolle des Stalinismus in der UdSSR nicht versteht, hat nichts verstanden.“[4]
Anstelle von Trotzkis dialektischem Verständnis der stalinistischen Bürokratie schlagen jene „Trotzkisten“, die sich im Dezember 1981 auf die Seite von Walesas klerikalistischer und prokapitalistischer Führung gegen den stalinistischen Polizeiapparat stellten, vor, dass „der Stalinismus durch und durch konterrevolutionär ist“. Diese falsche Formulierung (die ursprünglich von der Mehrheit der amerikanischen Socialist Workers Party im Kampf gegen die liquidatorische Cochran-Clarke-Opposition 1952-53 vorgebracht wurde) verschleiert die Tatsache, dass die herrschenden stalinistischen Bürokratien trotz ihrer generell arbeiterfeindlichen und konterrevolutionären Politik regelmäßig gezwungen sind, Maßnahmen zu ergreifen, um das System des verstaatlichten Eigentums zu verteidigen, von dem sie ihre Privilegien ableiten.
Wie würde eine Konterrevolution aussehen?
Lenin stellte fest, dass die Armeen der Weißgardisten unter dem Gesichtspunkt der Machterhaltung der Bolschewiki weit weniger gefährlich waren als die billigen Waren, die sie mit sich führten. Die Bolschewiki führten ein staatliches Außenhandelsmonopol ein, um den Arbeiterstaat davor zu schützen, durch die gestiegene Arbeitsproduktivität in der kapitalistischen Welt untergraben zu werden. Brüche in diesem Monopol stellen eine reale Gefahr für den Fortbestand der Eigentumsformen der Arbeiterklasse dar.
In der Sowjetunion entwickelten sich im Zuge der Neuen Ökonomischen Politik der 1920er Jahre auch interne restaurative Tendenzen, die durch die Kulaken und Nepman verkörpert wurden. Der Hauptvorteil, den das stalinistische zentralistische bürokratische Regime gegenüber den Kulaken besaß, war die relative politische Atomisierung der Kulaken. Es wäre jedoch ein Fehler, sich vorzustellen, dass eine soziale Konterrevolution im Ostblock notwendigerweise eine kohärente „Avantgarde“-Organisation erfordern würde. Die überwältigende wirtschaftliche Überlegenheit des Westens würde im Falle des Zusammenbruchs oder der Zerstörung der Staatsapparate, die das verstaatlichte Eigentum verteidigen, die imperialistische Durchdringung sicherstellen.
Trotzki und andere Marxisten stellten oft die Entwicklung der proletarischen und der bürgerlichen Revolutionen einander gegenüber. Die Kapitalistenklasse entwickelte die materiellen und kulturellen Voraussetzungen für ihre Herrschaft in den Poren der feudalen Gesellschaft. Die Eroberung der politischen Vorherrschaft war der letzte Akt der bürgerlichen Revolution. Das Proletariat, die enteignete und ausgebeutete Klasse im Kapitalismus, kann innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft keine eigene Form der Produktionsverhältnisse entwickeln, eben weil das Eigentum der Arbeiterklasse auf der vollständigen Enteignung der Bourgeoisie und der Kollektivierung der Produktionsmittel beruht.
Bevor die Arbeiterklasse die Bourgeoisie wirtschaftlich enteignen kann, muss sie zunächst ihre politische Vorherrschaft errichten. Die Planwirtschaft – das wirtschaftliche Kennzeichen der Arbeiterherrschaft – erfordert die Kollektivierung des atomisierten Eigentums der einzelnen bürgerlichen Eigentümer. Die Enteignung der entscheidenden Sektoren der kapitalistischen Wirtschaft erfolgt in der Regel in relativ kurzer Zeit, da die Bourgeoisie dazu neigt, nicht an ihrer eigenen Auflösung mitzuwirken. Eine Rückführung des verstaatlichten Eigentums in Privateigentum wäre höchstwahrscheinlich ein langwierigerer Prozess:
„In den ersten Monaten der Sowjetherrschaft regierte das Proletariat auf der Grundlage einer bürgerlichen Wirtschaft… Sollte eine bürgerliche Konterrevolution in der UdSSR triumphieren, müsste sich die neue Regierung für einen langen Zeitraum auf die verstaatlichte Wirtschaft stützen. Aber was bedeutet ein solcher vorübergehender Konflikt zwischen Wirtschaft und Staat? Er bedeutet eine Revolution oder eine Konterrevolution“.[5]
Mehr als vierzig Jahre vor der Gründung von Solidarność projizierte Trotzki den Verlauf der kapitalistischen Restauration in einer Planwirtschaft nach der siegreichen Machtergreifung durch eine konterrevolutionäre Führung:
„Die Hauptaufgabe der neuen Macht würde darin bestehen, das Privateigentum an den Produktionsmitteln wiederherzustellen. Zunächst müssten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich aus den schwachen Kolchosen starke Landwirte entwickeln und die starken Kollektive in Erzeugergenossenschaften bürgerlichen Typs, in landwirtschaftliche Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Im Bereich der Industrie würde die Entstaatlichung mit der Leicht- und Nahrungsmittelindustrie beginnen. Das Prinzip der Planung würde sich in der Übergangszeit in eine Reihe von Kompromissen zwischen der Staatsmacht und den einzelnen „Konzernen“ – den potentiellen Eigentümern – verwandeln, d.h. zwischen den sowjetischen Industriekapitänen, den ehemaligen Emigranten und ausländischen Kapitalisten. Auch wenn die sowjetische Bürokratie die bürgerliche Restauration weitestgehend vorbereitet hat, müsste das neue Regime in der Frage der Eigentumsformen und der Methoden der Industrie nicht eine Reform, sondern eine soziale Revolution einleiten.“ Trotsky; “Not a Workers’ and Not a Bourgeois State?”, LTW 1937-38, 1976, p. 63-4 [6]
Neben der Wiederherstellung der kapitalistischen Verhältnisse in der Landwirtschaft (die in Polen bereits weit fortgeschritten war), in der Kleinwarenproduktion und im Einzelhandel würde eine „demokratische“ kapitalistische Restaurationsregierung auch versuchen, die Verbindungen zum kapitalistischen Weltmarkt zu stärken. All diese Maßnahmen wurden als wichtige Schritte bei der Schaffung einer „neuen Wirtschaftsstruktur“ vorgeschlagen, die im Solidarność-Programm vom Oktober 1981 skizziert wurde.
- Ein Stück polnische Geschichte
In Polen ist „die russische Frage“ buchstäblich mit der nationalen Frage verbunden. Polen als Nationalstaat, unterdrückt, geteilt und manchmal absorbiert, hat fast tausend Jahre lang um eine unabhängige nationale Existenz gekämpft. Der polnische Nationalismus, der eng mit der römisch-katholischen Kirche verwoben ist, richtete sich während eines Großteils dieser tausend Jahre gegen die Russen. Die in Polen weit verbreiteten antirussischen, antisowjetischen und antikommunistischen Gefühle spiegelten sich deutlich im Programm und in den Aktivitäten der Solidarność-Führung wider. Die Ironie dabei ist, dass, wenn es den kapitalistischen Restaurationisten von Solidarność gelungen wäre, die Massen hinter dem Banner der polnischen „Unabhängigkeit“ in einer erfolgreichen Konfrontation mit den Stalinisten zu versammeln, das Ergebnis darin bestanden hätte, Polen in eine erbärmliche Halbkolonie des westlichen Finanzkapitals zu verwandeln.
Nach dem Ersten Weltkrieg und der bolschewistischen Revolution tauchte Polen zum ersten Mal seit über einem Jahrhundert wieder als unabhängige Staatsmacht auf der europäischen Landkarte auf. Nach der Niederlage der Roten Armee vor den Toren Warschaus im August 1920 gelang es Polen unter der Führung von Marschall Pilsudski, einen erheblichen Teil seines Territoriums zu annektieren, darunter Teile der Ukraine, Weißrusslands und Litauens. Stalin gewann dieses Gebiet (und ein wenig mehr) im Zuge des Stalin-Hitler-Pakts kurzzeitig zurück. Hitler nahm Polen im Zuge seines unglückseligen Vormarsches nach Osten als „Kriegsbeute“ vollständig in Besitz. Am Ende des Krieges, als die Sowjetarmee die Nazis zurückdrängte, erwog Stalin ernsthaft, Polen als 17. Sowjetrepublik in die UdSSR zu integrieren. Nur die Möglichkeit, in Jalta mit dem Weltimperialismus zu paktieren, überzeugte ihn davon, die Wiedererstehung eines unabhängigen Nationalstaates zuzulassen. Doch das Polen von 1945 war 22 % kleiner als das von 1939. In Verbindung mit dem rücksichtslosen russischen Nationalismus der Kreml-Oberen sorgte dies für das Überleben der nationalistischen Feindseligkeit gegenüber den Sowjets, die schließlich in Form des Pilsudski-Kults während der Blütezeit der Solidarność aufblühte.
Polens physische Lage und Nähe zur UdSSR ist eine Tatsache, die von den selbsternannten „Trotzkisten“, den selbsternannten Verteidigern der Sowjets, die die eindeutig pro-imperialistischen Neigungen der Solidarność-Führung unterdrücken wollten, oft übersehen wird. Polen ist nicht Finnland. In der realen Welt ist Polen von immenser strategischer Bedeutung für die Verteidigung der UdSSR und den Erhalt des kollektivierten Eigentums in Osteuropa. Es war sowohl für Napoleon als auch für Hitler die wichtigste Landroute für den Einmarsch in Russland. Wenn die Panzer der NATO jemals aufbrechen, um den Kommunismus in der UdSSR „zurückzudrängen“, werden sie auch durch Polen kommen. Würde Polen aus dem Warschauer Pakt austreten, wäre Ostdeutschland – der wichtigste militärische Verbündete der Sowjetunion – isoliert. Jedes pro-sozialistische und antistalinistische Element in Polen muss diese Frage frontal angehen. Sie müssen sagen: „Russische Arbeiter! Wir sind eure Brüder, wir sind auch Kommunisten! Wir kämpfen gegen unseren und euren Feind: die Parteibürokraten! Kommt uns zu Hilfe!“ Dieser Aufruf wurde von keinem Element der Solidarność jemals gemacht. Walesa und der Rest der klerikalistischen Führung der Solidarność blickten auf der Suche nach ihrer Rettung nach Westen, nicht nach Osten.
Die Landbevölkerung
In der unmittelbaren Nachkriegszeit befürworteten die Russen, die die sowjetische Kollektivierung unter Stalin mitgemacht hatten, in Polen eine sofortige Umverteilung des Bodens unter den Mittel- und Kleinbauern und dann eine schnelle Kollektivierung. Es gab zaghafte Versuche der Zwangskollektivierung (die später aufgegeben wurden) während der Zeit des virtuellen Bürgerkriegs zwischen 1944 und 1947. Heute befinden sich mehr als drei Viertel der polnischen Ackerfläche in den Händen von Kleinbauern. Nach der Volkszählung von 1970 besaßen etwa 57 % der privaten Landwirte weniger als fünf Hektar. Diese Schicht wird oft als „Arbeiter-Bauern“ bezeichnet, weil ihr Einkommen nur zum Teil aus dem Land stammt. Die Existenz dieser Schicht sorgt für eine ständige Durchdringung zwischen Proletariat und Bauernschaft – ein Faktor, der bei der Verteidigung der Rural Solidarność durch die Gewerkschaft im März 1981 anschaulich demonstriert wurde.
Jean-Yves Potel berichtet von einer Bemerkung von Wieslaw Kecik, „KOR-Mitglied, zuständig für den Agrarsektor“, gegenüber einem französischen Gewerkschafter, der sich über die Unterstützung der Solidarność für die Forderung der Bauern nach individuellen Landtiteln wunderte:
„Land ist ihr Werkzeug. Aber die Regierung hat das Recht, jedes Stück Land zu beschlagnahmen, das leer steht oder zum Verkauf angeboten wird. Es besteht die ständige Gefahr einer ‚Kollektivierung‘. Auch wenn ein Bauer ’sein Land schlecht bewirtschaftet‘, kann es ihm weggenommen werden. …. Die Forderung nach einer Garantie für individuelles Eigentum ist in gewissem Sinne die Forderung nach einer Garantie für Beschäftigung und Kontrolle über die eigene Arbeit.“ [7]
Kecik fährt fort, dass die Bauern „Angst haben, dass der Staat ihnen das Land wegnimmt. Deshalb geben sie ihre gesamten Ersparnisse aus. Diese Häuser haben alle Annehmlichkeiten: Zentralheizung, fließendes Wasser und Toiletten“. Die mangelnde Bereitschaft der bäuerlichen Grundbesitzer, in die Mechanisierung oder andere Verbesserungen ihrer Höfe zu investieren, bedeutete, wie Potel es ausdrückte, „dass wir statt einer Kapitalakkumulation eine Dekapitalisierung der privaten Landwirtschaft erlebten“.[8]
Die vergeblichen Versuche der Stalinisten, die kleinen Landbesitzer zu beschwichtigen, die die Basis der katholischen Kirche bilden und eine natürliche Wählerschaft für pro-kapitalistische Strömungen darstellen, hatten den zusätzlichen „Vorteil“, die polnische Landwirtschaft lahmzulegen. Daniel Singer kommentiert:
„Die wirtschaftlichen Nachteile dieses hybriden Systems liegen auf der Hand: Mit einem Anteil von 30 % aller Arbeitskräfte, die noch auf dem Land beschäftigt sind, ist Polen ein Nettoimporteur von Lebensmitteln. Auch in politischer Hinsicht stellt diese Situation ein großes Hindernis für die Regierenden des Landes dar. Die Planer müssen sowohl die Reaktion der Bauern als auch die Unwägbarkeiten der Natur in Betracht ziehen. Die Parteiführer müssen bedenken, dass sie ein Land regieren, in dem mehr als ein Viertel der Bevölkerung private Landbesitzer sind.“[9]
Die Kirche
Als sich die sowjetische Armee 1944/45 durch Osteuropa kämpfte, handelte es sich bei den Ländern, die sie befreite, größtenteils um landwirtschaftliche und bäuerliche Wirtschaften (mit Ausnahme der Tschechoslowakei). Selbst der eroberte Teil Deutschlands war hauptsächlich das Territorium der Junker in Ostpreußen. In jedem dieser Länder machten sich die Stalinisten, von denen die meisten mit dem Gepäcktransport der sowjetischen Armee gekommen waren, schließlich daran, die politischen und sozialen Bedingungen der UdSSR zu reproduzieren. Dazu gehörte ein Programm der Zwangsindustrialisierung, der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und der Unterdrückung jeder Form von Widerstand gegen die neuen Regime.
In „Eine Geschichte der Volksdemokratien“ beschreibt François Fejto die Situation der Kirche in den ersten Jahren des stalinistischen Regimes:
„Bei Stalins Tod befanden sich die meisten führenden Persönlichkeiten der katholischen Kirche im Gefängnis. …. In Polen wurden 1951 und 1952 mehrere Bischöfe verhaftet, was einen Verstoß gegen das 1950 zwischen Staat und Kirche geschlossene Abkommen darstellte, und im Herbst 1953 wurde der Primas, Bischof Wyszynski, in einem Kloster unter Hausarrest gestellt… Tausende von widerspenstigen Priestern und Mönchen waren in allen Ländern des Ostens inhaftiert oder interniert worden….“.
„Zwischen 1945 und 1952 hatten alle Volksdemokratien die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abgebrochen, die päpstlichen Nuntien ausgewiesen und die bestehenden Konkordate aufgekündigt. Die katholische Presse wurde auf ein Minimum reduziert. Nur in Polen blieb der Religionsunterricht theoretisch obligatorisch, aber auch dort fanden die Behörden tausend und eine Ausrede, um das Gesetz zu umgehen.“[10]
Moskaus Feindseligkeit gegenüber der klerikalen Hierarchie hing mit der offen antikommunistischen Haltung des Vatikans in der vorangegangenen Periode zusammen. Während der Nazi-Besatzung hatte der Großteil des polnischen Klerus pro-faschistische Sympathien gezeigt:
„Die Mehrheit des katholischen Klerus sympathisierte weniger mit dem WICI (einer quasi linken Bauernjugendorganisation) als mit den faschistischen und antisemitischen Behauptungen der den Sejm dominierenden Hilfspriester. Ein gutes Beispiel dafür war der bekannte Abt Trzeciak, der in der katholischen Zeitung Maly Dziennik Hitlers rassistische Politik mit päpstlichen Enzykliken rechtfertigte.“ [11]
In den fünfunddreißig Jahren nach der sowjetischen Übernahme Polens hat die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PUWP) die Vorherrschaft der religiösen Reaktion nie ernsthaft in Frage gestellt. Selbst in der schlimmsten Zeit der Verfolgung wuchs die Kirche weiter und gewann an Einfluss. Da es dem Regime nicht gelang, den Einfluss der Geistlichen zu neutralisieren, änderte es in der Zeit nach Stalin seine Taktik. Im Jahr 1956 gab Gomulka die Versuche zur Kollektivierung der Landwirtschaft auf und führte gleichzeitig den Religionsunterricht in den Schulen und katholische Seelsorger in den Gefängnissen und Krankenhäusern wieder ein. Außerdem gab er die katholische Wochenzeitung Tygodnik Powszechny (die 1953 übernommen worden war, weil sie sich geweigert hatte, Stalins Nachruf auf der Titelseite zu veröffentlichen) an ihre ursprünglichen Herausgeber zurück. Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat waren in den letzten dreißig Jahren wechselhaft, aber im Allgemeinen haben die Stalinisten den Episkopat in einem erfolglosen Versuch, ihre eigene Herrschaft zu legitimieren, beschwichtigt.
