Bergbau in Kongo: Kobalt, Blut und Schweigen
Marilina Arias. Der Einsturz einer Mine in der Demokratischen Republik Kongo hat zahlreiche Arbeiter:innen das Leben gekostet. Der blutigste Ausdruck eines blutigen Ausbeutungssystems.
Die Demokratische Republik Kongo (DRK) verfügt über mehr als 50 Prozent der weltweiten Kobaltvorkommen, einem Mineral, das für den „grünen Wandel” unverzichtbar ist, da es in Lithiumbatterien für Smartphones, Elektrofahrzeuge und erneuerbare Technologien zum Einsatz kommt. Hinter diesem Mineral verbirgt sich jedoch eine der brutalsten Ausbeutungsstrukturen des 21. Jahrhunderts, geprägt von illegalem Bergbau, tödlichen Einstürzen und Kinderarbeit. Die jüngsten Bilder vom Einsturz einer Brücke mit mehr als 30 Toten – darunter auch Kinder – machen die Welt auf eine verschwiegene Realität aufmerksam. Warum arbeiten Kinder in den Minen eines Landes, das mit 70 Prozent der weltweiten Produktion der größte Kobalt-Exporteur der Welt ist?
Kobalt unter ausländischer Kontrolle
Die rohstoffreichen Region Katanga und Lualaba sind die Herzstücke des Kobaltabbaus. Nach dem Zusammenbruch des staatlichen Unternehmens Gécamines und des Ausverkaufs an ausländische Konzerne wurde die Produktion hochgefahren. Gegründet wurde das Unternehmen 1967, als der damalige Militärchef Mobutu Sese Seko das belgische Bergbauunternehmen Union Minière du Haut Katanga (UMHK) verstaatlichte, das bis zu 70 Prozent der Einnahmen des kongolesischen Staates ausmachte. Nach Korruptionsskandalen und der Veruntreuung von Millionen von Dollar ging das staatliche Unternehmen in den 2000er Jahren jedoch Partnerschaften mit privaten und ausländischen Bergbauunternehmen ein, was zum Verkauf oder zur Verpachtung seiner besten Vermögenswerte im Austausch gegen minimale Zahlungen und ungünstige Lizenzgebühren führte. So übernahmen Bergbaugiganten die operative Kontrolle über die wichtigsten Kupfer- und Kobaltkonzessionen in der Provinz Katanga und verwandelten das staatliche Unternehmen in eine Holdinggesellschaft mit Minderheitsbeteiligung an den Joint Ventures, die das Mineral tatsächlich abbauen.
Derzeit werden die wichtigsten Unternehmen, die in der DRK Kobalt in großem Maßstab abbauen, mehrheitlich von chinesischen Interessen kontrolliert, wobei auch das Schweizer Glencore eine bedeutende Rolle spielt. Die chinesischen Unternehmen sind die einflussreichsten Akteure, da sie etwa 50 Prozent des Kobaltabbaus und 70 Prozent des Kupferabbaus in der DRK kontrollieren. Ein Beispiel für ein solches Projekt ist die Kupfer- und Kobaltmine in Kolwezi, die von der Compagnie Minière de Musonoie Global SAS (COMMUS) betrieben wird, die mehrheitlich in chinesischem Besitz ist. Glencore betreibt bedeutende Lagerstätten in der Region Katanga und Lualaba. Obwohl diese Unternehmen den industriellen Bergbau kontrollieren, stammt ein erheblicher Teil des kongolesischen Kobalts (schätzungsweise zwischen 15 Prozent und 30 Prozent) aus dem handwerklichen und kleinindustriellen Bergbau (MAPE), wo Tausende von informellen Bergleuten und Kindern unter gefährlichen Bedingungen arbeiten und dessen Erz über Zwischenhändler und Schmelzhütten in die Lieferkette gelangt und sich mit industriellem Kobalt vermischt.
Das in der DRK geförderte Kobalt wird hauptsächlich in das Land exportiert, das die globale Lieferkette für dieses Mineral dominiert: China. Etwa 80 Prozent der Minenproduktion wird zur Verarbeitung und Veredelung nach China gebracht. Das liegt daran, dass chinesische Unternehmen nicht nur einen Großteil der Minen in der DRK kontrollieren, sondern auch die wichtigsten Veredelungsanlagen besitzen. China ist der weltweit größte Verbraucher von Kobalt und nutzt es für seine riesige Lithium-Ionen-Batterieindustrie. China hat sich als dominanter Akteur positioniert und streitet mit dem Westen um die Kontrolle über die Rohstoffe, indem es stark in die Region investiert, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch. Chinesische Unternehmen kontrollieren einen Großteil des industriellen Abbaus und der Raffination.
Kleinstbergbau und illegaler Markt
Der Zusammenbruch und die Deregulierung von Gécamines trugen auch direkt zum Anstieg des Kleinstbergbaus (MAPE) bei, da Tausende von ehemaligen Arbeiter:innen und verarmten Bürgern in den verlassenen oder an die Industriemininen angrenzenden Lagerstätten nach Lebensunterhalt suchten und damit die Voraussetzungen für illegalen Bergbau und Kinderarbeit schufen. Die MAPE-Arbeiter:inner (Minería Artesanal y de Pequeña Escala, handwerklicher und kleinindustrieller Bergbau) sind die informelle Arbeitskraft, die „Kobalt-Rider”. Sie haben keinen Vertrag, arbeiten im Akkord für extrem niedrige (oft weniger als 2 USD pro Tag) und müssen ihre eigenen Werkzeuge mitbringen, wobei sie alle Arbeitsrisiken tragen. Sie arbeiten in prekären und irregulären Minen, außerhalb der staatlichen Kontrolle. Einstürze sind häufig und tödlich, wie die jüngste Tragödie in der Mine von Kawama zeigt.
