Netanjahus israelische „Antisemitismus“–Konferenz mit Rechtsextremisten
Jean Shaoul. Die Internationale Konferenz zur Bekämpfung des Antisemitismus, die für den 26. und 27. März in Jerusalem angekündigt wurde, besiegelt die Partnerschaft Israels mit den Politikern des Rechtsextremismus in Europa. Israel liebäugelt zwar schon länger mit diesen Kräften, aber es ist das erste Mal, dass die israelische Regierung rechtsgerichtete und faschistische Politiker Europas zu einer Veranstaltung im eignen Land einlädt.
Gastgeber der Konferenz ist Israels Minister für Diaspora und den Kampf gegen Antisemitismus, Amichai Chikli von Premierminister Netanjahus Likud-Partei. Die wichtigsten Politiker, die als Redner auftreten, sind rechte Ideologen, Ultranationalisten und Neofaschisten. Die meisten von ihnen gehören der Gruppe „Patrioten für Europa“ im Europäischen Parlament an. Zu ihnen gehören:
- Jordan Bardella, Vorsitzender des französischen Rassemblement National (RN), Fraktionsvorsitzender der Patrioten für Europa im Europäischen Parlament
- Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin Italiens und Vorsitzende der Fratelli d’Italia, die sich historisch auf das faschistische Mussolini-Regime beziehen
- Hermann Tertsch (Vox Spanien), Vizepräsident der Patrioten für Europa im Europäischen Parlament. Sein Vater, ein SA-Führer, wurde als Diplomat des NS-Staates nach Madrid geschickt.
- Charlie Weimers (Schwedendemokraten), stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten
- Kinga Gál (Fidesz Ungarn), stellvertretender Vorsitzender der Patrioten für Europa im Europäischen Parlament. Der Fidesz-Vorsitzende Viktor Orban lobte den ungarischen Diktator Admiral Miklos Horthy, der mit den Nazis bei der Vernichtung von mehr als einer halben Million ungarischer Juden kollaborierte.
Auf der Veranstaltung wird auch der argentinische Präsident Javier Milei sprechen, sowie auch die Europaabgeordnete Marion Maréchal, Enkelin des Front–National–Gründers Jean-Marie Le Pen. Sie vertritt die Verschwörungstheorie des „Großen Austauschs“. Vertreter der Freiheitspartei des niederländischen islamfeindlichen Populisten Geert Wilders werden ebenfalls teilnehmen.
Was auf der Tagesordnung der Konferenz komplett fehlt, ist jede Erwähnung des rechten Antisemitismus oder von Neonazi-Gewalt gegen Juden. Stattdessen konzentrieren sich die Themen auf Israels zentrales Anliegen: die Opposition gegen den Zionismus und gegen die kriminellen Handlungen des israelischen Staates, was als „linker Antisemitismus“ gebrandmarkt wird.
Zu den Themen gehören: „Antiisraelische Voreingenommenheit in internationalen Institutionen“, „Antisemitismus in der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Muslimbruderschaft“, „Doppelmoral, vom Schlachtfeld bis zum IStGH“ [dem Internationalen Strafgerichtshof], „Verleugnung: Christlicher Zionismus“, „Verleugnung: vom Holocaust bis zum 7. Oktober“, und: „Wenn der Progressivismus feindselig wird: Antisemitismus im akademischen Diskurs“.
Die israelische Regierung geißelt jede Opposition gegen Israels völkermörderischen Krieg gegen Gaza als Antisemitismus. Zudem fördert sie eine rechtsextreme, einwanderungsfeindliche und islamophobe Rhetorik, die das Bild eines von Muslimen überrannten Europas vermittelt, und befeuert die Diskussion über „radikalen islamistischen Antisemitismus“.
Den Teilnehmern wird eine Auswahl an geführten Touren nach Gaza oder „Judäa und Samaria“, dem biblischen Namen für das besetzte Westjordanland, angeboten. Sie können eine „bemerkenswerte Reise durch die faszinierenden Gemeinden“ unternehmen, bei der sie „antike biblische Stätten erkunden und ein umfassendes Verständnis für die strategische Bedeutung der Region gewinnen“ können.
Die Tatsache, dass Israel, das einst mit dem Anspruch gegründet wurde, eine Zuflucht vor Faschismus und Antisemitismus zu sein, heute selbst Faschisten und Antisemiten willkommen heißt und sich mit ihnen verbrüdert, muss Anlass extremer Beunruhigung sein. Bei den Massen auf der ganzen Welt löst es Abscheu aus. Das zeigen die Massendemonstrationen und Proteste, an denen auch viele Juden teilnehmen.
Dies hat am Ende mehrere Teilnehmer, die ebenfalls reaktionär und pro-zionistisch sind, dazu veranlasst, ihre Teilnahme abzusagen. Sie befürchten, dass sie sonst ihre Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen verlieren könnten.