Durch das Verbot jeder anderen Form von sozialer oder politischer Opposition etablierten die Stalinisten die moralische Autorität der Kirche in praktisch allen Bereichen der polnischen Gesellschaft. Die antiklerikalen Traditionen wichtiger Teile der Vorkriegsintelligenz und der Arbeiterbewegung verschwanden. Ein Antikommunist bemerkte süffisant:
„In anderen kommunistisch regierten Ländern, in denen die Kirche keinen Zugang zu jungen Menschen hatte oder aus historischen Gründen von großen Teilen der Bevölkerung isoliert war, verwandelte sich die wachsende Abscheu gegen den Kommunismus, seine Korruption, seinen Autoritarismus und vor allem seine systematischen Lügen allmählich in zynischen Konformismus oder Resignation, gefolgt von innerem Rückzug. Da sich die meisten Menschen in Polen mit den traditionellen Werten der Kirche wie Patriotismus und Integrität identifizierten, wuchs ihre moralische Autorität in den Augen der Bevölkerung stetig.“ [12]
Die „moralische Autorität“, die der Episkopat anhäufte, wurde durch die Solidarność in beträchtlichen weltlichen Einfluss umgesetzt. Die römisch-katholische Kirche in Polen ist keine klassenneutrale Institution. Sie setzt sich für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Weltordnung auf internationaler Ebene, die Zerstörung des atheistischen Marxismus und die Bewahrung des Heiligsten alles Heiligen ein: des Privateigentums. Dies sind Tatsachen, die sich nicht dadurch verbergen lassen, dass man Fabrikmassen, päpstliche Fahnen, heilige Jungfrauen und religiöse Prozessionen ignoriert.
Innerhalb der Hierarchie gab es einige Meinungsverschiedenheiten darüber, wie sie ihren Einfluss nutzen sollten. Kardinal Glemp, der in der Tradition von Kardinal Wyszynski stand, war vor allem daran interessiert, die Kontrolle über das Bildungswesen und den Zugang zu den Massenmedien zu verstärken. Zu diesem Zweck versuchte die Kirche, als Vermittlerin zwischen Solidarność und dem Regime aufzutreten, und nutzte jede Gelegenheit, um die städtische Arbeiterklasse zu missionieren. Der neu eingesetzte polnische Pontifex hatte eine etwas interventionistischere Tendenz. Oliver MacDonald beschreibt die Ausrichtung von Johannes Paul II:
„Der Papst war weit weniger nervös gegenüber der Volksbewegung als Wyszynski und daran interessiert, mit den weltlichen Kräften zusammenzuarbeiten und sie zu hegemonisieren. Im Vergleich zu Wyszynski spielte er die Bedeutung des traditionellen polnischen Nationalismus herunter und ermutigte die Bewegung stattdessen, die westlichen bürgerlichen Staaten als ihre Heimat anzusehen.“ [13]
Der politische Einfluss der arbeiterfeindlichen katholischen Hierarchie wurde durch die triumphale Reise des Papstes durch Polen im Sommer 1979 eindrucksvoll demonstriert, ein Ereignis, das weithin mit der Danziger Explosion im folgenden Sommer in Verbindung gebracht wird. In „The Road to Gdansk“ gibt Daniel Singer die folgende Beschreibung:
„Als der polnische Papst Johannes Paul II. 1979 sein Heimatland besuchte, riesige und begeisterte Menschenmengen versammelte, die politische Bühne beherrschte und als geistlicher Herr des Landes sprach, konnte seine Apotheose als Verurteilung des Regimes im fünfunddreißigsten Jahr seines Bestehens interpretiert werden. Sein Triumph war das Zeugnis für den ideologischen und politischen Bankrott eines vermeintlich kommunistischen Regimes. Das Urteil mag hart klingen, schließlich war Polen vor dem Krieg auch ein gläubiges katholisches Land. Zugegeben. Aber damals gab es auch eine antiklerikale Strömung unter Sozialisten, Kommunisten und einer fortschrittlichen Intelligenz, die die Kirche als eine Institution ablehnte, die Großgrundbesitzer unterstützte, Kapitalisten segnete, mit Antisemitismus kokettierte und mit Pilsudski und seinen Obersten in Sünde lebte. Die Macht der Kirche beruhte damals auf der Rückständigkeit eines in Dunkelheit gehaltenen Volkes und auf der Unterstützung der Mächtigen. Selbst unmittelbar nach dem Krieg sah sich die katholische Kirche weiterhin als Verteidigerin des Eigentums und der Privilegien gegenüber jeder fortschrittlichen Reform und trat auch so auf. Dann gelang es dem Regime, wenn ich so sagen darf, ihr eine neue Jungfräulichkeit zu verleihen.
„Es tat dies, kurz gesagt, indem es keine Alternative bot und mit seinem Bastard- und Unterdrückungsregime den Namen des Sozialismus selbst befleckte.“ [14]
Die Tragödie der polnischen Arbeiterklasse besteht darin, dass jahrzehntelange stalinistische politische Unterdrückung, unerfüllte Reformversprechen, ostentative Korruption und grobe wirtschaftliche Misswirtschaft Millionen von Proletariern in die Arme der klerikal-nationalistischen Reaktion trieben. Stalin soll den Vatikan als wichtigen Faktor in der Weltpolitik abgetan haben, indem er fragte, wie viele Spaltungen der Papst ausgleichen könne. Vielleicht besteht das größte Verbrechen des polnischen Stalinismus darin, dem Papst seine „Spaltungen“ geliefert zu haben.
III. Die Entstehung der Solidarność
In Europa und Amerika kam es in den 1970er Jahren zu einem dramatischen Rückgang der radikalen Welle von 1968. In Westeuropa fanden demoralisierte ehemalige Neolinke eine Heimat in den Sozialdemokratien, während in den Vereinigten Staaten ihre Pendants sich der Demokratischen Partei anschlossen. In beiden Fällen orientierten sich diese Schichten an der Politik der Gewerkschaftsbürokratie. In Polen hingegen war die einzige mächtige, vom Staat unabhängige gesellschaftliche Institution die katholische Kirche.
Jan Kott, ein Emigrant der 68er-Opposition, der 1979 nach Polen zurückkehrte, hat die reaktionären Tendenzen des letzten Jahrzehnts festgehalten:
„Drei Namen wurden leidenschaftlich gefordert: Dmowski [Führer der rechtsgerichteten Nationaldemokraten], Pilsudski und Daszynski [Führer von Pilsudskis Polnischer Sozialistischer Partei]. Einen Moment lang konnte ich nicht verstehen, was da vor sich ging. Ich rieb mir die Augen – an was erinnerte ich mich, an die Auswanderung nach London, an das anachronistische Warschau, in dem ich mich befand? Vor dem Krieg… aber vor welchem Krieg, dem zweiten? Nein, vor dem ersten Krieg!“ [15]
Die Entwicklung der Regimekritiker in den 1970er Jahren wurde durch Männer wie Jacek Kuron und Adam Michnik veranschaulicht. Michnik, angeblich „ein glühender Marxist in seiner frühen Jugend“, schrieb ein Buch mit dem bezeichnenden Titel „Die Kirche, die Linke, ein Dialog“, das 1977 in Frankreich veröffentlicht wurde. Czeslaw Milosz beschreibt dieses Buch im Vorwort zu einer 1985 erschienenen Sammlung von Michniks Essays als „eine entscheidende Wende im politischen Klima seines Landes“, da Michnik nun ein Bündnis zwischen der Kirche und den Dissidenten im Kampf für die „Freiheit“ vorschlug.
Mitte der 1970er Jahre hatte sich Kuron auch ziemlich weit von der allgemein linken Kritik am Stalinismus entfernt, die er 1965 in seinem berühmten „Offenen Brief“ an die PUWP formuliert hatte. Damals traten Kuron und sein Mitstreiter Karol Modzelewski für eine Arbeitermiliz als einzige politische und wirtschaftliche Autorität ein. Sie beklagten, dass „die bürokratische und reaktionäre Diktatur die traditionelle politische Rechte begünstigt“ und warnten vor „politisch rechten Gruppierungen und Strömungen, die von der Kirchenhierarchie angeführt werden und an den alten Peitschen der reaktionären Ideologie festhalten“.[16] Am Tag nach der Verteilung des „Offenen Briefes“ wurden sie verhaftet und angeklagt, den „gewaltsamen Umsturz“ des Staates zu befürworten. Als sie verurteilt wurden, sangen Kuron und Modzelewski mit ihren Anhängern im Gerichtssaal die „Internationale“.
Doch einige Jahre später sang Kuron ein anderes Lied. Er hatte entdeckt, dass „die katholische Bewegung für die Verteidigung der Gewissensfreiheit und der Menschenwürde kämpft“. Er schlug vor, dass Polen „einen ähnlichen Status wie Finnland anstreben sollte: eine parlamentarische Demokratie mit begrenzter Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Außenpolitik, wo es die Interessen der UdSSR direkt berührt“.[17] Die Verschmelzung von bürgerlichem „Pluralismus“, polnischem Nationalismus und machohaftem Katholizismus sollte zum Kernstück des Programms von Solidarność werden.
1976 gründeten Kuron und Michnik das KOR (Komitee zur Verteidigung der Arbeiter), eine sozialdemokratische Gruppierung von regimekritischen Intellektuellen und politischen Aktivisten. Das KOR entstand als Komitee zur Verteidigung von Aktivisten, die wegen ihres Widerstands gegen eine Welle von Preiserhöhungen im Jahr 1976 verfolgt wurden. Bald begann er, verschiedene bürokratische Grausamkeiten anzuprangern und öffentlich zu machen. Das politische Programm von Solidarność wurde in den „fliegenden Universitäten“ des KOR entwickelt, wo regimekritische Intellektuelle Kirchen als Unterrichtsräume für Vorlesungen zu staatlich verbotenen Themen nutzten. In Krakau war der damalige Erzbischof Wojtyla (heute Papst Johannes Paul II.) ein begeisterter Unterstützer dieser Unternehmung.
1979 gaben KOR-Sympathisanten eine halb geheime Wochenzeitung, Robotnik, mit einer geschätzten Auflage von zehn- bis zwanzigtausend Exemplaren heraus. KOR-Kader spielten während der gesamten Lebensdauer von Solidarność eine Schlüsselrolle als einflussreiche Berater. Ein junger Arbeiter aus Danzig sagte, nachdem er Michnik zugehört hatte: „Einige von uns, mich eingeschlossen, hatten ihre Zweifel an den Absichten, Mitteln und dem Ursprung des KOR. Jetzt weiß ich, dass die Solidarität aus dem KOR hervorgegangen ist. Früher haben sie es gesagt, jetzt sagen wir es“.[18] Ein von Alain Touraine befragter Arbeiter brachte die Entstehung von Solidarność treffend auf den Punkt: „Der KOR brachte uns zum Nachdenken, der Papst gab uns Mut.“ [19]
Die Verteidigung der parlamentarischen Demokratie durch die KOR, ebenso wie ihr Eintreten für eine größere „Freiheit“ des Marktes, fand großen Anklang bei den Arbeitern, die drei Jahrzehnte stalinistischer politischer Unterdrückung und Inkompetenz erlebt hatten. Auch das Weiße Haus reagierte wohlwollend. Timothy Garton Ash erklärt:
„Anfang 1977 wurden die aktivsten jungen Mitglieder des KOR verhaftet, und es wurde Material für einen Prozess gesammelt. Dann, im Juli 1977, wurden sie alle völlig unerwartet amnestiert… 1977 befand sich Gierek bereits in einer schweren finanziellen Notlage, während der „Helsinki-Prozess“ in vollem Gange war und die Carter-Administration die ausdrücklichste „Verbindung“ zwischen der wirtschaftlichen und der Menschenrechtskomponente der Entspannungspolitik herstellte. In diesem Jahr besuchten sowohl Bundeskanzler Schmidt als auch Präsident Carter Warschau. Auf einer Pressekonferenz lobte Carter Polens Haltung zu Menschenrechten und religiöser Toleranz und kündigte sogleich zusätzliche US-Kredite in Höhe von 200 Millionen Dollar an. Die ‚Verknüpfung‘ könnte kaum deutlicher sein.[20]
Giereks wirtschaftliches Desaster
Die Solidarność entstand im August 1980 als Reaktion der polnischen Arbeiter auf die tiefe Wirtschaftskrise, die das stalinistische Regime verursacht hatte. Ende der 1970er Jahre war klar, dass die Versuche des Gierek-Regimes, durch die Verpfändung der Wirtschaft an westliche Banken ein exportorientiertes Wachstum zu schaffen, ein kolossaler Misserfolg waren. Die Exporteinnahmen, die den Binnenkonsum und den Lebensstandard anheben sollten, wurden stattdessen zur Bedienung der angehäuften Schulden verwendet.
Die polnische Wirtschaft wurde durch die stalinistische Politik der Versöhnung mit den Bauern belastet. Aufgrund der geringen Größe ihrer Betriebe war eine Mechanisierung nicht durchführbar. Gleichzeitig führte das Misstrauen der Kleingrundbesitzer gegenüber dem Regime dazu, dass die Versuche, sie zum Erwerb von mehr Land und zum Kauf von Traktoren zu bewegen, nur wenig Erfolg hatten. Die einzige Möglichkeit, diese kapitalistischen Kleinbauern zu mehr Produktion zu bewegen, bestand in der Erhöhung der Preise, die sie erhielten. Damit riskierte man jedoch eine Konfrontation mit der Arbeiterklasse, die sich seit jeher gegen höhere Lebensmittelpreise wehrt. Die „Lösung“ der Bürokraten war ein ausgeklügeltes System staatlicher Subventionen, die einen immer größeren Teil des verfügbaren sozialen Überschusses aufzehrten. Während der gesamten 1970er Jahre stagnierte die inländische Nahrungsmittelproduktion, aber die Einkommen der Bauern (und die staatlichen Subventionen) stiegen weiter an. Im Jahr 1977 beliefen sich die Subventionen auf schätzungsweise 70 % des Einzelhandelspreises von Lebensmitteln in den Geschäften.
Nachdem die imperialistischen Finanziers die Kreditvergabe an das Regime endgültig eingeschränkt hatten, war Gierek 1980 gezwungen, die Fleischpreise zu erhöhen. Dies löste eine massive Welle des Widerstands der Arbeiterklasse aus, genau wie die vorangegangenen Versuche einer Preiserhöhung in den Jahren 1970 und 1976. Im Jahr 1980 war die Krise des Regimes jedoch viel schwerer als je zuvor. Diesmal hatte der Großteil der Arbeiter, einschließlich der meisten Mitglieder der PUWP – etwa zehn Prozent des Industrieproletariats – das Vertrauen in alle Flügel der herrschenden Elite verloren. Frühere Aufstände hatten keine neuen Organisationsstrukturen geschaffen, während die Streikwelle vom August 1980, die sich von Danzig aus rasch über das ganze Land ausbreitete, die Solidarność hervorbrachte, die erste unabhängige Gewerkschaft in einem [bürokratisierten Arbeiter-]Staat.
Die Danziger Vereinbarungen von 1980
Die Abkommen von Danzig und Stettin spiegeln das Kräfteverhältnis im Herbst 1980 wider. Adam Michnik bemerkte: „Für beide Seiten war dieser Kompromiss eine Vernunftehe, keine Liebesheirat“.[21] Der stalinistische Apparat räumte die Gründung einer echten „autonomen“ Gewerkschaft ein. Im Gegenzug erklärte sich die Solidarność bereit, den stalinistischen Grundsatz der „führenden Rolle“ der PUWP zu respektieren und das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln zu achten. Während wir die Klausel über die „führende Rolle“ und die Forderung nach „Zugang zu den Massenmedien durch religiöse Organisationen im Rahmen ihrer religiösen Aktivitäten“ abgelehnt hätten, waren der Auguststreik und die meisten Bedingungen des Abkommens sicherlich vertretbar. Die Trotzkisten konnten die Stärkung der polnischen Arbeiter gegenüber den stalinistischen Bürokraten und ihrem Polizeiapparat nur begrüßen. Gleichzeitig war es notwendig, sich entschieden gegen die zunehmend prowestliche und klerikalistische Ausrichtung der Gewerkschaftsführung auszusprechen.
