Doppelwumms: Trumps Wahlsieg und das Platzen der Ampel
Florian Rötzer. Für Deutschland steht die Ukraine-Politik im Zentrum des Wirtschaftsniedergangs und der finanziellen Belastung. Wie wird es weitergehen, wenn in Berlin eine neue Regierung erst im März antritt?
Es war ein Doppelwumms gestern: Zuerst der überraschend hohe Wahlsieg Donald Trumps und dann der Knall in der Ampel-Regierung. Zwar hat der amerikanische Wahlkampf nur am Rande mit der Außenpolitik und vor allem mit dem Ukraine-Krieg zu tun gehabt. Aber es ist klar, dass Trumps Präsidentschaft eine Wende in der Ukraine-Politik bedeuten wird. Das scheint einer der Gründe dafür gewesen zu sein, dass die Bundesregierung platzt, denn Bundeskanzler Scholz will die Ukraine-Unterstützung trotz der auch durch die Ukraine-Politik bedingten wirtschaftlichen Probleme nicht nur weiterführen, sondern auch verstärken, um den möglichen Ausfall der USA zumindest ein Stück weit zu kompensieren. Weil das nicht zur Kürzung der Sozial-, Wirtschafts- und Klimapolitik führen soll, müssen nach Scholz und Habeck neue massive Schulden aufgenommen und dafür die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Dagegen sperrte sich nach wie vor Finanzminister Lindner, was Scholz zur Entlassung veranlasste.
Die Unterstützung der Ukraine, das weitere Setzen auf militärische Hilfen und damit auf Weiterführung des Kriegs trotz der realen Lage, dass der Ukraine die Kräfte ausgehen und es dringend notwendig wird, um weiteres Blutvergießen und weitere Zerstörung zu beenden, in Verhandlungen mit Kompromissen einzutreten, bestimmt und zerreißt die deutsche Politik. Es hat schon dazu geführt, dass die AfD stärker wurde und das BSW als neue politische Kraft auf die Bühne treten konnte. Aber schon vor dem Krieg haben die Sanktionen vor allem Deutschland getroffen, von denen die USA profitierte, die von Biden angekündigte und von der Bundesregierung hingenommene Zerstörung der Nord Stream-Pipelines war ein deutliches Zeichen für die Unterwerfung der deutschen Politik unter amerikanische Interessen. Der Druck wuchs, dass Deutschland der Ukraine immer mehr Waffen und Geld liefert, ohne darauf zu dringen, den Krieg möglichst schnell zu beenden.
Weil die Ukraine-Politik nun die Bundesregierung aufgesprengt hat, ohne dass Scholz und Habeck eine Veränderung einleiten wollen, spielt es eine Rolle, wie die Trump-Regierung sich entscheiden wird: nur weniger Hilfen, ein Ende der Unterstützung und wachsender Druck auf die Ukraine, schnell einen Kompromiss mit Russland einzugehen?
Eine Frage wird auch sein, wie die scheidende Biden-Regierung die letzten zwei Monate handeln wird. Werden noch schnell weitere Finanz- und Waffenlieferungen an die Ukraine gemacht? Werden die Nato-Staaten von Washington unter Druck gesetzt, ihre Hilfen drastisch zu erhöhen? Vermutlich hat die Biden-Regierung dazu keine Mittel mehr. Aber sie könnte den Krieg noch eskalieren lassen, um der Ukraine möglicherweise bessere Verhandlungsbedingungen mit Russland zu verschaffen, beispielsweise mit der Lieferung weitreichender Raketen und der Erlaubnis, damit auch Ziele im russischen Hinterland anzugreifen. Jetzt könnte der Druck auch auf den Bundeskanzler wachsen, doch Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern.Das würde die Gefahr eines großen Kriegs erhöhen und die künftige Trump-Regierung vor eine schwierige Situation stellen. Ein Rückzug der USA aus dem Ukraine-Krieg würde der Trump-Regierung zumindest der Kritik aussetzen, wie in Afghanistan oder wie bei den Kurden in Syrien Verbündete in Stich zu lassen.
Nach dem Wahlsieg von Donald Trump ist auffallend, wie zurückhaltend der Kreml ist. Der russische Präsident Putin hat sich nicht schnell wie andere in die Schlange der Beglückwünscher eingereiht, die sich entweder wirklich über seinen Sieg freuen oder hoffen, sich ein wenig einschleimen zu können. Kreml-Sprecher Peskow ließ nur verlauten, die Wahl habe in einem Russland gegenüber feindlichem Staat und in einem Land stattgefunden, das an dem Konflikt über die Ukraine beteiligt ist. Man werde Schlussfolgerungen aus Trumps ersten Äußerungen zu Russland ziehen.