Zu ihnen gehören der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy, der die Begrüßungsrede beim Eröffnungsdinner der Konferenz halten sollte, der Oberrabbiner des Vereinigten Königreichs, Rabbi Ephraim Mirvis, auch David Hirsch, der akademische Direktor und CEO des London Centre for the Study of Antisemitism. Aus Deutschland haben Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, und Armin Laschet (CDU), ehemaliger NRW-Ministerpräsident und ex–Kanzlerkandidat, ihre Teilnahme abgesagt.
Jonathan Greenblatt, CEO der berüchtigten Anti-Defamation League (ADL) in den USA, dem vielleicht bekanntesten zionistischen quasi-staatlichen Geheimdienst, sah sich ebenfalls gezwungen, seine Teilnahme abzusagen.
Israels Präsident Isaac Herzog, der zusammen mit Netanjahu auf der Konferenz sprechen sollte, hat sich ebenfalls zurückgezogen.
Netanjahus Likud-Partei: heute beobachtendes Mitglied der rechtsextremen Patrioten für Europa
Die Einladung an rechtsextreme Ideologen ist nur der jüngste Schritt in dem immer offeneren Bündnis zwischen dem zionistischen Staat und den wiedererstarkenden Kräften der extremen Rechten und des Neofaschismus. In Europa ist Netanyahus Likud-Partei mittlerweile Beobachtermitglied der Patrioten für Europa, der drittgrößten Fraktion im Europäischen Parlament, zu der das französische Rassemblement National, die ungarische Fidesz, der belgische Vlaams Belang, die niederländische Freiheitspartei von Geert Wilders, die österreichischen Freiheitlichen, die italienische Lega, die spanische Vox und die portugiesische Chega gehören. Es sind alles Parteien, die Israel einst wegen ihrer Verbindungen zum Faschismus und ihres Antisemitismus boykottierte.
Die Patrioten für Europa wurden im Februar in Madrid gegründet. Sie haben Likud unter Berufung auf ihre „gemeinsamen Werte“ als Beobachter „herzlich“ willkommen geheißen. Die Likud-Partei hat ihre Mitgliedschaft in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten, der sie 2016 als führende rechte Gruppe beitrat, effektiv beendet. Sie wird nun mit den Patrioten bei ihren „gemeinsamen Prioritäten“ zusammenarbeiten. Dazu gehören „der Kampf gegen den politischen Islam und den von ihm geschürten Terrorismus“ und die Bemühungen, „die illegale Massenmigration nach Europa“ einzudämmen.
Anfang Februar empfingen Amir Ohana, Mitglied der Likud-Partei und Sprecher der Knesset, und Yossi Dagan, ein Siedlerführer und weiteres Likud–Mitglied, mehrere Mitglieder von Vox in Jerusalem. Der Vox-Vorsitzende und Präsident der Patrioten-Fraktion, Santiago Abascal, ist seit dem 7. Oktober ein lautstarker Unterstützer Israels im Rahmen seiner breit angelegten Kampagne gegen den „radikalen Islam“. Er verurteilt die von den Vereinten Nationen und dem Internationalen Strafgerichtshof verhängte „globale Diktatur“, die einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gegen Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant ausgestellt haben.
Israels Außenminister Gideon Sa’ar, der kürzlich die Opposition verlassen hat, um wieder dem Likud beizutreten, hat angekündigt, dass Jerusalem offiziell Beziehungen zu den Schwedendemokraten, Le Pens Rassemblement National und Vox aufnehmen werde. Netanjahus Berater Ariel Bulshtein hat öffentlich Gespräche mit der österreichischen Freiheitlichen Partei geführt, deren Gründer ein ehemaliger Nazi-General war, und in deren Führung viele Nazi-Sympathisanten sitzen.
Der Likud hat sich geweigert, sich dazu zu äußern, ob er formelle Beziehungen zu den Freiheitlichen und zur Alternative für Deutschland (AfD) aufnehmen werde, aber der Diaspora-Minister Chikli hat seine Bereitschaft signalisiert, mit der AfD in Beziehung zu treten. Ihm zufolge ist deren Co-Vorsitzende Alice Weidel „offen für Kontakte“, und sie habe „einen gesunden liberalen Patriotismus, eine verantwortungsvolle Einwanderungspolitik und eine klare Sicht auf die Gefahren des radikalen Islam“.
Netanjahu bietet Europas Neonazis Rehabilitierung an, wenn sie im Gegenzug Groß-Israel unterstützen
Dies ist keine Konferenz zur Bekämpfung von Antisemitismus. Die Konferenz dient dazu, Unterstützung für die expansionistische Politik Israels zu mobilisieren, einschließlich seiner „Endlösung“ der Palästinafrage.
Die rechtsextremen Parteien Europas besuchen Israel, um sich von ihrer faschistischen und antisemitischen Vergangenheit reinzuwaschen; sie lassen sich von Israel ein koscheres Gütesiegel für das Wiederaufleben von Militärdiktaturen und Faschismus verleihen. Diese christlichen Fundamentalisten, Antisemiten und Migrantenfeinde würden es – genau wie ihre politischen Vorgänger – gerne sehen, wenn ihre eigenen jüdischen Bürger nach Israel auswanderten.
