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Rolle des Dollars als Weltreservewährung unter Beschuss

Eingereicht on 22. April 2025 – 11:52

Nick Beams. Zunächst war es nur ein leises Raunen in relativ abgelegenen Teilen der Finanzpresse. Doch nun werden die Stimmen lauter: Der US-Dollar könnte seine Funktion als globale Leitwährung verlieren, nachdem alle Arrangements und Mechanismen der Nachkriegsordnung unter dem Wirtschaftskrieg zusammenbrechen, den Präsident Trump gegen den Rest der Welt entfesselt hat.

Vergangene Woche erschien in der Financial Times ein Artikel mit der Schlagzeile: „Verliert die Welt das Vertrauen in den allmächtigen US-Dollar?“ Die Antwort lautet eindeutig: Ja.

Auslöser der Besorgnis ist eine ungewöhnliche Entwicklung auf den Finanzmärkten. Unter „normalen“ Bedingungen führen Verwerfungen an den Finanzmärkten zu einer Aufwertung des Dollars, da Investoren sichere Häfen suchen und US-Staatsanleihen nachfragen.

Seit dem sogenannten „Tag der Befreiung“, an dem Trump seine „reziproken Zölle“ ankündigte, fließt jedoch Kapital aus US-Staatsanleihen ab und der Dollar verliert an Wert. Der Goldkurs – ein echter Wertspeicher im Gegensatz zu Schulden und Krediten – klettert indes unvermindert auf Rekordhöhen.

Diese Bewegung hat sich kurzzeitig verlangsamt, als Trump eine 90-tägige Pause der reziproken Zölle (die für viele Länder zwischen 30 und 50 Prozent liegen) ankündigte, um Verhandlungen zu ermöglichen. Doch die Frage bleibt: Was passiert nach dieser Pause?

Unabhängig von der kurzfristigen Entwicklung ist eines gewiss: Eine Rückkehr zum Status quo ante wird es nicht geben, denn Trump hat unmissverständlich gewarnt, dass niemand „ungestraft davonkommen“ werde. Diese Woche fanden in Washington bereits Gespräche zwischen seiner Administration und Japan statt. Der japanische Handelsbeauftragte kehrte ohne Ergebnis zurück.

Die Bedeutung der neuen Situation wurde von der FT-Kolumnistin Rana Foroohar in ihrem Kommentar „America the Unstable“ („Amerika, die Unbeständige“) auf den Punkt gebracht.

Foroohar begann mit der Feststellung, dass ihre „Kernbotschaft“ aus dem Zollchaos und seinen Folgen sei, dass Amerika unter Trump zu einem „Schwellenmarkt“ geworden sei.

In früheren Zeiten politischer und wirtschaftlicher Spannungen stiegen die amerikanischen Aktien und die Währung aufgrund des Status des Dollars als „sicherer Hafen“.

„Es schien keine Rolle zu spielen, dass alle Faktoren, die den amerikanischen Unternehmen Auftrieb gaben – von niedrigen Zinsen über Finanzstrukturen bis hin zur Globalisierung selbst – ausgeschöpft waren. Der US-Vermögensmarkt schien immun gegen jegliches Szenario, das sowohl die Währung als auch die Vermögenspreise zum Einsturz bringen könnte. Trump hat der exorbitanten Privilegierung Amerikas endlich ein Ende gesetzt“.

Sie schloss mit der Bemerkung, dass sie zuvor die Möglichkeit ausgeschlossen hätte, dass Amerika zum Epizentrum einer Schuldenkrise im Stil der Schwellenmärkte werden könnte, aber „jetzt nicht mehr“.

Trumps Maßnahmen – die Zollerhöhungen, die die Wirtschaft verlangsamen werden, und die vorgeschlagenen Steuersenkungen für Unternehmen – werden Billionen Dollar zu der bereits als „unhaltbar“ bezeichneten Schuldenlast hinzufügen, die derzeit bei 36 Billionen Dollar liegt und weiter steigt.

In einem Anfang des Monats veröffentlichten Bericht fasste George Saravelos, globaler Leiter der Devisenforschung bei der Deutschen Bank, die wachsende Einschätzung in führenden globalen Finanzkreisen zusammen.