Das Danziger Abkommen vom August konnte jedoch nur eine vorläufige Lösung des Konflikts darstellen. In einer Zeit sinkender Produktion und steigender internationaler Verschuldung war es utopisch, zu erwarten, dass die „Politik“, die ausschließlich der PUWP vorbehalten sein sollte, auf Dauer von der Wirtschaft abgekoppelt werden könnte. Im Winter und Frühjahr 1980/81 war die Solidarność aufgrund ihres eigenen Erfolgs gezwungen, Antworten auf der Ebene der Gesamtwirtschaft zu finden.
Angesichts des klerikal-nationalistischen Charakters der Gewerkschaftsführung ist es nicht verwunderlich, dass ihre „Reformen“ nicht auf die Verteidigung des verstaatlichten Eigentums an den Produktionsmitteln ausgerichtet waren.
Die Bromberger Krise: Solidarność am Rande des Abgrunds
Ende März 1981 kam es zu einer entscheidenden Konfrontation zwischen Solidarność und dem Regime. Es ging um die Legalisierung der „Ländlichen Solidarność“ – einer Kulaken-„Gewerkschaft“, die gegründet wurde, um die kolossale Unterstützung aufrechtzuerhalten, die die staatlichen Subventionen für ineffiziente private Agrarproduzenten darstellten. Die katholische Hierarchie, die sich seit jeher auf die polnische Bauernschaft stützt, war entschlossen, die Anerkennung der Solidarność Rural durchzusetzen, und intervenierte mehrmals direkt bei der Regierung.
Am 19. März 1981 stürmten 200 Polizisten die Präfektur von Bydgoszcz und schlugen Jan Rulewski, einen lokalen Solidarność-Führer, der sich mit einer Gruppe von Solidarność-Mitgliedern aus dem ländlichen Raum traf. Dies löste am 27. März einen einstündigen Warnstreik von Millionen von Solidarność-Arbeitern aus. Die Solidarność-Führung drohte am 30. März mit einem unbegrenzten Generalstreik, falls ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Angesichts des beeindruckenden und entschlossenen Auftretens der polnischen Arbeiter (einschließlich eines großen Teils der PUWP) gab das Regime nach und erklärte sich bereit, Solidarność Rural anzuerkennen.
Solidarność gewann eine Razzia in Bydgoszcz, aber die Bereitschaft der Führung zu einem Kompromiss mit der Regierung – auf den das Episkopat drängte – führte zu Unzufriedenheit in Teilen der Basis, die der Meinung waren, dass mehr Zugeständnisse hätten erreicht werden können. In diesem Fall agierte Walesa als Vertreter der Hierarchie innerhalb der Solidarność-Führung und setzte sich letztlich durch. Walesa sagte: „Was wirklich passierte, war, dass wir Gefahr liefen, uns zu spalten, insbesondere von der Kirche. In solchen Momenten muss man einen Rückzieher machen“.[22] Doch nicht alle waren mit dem Ergebnis zufrieden. Oliver MacDonald kommentierte, dass nach Bydgoszcz:
„Die Massen neigten dazu, in andere Richtungen abzudriften, da die Wirtschaftskrise immer schwerer wog und Solidarność nicht stark genug schien, um ihre Probleme zu lösen. Einige begannen, sich nach einer wie auch immer gearteten starken Regierung zu sehnen, andere stürzten sich in wilde Aktionen, die sich der Kontrolle der Solidarność -Führung entzogen. Die Aktivisten der Bewegung begannen, nach radikaleren politischen Antworten auf die Krise zu suchen, die über rein gewerkschaftliche Ziele hinausgingen.[23]
- Der Kongress 1981. Solidarność überschreitet den Rubikon
Als das Vorläufige Koordinationskomitee (TKK) von Solidarność 1985 an die Oberfläche trat, enthielt sein Wirtschaftsprogramm folgende Forderungen:
„Neben dem Staatseigentum in der Volkswirtschaft muss es Raum für ein breites Spektrum an Privateigentum geben, das auch die Industrie einschließen muss … Ein fairer Wettbewerb muss darüber entscheiden, welche Art von Eigentum in den verschiedenen Bereichen der Volkswirtschaft vorherrschen wird.
„Neben den Zentralbanken muss es Depositenbanken geben, die als unabhängige Unternehmen agieren und durch die Vergabe von Krediten gegen Zinsen Gewinne erzielen.
„Neben dem Markt für Waren und Dienstleistungen sollte es einen Aktienmarkt geben, der es jedem ermöglicht, Aktien und Anleihen zu kaufen, um eine der Kapitalquellen für die Entwicklung der Unternehmen zu werden.
„Der Markt sollte die Möglichkeit haben, die Preise zu bestimmen.
„Im Falle unrentabler Unternehmen sollte das Prinzip des Konkurses und der Zahlungsunfähigkeit energisch respektiert werden.
„Ausländisches Privatkapital muss rechtlich garantierte Bedingungen für sichere Investitionen in Polen erhalten, u.a. auch in Form von gemeinsamen privat-staatlichen Kapitalgesellschaften.“ [24]
Neben der „Arbeiterverwaltung“ haben wir eine „Arbeiter“-Börse, „Arbeiter“-Privatbanken, private Auslandsinvestitionen und natürlich „Arbeiter“-Konkurs- und Arbeitslosenlinien. Die meisten Sozialisten hätten keine Schwierigkeiten, diese Forderungen als Aufruf zur Wiedereinführung einer wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft, d.h. des Kapitalismus, zu erkennen. Aber die Vorschläge von 1985 sind im Wesentlichen die gleichen wie die marktorientierten Vorschläge, die vier Jahre zuvor vom Solidarność-Kongress angenommen wurden.
Der Nationalkongress 1981: demokratisch und autoritär
Bis zu ihrem Nationalkongress im September/Oktober 1981 war der Charakter von Solidarność historisch unbestimmt. Einerseits war Solidarność das Ergebnis eines Massenaufstandes der polnischen Arbeiterklasse – einschließlich eines Drittels der Mitglieder der regierenden PUWP. Auf der anderen Seite wurde sie von einer Gruppe von Männern dominiert, die mit der katholischen Kirche verbunden waren und mit den „demokratischen“ Imperialisten sympathisierten. (Im Herbst 1980 hatte Walesa die Wahl von Reagan als „gutes Zeichen“ für Polen begrüßt). Walesa und seine Kumpane wurden allgemein als Führer der Bewegung anerkannt, aber sie verfügten weder über einen Mechanismus zur Durchsetzung ihres Willens noch über ein klares Mandat ihrer Anhängerschaft.
Diese anomale Situation wurde durch den Delegiertenkongress der Gewerkschaft gelöst. Es handelte sich um eine äußerst demokratische Versammlung, die vollständig repräsentativ war und daher unbestrittene Autorität besaß. Lawrence Weschler berichtet:
„Kaum ein Jahr alt, hatte Solidarność nicht nur eine Mitgliederzahl von etwa zehn Millionen erreicht, sondern es war ihr durch ein ausgeklügeltes dezentrales Verfahren sogar gelungen, alle zehn Millionen in die Abfolge von Basisabstimmungen, lokalen Versammlungen und regionalen Kongressen einzubeziehen, die schließlich die Vertreter auswählten, die sich in der Halle versammelten.“ [25]
Die Delegierten waren auf lokalen und regionalen Versammlungen frei gewählt worden. Auf dem Kongress wurde eine offene Debatte gefördert, und jeder Delegierte konnte das Wort ergreifen und sich zu jedem beliebigen Punkt äußern. Nach einer sechstägigen vorbereitenden Sitzung, in der verschiedene Vorschläge diskutiert wurden, gingen die Delegierten in ihre Wahlkreise, um sich zu beraten und Anweisungen zu erteilen.
Timothy Carton Ash berichtete über die Beratungen, die stattfanden, um die endgültige Tagesordnung festzulegen:
„In der Zeit zwischen den beiden Runden [des Kongresses] verbrachten über hundert Delegierte, die in dreizehn Arbeitsgruppen organisiert waren, mehrere hundert Stunden mit der Ausarbeitung eines endgültigen Programmentwurfs, der aus acht „Kapiteln“ und siebenunddreißig „Thesen“ bestand. In der zweiten Runde des Kongresses wurde dann über jedes der Kapitel debattiert und abgestimmt, wobei zahlreiche Änderungsvorschläge der Teilnehmer eingearbeitet wurden.“ [26]
Wie Alain Touraine kommentierte, war die „sorgfältige formale Demokratie eine Garantie für die Legitimität der Bewegung und machte die Entscheidungen des Kongresses unanfechtbar“.[27]
Das Wirtschaftsprogramm der Solidarność: ein restauratives Dokument.
Dieser zutiefst demokratische Prozess führte zu einer politischen Kristallisierung von Solidarność als prokapitalistische politische Bewegung. Obwohl sie zweifelsohne den Großteil der polnischen Arbeiterklasse umfasste, war Solidarność nicht mehr nur eine Arbeitergewerkschaft. In ihrem Programm hieß es: „Wir sind eine Organisation, die die Merkmale einer Gewerkschaft und einer großen sozialen Bewegung vereint“. Tatsächlich waren die meisten der fast 900 Delegierten des Kongresses keine Arbeiter.
Das schließlich im Oktober 1981 verabschiedete Programm ist der genaueste Maßstab für den politischen Charakter dieser sozialen Bewegung. Es ist ein Dokument, das nicht als „unzureichend“, „unvollständig“ oder „widersprüchlich“ abgetan werden kann, wie einige Befürworter meinen. Viele der Forderungen des Solidarność-Programms betreffen Themen von marginaler Bedeutung; die Forderung nach angemessener Heizung und Nahrung für ältere Menschen oder nach Umweltschutz sind an sich unbedenklich. Aber sie sind auch politisch unbedeutend. Der Kern des Dokuments ist ein Vorschlag zur radikalen Abschaffung der polnischen Planwirtschaft zugunsten eines „neuen Wirtschafts- und Sozialsystems“, in dem die Marktkräfte herrschen sollen.
Wir schlagen vor, einige Schlüsselabschnitte des Programms zu analysieren. Das Dokument besteht aus acht Abschnitten und umfasst siebenunddreißig Thesen. Viele dieser Thesen haben Unterabschnitte. Der Einfachheit halber geben wir den Ort des zitierten Materials wie folgt an: den Abschnitt (in römischen Ziffern), die Nummer der These und die Nummer des Unterpunkts (falls vorhanden). So bezieht sich „III.1.1“ auf Abschnitt drei, These eins, Unterpunkt eins.
„Die Struktur der wirtschaftlichen Organisation im Dienste des Kommandosystems muss aufgebrochen werden. Es ist notwendig, den wirtschaftlichen Verwaltungsapparat von der politischen Macht zu trennen.“
-III.1.1
„Es ist notwendig, die bürokratischen Schranken zu beseitigen, die das Funktionieren des Marktes unmöglich machen. Die zentralen Organe der Wirtschaftsverwaltung dürfen die Tätigkeit der Unternehmen nicht einschränken und ihnen keine Lieferanten und Abnehmer für ihre Produktion vorschreiben. Die Unternehmen müssen frei auf dem Binnenmarkt agieren können, außer in Bereichen, in denen eine Lizenz erforderlich ist. Der internationale Handel sollte für alle Unternehmen zugänglich sein….. Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sollte das Preisniveau bestimmen“.
-III.1.3
Die Forderung, „die bürokratischen Schranken zu beseitigen, die das Funktionieren des Marktes unmöglich machen“, ist kein Programm zur Reform des Systems des verstaatlichten Eigentums. Die Trennung zwischen Politik und Wirtschaft ist gerade ein Merkmal der Marktwirtschaft; in einer kollektivierten und geplanten Wirtschaft gehen beide ineinander über. Die Beseitigung der Hindernisse für das freie Funktionieren des Marktes bedeutet den Abbau der zentralen Planung. Dies ist ein Vorschlag für eine grundlegende Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse, d.h. eine gesellschaftliche Konterrevolution.
Der Satz „Der internationale Handel muss für alle Unternehmen zugänglich sein“ bedeutet, was er sagt: Das staatliche Außenhandelsmonopol muss abgeschafft werden und jedes Unternehmen muss Zugang zum Weltmarkt haben. Dieser Vorschlag zur Abschaffung des Außenhandelsmonopols, den Trotzki als unabdingbare Voraussetzung für die Verstaatlichung des Eigentums formulierte, wird in III.3.2 bekräftigt:
„Es ist notwendig, die überschüssigen Materialien, Maschinen und Anlagen zu verwerten, indem man ihren Verkauf ins Ausland erleichtert und sie an private Unternehmen innerhalb Polens verkauft. Bestehende Beschränkungen für die Tätigkeit solcher Unternehmen sollten aufgehoben werden.
Dies ist eine unverhüllte Forderung nach der Schaffung eines Marktes für Produktionsmittel und der Aufhebung der Beschränkungen für das Recht der Unternehmen, die Produktionsmittel auf dem internationalen kapitalistischen Markt zu verkaufen; mit anderen Worten: nach der Zerstörung der Eigentumsformen der Arbeiterklasse.
Arbeitslosigkeit, Armut, regionale Ungleichheit: die „Reform“ von Solidarność.
„Das Marktgleichgewicht wird vor allem durch eine Steigerung der Produktion und des Angebots an Waren wiederhergestellt. Dies wird jedoch nicht ausreichen, um das Marktgleichgewicht kurzfristig wiederherzustellen. Es wird auch notwendig sein, die Nachfrage nach Gütern zu senken.“
-III.4
Dies ist eine Vorwegnahme des sinkenden Lebensstandards als eine der „sozialen Kosten“ der Wiederherstellung des Marktgleichgewichts. Neben der Arbeitslosigkeit und der Verringerung des Lebensstandards sieht das Programm im Rahmen der „neuen Wirtschaftsordnung“ auch wachsende Ungleichheiten zwischen Unternehmen und Regionen vor.
„Die Wirtschaftsreform wird die Gefahr großer sozialer und einkommensmäßiger Ungleichheiten zwischen Unternehmen und Regionen mit sich bringen. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass solche Ungleichheiten minimiert werden können.
„Unsere Bemühungen werden darauf gerichtet sein, a) die sozialen Maßnahmen und die Wohlfahrtsaktivitäten der Unternehmen in die Verantwortung der regionalen Selbstverwaltungsorgane zu stellen und b) einen sozial kontrollierten nationalen Fonds für den Kapitaltransfer von einer Region in eine andere zu schaffen ….“
-III.8
Die Planer des „neuen Sozial- und Wirtschaftssystems“, das im Programm von Solidarność von 1981 skizziert wurde, wussten, dass eine marktgesteuerte Wirtschaft reale Kosten für die Arbeiterklasse mit sich bringen würde, darunter Arbeitslosigkeit und wachsende regionale Ungleichheiten. Also fügten sie ein wenig Rhetorik über die Fürsorge für die Opfer hinzu, in der Art bürgerlicher Politiker, die ein „Sicherheitsnetz“ versprechen, um diejenigen aufzufangen, die durch die Maschen der Ausbeutung des freien Marktes fallen.
In einer Planwirtschaft gibt es keinen Bedarf an Hilfen für Arbeitslose, keinen Bedarf an einem Sonderfonds zum Ausgleich regionaler und betrieblicher Ungleichheiten; diese sind nur notwendig, wenn das Wertgesetz die Produktion bestimmt. In einer Planwirtschaft werden die Arbeiter nicht nach der Rentabilität ihres Unternehmens entlohnt. Es gibt keine strukturelle Arbeitslosigkeit. Diejenigen, die das wirtschaftliche „Reform“-Paket von Solidarność ausgearbeitet haben, wussten, wovon sie sprachen, trotz der Alibis ihrer „trotzkistischen“ Beifallspender.
Anbiederung an die Kulaken
„Grundsätzlich sollte die bäuerliche Wirtschaft einen großen Anteil an den Produktionsmitteln erhalten, insbesondere an landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen, Düngemitteln und Futtermitteln (vor allem der eiweißreichen Sorte). Dies wird eine höhere Nahrungsmittelproduktion ermöglichen, da die bäuerliche Wirtschaft effizienter ist als der sozialisierte Sektor.“
-III.3.4
Hier haben wir eine explizit pro-kapitalistische Forderung, die von den linken Apologeten von Solidarność oft ignoriert wird. Die polnischen Kleinbauern sind nicht effizient: Ihre geringe Produktivität ist ein Hemmschuh für die Wirtschaft. Die Kulakenschicht, der die Solidarność-Reform zugute kommen sollte, ist wesentlich effizienter als die Kleinbauern. Jean-Yves Potel beschreibt einen von ihnen, einen „Großgrundbesitzer“:
„Der Mann war etwa 40 Jahre alt. Seine Frau arbeitete nicht, und er beschäftigte einen Hilfsarbeiter. Sein Haus war groß und neu, gebaut im Stil der französischen Ärztehäuser. Die Zimmer waren überdekoriert und geschmacklos. Er war ein Neureicher, der mit seinem Geld prahlte. Er führte sie ins Wohnzimmer: Teppichboden und ein gut bestückter Getränkeschrank: Champagner, Liköre, Aperitifs… Draußen war der Rasen tadellos. In der Garage standen ein kleiner Lastwagen und ein schnittiger Mercedes. Er nahm seine Gäste mit zu den Gewächshäusern. Sie waren gut gepflegt und beherbergten je nach Jahreszeit Blumen oder Gemüse.