Netanjahu ist mehr als bereit, den Faschismus in Europa und auf der ganzen Welt politisch zu rehabilitieren. Seit mehr als 25 Jahren – seitdem Israels moralisches Ansehen in der Welt, auch unter Juden, dahinschwindet – setzt er sich dafür ein, den Antizionismus unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Antisemitismus zu unterdrücken.
Netanjahu behauptet ohne Unterlass: „Der europäische Antisemitismus, der von der extremen Linken und auch von den radikalislamischen Gruppierungen in Europa ausgeht, ist der neue Antisemitismus.“ Sowie auch: „Die Vorstellung, dass Israel kein Existenzrecht hat, ist heute der ultimative Antisemitismus.“ Israel habe das Recht, sich mit allen erforderlichen Mitteln gegen die Palästinenser zu „verteidigen“.
Die Konferenz bietet Israel auch die Möglichkeit, seine militärische Ausrüstung, repressive Sicherheitsüberwachungstechnologie und Geheimdienstsoftware zu vermarkten – erprobt und getestet an den Palästinensern.
Die zunehmend reaktionäre Ideologie des Zionismus
Israels Bündnis mit der europäischen und internationalen extremen Rechten ist ein Bündnis zwischen politischen Gesinnungsgenossen. Netanjahu verkörpert das Aufkommen einer faschistischen Tendenz in Israel. Im Jahr 2018 führte seine Koalition aus offen rassistischen und faschistischen Parteien das „Nationalstaatsgesetz“ ein, das dem Apartheidstaat Südafrika nachempfunden ist. Es verankerte die jüdische Vorherrschaft als rechtliche Grundlage des Staates.
Im Jahr 2022 schloss Netanjahu ein Wahlbündnis mit den offen faschistischen Parteien Religiöser Zionismus und Jüdische Macht und nahm sie in seine Koalitionsregierung auf, wodurch sie eine beispiellose Macht über die Wirtschaft, das Westjordanland und die Polizei erhielten. Selbst als er die Möglichkeit hatte, auf ihre Dienste zu verzichten, nachdem sich nach dem 7. Oktober drei Oppositionsführer seiner Koalition angeschlossen hatten, behielt er sie im Amt. Sie spielen eine Schlüsselrolle dabei, Gewalt und Bürgerwehren gegen die Palästinenser im besetzten Westjordanland anzuheizen und den Vernichtungskrieg im Gazastreifen zu fördern, den sie unbedingt annektieren wollen.
Die gefährliche Lüge vom „linken Antisemitismus“
Aufeinanderfolgende Regierungen unter Netanjahu haben Millionen Dollar an zionistische Gruppen und pro-israelische Politiker geleitet, um deren Bemühungen zu unterstützen, die Linke zu kriminalisieren. Die bekannteste Kampagne war die gegen den damaligen britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn und seine Anhänger, die verleumdet wurden, Labour in eine antisemitische Partei verwandelt zu haben. Corbyn wurde erfolgreich abgesetzt – dank seiner Weigerung, sich der Hexenjagd auf seine Anhänger zu widersetzen und die pro-zionistischen Blair-Anhänger aus der Labour-Partei zu vertreiben.
Sein Nachfolger, Sir Keir Starmer, ist ein bösartiger Rechter, der dafür berüchtigt ist, Netanyahus Krieg gegen Gaza mit Waffen und täglicher nachrichtendienstlicher Unterstützung zu begünstigen.
Die Konzentration auf das angebliche Wachstum des „linken Antisemitismus“ dient dazu, die Kultivierung und das Wachstum rechtsextremer und neofaschistischer Kräfte durch kapitalistische Regierungen auf der ganzen Welt zu verschleiern. Dieser Rechtsruck stellt eine gewaltsame Neuausrichtung der Politik auf die Realität der erschütternden sozialen Ungleichheit, der Wirtschaftskrise und des Krieges dar. Unter diesen Bedingungen versucht die herrschende Klasse in jedem Land, die Demokratie abzuschaffen. Darin zeigt sich die brutale Fratze des Kapitalismus in einer Zeit der akuten Krise.
Die Regierung Netanjahu ist bestrebt, alle Beschränkungen ihrer Machtbefugnisse aufzuheben und ihre politischen Gegner innerhalb des Staatsapparats loszuwerden. Dies richtet sich aktuell gegen den Leiter des Inlandsgeheimdienstes Ronen Bar und die Generalstaatsanwältin Galia Beharav-Miara. Netanjahu bereitet sich darauf vor, gegen alle Gegner seiner Politik vorzugehen. Die Allianz der politischen Elite Israels mit den reaktionärsten Kräften der Welt zeigt, dass der Zionismus ein ebenso erbitterter Feind jüdischer Arbeiter und Jugendlicher ist, sei es in der Diaspora oder in Israel, wie der Palästinenser.
#Titelbild: Screenshot der Pressemitteilung zu dem „Patriots Summit“ in Madrid, auf dem sich die Patrioten für Europa konstituierten [Photo: patriots.eu]
Quelle: wsws.org… vom 27. März 2025
Tags: Argentinien, Europa, Faschismus, Neue Rechte, Palästina, Strategie, Widerstand, Zionismus
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