Über türkische Propaganda in deutschen und europäischen Zeitungen
Welat Parêz. Der folgende Text beschäftigt sich mit einer „Analyse“, die sich am 24.01.2017 wie ein Feuersturm über viele große und kleine, allgemeine und lokale, deutsche und österreichische Zeitungen verbreitete (Eine nach bisherigem Kenntnisstand bekannte Liste derjenigen Zeitungen, die diesen Artikel veröffentlichten, wird zum Schluss angegeben). Als Quelle wird die Deutsche Presse-Agentur (dpa), als Ort Istanbul angegeben. In den meist auflagenstarken Medien wie Die Zeit oder Süddeutsche Zeitung wird kein Autor angegeben. Warum? Erst weitere Recherchen führen zum deutsch-türkischen dpa-Korrespondenten Can Merey, dessen Name zwei kleinere Lokalzeitungen angegeben haben. Diese Eckdaten sollen verdeutlichen, wie die einseitige Meinung eines deutsch-türkischen Korrespondenten der größten deutschen Nachrichten- und Presseagentur die redaktionelle Linie eines Großteils der deutschen Medienlandschaft und damit verbunden die Meinung ihrer breiten Leserschaft gezielt lenken kann. Nun kann gesagt werden, „das ist doch üblich“. Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass der Inhalt und die Meinungsbildung einen aktuellen Krieg und damit verbunden das Leid, den Tod und die Flucht von tausenden Menschen tangiert, dann lässt sich ebenso behaupten, diese Art des deutschen Journalismus ist stark AKP-türkisch und damit kriegerisch geprägt. Quasi der Gegenentwurf zu Deniz Yücel.
Der Text hat den Titel „Analyse: Die Kurdenmiliz YPG und die fragwürdige Rolle des Westens“. Diese Art und Weise der Presse und des Journalismus steht im Verdacht, gezielt die Meinungsbildung der deutschsprachigen Öffentlichkeit im Sinne der türkisch-staatlichen Interessen zu beeinflussen. Im Folgenden wird der Artikel Absatz für Absatz diskursanalytisch kommentiert, um ihn auf diese Weise selbst als eine fragwürdige Analyse zu dechiffrieren.
„Der türkische Staatspräsident hält häufig emotionale Ansprachen, aber bei dieser Rede war Recep Tayyip Erdogan selbst für seine Verhältnisse außerordentlich verärgert.
Kurz vor der Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG im nordsyrischen Afrin sagte Erdogan: “Jetzt liegt es an uns, diese Terrorarmee zu erdrosseln, bevor sie noch geboren wird.”
Hintergrund waren Pläne der US-geführten Koalition in Syrien, eine Grenzschutztruppe unter Einbeziehung der YPG aufzubauen. Damit wäre die von der Türkei als Terrororganisation eingestufte Miliz als militärische Einheit legitimiert und noch dazu mit Aufgaben an der syrisch-türkischen Grenze betraut worden.
Schon davor hatte das Säbelrasseln aus Ankara an Lautstärke gewonnen. Aber womöglich waren diese Pläne der Auslöser – oder aus Sicht von Kritikern der Vorwand – für den Einmarsch der türkischen Truppen in der Region Afrin am vergangenen Sonntag.
Zwar ruderte die US-Regierung zurück, nachdem die Koalition die Pläne verkündet hatte. Das Außenministerium in Washington versicherte, niemand habe die Absicht, eine “Grenzschutztruppe” zu gründen. Stattdessen gehe es um eine “interne Sicherheitstruppe” für den Kampf gegen die Terrormiliz IS. Da war der Schaden aber aus Sicht Ankaras längst angerichtet.“
In diesen einleitenden Sätzen zeichnet der Autor ein Bild, welches den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei gegen die nordsyrische kurdische Enklave als eine legitime Verteidigung darstellt und die eigentlichen Ursachen der türkischen Aggression nicht thematisiert. Der innere Zustand der Türkei als Diktatur wird ignoriert, welche konkrete Gefahr von den syrischen Kurden für die Türkei ausgeht wird nicht näher beschrieben. Bis heute ist kein einziger Schuss aus Nordsyrien in Richtung Türkei gefeuert worden. Was aber wirklich dem türkischen Präsidenten bedroht, ist die demokratische Ordnung in Nordsyrien, welche von den Demokratischen Kräften Syriens und der YPG verteidigt wird. Die Leser sollen sich in die türkische Sicht einfühlen und Verständnis für ihr kriegerisches Vorgehen aufbauen.
