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Gaza: Spannungen um den Trump-Plan in der Region

Submitted by on 19. November 2025 – 10:06

Enzo Tresso. Der von der UNO verabschiedete Trump-Plan verschärft die Rivalitäten zwischen den reaktionären Regimes der Region, die sich ihren Anteil am Markt für den Wiederaufbau Gazas und die Investitionsmöglichkeiten ihrer jeweiligen Bourgeoisie sichern wollen.

Am Montag, dem 17. November, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine von den USA vorgelegte Resolution, die den Einsatz einer Besatzungsmacht im Gazastreifen unter der direkten Kontrolle von Trump und Israel legitimieren soll. Der Plan sieht die Schaffung einer aus Soldat:innen aus den Staaten der Region zusammensetzte Besatzungstruppe vor, die das Recht haben soll, das Feuer auf Palästinenser zu eröffnen. Ihre Aufgabe wäre es, den Gazastreifen zu entmilitarisieren und die palästinensischen Fraktionen im Auftrag Israels zu entwaffnen, dem es in zwei Jahren Völkermord nicht gelungen ist, dieses Ziel zu erreichen.

Als Ergebnis eines diplomatischen Kampfes innerhalb des Lagers der Völkermörder wurde die Resolution, die der Linie des Trump-Plans folgt, von den Golfstaaten und der Europäischen Union leicht abgeändert. So wurde ein äußerst vager Verweis auf die Schaffung eines palästinensischen Staates nach einer Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde aufgenommen. Russland hat seinerseits eine Gegenresolution vorgeschlagen, die von China unterstützt wird und eine schnellere Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung vorsieht. Ein illusorischer und reaktionärer Plan, der darauf hinausläuft, einen halben Geisterstaat in den besetzten Gebieten zu errichten, der ständig der Bedrohung durch einen überbewaffneten und von allen Imperialisten unterstützten israelischen Staat ausgesetzt ist. 

Eine neue Besetzung des Gazastreifens?

Die Resolution wurde mit dreizehn Stimmen dank der Enthaltung Chinas und Russlands angenommen und erhielt die Unterstützung der imperialistischen Länder, die sich mitschuldig am Völkermord gemacht haben. Aber auch wenn die Abstimmung Trump, der seinen Ruf aufs Spiel gesetzt hatte, zu Hilfe kommt, ist sie doch völlig unfähig, die großen Widersprüche seines Plans zu lösen. Politico veröffentlichte letzte Woche interne Dokumente des Weißen Hauses, aus denen hervorgeht, dass Washington offenbar keine Ahnung hat, wie Phase 2 nach dem Austausch israelischer und palästinensischer Gefangener und zahlreichen Verstößen Israels gegen den Waffenstillstand umgesetzt werden soll. Bereits jetzt erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Hamas entwaffnet werden kann, was den Weg für den von Jared Kushner vorgeschlagenen Teilungsplan ebnet.

Nach Enthüllungen des Guardian haben die USA begonnen, einen Plan zur Aufteilung des Gazas in zwei Zonen auszuarbeiten. Die Hamas würde die Kontrolle über 47 Prozent des Streifens behalten, während die Wiederaufbauarbeiten nur in den 53 Prozent des Gebiets beginnen würden, die Israel kontrolliert. Während der erste Bereich seinem Schicksal überlassen würde, würde Washington ein „neues Gaza innerhalb Gazas” aufbauen. Eran Lerman, ein israelischer Sicherheitsberater, fasst zusammen: „Sobald die Palästinenser sehen, dass dieser Teil Gazas ein besseres Leben bietet, wird die Bevölkerung beginnen, aus dem von der Hamas kontrollierten Gebiet in das neue Gaza abzuwandern”. Eine Option, die einer ethnischen Säuberung von fast der Hälfte des Gebiets gleichkäme.

Andererseits schürt die Zusammensetzung der Besatzungsarmee, die im Mittelpunkt der Resolution steht, regionale Widersprüche und Rivalitäten. Der Markt für den Wiederaufbau Gazas, dessen Wert auf 70 Milliarden Dollar geschätzt wird, weckt alle Begehrlichkeiten. Während Trump beabsichtigt, den „Verwaltungsrat“ zu leiten, der den Gazastreifen kontrollieren wird, streben die reaktionären Regime der Region danach, ihren jeweiligen Kapitalist:innen einen Platz am Verhandlungstisch zu sichern und ihre Konkurrenten zu verdrängen. Auf der anderen Seite ist dies jedoch ein sehr riskantes Unterfangen. Durch ihre Beteiligung an einer neuen Besetzung des Gazastreifens würden diese Regime einen regelrechten „politischen Selbstmord“ begehen, wie Claudia Cinatti feststellt, der ihnen die wenige Legitimität, die sie in den Augen ihrer Bevölkerung noch besitzen, nehmen könnte.