„Trotz Präsident Trumps Kehrtwende bei den Zöllen ist der Schaden für den Dollar angerichtet“, schrieb er in einem Bericht. „Der Markt bewertet die strukturelle Attraktivität des Dollars als globale Reservewährung neu und durchläuft einen Prozess der De-Dollarisierung“.

Die Krise ist jedoch nicht nur das Ergebnis von Trumps Handlungen. Sie hat sich von langer Hand vorbereitet und ist das Ergebnis eines langen Niedergangs der wirtschaftlichen Position der USA.

Trump hat, wie inzwischen offen zugegeben wird, die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten wirtschafts-, handels- und finanzpolitischen Mechanismen mit der Axt traktiert, weil sie seiner Meinung nach entscheidend zur Schwächung der USA beigetragen haben.

Natürlich erklärt Trump – für den, ähnlich wie für Henry Ford, „Geschichte Mumpitz“ ist – nicht, warum diese Mechanismen geschaffen wurden und warum die USA bei ihrer Etablierung eine führende Rolle spielten. Ausschlaggebend war, wie so oft in seinen Ausfällen, der Verweis auf die „nationale Sicherheit“.

Ziel der Nachkriegspolitik war es, eine Rückkehr zu den Verhältnissen der Zwischenkriegszeit zu verhindern. Nicht zuletzt aus der Erkenntnis heraus, dass solche Verhältnisse in den großen kapitalistischen Ländern, einschließlich der USA, zu revolutionären Kämpfen der Arbeiterklasse führen würden, wie dies Ende der 1930er Jahre der Fall gewesen war.

Die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit stützte sich auf drei Säulen: erstens die Etablierung des US-Dollars als internationale, goldgedeckte Währung; zweitens die Senkung der Zölle und die Förderung des Freihandels, um erneute Handels- und Währungskriege wie in den 1930er Jahren zu vermeiden; drittens der Wiederaufbau Europas durch den Marshall-Plan. Alle drei basierten auf der Stärke und industriellen Leistungsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft.

Entgegen den Behauptungen verschiedener bürgerlicher Ökonomen und nicht weniger selbsternannter Marxisten, der darauf folgende kapitalistische Wirtschaftsboom der Nachkriegszeit habe die marxistische Analyse des historisch unvermeidlichen ökonomischen Zusammenbruchs des kapitalistischen Systems widerlegt, hat die Nachkriegsordnung ihre grundlegenden Widersprüche nicht überwunden – vor allem nicht den zwischen dem Weltmarkt und seiner Aufteilung in rivalisierende Nationalstaaten und Großmächte.

Innerhalb von nur 25 Jahren – aus historischer Sicht eine kurze Zeitspanne – traten diese Widersprüche offen zutage. Am 15. August 1971 hob Präsident Nixon angesichts wachsender Handels- und Zahlungsbilanzdefizite die Golddeckung des US-Dollars auf und brach damit einseitig das Bretton-Woods-Abkommen von 1944.

Dies war ein deutliches Signal, dass die Macht des amerikanischen Kapitalismus, die Grundlage der Nachkriegsordnung, zu schwinden begann.

Das Ende des Bretton-Woods-Systems markierte den Beginn einer neuen Weltfinanzordnung. Noch in den 1950er und 1960er Jahren wurden Wechselkurse fixiert und Kapital- und Finanzströme streng reguliert, um Währungskriege zu vermeiden.

Doch mit dem Ende des Dollar-Gold-Standards begannen die Währungen frei zu schwanken, Kapital- und Devisenkontrollen wurden zunehmend aufgehoben. Ein neues internationales Wirtschaftssystem entstand, das auf Kredit und freiem Kapitalverkehr beruhte.

Der US-Dollar fungierte weiterhin als Basis des internationalen Finanzsystems, erfuhr aber eine tiefgreifende Transformation. Er war nun eine Fiat-Währung, die nicht mehr durch Gold, also realen Wert, gedeckt war, sondern allein durch den amerikanischen Staat. Eine neue globale Währungsordnung entstand.