„Westliche Staaten spielen nach Überzeugung der Türkei seit langem ein falsches Spiel in Nordsyrien. Kein Mitglied der US-geführten Koalition – außer der Türkei – wollte Bodentruppen in den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schicken. Für die Koalition, der auch Deutschland angehört, übernahmen diese lebensgefährliche Aufgabe die kurdischen “Volksverteidigungseinheiten” (YPG). Diese erfuhren dafür nicht nur internationale Anerkennung, sondern sie wurden von den USA sogar mit Waffen ausgerüstet. Waffen, von denen die Türkei befürchtet, sie könnten eines Tages gegen sie gerichtet werden.“
Es ist weitgehend bekannt, dass die Türkei neben dem IS auch andere islamistische Gruppierungen im syrischen Bürgerkrieg auf vielfältige Weise bis heute unterstützt. Unter ihnen die al-Qaida, al-Nusra oder andere, die die türkische Operation auf Efrîn mit eigenen Kräften unterstützen. Selbst der Bundesnachrichtendienst (BND) kommt in einem Papier zu dem Schluss, dass die Türkei sich zur „zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen des Nahen und Mittleren Ostens“ entwickelt hat. Es war von Anfang an das Ziel der Türkei, mit der Unterstützung islamistischer Gruppen das syrische Assad-Regime zu stürzen und ihre (neo-osmanische und islamistisch motivierte) Vormachtstellung auf das Nachkriegssyrien durch ihr treue Kräfte auszuweiten. Dass die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) als eine nicht-islamistische und von nordsyrischen Volksgruppen getragene Kraft seit 2011 alleine gegen islamistische Kräfte gekämpft hat, thematisiert der Autor nicht. Stattdessen wird zwischen den Zeilen die Bereitschaft der Türkei, eigene Truppen in ein fremdes Herrschaftsgebiet zu schicken, entgegen internationaler Bestimmungen und Verträge als rechtens vermittelt. Die US-geführte Koalition begann aufgrund der Alternativlosigkeit am Boden des syrischen Bürgerkriegs erst ab 2015 mit der Zusammenarbeit mit der YPG. Die YPG ist nicht nur säkular, nicht-separatistisch und tritt für die Demokratisierung Syriens ein – das sind alles Eigenschaften, die die sogenannten Ziele und Vorstellungen westlicher Mächte für Syrien repräsentieren –, sondern sie ist ebenso eine genuin syrische Kraft. Auch dass Kurden aus anderen Teilen Kurdistans wie z. B. aus der Türkei in ihr Platz nehmen, ändert nichts an dieser Tatsache. Im Gegensatz dazu verletzt die Türkei die Souveränität Syriens sowohl mit der Mobilisierung islamistischen Glaubenskriegern aus aller Welt, als auch mit dem Einmarsch eigener Truppen. Doch ist die wie auch immer begründete Befürchtung der Türkei das zentrale Anliegen des Autors, für das er diese Fakten verdreht und falsche Kausalitäten herstellt.
„Denn die Kurdenmiliz ist aus Sicht der Türkei brandgefährlich: Die YPG ist der bewaffnete Arm der nordsyrischen Kurdenpartei PYD, die einen eigenen Kurdenstaat in Nordsyrien aufbauen will. Die PYD ist wiederum eng verflochten mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei. Das sieht nicht nur die Türkei so, sondern zum Beispiel auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die PYD “den syrischen Ableger der PKK” nennt.“
Und weiter geht es mit der türkischen Sicht der Brandgefahr und der Übernahme der türkischen Argumente seitens des Autors der dpa. Was stimmt, ist die politische Verbindung zwischen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Partei der Demokratischen Einheit (PYD), das heißt ihre gleichen politischen Ziele der Demokratisierung der jeweiligen Staaten, in denen die Kurden unterdrückt werden. Diese soll durch die Dezentralisierung und Föderalisierung der despotischen Nationalstaaten erreicht werden, aber nicht durch ihre Teilung oder Entstehung neuer Grenzen. Das ist kein Separatismus, sondern das Bestreben der Kurden nach Selbstbestimmung und Selbstverwaltung gemäß Völkerrecht und UN-Charta. Die kurdische Bewegung betrachtet den nationalistisch-zentralistischen Staat als den eigentlichen Grund für das Leid und die Probleme sowohl der Kurden als auch alle anderen Gruppen, auch der Machthabenden, in der Region. Das Ziel der Dezentralisierung der Türkei verfolgt auch die in der Nationalversammlung der Türkei sitzende Demokratische Partei der Völker (HDP). Die Gründung eines „Kurdenstaats in Nordsyrien“ ist schlichtweg Propaganda der Türkei, die auf diese Weise die legitimen Forderungen der Kurden nach Demokratie kriminalisiert. Und der Autor übernimmt diese Sichtweise und will seiner Leserschaft mitgeben: Die Türkei ist im Recht (auch wenn sie Angriffskriege ausübt, zu einer Diktatur wird, das Völkerrecht und die Menschenrechte mit den Füßen tritt).