„Der Gärtner war ein Befürworter der Bauerngewerkschaft und war ihr sogar schon beigetreten. André fragte den Vizepräsidenten der Gewerkschaft, der mit ihnen gekommen war: „Habt ihr keine Probleme mit dieser Art von Mitgliedschaft?
„Alle Bauern haben das Recht, der Gewerkschaft beizutreten.[28]
Solidarność Rural war zwangsläufig das politische Vehikel dieser Person und anderer wie ihm. Diese Schicht übte auf dem Lande einen Einfluss aus, der in keinem Verhältnis zu ihrer Zahl stand. Unterstützt von Millionen kapitalistischer Kleinbauern, die eng mit der klerikalen Hierarchie verbunden waren, bildeten die Kulaken einen integralen Bestandteil der sozialen Basis des Restaurationismus in Polen. Das Solidarność-Programm sah vor, Mittel aus den kollektivierten Betrieben abzuziehen, um die Entwicklung dieser Schicht zu beschleunigen. Soweit wir wissen, war keiner von Walesas Legion „trotzkistischer“ Befürworter, die Solidarność als eine Bewegung mit einer inhärent „sozialistischen“ Dynamik betrachten, bisher in der Lage zu erklären, wie die Anbiederung an die Kulaken die Interessen der polnischen Arbeiter fördern sollte.
Der Selbstverwaltungsplan der Solidarność.
„Es muss eine neue Wirtschaftsstruktur aufgebaut werden. Bei der Organisation der Wirtschaft wird die Grundeinheit ein kollektiv verwaltetes soziales Unternehmen sein … Es wird in Managementfragen wirtschaftliches Kalkül anwenden. Der Staat wird in der Lage sein, die Tätigkeit des Unternehmens durch verschiedene Vorschriften und wirtschaftliche Instrumente – Preise, Steuern, Zinssätze usw. – zu beeinflussen“.
-III.1.2
Die Forderung der Solidarność nach einer „Selbstverwaltung“ der Wirtschaft durch die Arbeiter wird von ihren linken Apologeten oft als die fortschrittliche und arbeiterfreundliche Seite ihres Programms dargestellt. Jedem, der mit den grundlegenden Lehren des Sozialismus vertraut ist, sollte jedoch klar sein, dass dieser Vorschlag nichts mit einem Kampf der Arbeiterklasse zu tun hat, der der Bürokratie die Kontrolle über die Wirtschaftsplanung entreißt. Selbstverwaltung“, wie sie von Solidarność ausgearbeitet wurde, bedeutete die „Befreiung“ jedes Unternehmens vom zentralen Plan. Jeder Betrieb wäre autonom, und die Zentralbehörde könnte die Produktion nur indirekt beeinflussen. Jeder Betrieb würde seine Tätigkeit nach „wirtschaftlichem Kalkül“, d. h. nach Gewinn und Verlust, bestimmen. Damit wären die wesentlichen Voraussetzungen für den Übergang zu einem kapitalistischen Privateigentumssystem geschaffen.
Man muss kein Trotzkist sein, um die Bedeutung der von Solidarność vorgeschlagenen „Selbstverwaltung“ zu verstehen. Garton Ash fasste es wie folgt zusammen: „Das ‚vergesellschaftete Unternehmen‘ würde ‚unabhängig auf der Grundlage der ökonomischen Buchführung‘ handeln (d.h. Gewinne machen).“ [29] Lawrence Weschler stellte fest:
„Es gibt verschiedene Konzepte für Samorzad, aber die Grundidee geht in etwa so: Das Unternehmen (Fabrik, Verlagshaus, Fluggesellschaft oder was auch immer) wäre Gemeinschaftseigentum der Arbeiter, die es betreiben. (Derzeit gehört es dem Staat, der wiederum angeblich – aber nur angeblich – den Arbeitern gehört.) ) Die Arbeiter würden einen repräsentativen Vorstand wählen, der ständig überprüft und abberufen werden könnte, und der Vorstand würde einen Geschäftsführer ernennen, der nur dem Vorstand gegenüber rechenschaftspflichtig wäre. Der Staat würde seinen Einfluss durch wirtschaftliche Instrumente (Steuern, Zölle, Investitionskredite usw.) oder normative Gesetze (Verordnungen, Umweltnormen usw.) geltend machen, aber ansonsten würde er beiseite treten und das freie Spiel des Marktes die Wirtschaft rationalisieren lassen.“ [30]
Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre in der Sowjetunion sprachen sich nicht offen für die Rückgabe der Produktionsmittel an die Bourgeoisie aus, sie wollten die Dinge nur ein wenig für die Marktkräfte öffnen. Wenn die zentral verwaltete Wirtschaft in autonome Einheiten zerfällt, deren Interaktionen von „wirtschaftlichem Kalkül“ bestimmt werden, hört das kollektive Eigentum auf zu existieren, und zwar nur dem Namen nach. In seinem Schreiben von 1928 nahm Trotzki das Wesen der Selbstverwaltung der Solidarność als kritisches Moment des Übergangs zurück zur Marktwirtschaft vorweg.
„Trusts und einzelne Fabriken werden beginnen, ein unabhängiges Leben zu führen. Von den planmäßigen Anfängen, die gegenwärtig so schwach sind, wird keine Spur mehr übrig sein. Der wirtschaftliche Kampf der Arbeiter wird unbegrenzten Spielraum erhalten, mit Ausnahme des Kräfteverhältnisses. Das Staatseigentum an den Produktionsmitteln wird sich zunächst in eine juristische Fiktion verwandeln, später wird auch dieses weggefegt werden.“ [31]
Unter den Heerscharen von angeblich „defensiven sowjetischen“ Pseudotrotzkisten haben wir einige „Vordenker“ getroffen, die versuchen, das offen prokapitalistische Programm von Solidarność zu rechtfertigen, indem sie auf die marktorientierte „Perestroika“ verweisen, die derzeit den Sowjetblock überrollt. Sie sind bereit zuzugeben, dass Walesa und seinesgleichen konterrevolutionär und pro-kapitalistisch waren, behaupten aber, dass die Stalinisten nicht besser sind.
Die Trotzkisten lehnen Gorbatschows Vorschläge zum „Marktsozialismus“ gerade deshalb ab, weil sie die internen restaurativen Kräfte stärken werden. Es muss jedoch unterschieden werden zwischen den Vorschlägen von Leuten wie Walesa, die ideologisch und praktisch offen mit den Imperialisten verbunden sind, und den Vorschlägen der stalinistischen Bürokraten, deren Privilegien sich aus ihrer Rolle als Verwalter des verstaatlichten Eigentums ergeben. Die Bürokratie erzeugt und fördert restaurative Strömungen, aber sie kann sich den Kapitalismus insgesamt nicht zu eigen machen, ohne ihre eigene soziale Funktion abzuschaffen und sich selbst zu liquidieren. Walesa, die klerikale Hierarchie, die Privatbauern und die pro-imperialistischen „Sozialisten“ des KOR haben keine ähnliche Bindung an das Planungsprinzip.[32]
Solidarność lehnt das sozialistische Feigenblatt ab.
Damit keine Zweifel an der Ausrichtung der wirtschaftlichen Vorschläge von Solidarność aufkommen, ist es aufschlussreich, die Reaktion des Kongresses auf die vielleicht einzigen beiden Gelegenheiten zu betrachten, bei denen das Wort „Sozialismus“ überhaupt erwähnt wurde. Timothy Garton Ash stellt fest:
„Das Wort ‚Sozialismus‘ kommt im Programm nicht vor. Der erste Entwurf der Intellektuellen hatte neben der christlichen Ethik, den nationalen Traditionen und der demokratischen Politik eine Schuld gegenüber dem ’sozialistischen Gesellschaftsdenken‘ anerkannt: In der demokratischen Debatte wurde das Adjektiv ’sozialistisch‘ gestrichen“. [33]
Bei der zweiten Gelegenheit verkündete Professor Edward Lipinski, Gründer des KOR und seit langem mit Pilsudskis Polnischer Sozialistischer Partei (PPS) aus der Vorkriegszeit verbunden, die Auflösung des KOR und prangerte die Regierung des Verrats an den „sozialistischen Idealen“ seiner Jugend an. Es wurde vorgeschlagen, dem KOR für seine Beiträge zur Solidarność zu danken, aber eine von Niezgodzki eingebrachte Gegenresolution lehnte selbst diesen beiläufigen Hinweis ab. Touraine erklärt:
„Niezgodzkis Antrag war ein klarer Ausdruck eines KOR-feindlichen Nationalismus und wurde von allen als solcher verstanden, zumal allgemein bekannt war, dass Masowien [Niezgodzkis Heimatbezirk] Schauplatz mehrerer gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen „echten Polen“ und KOR-nahen Aktivisten gewesen war.“ [34]
Die Polnische Sozialistische Partei, auf deren Traditionen sich Lipinski nostalgisch berief, war eine polnische sozialdemokratische und nationalistische Formation, gegen die die eigentlichen Begründer des polnischen Marxismus, Rosa Luxemburg und Leo Jogiches, fast ihr ganzes Leben lang gekämpft hatten. Aber selbst diese Art von „Sozialismus“ war den meisten Konferenzteilnehmern offenbar zuwider. Episoden wie diese widerlegen die Behauptung, dass es innerhalb der Solidarność eine bedeutende linke Opposition gab. Die einzige erkennbare Opposition zu Walesa und seinen Beratern im KOR, die aus diesem Kongress hervorging, kam eindeutig von rechts.
Das politische Programm: bürgerlicher Pluralismus und „Demokratie“.
Auf dem Solidarność-Kongress ging es nicht nur um die Wirtschaft. Vor mehr als hundert Jahren erklärten Marx und Engels, dass der Kampf des Proletariats um seine Emanzipation in erster Linie ein politischer Kampf ist. Nicht minder politisch ist der Kampf der Konterrevolution gegen die historischen Fortschritte der Arbeiterklasse, wie wir uns erinnern. Die reaktionären Kräfte verfolgen ihre Ziele selten nur unter dem Banner des Privateigentums an den Produktionsmitteln. In einer Gesellschaft, in der die Mehrheit keine Fabriken, Banken oder Bauernhöfe besitzt, ist die Anziehungskraft einer solchen Parole verständlicherweise begrenzt. Deshalb maskiert die Bourgeoisie ihre Absichten oft mit Phrasen, die in der Bevölkerung mehr Anklang finden. Die Parolen von Gott, Familie, Kirche und Nation sind auch heute noch mächtige Waffen im ideologischen Arsenal der Reaktion. Die abstrakten Plattitüden von Freiheit, Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten, mit denen die Imperialisten ihren globalen antikommunistischen Kreuzzug führen, sind jedoch besser für ein säkulares Zeitalter geeignet.
Wir wenden uns kompromisslos gegen das Monopol der stalinistischen Bürokratie über das politische Leben der degenerierten und deformierten Arbeiterstaaten. Wenn jedoch „Freiheit“ und „Demokratie“ gegen die stalinistischen Regime ins Feld geführt werden, sind wir nicht weniger verpflichtet als in den kapitalistischen Ländern, die grundlegenden marxistischen politischen Kriterien anzuwenden und zu fragen: Demokratie für wen? In den deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten kämpfen die Trotzkisten für die Arbeiterdemokratie: das Recht aller Gruppen und Tendenzen in der Arbeiterklasse, ihre Ansichten zu äußern, um die gemeinsamen Ziele der Klasse zu fördern. Das schließt nicht die „Freiheit“ für eine prokapitalistische Presse ein, vorsätzliche Lügen zu verbreiten, oder die „Freiheit“ für Weißgardisten, schwarze Zenturien oder ihre heutigen Jünger, zu Pogromen aufzuhetzen. Marxisten erkennen nicht das „Recht“ der CIA und anderer Agenturen der kapitalistischen Staaten an, „schwarze Propaganda“ und politische Intrigen östlich der Elbe zu betreiben. Die Demokratie ist, wenn sie von ihrem Klasseninhalt losgelöst wird, immer eine Waffe in den Händen des Klassenfeindes. Doch genau diese klassenübergreifende Definition von Demokratie hat Solidarność in ihrem politischen Programm festgeschrieben.
Abschnitt VI des vom Solidarność-Kongress verabschiedeten Programms enthält einen Vorschlag für eine „Selbstverwaltete Republik“. These 19 trägt den Titel „Der Pluralismus der sozialen, politischen und kulturellen Ideen muss die Grundlage der Demokratie in der Selbstverwaltungsrepublik bilden.“ Unterpunkt eins kündigt an:
„Wir werden sowohl für die Veränderung der staatlichen Strukturen als auch für die Entwicklung unabhängiger und autonomer Institutionen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens kämpfen …. Wir sind der Meinung, dass Pluralismus, Demokratie und der volle Genuss der verfassungsmäßigen Rechte die Garantie dafür sind, dass die Anstrengungen und Opfer der Arbeiter nie wieder umsonst waren“.
In Unterpunkt vier wird der Vorschlag für einen bürgerlichen Pluralismus näher erläutert:
„Wir sind der Meinung, dass die Grundsätze des Pluralismus auf das politische Leben angewandt werden müssen. Unsere Gewerkschaft wird Bürgerinitiativen unterstützen und schützen, die versuchen, der Gesellschaft verschiedene sozialpolitische und wirtschaftliche Programme vorzuschlagen“.
Eine Reihe von Pseudotrotzkisten vertreten die Auffassung, dass solche „demokratischen“ Formeln Trotzkis Programm für die politische Revolution in der Sowjetunion ähneln. Ernest Mandels „Vereiniges Sekretariat der Vierten Internationale“ schlägt sogar vor, dass sich Arbeiterstaaten am besten gegen Konterrevolution und/oder bürokratische Entartung absichern können, indem sie den bürgerlichen Parteien das Recht garantieren, sich zu organisieren! 1927, inmitten des Kampfes gegen die bürokratische Entartung der Russischen Revolution, lehnte Trotzki solche Klassenkriterien für die Demokratie in einem Arbeiterstaat ausdrücklich ab:
„Die Menschewiki meinen, dass die Hauptquelle der bonapartistischen Gefahr das System der proletarischen Diktatur selbst ist, dass es ein grundlegender Irrtum ist, auf die internationale Revolution zu setzen, dass eine richtige Politik notwendigerweise darin bestünde, der Bourgeoisie die politische und wirtschaftliche Zurückhaltung aufzugeben, und dass die Rettung vor Thermidor und Bonapartismus in der Demokratie liegt, d.h. im bürgerlich-parlamentarischen System….“
„Die parlamentarische Demokratie ist für uns nur eine der Formen der kapitalistischen Herrschaft.“ [35]
Im Übergangsprogramm von 1938 kam Trotzki auf die Frage des Klassencharakters der Demokratie in einem Arbeiterstaat zurück:
„Es ist notwendig, den Sowjets nicht nur ihre freiheitlich-demokratische Form, sondern auch ihren Klasseninhalt zurückzugeben. So wie früher die Bourgeoisie und die Kulaken nicht in die Sowjets eintreten durften, so ist es jetzt notwendig, die Bürokratie und die neue Aristokratie aus den Sowjets auszuschließen. In den Sowjets ist nur Platz für die Vertreter der Arbeiter, des einfachen Volkes, der Bauern und der Männer der Roten Armee.“ [36]
KPN: Finstere Reaktion gewinnt an Boden.
Die Bedeutung des „demokratischen“ Glaubensbekenntnisses von Solidarność wird konkreter, wenn wir einige der Organisationen und Personen betrachten, die unter ihrem „pluralistischen“ Dach untergebracht sind. Während die Führung von Solidarność den Antisemitismus, der so eng mit den nationalistischen Traditionen Polens verwoben ist, nicht verinnerlicht hat, kann man das vom Bund für ein unabhängiges Polen (KPN) nicht behaupten. Oliver MacDonald beschreibt die KPN als Teil der „endecja“-Strömung: reaktionärer antikommunistischer katholischer Nationalismus mit antisemitischem und stark autoritärem Charakter“. Sie hoffte, die Kommunisten zu beseitigen und ein neues autoritäres Regime zu errichten, das den „wahren polnischen Volksgeist“ verkörpern sollte.[37]
Der Anführer der KPN war ein gewisser Leszek Moczulski, dessen Werdegang Trotzkis Vorhersage bestätigt, dass im Falle eines zweiten Bürgerkriegs in der Sowjetunion Elemente der Bürokratie auf beiden Seiten der Barrikaden zu finden sein würden. Moczulsky wartete nicht auf den Ausbruch des Bürgerkriegs. Nachdem er 1968 eine führende Rolle bei einer schrecklichen antisemitischen Säuberungsaktion in der PUWP gespielt hatte, löste er sich vom polnischen Stalinismus und übernahm eine führende Position in der KPN, woraufhin er vom Regime inhaftiert wurde.