Der Markt für den Wiederaufbau und regionale Rivalitäten

Die Vereinigten Arabischen Emirate, die den blutigen Krieg im Sudan befeuern, wollen sicherstellen, dass die Truppen unter dem Mandat der UNO stehen und sich nicht um die Hamas kümmern müssen. Ägypten strebt währenddessen an, den Wiederaufbaumarkt für die al-Sissi-nahe al-Organi-Gruppe zurückzugewinnen, die sich bereits dadurch hervorgetan hat, dass sie den Bewohner:innen Gazas, die den Massakern entkommen und die Grenze überqueren wollen, exorbitante Summen abverlangt. Die türkische Regierung, die ebenfalls bereit ist, Gaza zu besetzen, versucht ihrerseits, den Markt für sich zu beanspruchen und ihren regionalen Einfluss zu vergrößern. Eine Strategie, die auch Pakistan und der italienische Imperialismus verfolgen, die darin eine Gelegenheit sehen, ihre Präsenz im Nahen Osten und im Mittelmeerraum zu verstärken.

Diese Perspektive beunruhigt Ägypten sehr, wie Zvi Bar’el in Haaretz betont: „Das Letzte, was Kairo braucht, ist eine wirtschaftliche Konkurrenz mit Ankara, die die Gewinne, die Gaza generieren könnte, schmälern würde. Es gibt auch politische ‚Spannungsfelder‘ zwischen Ägypten und der Türkei, die aus ihrer Rivalität in Libyen resultieren“. Dort unterstützt die türkisch-katarische Achse die libysche Regierung gegenüber der von Ägypten unterstützten Fraktion von Khalifa Haftar. Diese Position wird von Israel geteilt, das sich über die militärische Bedrohung durch die Präsenz türkischer Truppen in Gaza sorgt und sich weigert, Pakistan in die Koalition aufzunehmen.

Angesichts der Ablehnung Israels hat Erdogan die Veröffentlichung von Dutzenden von Haftbefehlen gegen israelische Führer genehmigt, die an dem Völkermord beteiligt waren. Eine völlig heuchlerische Geste, da die Handelsbeziehungen mit Israel florieren und dies vor allem Teil einer Druckstrategie ist, da sich Ankara und Tel Aviv in Syrien zunehmend in die Haare geraten. Seit dem Sturz von Baschar al-Assad bleibt das Regime von al-Scharaa, das sich dem Einflussbereich der USA angeschlossen hat, im Würgegriff der Türkei im Norden und Israels im Süden, das seine Positionen bis südlich von Damaskus, jenseits des illegal annektierten Golans, ausgebaut hat. Da der Markt für den Wiederaufbau Syriens, der auf 216 Milliarden Dollar geschätzt wird, besonders lukrativ zu sein verspricht, verschärfen sich auch die Rivalitäten zwischen der Türkei und Israel.

Der Trump-Plan kristallisiert somit die Rivalitäten zwischen den reaktionären Regimes der Region, die ihren regionalen Einfluss stärken und die Investitionsmöglichkeiten ihrer jeweiligen Bourgeoisien auf Kosten der Palästinenser:innen sichern wollen. Mit dem Ziel, die palästinensische Sache zu liquidieren, setzt der Plan die Arbeiter:innen und unteren Schichten der Region dem Risiko neuer Konflikte aus, während Netanjahus Kriegspolitik die Region weiterhin in ein Pulverfass verwandelt. Unmittelbar ebnet die Fragilität des Trump-Plans vor allem den Weg für eine neue Besetzung des Gazastreifens oder sogar für die Wiederaufnahme des Völkermords durch Israel.

Während die von der UNO legitimierte „Pax Trumpiana“ die Region zerstört, ist es dringend notwendig, dass die arabische und türkische Bevölkerung gegen die Manöver ihrer Regierungen, die sich zum Komplizen des Völkermords machen und die Palästinenser:innen auf dem Altar des Profits opfern, sowie gegen die Pläne des Imperialismus und Israels, die neue Massaker vorbereiten, protestiert. In diesem Kampf kommt den Arbeiter:innen der imperialistischen Metropolen, die die israelische Kolonisierung unterstützen, als wäre Palästina ihre eigene Kolonie, eine entscheidende Rolle zu. Mehr denn je ist es dringend notwendig, eine starke internationalistische Bewegung aufzubauen, die den kolonialen Wahn der imperialistischen Mächte und ihrer regionalen Stellvertreter beendet, sei es im Sudan, im Kongo oder in Palästina.

Quelle: klassegegenklasse.org… vom 19. November 2025

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