Von westlichen Regierungen wird diese Verbindung ungern thematisiert: Sie müssten sonst eine zumindest indirekte Zusammenarbeit mit einer Terrorgruppe im Kampf gegen den IS einräumen. Nicht nur in der Türkei, sondern auch in der EU und in den USA wird die PKK als Terrororganisation eingestuft.
Die türkische Sicht darüber, die YPG sei gleich PKK, ist an dieser Stelle bereits, laut Autor, ein Fakt. Wenn verschiedene Bewegungen, Parteien oder Organisationen gleichen ideellen Ziele verfolgen, dann macht sie das nicht zur ein und derselben organisationalen Einheit. Sind alle Marxisten dieser Welt Deutsche oder MLKP-Mitglieder? Sind alle Demokraten der Welt Athener? Sind alle Christen der Welt aus dem Nahen Osten oder Kirchenmitglieder? Ist die NATO gleich die BRD? Dass gemeinsame und verbindende Ziel der Kurden in der Türkei, Syrien, Irak oder Iran, die jeweiligen Staaten zu demokratisieren, um so die Menschenrechte und Selbstbestimmung der Kurden zu realisieren, ist weder verwerflich noch terroristisch, im Gegenteil.
Die islamistische und diktatorische Entwicklung der Türkei und ihre Unterstützung für die terroristisch-islamistischen Kräfte wird vom Autor bewusst nicht thematisiert, denn sonst verwickelt er sich in Widersprüche. Stattdessen stellt er die politisch, geostrategisch und ökonomisch bedingte Kriminalisierung und Auflistung der PKK als terroristisch unhinterfragt als etwas „wahres“ und berechtigtes dar. Der letzte Satz im Absatz hat es aber in sich und unterstreicht diese „Wahrheit“: „Nicht nur in der Türkei“ sei die PKK als eine Terrororganisation eingestuft, sondern auch von der EU und den USA.
Es ist so, dass die PKK aufgrund bzw. auf Wunsch der Türkei (!) – dem geostrategisch wichtigem Partner, dem Nato-Verbündeten, dem EU-Aspiranten, dem wichtigen deutschen Absatzmarkt – in westlichen Staaten als Terrororganisation aufgelistet ist. Nicht der „Terror der PKK“ ist der Grund dafür, sondern das fragwürdige (!) Verhältnis des Westens zur Türkei hinsichtlich der Kurdenproblematik.
Noch fragwürdiger wird das Verhalten des Westens, wenn man sich vor Augen führt, dass es mitunter dieselben Kämpfer sind, die je nach Bedarf für die PKK oder für die YPG ins Feld ziehen. Ein und derselbe Kämpfer ist aus westlicher Sicht also ein Terrorist, wenn er auf der türkischen Seite der Grenze operiert, wird aber zum Verbündeten, wenn er die Grenze nach Syrien überschreitet.
So sagte eine kurdische Milizionärin mit dem Kampfnamen Zind Ruken dem “Wall Street Journal” bereits 2015: “Manchmal bin ich PKK, manchmal bin ich (der iranische PKK-Ableger) PJAK, manchmal bin ich YPG. Das spielt keine wirkliche Rolle. Das sind alles Mitglieder der PKK.” Die Denkfabrik Atlantic Council wertete Angaben der YPG aus, wonach es sich bei fast der Hälfte ihrer getöteten Kämpfer zwischen Januar 2013 und Januar 2016 um Kurden aus der Türkei handelte.