Derselbe Solidarność-Kongress, auf dem bewusst kein Wort über den Sozialismus verloren wurde, verabschiedete eine Resolution, in der die Freilassung von Moczulski und anderen KPN-Häftlingen gefordert wurde. Dies ist nicht verwunderlich, da diese ultranationalistische und pilsudskische Organisation an dem Verfahren beteiligt war. Garton Ash berichtet, dass die KPN auf dem Kongress „zunehmend an Unterstützung gewann. Viele Arbeiter, die der Selbstzensur der Solidarność müde waren und das offensichtliche Machtvakuum sahen, fühlten sich von dem klaren und eindeutigen Programm der KPN angezogen“.[38] In solchen Situationen kann eine entschlossene Minderheit mit einem eindeutigen Programm schnell zu einem enorm wichtigen Faktor werden.
Die „demokratische“ Rubrik der Solidarność war in der Tat sehr flexibel. Flexibel genug, um offene Verfechter des weißen Terrors einzubeziehen. Die Frage der demokratischen Rechte der Konterrevolutionäre der KPN ist Teil einer umfassenderen Frage, die Solidarność aufgeworfen hat: wie soll man auf Situationen reagieren, in denen die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse, sich zu organisieren, mit der Erhaltung des kollektivierten Eigentums kollidieren. Für Trotzkisten ist die Antwort einfach: Es gibt eine Hierarchie der Prinzipien. Die Verteidigung des kollektiven Eigentums hat Vorrang vor den „demokratischen Rechten“ der pro-kapitalistischen Strömungen, sich zu organisieren.
Solidarność und die „AFL-CIA“.
Weitere Verfechter der „freien Weltdemokratie“, die zur Teilnahme an dem Kongress eingeladen wurden, waren die antikommunistischen AFL-CIO-Vertreter Lane Kirkland und Irving Brown. Kirkland leitet nicht nur die AFL-CIO, sondern ist auch Direktor der Arbeitsfront der CIA, des American Institute for Free Labor Development, das die Zerschlagung linker Gewerkschaften in ganz Lateinamerika überwacht. Außerdem ist er Mitglied des Committee on the Present Danger, einer reaganistischen antisowjetischen Denkfabrik.
Und was Irving Brown betrifft, so hätte Walesa nicht Philip Agees Enthüllungen über die CIA-Aktivitäten im Nachkriegseuropa zu Rate ziehen müssen, um Browns Beiträge zu erkennen. Bei den jüngsten Contragate-Anhörungen wurde stolz Tom Bradens Buch „I’m Glad the CIA is Immoral“ zitiert, in dem erklärt wird, dass Brown, als ihm die ILGWU-Gelder für den Aufbau der Force Ouvriere in Frankreich ausgingen, einen Appell an die CIA richtete. So begann die heimliche Subventionierung „freier“ (d. h. antikommunistischer) Gewerkschaften.
Die Einladung von Solidarność an Kirkland und Brown (und die Brüskierung der stalinistischen Gewerkschaften) stellt die Parole „freie Gewerkschaften“ in den richtigen Kontext des Kalten Krieges. Dies wird durch die verschiedenen provokativen und antisowjetischen Äußerungen des Kongresses unterstrichen. Er richtete einen offenen Brief an die im Ausland lebenden Polen, der laut Alain Touraine „offensichtlich für diejenigen bestimmt war, die im heutigen Teil der Sowjetunion leben“. In diesem Appell heißt es: “ Solidarność ist nicht nur eine Gewerkschaft, sondern auch eine soziale Bewegung denkender Bürger, die sich für die Unabhängigkeit Polens einsetzen wollen“. Der Kongress richtete auch eine „Botschaft an alle Arbeiter Osteuropas“, in der er „den Arbeitern Albaniens, Bulgariens, Ungarns, Rumäniens, der Tschechoslowakei, der DDR und aller Länder der Sowjetunion“ mitteilte, dass es sein Ziel sei, für ein besseres Leben aller Arbeiter zu kämpfen. „Wir unterstützen diejenigen unter euch, die sich entschieden haben, den schwierigen Weg des Kampfes für eine freie Gewerkschaftsbewegung zu wählen. Wir glauben, dass unsere Vertreter in nicht allzu ferner Zukunft in der Lage sein werden, sich zu treffen, um unsere Erfahrungen als Gewerkschafter auszutauschen.“ [39]
Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass es „freie“ Gewerkschaften nicht umsonst gibt. Die Subventionierung von Solidarność durch die AFL-CIO – 300.000 Dollar und die erste Druckmaschine – war kein Geheimnis. Tamara Deutscher hat das scharfsinnig kommentiert:
„Die Druckmaschinen waren ein Geschenk westlicher Gewerkschafter, die den Polen auch finanzielle Hilfe leisteten. Zu den Hauptgeldgebern gehörten sowohl der [britische] TUC als auch die AFL-CIO. Wir müssen uns daran erinnern, dass es der Allrussische Zentralrat der Gewerkschaften war, der 1926 den streikenden Arbeitern in Großbritannien mehr als eine Viertelmillion Rubel an Solidaritätshilfe anbot. Das Angebot wurde jedoch abgelehnt, weil der Generalrat des TUC den Hass fürchtete, der durch die Annahme des „sowjetischen Goldes“ (….) geweckt werden könnte.[40]
Solidarność hatte keine vergleichbaren Skrupel, Geld von den Imperialisten und ihren Arbeiterleutnants anzunehmen. Als der US-Kongress im August 1987 eine Million Dollar für Solidarność bewilligte, nahm Walesa das Geld wieder einmal gerne an.
- Marxismus und „Massenbewegungen
Verschiedene angeblich trotzkistische Strömungen verteidigen Solidarność, geben aber zu, dass ihr Programm pro-kapitalistisch war und dass wichtige Teile ihrer Führung bewusst restaurativ waren. 1982 nannte die britische Gruppierung Workers Power die Merkmale der „vorherrschenden Tendenzen in Solidarność“ wie folgt:
„a) Unterordnung unter die katholische Hierarchie, die ihre eigene arbeiterfeindliche Agenda in der gesamten Krise durchzusetzen versuchte ….
„(b) Illusionen in die bankrotte Politik des polnischen Nationalismus … der Charakter der polnischen nationalistischen Ideologie muss als überwiegend reaktionär definiert werden….
„(c) Sie hat ein Programm für die polnische Wirtschaft, das die Kräfte der kapitalistischen Restauration stärken könnte….
„(d) Lähmende Illusionen in den westlichen Imperialismus….
„(e) Ihre Vormarschstrategie ließ die zentralen Hebel der stalinistischen Macht intakt, hoffte aber stattdessen, diese Macht über die Punkte des geringsten Widerstands zu erobern…“ [41]
Trotz dieser konterrevolutionären Merkmale (mit Ausnahme von Punkt „e“, der eher die Qualität einer taktischen Kritik hat) kommt Workers Power zu dem Schluss, dass es notwendig ist, sich mit Solidarność zu „solidarisieren“, weil:
„Die Existenz einer Massenbasis, die oft Forderungen erhebt, die im Widerspruch zu den Zielen und Absichten der Solidarność-Führer stehen, zeigt deutlich, dass Solidarność trotz ihrer Führung nicht per se eine konterrevolutionäre Organisation war. Sie war eine dynamische Bewegung, die mit Widersprüchen behaftet ist, aber das Potenzial hat, diese in Richtung einer politischen Revolution zu lösen, wenn Revolutionäre in ihrer Mitte eingreifen, und das wird sie auch bleiben. “ [42]
Die Pflicht der Revolutionäre besteht darin, die Wahrheit zu sagen, und nicht darin, reaktionären politischen Bewegungen eine „revolutionäre“ Dynamik zuzuschreiben. Indem die Mehrheit der polnischen Arbeiter der Führung von Solidarność folgte, handelte sie gegen ihre eigenen historischen Klasseninteressen. In einem deformierten Arbeiterstaat kann eine Massenbewegung, die von kapitalistischen Restaurationisten hegemonisiert wird, keine fortschrittliche Dynamik entfalten, unabhängig vom Ausmaß ihrer Unterstützung durch die Bevölkerung. Leninisten idealisieren die Massen nicht. Trotzkis Polemik gegen Victor Serge in der Frage der Degeneration des Sowjetregimes in den 1920er Jahren ist eine starke Anklage gegen diejenigen, die wie Workers Power den Altar der „Massenbasis“ anbeten.
Massenbasis.
„Victor Serge hat beiläufig aufgedeckt, was die Ursache für den Zusammenbruch der bolschewistischen Partei war: übermäßiger Zentralismus …. Mehr Vertrauen in die Massen, mehr Freiheit! All dies ist außerhalb von Zeit und Raum. Aber die Massen sind keineswegs identisch: Es gibt revolutionäre Massen, es gibt passive Massen, es gibt reaktionäre Massen. Dieselben Massen sind zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Stimmungen und Zielen beseelt. Genau aus diesem Grund ist eine zentralisierte Organisation der Vorhut unerlässlich. …. Die Massen in den Mantel der Heiligkeit zu kleiden und das eigene Programm auf eine amorphe „Demokratie“ zu reduzieren, bedeutet, sich in der Klasse, wie sie ist, aufzulösen, von der Vorhut zur Nachhut zu werden und gerade deshalb auf die revolutionären Aufgaben zu verzichten. Andererseits, wenn die Diktatur des Proletariats etwas bedeutet, dann bedeutet sie, dass die Vorhut der Klasse mit den Mitteln des Staates bewaffnet ist, um Gefahren abzuwehren, auch solche, die von den rückständigen Schichten des Proletariats selbst ausgehen.“ [43]
Polen und Iran
In Der Sommer vor dem Frost beschreibt Potel die Rolle der Religion in Danzig in der Zeit vor der Repression:
„Jeden Nachmittag um fünf Uhr versammelten sich zwischen 2.000 und 3.000 Arbeiter vor dem Werfttor zu einem Gottesdienst. Jeden Sonntag versammelte sich eine große Menschenmenge zur Messe, Meditation, Schlichtheit. Um einen behelfsmäßigen Altar herum sangen sie alte Hymnen und baten Gott, ihnen mehr Kraft zu geben. Von beiden Seiten des Tores aus beteten die Streikenden und ihre Familien um den Sieg und die Unterstützung ganz Polens. Der tägliche Gottesdienst war sakrosankt. Er war eine öffentliche Demonstration der Religionsfreiheit, die Teil der Forderungen der Arbeiter war. Die Menschen kamen wie selbstverständlich dorthin.“ [44]
Potel kommentiert, dass „es eine Erinnerung an die Macht der schiitischen Hierarchie im Iran und die Stärke des Islam war“. Es ist kein Zufall, dass viele der gleichen Linken, die Walesas Solidarność begrüßten, zuvor eine ähnliche objektiv „revolutionäre“ Dynamik in Khomeinis Massenmobilisierungen entdeckt hatten. Sowohl im Iran als auch in Polen gab es Massenbewegungen, die die große Mehrheit des Proletariats umfassten, aber von bewusst konterrevolutionären Führungen angeführt wurden. Das heißt nicht, dass alle Schichten der Massen (geschweige denn alle Einzelpersonen), die an diesen Bewegungen beteiligt waren, wussten, wohin ihre Führer sie führten. Im Iran beteiligte sich die Linke enthusiastisch an den von den Mullahs angeführten Mobilisierungen. Die falsche Strategie der politischen Unterordnung unter Khomeini und seine Fanatiker konnte jedoch für die Linken, die sie verfolgten, nur in einer Katastrophe enden.
Die iranischen Revolutionäre hätten sich an der Welle der Massenstreiks gegen den Schah mit der Perspektive beteiligen sollen, einen Pol der harten proletarischen Opposition gegen die reaktionären Mullahs zu bilden. Im Iran waren die Zentristen angesichts des Ausmaßes der „Massenbewegung“ gelähmt und folgten den konterrevolutionären Mobilisierungen der Mullahs. Indem sie zusammen mit den verblendeten plebejischen Massen „Allah akbar“ skandierten, unterstützten die Linken objektiv den Sieg der theokratischen Reaktion, die sich bald gegen die Arbeiterbewegung wenden würde.
Können sich zehn Millionen polnische Arbeiter irren?
Im letzten Frühjahr erhielten wir einen Brief von Workers Power, in dem (in Bezug auf Polen) erklärt wurde: „Wir lehnen die Position ab, dass eine proletarische Massenbewegung jemals zum Agenten der kapitalistischen Restauration hätte werden können“.[45] [Mit dieser zentristischen Auffassung von Politik unterstützte Workers Power 1978/79 Khomeinis Bewegung im Iran – schließlich hatte auch sie die Unterstützung der Mehrheit der Arbeiterklasse!]
Die Doktrin, dass die Arbeiter in den deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten im Großen und Ganzen dauerhaft immun gegen falsches Bewusstsein sind, ist Arbeiterismus, nicht Marxismus. Sie geht davon aus, dass die kapitalistische Restauration in diesen Staaten nur durch äußere militärische Eroberung erfolgen kann. Die Tragödie Polens besteht darin, dass es der korrupten, antisozialistischen Bürokratie der PUWP gelang, die Loyalität der Arbeiter gegenüber dem System des verstaatlichten Eigentums zu untergraben. Wenn Workers Power die Möglichkeit ausschließt, dass in einem stalinistischen Staat weit verbreitete reaktionäre Einstellungen entstehen, wie kann er dann den (anfänglich) herzlichen Empfang von Hitlers Armeen in der Ukraine 1941 erklären? Oder die enorme Popularität der römisch-katholischen Kirche im heutigen Polen?
Marxisten bestimmen den politischen Charakter sozialer Massenbewegungen anhand ihrer Führung, ihrer sozialen Zusammensetzung, ihres Verlaufs und ihres politischen Programms, nicht anhand der subjektiven Illusionen oder Absichten ihrer plebejischen Basis. Die eigentümliche Alchemie des revisionistischen „Trotzkismus“ besteht jedoch genau darin: Jede soziale Volksbewegung gegen die stalinistischen Bürokratien Osteuropas wird in eine Kraft für die proletarische politische Revolution verwandelt. Die Kernfrage – für oder gegen verstaatlichtes Eigentum – wird im Allgemeinen ignoriert. Im Fall der polnischen Solidarność war dies jedoch entscheidend. In den Monaten nach dem Septemberkongress wurde Solidarność durch die Ereignisse auf einen Kollisionskurs mit dem polnischen Regime gedrängt, bei dem es um nichts Geringeres als um die Macht des Staates ging.
- Am Rande des Abgrunds
Im Oktober 1981 löste die Lebensmittelknappheit eine Reihe von wilden Streiks in ganz Polen aus. Als die Stalinisten eine „gemischte Kommission“ aus Regierungs- und Gewerkschaftsvertretern vorschlugen, um das Problem zu erörtern, stimmte Solidarność zu, warnte aber, dass die Gewerkschaft einen landesweiten Streik auslösen würde, falls bis zum 22. Oktober keine zufriedenstellenden Fortschritte erzielt würden. Die beiden Seiten trafen sich am 15. Oktober, und der Verhandlungsführer von Solidarność, Grzegorz Palka, schlug die Einsetzung eines Sozialrats für die Volkswirtschaft vor. Dieser Rat, der von Solidarność „in Zusammenarbeit mit Vertretern der Kunst, der Wissenschaft und der Kirche“ ernannt werden sollte, sollte mit der Regierung „bei der Festlegung der Wirtschaftspolitik und der Entwicklung zusammenarbeiten“. Der Tygodnik Solidarność (30. Oktober 1981) charakterisierte diesen Vorschlag als „Überwindung der Vertrauenskrise in den Beziehungen zwischen Regierung und Gesellschaft durch die Schaffung von Institutionen, die die Kontrolle der Gesellschaft über die Wirtschaftspolitik der Regierung gewährleisten würden“. Ebenso wichtig war Palkas Forderung, dass „der Rat in der Lage sein sollte, mit der breiten Öffentlichkeit über die Massenmedien, d.h. Presse, Radio und Fernsehen, zu kommunizieren.“ [46] Solidarność schlug vor, die Doppelherrschaft in der Wirtschaft zu institutionalisieren und gleichzeitig das wichtigste verbliebene politische Gut des Regimes zu beseitigen: sein Informationsmonopol. Die PUWP lehnte diesen Vorschlag rundweg ab.
Am 20. Oktober setzte die Polizei in Kattowitz Tränengas gegen eine Menschenmenge von mehreren tausend Personen ein. Der Vorfall wurde ausgelöst, als Beamte in Zivil versuchten, einen Verkäufer festzunehmen, der „einen festen Stand auf dem Marktplatz hatte, an dem er Fotos von Marschall Pilsudski und den Gräbern von Katyn, KPN-Abzeichen und ein Flugblatt mit dem Titel ‚Unter sowjetischer Teilung‘ sowie die üblichen Gewerkschaftspublikationen verkaufte“.[47] Bei dieser Gelegenheit versuchten Aktivisten von Solidarność, die Spannungen abzubauen und die Polizei vor den wütenden Demonstranten zu schützen. Am nächsten Tag verhaftete die Polizei in Breslau drei Solidarność-Mitglieder, die von einem mobilen Lieferwagen aus sprachen.