Bis zu 30 Prozent des international gehandelten Kobalts stammt aus der Arbeit in diesen illegalen Minen. Nach dem Abbau wird das handwerklich gewonnene Mineral auf den lokalen Märkten mit industriellem Kobalt vermischt, wodurch seine Herkunft „bereinigt” wird, bevor es zu den Händlern und multinationalen Technologieunternehmen gelangt, die so seine Herkunft ignorieren können. In einem Land, in dem die Weltbank 2024 eine Armutsquote von 73 Prozent meldete, ist die illegale Arbeit in den Minen für einen großen Teil der Bevölkerung die einzige Überlebensquelle. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) arbeiten mehr als 100.000 MAPE-Bergleute im Land unter Bedingungen, die ihre Sicherheit gefährden und Menschenrechte untergraben.
Das jüngste Gesicht der Sklaverei
Kinderarbeit in Kobaltminen ist eine der brutalsten Seiten des Widerspruchs eines Landes, das reich an Bodenschätzen ist, in dem aber ein Großteil der Bevölkerung in bitterer Armut lebt. Existentielle Not und mangelnder Zugang zu Bildung zwingen Tausende von Kindern, für das Überleben ihrer Familien zu arbeiten. Schätzungen zufolge arbeiten etwa 40.000 Kinder in Kobaltminen, einige davon bereits im Alter von sieben Jahren. In den Provinzen Haut-Katanga und Lualaba dokumentierte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) die Anwesenheit von mehr als 6.200 Kindern in den Minen. Die harte Realität ihrer Arbeit umfasst das Graben instabiler Tunnel, das Tragen schwerer Säcke mit Erz und das Reinigen mit bloßen Händen. Der ständige Kontakt mit Kobaltstaub und Schwermetallen verursacht schwere Atemwegserkrankungen (Asthma, chronische Bronchitis) und genetische Schäden.
Viele entwickeln durch das Tragen schwerer Lasten Wirbelsäulendeformitäten und leiden unter psychischen Traumata. Laut den Recherchen in dem Buch „Red Cobalt“ von Siddharth Kara sind Ausbeutung und Unfälle so häufig, dass „jeden Tag ein Kind im Kongo stirbt“, damit westliche technische Geräte funktionieren können. Zusätzlich zu diesen Arbeitsbedingungen sind Mädchen einem zusätzlichen Risiko sexueller Übergriffe ausgesetzt, während Milizen Kinder entführen und mit ihnen handeln, um sie zur Arbeit zu zwingen und sich mit ihren Einkünften zu finanzieren.
Viele Organisationen und NGOs weltweit engagieren sich für die Hilfe und Zusammenarbeit mit afrikanischen Kindern, doch diese Maßnahmen sind angesichts des Ausmaßes eines globalen Rohstoffabbausystems, das die Rentabilität und die Ausplünderung der Ressourcen des gesamten Kontinents an erste Stelle setzt, unzureichend. Es ist offensichtlich, dass weder die Regierung der DRK, die sich 2017 verpflichtet hatte, die Kinderarbeit bis 2025 zu beenden, noch die Hilfe externer Organisationen in der Lage sind, dem kapitalistischen Gewinnstreben entgegenzuwirken, das vor kurzem mehr als 30 Arbeiter:innen, darunter auch Kindern, das Leben gekostet hat – einige Medien sprechen bereits von mehr als 70 Toten. Solange die strukturellen Ursachen der Armut nicht angegangen werden, wird Kobalt ein mit Blut beflecktes Metall bleiben und der technologische Fortschritt auf dem stillen Opfer der Kinder und Arbeiter:innen im Kongo aufgebaut sein. Das kongolesische Volk hat in seiner Geschichte große Kämpfe gegen den Kolonialismus und für Selbstbestimmung geführt. Es ist notwendig, diese Kraft wiederzubeleben, sie mit allen Unterdrückten und Ausgebeuteten Afrikas zu vereinen, um den auf dem Kontinent herrschenden Imperialismus zu beenden. Es muss die Verstaatlichung aller Ressourcen und Gemeingüter, kontrolliert von den Arbeiter:innen und Bäuer:innen, erreicht werden. Nur so können die ausländische Ausbeutung und die strukturelle Armut beendet werden, in der ein so ressourcenreiches Land durch Jahre der Plünderung und Unterdrückung durch ausländische Mächte, aber auch durch nationale Regierungen, ihre Streitkräfte und die lokale Bourgeoisie im Dienste des internationalen Großkapitals gehalten wurde.
Quelle: klassegegenklasse.org… vom 24. November 2025
Tags: Afrika, Arbeitswelt, China, Imperialismus, Kongo, Neoliberalismus, Politische Ökonomie, USA










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