Wie es in dem FT-Artikel heißt: „Obwohl Nixon 1971 den Dollar vom Gold abkoppelte, blieb der Greenback im Zentrum des monetären Universums. Tatsächlich hat seine Bedeutung im expandierenden und immer stärker vernetzten globalen Finanzsystem sogar noch zugenommen. Weit davon entfernt, die Bedeutung des Dollars zu schmälern, hat der Nixon-Schock sie in vielerlei Hinsicht gefestigt.“

Die Befreiung des Dollars von den Beschränkungen der Goldbindung und die damit einhergehenden staatlichen Regulierungen zur Aufrechterhaltung eines festen Wechselkurssystems befreiten die Finanzwelt von den Zwängen des alten Regimes und eröffneten enorme neue Wege der Profitakkumulation.

In zunehmendem Maße, vor allem in der US-Wirtschaft, führte dies zu dem, was als Finanzialisierung bezeichnet wird, die Anhäufung von Profiten durch spekulative und parasitäre Methoden.

Je mehr sich diese Methoden entwickelten, desto mehr wurden die Regulierungen des Finanzkapitals, die als Reaktion auf die Krise der 1930er Jahre eingeführt worden waren, abgebaut. Dies gipfelte 1999 in der Aufhebung des letzten noch aus der Depressionszeit stammenden Gesetzes, des Glass-Steagall Act, durch die Clinton- Regierung.

1991 eröffnete die Liquidierung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie, verbunden mit der Restauration des Kapitalismus in China und der Aufgabe nationaler Entwicklungspolitik durch die bürgerlichen nationalen Regime in den ehemaligen Kolonien, neue Profitmöglichkeiten durch die Globalisierung der Produktion.

Die USA wollten sie nutzen und forderten Chinas Eintritt in die neue Weltordnung. Die Clinton-Regierung drängte auf den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation, den die USA später unter Präsident George W. Bush ratifizierten.

Die USA sahen in der billigeren Arbeitskraft Chinas eine Goldgrube für Profite und gingen davon aus, dass China ihnen in der neuen Ordnung untergeordnet bleiben würde. Aber die kapitalistische Wirtschaft hat ihre eigene unerbittliche Logik, die hinter dem Rücken der imperialistischen Führer wirkt, egal wie mächtig sie sind.

Die chinesische kapitalistische Oligarchie erkannte, dass sie angesichts der Transformation des Landes von einer Bauernnation zu einer Nation mit Hunderten Millionen Arbeitern und einer aufstrebenden Mittelschicht in der Wertschöpfungskette aufsteigen musste.

Sie konnte sich nicht darauf beschränken, billige Konsumgüter zu liefern. Sie musste ihre Produktion auf anspruchsvollere Güter ausweiten, die auf fortschrittlicher Technologie basierten, wenn sie ihr Wirtschaftswachstum aufrechterhalten und das, was sie „soziale Stabilität“ nannte, bewahren wollte.

Diese Entwicklung stellte die Hegemonie der USA jedoch vor eine existentielle Herausforderung. Die Obama- Regierung erkannte dies 2011, als sie ihre Wende nach Asien einleitete. Ihr Handelsbeauftragter Michael Froman schrieb 2014 einen Artikel in Foreign Affairs, in dem er die geschwächte Position der USA einräumte. Er erklärte, das Welthandelssystem müsse „revitalisiert“ werden, damit die USA ihre Führungsrolle behalten könnten.

Diese Bemühungen blieben jedoch erfolglos, da die Handels- und Zahlungsbilanzdefizite weiter anstiegen. Und die US-Staatsverschuldung wuchs weiter in einem Tempo, das als „unhaltbar“ eingestuft wurde.

Die USA konnten ihren Schuldenkurs nur aufgrund der Rolle des Dollars als Weltreservewährung fortsetzen. Solange Investoren im In- und Ausland sowie andere Regierungen weiterhin Geld in den Schuldenmarkt pumpten, konnte der imperialistische US-Staat mit seinen enormen Militärausgaben weiter funktionieren.