Als Reaktion auf diese Zusammenstöße sowie auf die Ablehnung ihrer früheren Forderungen rief die Solidarność-Führung für den 28. November einen einstündigen landesweiten Warnstreik aus. In der Entschließung wurde damit gedroht, dass, wenn die Regierung nicht bis Ende des Monats „dem nationalen Rat für Sozialwirtschaft und den Sozialkontrollkommissionen der Gewerkschaft angemessene Befugnisse einräumt“, „die Gewerkschaft gezwungen sein wird, sich auf einen Streik vorzubereiten:
„wird die Gewerkschaft gezwungen sein, einen aktiven Streik in bestimmten Wirtschaftssektoren vorzubereiten und durchzuführen. Das Datum und der Umfang des Streiks werden von der KK [Nationale Solidarność -Kommission] festgelegt“. Gleichzeitig ruft die KK alle Regionen und Betriebe auf, die laufenden Protestaktionen zu beenden und sich der Aktion auf nationaler Ebene anzuschließen.“ [48]
Einige der Verteidiger von Solidarność verweisen auf die Versuche der nationalen Führung, mehrere wilde Streiks zu entschärfen, als Beweis dafür, dass Walesa ein verräterischer Bürokrat war, der mit den Stalinisten gegen die kämpferische Basis im Bunde stand. Zweifellos gab es innerhalb von Solidarność auf allen Ebenen enorme Spannungen, die sich in hitzigen Polemiken niederschlugen; es handelte sich jedoch um taktische Meinungsverschiedenheiten. Die Führung von Solidarność war sich einig, dass die Explosion der unkontrollierten Streiks ihre Position im Kampf mit den Behörden untergrub. Am 27. Oktober gab das Präsidium von Solidarność eine Erklärung ab, in der die spontanen lokalen Streikaktionen verurteilt wurden:
„Das Präsidium der KK schätzt die derzeitige wirtschaftliche und soziale Lage im Land als kritisch ein. Einerseits gibt es viele ungelöste Probleme, viele Unregelmäßigkeiten und Provokationen, die allgemeine Empörung hervorrufen. Andererseits haben die Protestaktionen einen elementaren und unorganisierten Charakter angenommen. Dadurch droht der Zerfall der Gewerkschaft und der Verlust der öffentlichen Unterstützung.
***
„…Niemand kann uns das Streikrecht nehmen, und wir werden es niemals zulassen. Aber wir sind es, die den Einsatz dieser Waffe planen müssen, und wir müssen dies auf eine durchdachte und geplante Weise tun.
„Mit der Kraft der gesamten Gewerkschaft müssen wir uns in der unmittelbaren Zukunft mit den wichtigsten Themen für die gesamte Nation befassen: Ernährung, Wirtschaftsreform, soziale Kontrolle der Wirtschaft und Zugang zu den Medien. In diesen Fragen müssen wir vielleicht unsere letzte Waffe einsetzen. In einer Situation des allgemeinen Chaos wird sie eine unwirksame Waffe sein.
„Auf der nächsten Sitzung der KK wird das Präsidium einen Vorschlag zur innergewerkschaftlichen Einschränkung des Streikrechts und zur Festlegung der gewerkschaftlichen Mittel zur Disziplinierung derjenigen vorlegen, die sich einer Schwächung der Einheit und Disziplin der Gewerkschaft schuldig machen.“ [49]
Einige verführerische Trotzkisten, die für die Verteidigung von Solidarność Stellung bezogen haben, argumentierten, dass im Herbst 1981 die Unterstützung der Bevölkerung so weit geschwunden war, dass keine wirkliche Gefahr für das Regime bestand. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass in den Reihen der Bevölkerung die Ungeduld über die offensichtliche Unfähigkeit der Führung, die ausweglose Situation zu lösen, zunahm. Die Reaktion auf den Streikaufruf vom 28. Oktober zeigt jedoch, dass die Führung unter der Leitung von Walesa immer noch große Unterstützung in der Bevölkerung genoss, insbesondere wenn sie die Initiative gegen das Regime ergriff.
„In den letzten Monaten wurden zwei gegensätzliche Ansichten in der Öffentlichkeit geäußert. Mehrere außenstehende Beobachter und polnische Beamte sind der Ansicht, dass ein wachsender Teil der öffentlichen Meinung mit den wiederholten Streiks zunehmend unzufrieden war, desillusioniert über das theatralische Gezänk der Solidarność -Aktivisten, die, so wird weiter behauptet, viel „radikaler“ waren als die Basis. Die Solidarność -Aktivisten sagen, dass im Gegenteil die Mitglieder der Basis viel „radikaler“ waren als sie selbst… Tatsache ist, dass beide Arten von Haltungen in einer verwirrten und körperlich erschöpften Öffentlichkeit vorhanden waren. Radikalisierung und Unzufriedenheit waren zwei Seiten ein und derselben Situation: Was bei dem einen zur Verzweiflung wird, wird bei dem anderen zur Verzweiflung.
„Ihr Verhalten lässt jedoch nur eine Interpretation zu. Die Beteiligung an dem einstündigen Generalstreik am 28. Oktober war genauso groß wie bei der letzten Demonstration dieser Art am 27. März, sieben Monate zuvor. Wieder einmal hatte sich Polen in den nationalen Farben eines Landes präsentiert, das in den Krieg zieht….. Wenn es eine Erosion der Popularität der Solidarność? Es gibt wohl kaum eine andere Gewerkschaft oder soziale Bewegung auf der Welt, die auf eine so massive, disziplinierte und freiwillige Unterstützung durch die Bevölkerung zählen kann.
„Kein Wunder, dass die Gewerkschaftsführer zu selbstbewusst waren. Und da das so ist, geben sie ihren Mitgliedern ein schlechtes Beispiel für Einigkeit und Disziplin.“ [50]
Der Warnstreik vom 28. Oktober markierte nicht das Ende der Streikaktivitäten. Die Forderung des stalinistischen Sejm von Ende Oktober, die Streiks einzustellen, wurde ignoriert:
„In Zyrardow, Zielona Gora, Tarnobrzeg und Sosnowiec wurde weiter gestreikt. Dank der Intervention von Walesa brachen die 120.000 Arbeiter in Tarnobrzeg den Streik am 1. November ab. Am 9. November wurde mit 200.000 streikenden Arbeitern in Zielona Gora eine Vereinbarung getroffen, aber der Streikalarm ging weiter.“ [51]
Am 4. November trafen sich Walesa und Jaruzelski auf Drängen von Kardinal Glemp in Warschau und erörterten die Möglichkeit der Bildung einer Nationalen Einigungsfront. Weitere Treffen fanden in den folgenden Wochen statt, scheiterten aber letztlich an der Weigerung der Regierung, Solidarność ein Vetorecht gegen jede Entscheidung einer solchen gemeinsamen Kommission einzuräumen, und an der Forderung, dem von Palka am 15. Oktober vorgeschlagenen Sozialrat einen uneingeschränkten Zugang zu den Medien zu gewähren.
Am 22. November brach die Polizei ein Treffen von etwa sechzig Solidarność-Aktivisten in der Wohnung von Kuron ab, das der Gründung einer Organisation mit dem Namen „Klubs für eine selbstverwaltete Republik: Freiheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit“ diente. In einer von den „Klubs“ herausgegebenen Erklärung hieß es, dass in der derzeitigen Krise der polnischen Gesellschaft:
„…Es ist wesentlich, ideologisch-politische Formationen zu schaffen. Dort [sic] befinden sich die Keimzellen der zukünftigen politischen Parteien in einem demokratischen Staat. Im Moment sind wir der Meinung, dass die einzige Möglichkeit, die Einheit zu bewahren, in der nüchternen Diskussion politischer Differenzen, in öffentlichen Vereinbarungen und offen formulierten Programmen besteht. Nur so ist es möglich, im Geiste der Einheit die im Solidaritätsprogramm proklamierten grundlegenden sozialen Ziele zu verwirklichen und gleichzeitig eine demokratische und damit auch eine differenzierte Gesellschaft aufzubauen.“ [52]
In der Erklärung wird die konterrevolutionäre Forderung des KOR nach einem „System der parlamentarischen Demokratie“ bekräftigt und behauptet, dass der Staat „das Recht auf Privateigentum und dessen Entwicklung“ garantieren müsse. Sie identifizierte sich „mit den Traditionen der Polnischen Sozialistischen Partei und der polnischen Bauernbewegung“ und begrüßte provokativ die Führer dieser Bewegungen (z.B. Pilsudski), „die den Kampf um Unabhängigkeit und Souveränität in der Zeit der größten Bedrohung für ein wiedergeborenes Polen führten, als sich die Armeen des bolschewistischen Russlands der Nähe von Warschau näherten“. Dieser Versuch, eine explizit pro-kapitalistische sozialdemokratische Partei zu gründen, wurde von den Stalinisten als Versuch angeprangert, „Aktivitäten gegen die Grundlagen des politischen Systems unseres Staates zu propagieren und zu verteidigen“.[53]
Die Selbstverwaltungsbewegung: die Frage der Macht.
Während die Verhandlungen zwischen der Solidarność-Führung und der Regierung liefen, war die Selbstverwaltungsbewegung in den Reihen der Gewerkschaft aktiv. Im November, so Raina:
„Das Netzwerk hatte wochenlang Referenden abgehalten und die Arbeiter organisiert, um unabhängige Arbeiterräte oder Betriebsausschüsse zu wählen, die befugt waren, den Entscheidungsprozess in den Betrieben zu kontrollieren oder zu beeinflussen. Die Kampagne des Netzwerks gegen das alte und überholte System der Parteiselbstverwaltung war so wirksam, dass Tausende von Parteimitgliedern (Arbeitern) ihre Parteikarten abgaben. Im Posener Cegielski-Werk beispielsweise waren bis Mitte November mehr als 800 Parteimitglieder, die Hälfte der Belegschaft, aus der Partei ausgetreten. Die Austritte waren so weit verbreitet, dass in vielen Betrieben die Basiszellen der Partei aufhörten zu existieren. Nicht ohne Bitterkeit beklagten offizielle Quellen, dass das Solidaritätsnetzwerk in einundzwanzig der neunundvierzig polnischen Woiwodschaften die „Beseitigung der Parteiorganisationen aus den Industrieunternehmen“ gefordert hatte. “ [54]
Der Selbstverwaltungsplan der Solidarność bildete den Kern ihrer Vorschläge für die „Reform“ der polnischen Wirtschaft. Doch in einer Planwirtschaft, in der Politik und Wirtschaft untrennbar miteinander verbunden sind, würde jede „Reform“ der Selbstverwaltung erhebliche politische Auswirkungen haben. Die Interviews von Alain Touraine mit führenden Solidarność-Aktivisten veranschaulichten anschaulich den Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und politischen Aspekten der Selbstverwaltung. Ein Techniker aus Warschau erstellte die folgende Grafik:
Touraine fasst zusammen:
„Das Danziger Abkommen habe die Gewerkschaften befreit, und seitdem, vor allem seit dem Frühjahr 1981, sei das zentrale Anliegen der Gewerkschaft die Selbstverwaltung, d.h. die Befreiung des Unternehmens, gewesen. Die Natur der polnischen Wirtschaft brachte es jedoch mit sich, dass jede Aktion auf betrieblicher Ebene zwangsläufig eine Aktion auf allgemeiner wirtschaftlicher Ebene nach sich zog, da die Autonomie des einzelnen Unternehmens eine allgemeine Wirtschaftsreform, das Ende der Zentralverwaltungswirtschaft und ihre Ersetzung durch eine rationale Preisstruktur und ein freies Marktsystem voraussetzte. Schließlich sollte Solidarność nach dem Wiederaufbau des politischen Systems versuchen, die tatsächliche Unabhängigkeit des Landes wiederherzustellen“.[55]
Als der Herbst dem Winter wich, nahmen die Spannungen innerhalb der Solidarność-Führung zu. Die polnische Gesellschaft wurde von einer tiefen sozialen Krise erschüttert, die auf die eine oder andere Weise gelöst werden musste. Die Solidarność-Führung war polarisiert zwischen den „Militanten“, die die Zeit für eine Konfrontation gekommen sahen – vor allem durch eine Strategie des „aktiven Streiks“ zur Übernahme einzelner Fabriken -, und Walesa und den „Gemäßigten“ (die von der kirchlichen Hierarchie unterstützt wurden), die glaubten, dass dem wankenden Regime durch Verhandlungen und Manöver weitere Zugeständnisse abgerungen werden könnten.
Die komplexen Wechselwirkungen zwischen den „Radikalen“, die für aktive Streiks und die Bildung einer Solidarność-Miliz eintraten, und den „Gemäßigten“ unter der Führung von Walesa, die glaubten, dem Regime Zugeständnisse abringen zu können, werden in Zbigniew Kowalewskis “ Solidarność am Vorabend“ beschrieben. Kowalewski wurde offensichtlich vom Vereinigten Sekretariat beeinflusst. Heute stellt er das „linke Gesicht“ der Solidarność im Exil dar.[56] (Sein Bericht, der ursprünglich in der Frühjahrsausgabe 1982 von Labour Focus on Eastern Europe erschien, ist in The Solidarność Sourcebook wieder abgedruckt).
Kowalewski berichtet, wie er und lokale Führer in Lodz im November-Dezember 1981 versuchten, eine Reihe von „aktiven Streiks“ zu starten. Diese „aktiven Streiks“ waren eine offensive Taktik, die darauf abzielte, die Kontrolle über die Betriebe zu übernehmen und sie den zentralen Behörden zu entreißen, als erste Etappe eines Kampfes um die Staatsmacht. Kowalewski erklärt, dass die Taktik des aktiven Streiks darauf abzielte, die Führung von Walesa bei der Mobilisierung der Reihen für eine Konfrontation mit dem stalinistischen Regime zu umgehen:
„In Lodz beschloss man also eine Aktion, um die Bürokratie ihrer wirtschaftlichen Macht zu berauben und ein System der Arbeiterselbstverwaltung mit revolutionären Mitteln zu installieren. Der erste aktive Streik in unserer Region sollte am 21. Dezember beginnen, d.h. die Arbeiterklasse sollte die Kontrolle über Produktion und Vertrieb übernehmen. Gleichzeitig sollten Arbeiterwachen im Unternehmen eingerichtet werden.
***
„In der regionalen Führung von Solidarność war man der Meinung, dass ein Aufruf zu einem aktiven Generalstreik von der Mehrheit der nationalen Gewerkschaftsführung nicht gebilligt werden würde. Daher wurde beschlossen, dass Andrzej Slowik, falls er auf Widerstand stoßen sollte, die Genehmigung des nationalen Komitees für einen aktiven Streik in seiner eigenen Region verlangen sollte. Es schien wahrscheinlich, dass Lodz andere Regionen für einen aktiven Streik gewinnen würde und dass dies früher oder später das Kräfteverhältnis im nationalen Komitee verändern würde.
„Die von Solidarność vorgeschlagene Strategie und Taktik des Kampfes zur Lösung der Machtfrage hätte von der gesamten Gewerkschaft übernommen werden können. Der aktive Streik hätte es den Massen, die damals nach radikalen Aktionsformen suchten, ermöglicht, in die Offensive zu gehen. Die Etablierung der wirtschaftlichen Macht der Arbeiter hätte die Akkumulation ausreichender Kräfte ermöglicht, um die Frage der politischen Macht zu lösen.“ [57]
Die irregeleiteten trotzkistischen Gruppierungen, die versuchen, Solidarność zu verteidigen, stellen die „Selbstverwaltungsbewegung“ (und insbesondere die Gruppierung KZ-KFS, die sich im Herbst 1981 vom Netzwerk abspaltete) oft als Verkörperung einer linken proletarischen Opposition sowohl gegen die Stalinisten als auch gegen die klerikalistische Führung von Walesa dar. Dies ist unbegründet. Obwohl er die Taktik der Walesa-Führung und die Marktpläne der technokratischen „Experten“ des Netzwerks kritisiert, geht aus Kowalewskis Darstellung hervor, dass er keine grundlegenden Differenzen mit dem vom Kongress angenommenen Vorschlag zur „Selbstverwaltung“ hatte. So stellt er beispielsweise zustimmend fest, dass „der Kongress klar seine Absicht zum Ausdruck gebracht hat, den Kampf für eine echte Arbeiterselbstverwaltung fortzusetzen, indem er den Kampf der Arbeiter auch dann unterstützt, wenn sie aus diesen Gesetzen herauskommen“ (d.h. aus den vom stalinistisch dominierten Sejm verabschiedeten Gesetzen). Sie unterstützt auch den Beschluss des Kongresses, „dass die Organe der Selbstverwaltung den Betrieb kontrollieren sollten, dass der Direktor nur dazu da sein sollte, seine Entscheidungen umzusetzen.“ [58]
Die heißen Bänder von Radom
„Die Konfrontation ist unvermeidlich und wird stattfinden. Ich wollte diese Konfrontation auf natürliche Weise herbeiführen, wenn praktisch alle gesellschaftlichen Gruppen auf unserer Seite stehen würden. Aber ich habe mich verkalkuliert…. Ich dachte, wir würden weiter gehen und dieses Parlament, diese Räte und so weiter stürzen. Es hat sich herausgestellt, dass wir auf diesem Weg nicht weitergehen werden. Wir wählen also einen Weg für ein Blitzmanöver.