Bekanntlich hat Trump versprochen, den Ukraine-Krieg an einem Tag beenden zu können. Sein Vize Vance hat schon mal im September erklärt, wie der Plan zum Frieden aussehen könnte: Waffenstillstand am aktuellen Frontverlauf, wo eine demilitarisierte Zone eingerichtet werden soll, Russland würde das bislang eroberte Gebiet behalten können, die Ukraine würde neutral werden. Das ist genau das Gegenteil des völlig unrealistischen „Siegesplans“ von Selenskij, würde aber dem Vorschlag von China und Brasilien entgegenkommen, der allerdings nur einen Waffenstillstand als Voraussetzung von Verhandlungen beinhaltet.
Eigentlich sollte man annehmen, was auch gegen Trump von demokratischer Seite geäußert wurde, dass Moskau über den russlandfreundlichen Präsidenten erfreut sei, der die Ukraine zu Gesprächen und zum Aufgaben von Territorien bewegen will. Die offizielle Zurückhaltung von Putin und dem Kreml lässt sich sicher auch darauf zurückführen, dass sich Russland im Krieg mit dem von den USA angeführten Westen sieht. Tatsächlich ist es ein Stellvertreterkrieg, der zwar mit Trumps Amtsantritt über das Schwächeln der ukrainischen Streitkräfte hinaus ins Bröckeln geraten könnte, wenn Washington der Ukraine nicht mehr mit Waffen und Geld hilft und Europa dies nicht alleine tragen kann oder will. Aber bis zum Amtsantritt von Trump sind die USA noch Unterstützer der Ukraine und daher indirekt im Krieg mit Russland. Da kann der Kreml nicht gleichzeitig die Soldaten an der Front sterben lassen und den Feind hochjubeln, zumal es bei den Republikanern harte Transatlantiker gibt und noch keineswegs klar ist, wie Trump wirklich entscheiden wird.
Möglicherweise haben sich das Trump- und das Putin-Lager aber auch verständigt, die Beziehungen erst einmal tief zu hängen, um Trump zur Wahl und vor dem Amtsantritt nicht zu schädigen, da er eh schon im Ruf steht, Putin-Versteher zu sein. Gut möglich, dass im Geheimen bald Gespräche zwischen den Lagern geführt werden, um zu einer für Putin und Trump zufriedenstellenden Lösung zu kommen. Wie wichtig dabei die Ukraine oder Selenskij, mit dem Trump sowieso seit seiner ersten Amtszeit nicht gut Freund ist, sein werden, ist schwer abzuschätzen. Groß wird sie nicht sein, da Trump die Mittel zur Erpressung hat und die Ukraine von Washington abhängig ist. Der alte Nato-Slogan, den man auch kaum mehr hört, dass die Ukraine bzw. Selenskyi alleine darüber entscheiden werden, ob und wann Verhandlungen begonnen werden, wird keine Geltung mehr haben. Das Interesse von Trump könnte auch darin bestehen, Russland mehr auf die Seite der USA zu ziehen, um freiere Hand gegenüber China zu haben.
Die neue deutsche Regierung, die im Frühjahr gewählt werden soll, wird vor der Entscheidung stehen, wenn nicht bereits ein Kriegsende durch Waffenstillstand oder Kapitulation der Ukraine oder eine Eskalation des Konflikts Nato-Russland eingetreten ist, ob sie mit der Trump-Regierung gehen oder einen eigenständigen europäischen Kurs einschlagen will. Kaum vorstellbar ist, dass Deutschland mit einigen europäischen Staaten die Ukraine so stark machen kann, dass sie weiter den russischen Angriffen standhalten kann, zumal Russland darauf zu setzen scheint, bis zum Amtsantritt von Trump zumindest die Regionen Donezk und Lugansk erobert zu haben.
Man kann vermuten, dass die Einheit der Nato bei der Unterstützung der Ukraine mit Trump ins Bröckeln kommt. Wichtig wird werden, ob Europa eine einheitliche Politik entwickeln kann, um den Ukraine-Krieg zu befrieden – und auch nicht in Moldau und Georgien in neue Konflikte zu geraten. Wenn die USA unter Trump sich vor allem auf den Pazifik und militärisch und wirtschaftlich gegen China ausrichten wird, könnte Europa versuchen, endlich eine Sicherheitsarchitektur in Europa nicht gegen, sondern mit Russland zu entwickeln. Dass man auch mit Ländern, die völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt und dabei Kriegsverbrechen begangen haben, politisch zusammenarbeiten kann, hat die Nato schon seit Jahrzehnten vorgeführt.
Allerdings wird es so sein, dass in der Ukraine, wenn Selenskij Verhandlungen mit Russland beginnen und dabei notwendig territoriale Kompromisse eingehen wird, Unruhen aufbrechen werden. Die zahlreichen, schwer bewaffneten Freiwilligenverbände und Teile der Bevölkerung werden von Verrat sprechen und versuchen, die ukrainische Regierung zu stürzen. Es besteht die Gefahr, dass eine kaum zu kontrollierende nationalistische Militärregierung an die Macht kommt und dass wieder viele Ukrainer in die EU fliehen werden.
Quelle: overton-magazin.de… vom 7. November 2024
Tags: Deutschland, Imperialismus, Politische Ökonomie, Russland, Ukraine, USA
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