Der CNN– und Nachrichtenkommentator Fareed Zakaria erläuterte diesen Zusammenhang bereits 2023:

„Amerikanische Politiker haben sich daran gewöhnt, Geld scheinbar ohne Rücksicht auf das Defizit auszugeben – die Staatsverschuldung hat sich in den letzten 20 Jahren von rund 6,5 Billionen Dollar auf heute 31,5 Billionen Dollar fast verfünffacht. Die Fed hat eine Reihe von Finanzkrisen gelöst, indem sie ihre Bilanz von rund 730 Milliarden Dollar vor 20 Jahren um das Zwölffache auf heute rund 8,7 Billionen Dollar ausgeweitet hat. All dies funktioniert nur aufgrund des einzigartigen Status des Dollars. Wenn dieser Status schwindet, wird Amerika eine Zäsur erleben, wie es sie noch nie gegeben hat.“

Angesichts dieser Krise wird in einigen Kreisen die Meinung vertreten, dass der Dollar trotz seiner Schwierigkeiten weiterhin als Weltwährung fungieren wird.

Der FT-Artikel über die Dollarkrise zitiert die Bemerkungen von Mark Sobel, einem ehemaligen Beamten des Finanzministeriums und derzeitigem US-Vorsitzenden von OMFIF, einem Think-Tank für Finanzfragen.

„Die Dominanz des Dollars wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben, weil es keine praktikablen Alternativen gibt“, erklärte er. „Ich bezweifle, dass Europa seine Angelegenheiten in den Griff bekommt, und China wird seinen Kapitalverkehr nicht so bald öffnen. Was ist also die Alternative? Es gibt einfach keine“.

Sobels Behauptungen über die Unfähigkeit Europas und Chinas, eine Alternative zum Dollar zu bieten, sind zweifellos richtig.

Seine Analyse ist jedoch unvollständig, da sie auf einer fehlerhaften Logik beruht, die die Lehren aus der historischen Erfahrung ignoriert. Sie basiert auf der Annahme, dass, da der Welthandel und die globalen Finanzen eine internationale Währung erfordern, der Dollar weiterhin diese Rolle spielen muss, weil es nichts gibt, was ihn ersetzen könnte.

Die Logik der gegenwärtigen Situation ist jedoch weder, dass die Rolle des Dollars fortbestehen kann, noch dass eine andere nationale Währung an seine Stelle treten wird. Vielmehr wird die Weltwirtschaft zunehmend in rivalisierende Handels-, Finanz- und Währungsblöcke zerfallen – ein Kampf jeder gegen jeden – wie in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen mit all den verheerenden Folgen.

Bei all ihrer Irrationalität und blanken Wahnsinn steckt eine Logik hinter Trumps Politik. Jede seiner Äußerungen und jede seiner Anordnungen wird mit der nationalen Sicherheit gerechtfertigt – dass die gegenwärtige Wirtschaftsordnung die militärische Kriegsfähigkeit der Vereinigten Staaten untergraben habe und dass dies um jeden Preis korrigiert werden müsse.

Die Krise des Dollars bedeutet also, dass sich die Bedingungen für einen neuen Weltkrieg rasch entwickeln, in dem für die USA China – die existenzielle Bedrohung ihrer Hegemonie – das Hauptziel ist.

Mit Zöllen von 145 Prozent und der Aussicht auf weitere Erhöhungen sowie Exportbeschränkungen für Hightech-Güter nach China haben die USA eine regelrechte Wirtschaftsblockade gegen Peking verhängt. Wie lange wird es dauern, bis daraus ein offener militärischer Konflikt wird? Die Geschichte zeigt, dass es eher früher als später dazu kommen wird.

In den USA und weltweit haben die herrschenden Klassen keine Lösung für die Krise des kapitalistischen Systems, über das sie präsidieren. Überall reagieren sie auf den Zusammenbruch mit Wirtschaftskrieg, Erhöhung der Militärausgaben und Aushöhlung demokratischer Rechte durch die Errichtung faschistischer und autoritärer Regime.

Die internationale Arbeiterklasse ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, die historische Krise des kapitalistischen Systems, die sich in der Dollarkrise so deutlich manifestiert, auf progressive Weise zu lösen. Damit diese Kraft jedoch wirksam werden kann, muss sie die Perspektive der sozialistischen Revolution annehmen und dafür kämpfen.

#Titelbild: Ein Geldwechsler auf dem Ferdowsi-Platz, dem bevorzugten Ort für Devisenhandel in Teheran (Iran), 05.04.2025 [AP Photo/Vahid Salemi]

Quelle: wsws.org… vom 22. April 2025

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