„Wir müssen uns schließlich darüber im Klaren sein, dass wir dieses System zu Fall bringen. Das sollten wir sofort erkennen. Wenn wir uns auf private Lagerhalter einigen, die staatlichen Betriebe aufkaufen und eine vollständige Selbstverwaltung garantieren, wird es dieses System nicht mehr geben. ….
„Wir sollten nicht laut sagen, dass eine Konfrontation unvermeidlich ist. In diesen Gesprächen geht es nur darum, wer schlauer ist als wer, aber wir machen uns etwas vor. Wir müssen sagen: Wir lieben euch, wir lieben den Sozialismus und die Partei und natürlich auch die Sowjetunion. Aber gleichzeitig müssen wir unsere Politik der vollendeten Tatsachen und des Abwartens fortsetzen….
„Wir müssen den Menschen ein gewisses Maß an Vertrauen geben und ihnen sagen, welches Spiel wir spielen. Wir müssen ihnen sagen, dass wir so viel spielen, dass wir die Realität insgesamt verändern und dass dieses Spiel nur auf eine Weise enden kann. Kein Systemwechsel kann stattfinden, ohne dass Schläge ausgetauscht werden ….“.
-Lech Walesa, Äußerungen auf einem Treffen der nationalen Führung der Solidarność, 3. und 4. Dezember 1981 [59].
In den Tagen nach dem Treffen in Radom sendeten die stalinistischen Behörden im nationalen Rundfunk und Fernsehen wiederholt Auszüge aus dem angeblich geheimen Treffen der Solidarność-Führung in Radom. Am 13. Dezember 1981 hatte das ganze Land gehört, dass Walesa zugab, dass seine Beschwichtigungs- und Versöhnungspolitik ein Trick war. Auf die Frage nach der Echtheit der Tonbänder antwortete Walesa lediglich, dass seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Die New York Times berichtete, dass „Herr Walesa besonders peinlich berührt war; Millionen hörten ihn sagen, dass er immer an die Unvermeidbarkeit der Konfrontation geglaubt und insgeheim darauf hingearbeitet habe (ein Eingeständnis, das nicht den Tatsachen entsprach, sondern dazu diente, seine Glaubwürdigkeit bei den Solidarność -Aktivisten wiederherzustellen)“.[60] Zumindest zeigen Walesas Aussagen, dass die Dominanz der „Militanten“ in der nationalen Führung ihn zu einer konfrontativen Haltung drängte.
Zbigniew Bujak war einer der Teilnehmer des Treffens in Radom, der sich gegen eine abwartende Strategie aussprach. Er schlug vor, dass der von Solidarność geforderte Sozialrat „so etwas wie eine provisorische nationale Regierung“ sein sollte. Die Regierung muss endlich gestürzt, entlarvt und jeglicher Glaubwürdigkeit beraubt werden“. Er schlug auch vor, dass die Solidarność-Miliz (die Grzegorz Palka landesweit aufgestellt werden sollte) die Radio- und Fernsehsender „befreien“ sollte. Jan Rulewski erklärte: „Wir kämpfen für die Bildung einer Übergangsregierung, um das Land bis zu den Wahlen zu stabilisieren ….“ [61]
Der Vorabend der Zerstörung von Solidarność.
Am 11. und 12. Dezember hielt das Nationalkomitee von Solidarność seine letzte Sitzung ab. Der einzige Beschluss, der gefasst wurde, war die Durchführung eines nationalen Referendums über die folgenden vier Fragen:
„1. Sind Sie für ein Vertrauensvotum für General Jaruzelski?
„2. Befürworten Sie die Einsetzung einer provisorischen Regierung und freie Wahlen?
„3. Sind Sie dafür, der Sowjetunion militärische Garantien in Polen zu geben?
„4. kann die Kommunistische Partei Polens im Namen der gesamten Gesellschaft das Instrument für solche Garantien sein?“ [62]
Kowalewski gibt den ausführlichsten Bericht über die letzten Beratungen der Führung:
„Die letzte Sitzung des nationalen Komitees am 12. Dezember zeigte eine Annäherung der Ansichten zwischen Lodz und anderen Regionen. Der Vertreter der Region Krakau legte das folgende Aktionsprogramm für Solidarność vor:
„a) Das nationale Komitee … wird ein Paket von Gesetzesentwürfen und anderen legislativen Maßnahmen zur Wirtschaftsreform ausarbeiten. Das vorgeschlagene Wirtschaftsmodell soll in den Betrieben einem Referendum unterzogen werden, um so schnell wie möglich die Unterstützung der Gesellschaft zu gewinnen.
„b) Während des Generalstreiks wird die Gewerkschaft mit der Umsetzung der Wirtschaftsreform beginnen…..
„c) Die Gewerkschaft bricht den Streik ab, wenn die Wirtschaft auf allen Ebenen nach den neuen Grundsätzen funktioniert.
„d) Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn die Gewerkschaft Zugang zu den Massenmedien hat. Das nationale Komitee wird einen aktiven Streik in Radio und Fernsehen, in der Presse, in den Druckereien und im Pressevertriebssektor ausrufen, damit diese Kommunikationsmittel in den Dienst der Gesellschaft gestellt werden können.“ [63]
Dieses „Aktionsprogramm“ entsprach den Vorstellungen der Mitglieder des KZ-KFS. Neben den Fabriken schlugen sie vor, durch „aktive Streiks“ die Kontrolle über Presse, Radio und Fernsehen zu übernehmen und eine Solidarność-Verteidigungsgarde zu organisieren, die sich der Armee und der Polizei entgegenstellen sollte. Die Radikalen waren nicht die einzigen, die einen Aktionsplan hatten:
„Die gemäßigte Strömung vertrat eine andere Art von Taktik. Ihr wichtigster Sprecher, Jan Rulewski, Präsident der Region Bydgoszcz, argumentierte, dass die Gesellschaft und der Staat in eine Phase der Konfrontation eingetreten seien, die sich seit August 1981 verschärft habe. Dies deutet auf eine allgemeine Konfrontation hin“, sagte er, „die in einem Generalstreik, einem aktiven Streik, gipfeln sollte. Die Krise des Staates müsse „eine politische Lösung“ finden, indem man sich auf die Erfahrungen der parlamentarischen Demokratien stütze.
***
„Die Idee war, dass ein Referendum des Misstrauens in das System Solidarność dazu bringen würde, einen Generalstreik auszurufen. Wenn die Regierung dann keine politische Lösung akzeptieren würde, müsste eine provisorische Regierung aus unabhängigen Experten gebildet werden, deren Aufgabe darin bestünde, freie Wahlen zum Sejm und anderen repräsentativen Organen zu organisieren und so die Vorherrschaft des Volkes zu sichern.“ [64]
Hier haben wir das Meinungsspektrum innerhalb von Solidarność am Vorabend von Jaruzelskis Putsch. Die „Radikalen“ wollten eine sofortige Konfrontation einleiten, während die „Gemäßigten“ zunächst ein Misstrauensreferendum gegen das Regime abhalten wollten, gefolgt von einem Generalstreik. Das Ergebnis war eindeutig:
„Das Nationale Komitee hat sich für keine der vorgeschlagenen Taktiken ausgesprochen. Es begnügt sich damit, ein Referendum über das System und die Regierungsform einzuberufen… Die Debatte über die Lösung des Machtproblems ist noch offen… Es ist klar, dass derjenige, der die Initiative ergreift und zuerst zuschlägt, im Falle einer Konfrontation im Vorteil sein wird.“ [65]
VII. Revolution oder Konterrevolution?
Die pseudotrotzkistischen Formationen, die sich auf die Seite von Solidarność stellten, taten dies aus einem tiefsitzenden stalinophoben Reflex heraus. Die Zentristen von Workers Power, die freimütig zugeben, dass die Solidarność-Führung restaurativ war, verteidigen sie gegen den stalinistischen Gegenputsch mit der Begründung, dass Walesa und die Seinen die Macht nicht erfolgreich hätten ergreifen können:
„Trotz des demagogischen Schaums von Rulewski gibt es keine Beweise dafür, dass er zu einem bewaffneten Aufstand gedrängt hat oder dass Solidarność am Vorabend von Jaruzelskis Putsch einen bewaffneten Aufstand vorbereitet hat….“. Die „Radikalen“ hofften auf ein Referendum, das sie und ihre Vorstellung von der Teilung der Macht gegen die Stalinisten verteidigen würde. Es stimmt, dass führende Aktivisten im Dezember zur Bildung von Arbeiterschutzgarden aufriefen (z. B. Bujak und Palka)… Aber der sporadische Charakter des Widerstands gegen das Kriegsrecht unterstreicht, dass es keine konkreten und ausgearbeiteten Pläne von Solidarność gab, sich zu organisieren, um die politische Macht zu übernehmen…“ [66]
Dies ist ein groteskes Beispiel für zentristische Logik. Workers Power verteidigt die konterrevolutionäre Führung von Solidarność gegen die Stalinisten, weil es keine ernsthafte Gefahr gab. Aber der Grund, warum Solidarność keine Gefahr darstellte, war, wie Kowalewski hervorhob, dass Jaruzelski zuschlug, bevor Bujak und Co. sich „organisieren konnten, um die politische Macht zu übernehmen“!
Für Trotzkisten stellt sich nicht die Frage, wer den ersten Schlag ausgeführt hat. Unsere Haltung gegenüber denjenigen, die sich mobilisieren, um die Staatsmacht in einem deformierten Arbeiterstaat anzufechten, wird nicht durch ihre taktische Kompetenz oder ihren Vorbereitungsgrad bestimmt, sondern durch ihr politisches Programm. Alle Flügel der Solidarność – radikale und gemäßigte – waren der kapitalistisch-restaurationistischen Wirtschafts „-reform“ verpflichtet.
Die PUWP war in Auflösung begriffen und nicht in der Lage, eine Führung zu konsolidieren, die von der Bevölkerung unterstützt wurde. Sie litt unter Massenabwanderungen aus ihren Reihen hin zu Solidarność. Die Wirtschaft brach zusammen und die polnische Gesellschaft befand sich in einer akuten sozialen Krise. Eine Konfrontation zwischen Solidarność und dem Regime war, um Lech Walesa zu zitieren, „unvermeidlich“. Der Kader von 19 500 Priestern sowie die 40 000 hauptamtlichen Beamten der Solidarność hätten leicht in das durch den erfolgreichen Sturz der PUWP entstandene Vakuum eintreten können.
Walesa und Co. zeigten wenig Finesse in der Kunst des Aufstands, aber die Bedrohung, die sie darstellten, war sehr real, insbesondere angesichts der aktiven Unterstützung, die sie vernünftigerweise von der imperialistischen Welt erwarten konnten. Die Solidarność-Führung unterschätzte die Stärke der Armee; aber bis sie ins Spiel kam, konnte niemand sicher sein, wie die Wehrpflichtigen reagieren würden. Solidarność hatte die Loyalität der großen Mehrheit der polnischen Bevölkerung. Kowalewski stellt fest, dass die Gewerkschaftsführung „der Illusion erlag, dass diese Kraft ausreichen würde, um die Armee zu neutralisieren.“ [67] Das war nicht ganz abwegig. Bei der Polizei „konnte die Solidarność-Organisation trotz der Entlassung ihrer Führer und der Nichtanerkennung durch die Gerichte etwa 40.000 Mitglieder von insgesamt etwa 150.000 Mitgliedern für sich verbuchen“.[68] Tatsächlich war die Annahme weit verbreitet, dass mit der polnischen Armee bei einer Konfrontation mit Solidarność nicht zu rechnen sei. Raina berichtet: „Die breite Öffentlichkeit teilte die von der Slowo Powszechny geäußerte Meinung. In ihrer Ausgabe vom 12. Oktober [1981], anlässlich des Tages der polnischen Armee, stellte die katholische Tageszeitung fest, dass ’niemand damit rechnen könne, die polnische Armee gegen reformwillige polnische Arbeiter einzusetzen‘.“ [69]
Die amerikanische Revolutionary Workers League (RWL) in den USA befürwortet Solidarność – wenn auch mit einer etwas anderen Argumentation. Unseres Wissens hat die RWL keine umfassende Erklärung zu Solidarność abgegeben. Ein gut informierter und maßgeblicher RWL-Kader sagte uns jedoch, dass sie sich im Dezember 1981 weder auf die Seite von Jaruzelski noch von Walesa stellen würden, sondern einfach zur politischen Revolution der Arbeiter aufrufen würden! In einer Polemik gegen Hugo Oehler im Juli 1939 machte sich Trotzki über diejenigen lustig, die schwierige politische Probleme „lösen“, indem sie hypothetisch die Existenz der abstraktesten wünschenswerten Umstände projizieren. Trotzki hatte nichts als Verachtung für diejenigen übrig:
„Sie geben sich mit der logischen Schlussfolgerung einer siegreichen Revolution zufrieden, die angeblich bereits erreicht ist. Aber für einen Revolutionär liegt der springende Punkt gerade darin, wie man den Weg zur Revolution ebnet, wie man den Massen den Weg zur Revolution erleichtert, wie man die Revolution näher bringt, wie man ihren Triumph sichert. Wenn die Arbeiter eine siegreiche Revolution durchführen, wird natürlich alles gut sein. Aber jetzt gibt es keine siegreiche Revolution, sondern siegreiche Reaktion.“ [70]
Ungarn 1956 vs. Polen 1981
Die politische Krise des stalinistischen Regimes in Polen 1981 war anders als jede frühere politische Konfrontation zwischen den Arbeitern Osteuropas und ihren bürokratischen Herrschern. Es war das erste Mal, dass eine solche Revolte in nennenswertem Umfang direkte Verbindungen zu westlichen imperialistischen Agenturen hatte. Die polnischen Arbeiter wurden vom Regime so sehr zurückgewiesen, dass große Teile von ihnen bei der obskurantistischen katholischen Hierarchie und sogar bei den Vertretern der imperialistischen „freien Welt“ nach Befreiung suchten. Dieser entscheidende Unterschied wird von den sogenannten Trotzkisten, die die polnischen Ereignisse mühelos mit dem Arbeiteraufstand in Ungarn 1956 vergleichen, regelmäßig ignoriert.
Wir bezeichnen den ungarischen Aufstand von 1956 als einen Versuch einer proletarischen politischen Revolution. Es stimmt, dass das von Imre Nagy geführte Regime einen deutlichen Rechtsruck vollzog und bürgerliche Politiker aus der „Volksfront“-Periode der späten 1940er Jahre in die Regierung brachte. Angesichts der sowjetischen Invasion ging Nagy sogar so weit, den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt zu erklären und an die UNO zu appellieren, die ungarische Neutralität zu verteidigen.
Das Vorhandensein gemeinsamer Forderungen und sozialer Kräfte unterstreicht nur die Unterschiede zwischen Budapest 1956 und Warschau fünfundzwanzig Jahre später. In Ungarn war der Großteil der Teilnehmer ausdrücklich gegen jeden Versuch einer kapitalistischen Restauration. Die klerikale Hierarchie unter der Führung von Kardinal Mindszenty hatte relativ wenig Einfluss und wurde, wie andere offen rechte Kräfte, von den Arbeitern und der breiten Intelligenz angefeindet.
Während Nagy in der Anarchie, die auf die sowjetische Intervention im Oktober folgte, langsam die Kontrolle verlor und nach rechts rückte, konsolidierten sich die Arbeiterräte, die völlig unabhängig von der Regierung organisiert waren, um die Perspektive eines „unabhängigen, sozialistischen Ungarn“. Diese Räte wurden größtenteils von ehemaligen KP-Kadern geführt, die sich gegen den Stalinismus auflehnten.
Als die sowjetische Armee am 4. November zum zweiten Mal in Ungarn einmarschierte, brach Nagys Regime sofort zusammen und er flüchtete mit seinen engsten Anhängern in die jugoslawische Botschaft. Die Arbeiterräte blieben jedoch ein wichtiger politischer Faktor, und Janos Kadar, der an der Spitze des von Moskau auferlegten Regimes stand, sah sich gezwungen, mit den Führern der Arbeiterräte zusammenzutreffen, um über ein Ende des einmonatigen Generalstreiks zu verhandeln, mit dem die ungarischen Arbeiter die sowjetische Invasion begrüßt hatten.
Inmitten des Generalstreiks wurde der Versuch unternommen, die Arbeiterräte in einem autoritativen Zentralorgan zu vereinen. Etwa fünfzig Delegierte, die alle Bezirke und größeren Fabriken in und um Budapest sowie einige Provinzdelegierte vertraten, kamen zusammen, um den Zentralrat der Arbeiter von Groß-Budapest zu gründen. Ihre erste Erklärung begann wie folgt:
„Heute, am 14. November 1956, haben die Delegierten der Bezirksarbeiterräte den Zentralen Arbeiterrat von Groß-Budapest gegründet. Der Zentrale Arbeiterrat hat die Befugnis erhalten, im Namen der Arbeiter aller Budapester Fabriken zu verhandeln und über die Fortsetzung des Streiks oder die Rückkehr zur Arbeit zu entscheiden. Wir erklären unsere unerschütterliche Treue zu den Prinzipien des Sozialismus. Wir betrachten die Produktionsmittel als Kollektiveigentum, das wir jederzeit zu verteidigen bereit sind.
Die Erklärung enthielt acht Forderungen, darunter die Rückkehr Nagys an die Spitze der Regierung, den Abzug der sowjetischen Truppen, die Freilassung derjenigen, die wegen ihres Widerstands gegen die sowjetische Invasion inhaftiert waren, und „die Abschaffung des Einparteiensystems und die Anerkennung nur derjenigen Parteien, die sich auf den Sozialismus stützen.“ [71] Eine trotzkistische Partei hätte in den Räten für eine auf Sowjets basierende Regierung kämpfen können, in Opposition zu Nagy.
Zu keinem Zeitpunkt der Entwicklung von Solidarność von einer Gewerkschaft zu einer nationalen politischen Bewegung, die für „Pluralismus“ kämpft, ist es möglich, auf eine bedeutende Kraft hinzuweisen, die um die Perspektive der Verteidigung des verstaatlichten Eigentums herum organisiert ist. In Ungarn hat sich der Hauptakteur – die Bewegung der Arbeiterräte – offen zu den „Prinzipien des Sozialismus“ bekannt. Jeder Versuch, die prosozialistischen ungarischen Arbeiterräte von 1956 mit dem offen restaurativen Programm der Solidarność von 1981 zu identifizieren, ist zutiefst falsch.
Das Programm der politischen Revolution
Die Trotzkisten leugnen das „Recht“ der Arbeiter, Polen zum Kapitalismus zurückzuführen. Ebenso wird das demokratische Recht der Nationen auf Selbstbestimmung (z.B. Polens gegenüber der UdSSR) der Verteidigung kollektivierter Eigentumsformen untergeordnet. Wir vertrauen auch nicht auf das Wirken eines automatischen „revolutionären Prozesses“, der garantiert, dass am Ende alles gut wird. In Polen waren die Massen in politischer Bewegung und der stalinistische Staatsapparat zerfiel, aber das bedeutet nicht, dass eine proletarische politische Revolution im Gange war. Das Programm der Arbeiterpartei (oder -parteien) ist für das Ergebnis von entscheidender Bedeutung. Um vertretbar zu sein, muss jede alternative Führung in einem Arbeiterstaat für die Beibehaltung der Planwirtschaft, des Außenhandelsmonopols usw. eintreten. Dies war in Polen nicht der Fall.
Eine trotzkistische Opposition innerhalb der Solidarność hätte ein Programm vorgelegt, das Folgendes beinhaltet hätte:
- Sofortiger Ausschluss der KPN und Unterdrückung von antisemitischen, pilsudskischen und anderen prokapitalistischen Strömungen;
- die aktive Identifikation mit Rosa Luxemburg und der heroischen Tradition des polnischen Kommunismus;
- Verteidigung des Prinzips der zentralen Planung und der zentralisierten Kontrolle der Wirtschaft im Rahmen der Arbeiterdemokratie; Verteidigung des Staatsmonopols im Außenhandel – Ablehnung der vom Solidarność-Kongress angenommenen Wettbewerbsvorschläge der „Selbstverwaltung“ und des „Marktgleichgewichts“;
- Trennung von Kirche und Staat – kein privilegierter Zugang der katholischen Hierarchie zu Schulen oder Medien; aggressive Kampagne für die Befreiung der Frau – einschließlich des Rechts auf Scheidung, kostenlose Abtreibung auf Verlangen und freier Zugang zu Verhütungsmitteln; aktive Rekrutierung von Frauen in Führungspositionen in Politik und staatlichen Unternehmen;
- Aktive Solidarität mit den PATCO-Streikenden, die zur Zeit des Solidarność-Kongresses von Reagan schikaniert wurden; militärische Unterstützung der aufständischen salvadorianischen Linken und aller anderen im internationalen Kampf gegen den Imperialismus;
- Bedingungslose militärische Verteidigung Polens, der UdSSR und der anderen nichtkapitalistischen Staaten gegen den Imperialismus und restaurative Strömungen;
- Abbruch der Verbindungen zu den pro-imperialistischen Bürokraten der AFL-CIO und Zurückweisung der provokativen antikommunistischen Einladung an die mit der CIA verbundenen Gewerkschafter Irving Brown und Lane Kirkland;
- Abbruch aller Verbindungen zu den ländlichen Solidarność-Kulaken; für die Organisation der armen Bauern und Landarbeiter; ausdrückliche Unterstützung für eine vergesellschaftete Landwirtschaft; für die sofortige Beendigung aller staatlichen Subventionen für die ländlichen Kapitalisten; die Abschaffung des „Rechts“ auf Vertragsarbeit in der Landwirtschaft und für ein massives Programm wirtschaftlicher Anreize zur Förderung der freiwilligen Kollektivierung der einzelnen Betriebe; und
- für die Schaffung eines nationalen Netzwerks von Arbeiterräten, um das Proletariat für den Sturz der stalinistischen Diktatur durch eine politische Revolution zu mobilisieren, um eine zentral geplante und direkt von Arbeitersowjets verwaltete Wirtschaft wiederzubeleben.
Die tragische Tatsache ist, dass keine einzige Fraktion der Solidarność auch nur einen einzigen dieser programmatischen Punkte verteidigte. Obwohl es viele hitzige Debatten und eine Fülle von Dokumenten und Entschließungen gab, ist es eine schlichte Tatsache, dass alle bedeutenden Strömungen von Solidarność der Umsetzung der „Marktreform“ verpflichtet waren. Eine trotzkistische Organisation im Polen des Jahres 1981, die in der Arbeiterklasse verankert war, hätte einen Kampf geführt, um die prokapitalistische Führung der Gewerkschaft zu beseitigen. Doch innerhalb der Solidarność gab es keine solche Strömung.
Im Herbst 1981 war Solidarność zu einer kapitalistisch-restaurativen Bewegung geworden, die sowohl über soziale Macht als auch über eine Führung verfügte, die sich subjektiv dem Sturz des diskreditierten und demoralisierten stalinistischen Regimes verschrieben hatte. Zur Verteidigung von Solidarność aufzurufen, bedeutete, zur Verteidigung ihrer konterrevolutionären Kader aufzurufen. Wir unterstützen militärisch den Präventivschlag der Stalinisten gegen die Führung von Solidarność.
Wir geben den Stalinisten keinen Blankoscheck für die Beschneidung der demokratischen Rechte der Arbeiter, sich zu organisieren, sich zu treffen, um über Politik zu diskutieren und sich politisch neu zu formieren. Wir wissen, dass die kapitalistisch-restaurationistischen Strömungen nur durch eine politische Revolution der Arbeiter, die die Herrschaft der stalinistischen Parasiten zerschlägt, entscheidend besiegt werden können. Aber wir identifizieren die Verteidigung der politischen Rechte der polnischen Arbeiter nicht mit der Verteidigung von Solidarność.
Wir schätzen den politischen Raum, den die Arbeiterbewegung mit dem Streik vom August 1980, aus dem die Solidarność hervorging, gewonnen hat, und versuchen, ihn zu erhalten und zu erweitern. Generell lehnen wir die stalinistische Unterdrückung ideologisch Andersdenkender ab, auch wenn sie pro-kapitalistisch sind. Revolutionäre verteidigen auch die Existenz von Gewerkschaften, die vom Staat unabhängig sind, selbst in gesunden Arbeiterstaaten.
Was Trotzkisten jedoch von den Shachtmanisten (d.h. den antikommunistischen „demokratischen Sozialisten“) unterscheidet, ist, dass wir letztlich die „demokratischen Rechte“ nicht über die Verteidigung der Eigentumsformen der Arbeiterklasse stellen. In Polen mussten wir uns im Dezember 1981 zwischen beiden entscheiden, und wir folgten Trotzki:
„Wir dürfen nicht einen Augenblick aus den Augen verlieren, dass die Frage des Sturzes der Sowjetbürokratie für uns der Frage der Erhaltung des Staatseigentums an den Produktionsmitteln in der UdSSR untergeordnet ist; dass die Frage der Erhaltung des Staatseigentums an den Produktionsmitteln in der UdSSR für uns der Frage der proletarischen Weltrevolution untergeordnet ist.“ [72]
Jaruzelskis Repression vom 13. Dezember 1981 hat die Widersprüche, die zur Krise der polnischen Gesellschaft geführt haben, nicht gelöst, aber sie hat eine gefährliche restaurative Mobilisierung verhindert. Wir machen uns keine Illusionen über die Fähigkeit der Stalinisten, das verstaatlichte Eigentum in Polen oder anderswo zu schützen, geschweige denn zu entwickeln. In der Tat ist die einzige Garantie gegen die bürgerliche Restauration der Sieg der politischen Revolution der Arbeiterklasse, die die Herrschaft der bürokratischen Parasiten zerschlägt.
Wir sind für die Niederschlagung der Konterrevolution durch eine klassenbewusste Arbeiterbewegung. Aber wir Trotzkisten können in einer Konfrontation zwischen einer kapitalistischen restaurationistischen Bewegung und einem stalinistischen Staatsapparat keine neutrale Haltung einnehmen. Inmitten der stalinistischen Säuberungsprozesse im Jahr 1937 prognostizierte Trotzki, dass:
„Wenn das Proletariat die Sowjetbürokratie rechtzeitig vertreibt, wird es nach seinem Sieg noch die verstaatlichten Produktionsmittel und die Grundelemente der Planwirtschaft vorfinden. Das bedeutet, dass es nicht von vorne anfangen muss. Das ist ein enormer Vorteil.“ [73]
Quelle: bolsheviktendency.org… vom 21. August 2023; Übersetzung aus dem Spanischen durch die Redaktion maulwuerfe.ch
[1] Trotsky, Leon; “On the Conference of Left Socialist and Communist Organizations…”, Writings of Leon Trotsky (LTW) 1933-34, 1971, p. 62
[2] Trotsky; In Defense of Marxism, 1970, p. 119
[3] Ibid., p. 178
[4] Trotsky; “The Class Nature of the Soviet State,” LTW 1933-34, p. 116
[5] Trotsky; “Not a Workers’ and Not a Bourgeois State?”, LTW 1937-38, 1976, p. 63-4
[6] Trotsky; The Revolution Betrayed, 1972, p. 253
[7] Potel, Jean-Yves; The Summer Before the Frost, 1982, p. 180
[8] Potel, p. 186
[9] Singer, Daniel; The Road to Gdansk, 1981, pp. 189-90
[10] Fejto, Francois; A History of the People’s Democracies, 1974, pp. 438-9
[11] Potel, p.91
[12] Cviic, Christopher; in Poland: Genesis of a Revolution, A. Brumberg ed., 1983. p. 99
[13] MacDonald, Oliver; “The Polish Vortex” in New Left Review, No. 139, May-Junio 1983, p. 28
[14] Singer, pp. 190-1
[15] Ascherson, Neil; The Polish Agosto, 1981, p. 95
[16] “Open Letter to Members of…the United Polish Workers Party…” in Revolutionary Marxist Students In Poland Speak Out, 1968, pp. 86-7
[17] zitiert in Workers Vanguard, No. 263, 5 September 1980
[18] Touraine, p. 113
[19] Touraine, Alain; Solidarity: The Analysis of a Social Movement, 1984, p.159
[20] Garton Ash, Timothy; The Polish Revolution. 1983. p. 19
[21] Michnik, Adam; Letters From Prison, 1985, p. 124
[22] The Book of Lech Walesa, 1982, pp. 192-3, cited in MacDonald
[23] MacDonald, p. 36
[24] Uncensored Poland News Bulletin, 14. November 1985
[25] Weschler, Lawrence; The Passion of Poland, 1984, p.60
[26] Garton Ash, p. 222
[27] Touraine, p. 142
[28] Potel, pp. 186-7
[29] Carton Ash, p. 227
[30] Weschler, p. 68
[31] Trotsky; Third International After Lenin, 1936, p. 300
[32] Workers Vanguard, 8. Januar 1982, berichtete über einen Artikel in der Ausgabe vom 16. Dezember 1981 von Le Canard Enchainé, einer französischen Satirezeitschrift, in dem es hieß, dass Lech Walesa Mitte Oktober 1981 in Paris heimlich mit einer Gruppe von Spitzenmanagern eines US-Unternehmens zusammentraf, die zwei Stunden zuvor mit einem gecharterten Flugzeug angekommen waren. Anwesend waren:
„Philip Caldwell, Präsident von Ford, Robert Tirby, Präsident von Westinghouse, David Lewis von General Dynamics, Henry Heinz, Vertreter des gleichnamigen Lebensmittelkonzerns, und Thomas Watson, ein hohes Tier von IBM. Außerdem ein VIP der T.W.A. und mehrere weniger bedeutende Potentaten, Bankpräsidenten und Lebensversicherer …..
„All diese Leute drängen sich um Lech Walesa, der als wahrer Chef einer Schattenregierung gilt. Die Vorstellungsrunde ist schnell vorbei und die Debatte beginnt. Es gibt ein System der Simultanübersetzung, ein Beweis dafür, dass das Interview auf amerikanischer Seite jedenfalls nicht völlig improvisiert war“. Diesem Bericht zufolge wurden Walesa von den Industrie- und Finanzkapitänen unter anderem folgende Fragen gestellt: „Sind Sie bereit, auf Ihre freien Samstage zu verzichten? „Wissen die polnischen Arbeiter, wie man arbeitet und sind sie bereit zu arbeiten? „Ist dies das Ende der marxistisch-leninistischen Ideologie in Polen?“. „Wollen Sie, dass die kommunistische Partei an der Macht bleibt?
[33] Garton Ash, p. 225
[34] Touraine, p. 144
[35] Trotsky; The Challenge of the Left Opposition 1926-27, 1980, p. 492
[36] Trotsky; The Transitional Program for Socialist Revolution, 1973, p. 105
[37] MacDonald, pp. 28-9
[38] Garton Ash, p. 216
[39] Touraine, p. 140
[40] New Left Review, No. 125, January February 1981, p. 65
[41] Workers Power; “Revolution and Counter-revolution in Poland,” Juli 1982, pp. 10-11
[42] Ibid., pp. 11-12
[43] Trotsky; “The Moralists and Sycophants Against Marxism,” Their Morals and Ours, 1969, pp. 44-54
[44] Potel, pp. 82-35
[45] Workers Power an Bolshevik Tendency, 2. April 1987
[46] Raina, Peter, Poland 1981, 1985, pp. 423, 430-1
[47] Garton Ash, p. 249
[48] Raina, p. 431
[49] Ibid., pp. 432-3
[50] Garton Ash, p. 250
[51] Raina, p. 435
[52] Ibid., p. 446
[53] Ibid., pp. 448, 450, 452
[54] Ibid., p. 453
[55] Touraine, p. 88
[56] Kowalewskis Politik ist offen „drittes Lager“, ein Begriff, der von Max Shachtman (der 1940 eine Spaltung der trotzkistischen Bewegung herbeiführte) geprägt wurde, um seine Position der Neutralität in den Konflikten zwischen dem Imperialismus und der UdSSR zu beschreiben. In der September-Oktober-Ausgabe 1986 von Against the Current, einer amerikanischen Shachtman-Publikation, zitiert Kowalewski zustimmend Hal Draper (ein führendes Mitglied von Shachtmans Independent Socialist League), der 1951 „eine demokratische Revolution in einem kollektivierten System“ forderte. In diesem Artikel tadelt Kowalewski diejenigen, die „weiterhin an die angebliche Überlegenheit des ‚real existierenden Sozialismus‘ und der darin angeblich enthaltenen ‚proletarischen Errungenschaften‘ glauben“. Kowalewskis Position weist eine gewisse innere Konsistenz auf – was mehr ist, als man von den meisten „trotzkistischen“ Unterstützern der Solidarność sagen kann. Seine Leugnung, dass es in kollektivierten Volkswirtschaften etwas zu verteidigen gibt, steht im Einklang mit seiner fortgesetzten Verteidigung des marktorientierten Selbstverwaltungssystems, das auf dem Solidarność-Kongress vorgestellt wurde.
[57] Kowalewski, Zbigniew; “Solidarity on the Eve,” in The Solidarity Sourcebook, 1982, Persky and Flam eds., p. 237
[58] Ibid., pp. 230, 232
[59] Washington Post, 20. Dezember 1981
[60] New York Times, 13. Dezember 1981
[61] Washington Post, 20. Dezember 1981
[62] Washington Post, 20. Dezember 1981
[63] Kowalewski, p. 238
[64] Ibid., pp. 238-9
[65] Ibid., p. 240
[66] Workers Power, p. 6
[67] Kowalewski, p. 239
[68] Garton Ash, p. 237
[69] Garton Ash, p. 237
[70] LTW 1939-40, 1973, p. 50
[71] Nagy, Balazs; “Budapest 1956: The Central Workers Council,” Eyewitness in Hungary, 1981, Bill Lomax ed., pp. 177-8
[72] Trotsky, In Defense of Marxism, 1970, p. 21
[73] LTW 1937-38, 1976, p. 69
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