In diesem Absatz soll das Hauptargument und -anliegen des Autors mittels Aussagen von Einzelpersonen und dem Hinweis auf eine US-amerikanische Denkfabrik als „wissenschaftlich und empirisch“ fundiert und bestätigt werden. Der in Deutschland sozialisierte Autor weiß: Die Wahrheit hier ist die Wissenschaft. Dabei ist dieses Vorgehen nur ein weiteres Beleg dafür, dass der Autor bewusst türkische Narrative übernimmt und seine Leserschaft auffordert, sich in einem internationalen Konflikt auf die Seite des türkischen Staates zu stellen. Dass die Türkei nicht ein PKK-Problem, sondern ein am Demokratiedefizit gekoppeltes Problem mit den Kurden im Allgemeinen hat, dieses durch ihre grenzüberschreitenden Operation überall dort, wo Kurden leben und nach ihren Rechten streben, in den Irak oder Syrien, unter Beweis stellt, maskiert der Autor mit dem türkischen Totschlagargument der „Terrorbekämpfung“. Die wesentlich auch westlich verschuldete kurdische Frage seit dem Ersten Weltkrieg wird allein aus türkisch-staatlicher Sicht betrachtet, die Unterdrückung der Kurden nicht thematisiert, damit verbunden als legitim dargestellt und wiederum daran gekoppelt, die Demokratisierung der Türkei und der gesamten Region ein Riegel vorgeschoben. Und: Wenn die Kurden in allen Staaten unterdrückt und bekämpft werden, warum ist das verwerflich, wenn sie sich untereinander solidarisieren? Es sind ihre gemeinsamen (kurdischen) Ziele und Forderungen nach Gleichberechtigung, was sie vereint. Warum darf eine Kurdin nicht sowohl gegen die türkische als auch die iranische Unterdrückung kämpfen, die ihrerseits auch anti-kurdisch kooperieren?
Die Reduzierung des kompliziertesten Konflikts des Nahen bzw. Mittleren Ostens auf – aus türkischer Sicht – „Terrorbekämpfung“ und die politische Kriminalisierung und Denunziation der kurdischen Widerstände durch westliches Recht und Gesetze, dient weder der Demokratisierung der Region, noch der Gewährleistung von Menschenrechten. Auch die heute mit der BRD kooperierenden kurdischen Parteien im Nordirak waren als terroristisch eingestuft. Diese Politik der Unterstützung der Despoten und der Kriminalisierung der demokratischen Kräfte hält die Region in einer permanenten Konfliktsituation und zielt drauf, sie schwach und in westlicher Abhängigkeit zu halten.
Dass viele Kurden in der Türkei ihren syrischen Geschwistern im Kampf gegen den barbarischen IS herbeigeeilt sind, als weder die regionalen noch die internationalen Mächte eingegriffen haben, wird vom Autor als Terrorismus diffamiert. Eine fragwürdige Moral und Wissenschaftlichkeit. Er weiß, dass im eigenen Deutschland der Islamismus zurecht als Feindbild konstruiert wird und „die Demokratie“ ideologisch als Ziel und Zustand für Innen- und Außenpolitik gilt. Eben deswegen thematisiert er den westlichen Schulterschluss mit der größten Unterstützerin islamistischer Gruppen, die islamistische AKP-Türkei, nicht. Ebenso verunglimpft er den Kampf der Kurden um und mit Demokratie, ferner ihren Kampf gegen Fundamentalismus auf verlogene und heuchlerische Art und Weise als Terrorismus. Ein teuflischer Trick oder pure Unkenntnis.
Diese Verbindungen zwischen der YPG und der PKK mögen keinen Einmarsch in Syrien rechtfertigen, für die Türken sind sie aber ein berechtigter Grund zur Sorge. Während die PKK im Westen keine Terrorangriffe verübt und daher dort auch nur zurückhaltend verfolgt wird, gilt das für die Türkei nicht. Die PKK-Splittergruppe TAK zeichnete besonders im Jahr 2016 für schwere Anschläge in den türkischen Metropolen Ankara und Istanbul verantwortlich. Dutzende Menschen starben, darunter auch viele Zivilisten.
Auch das Resümee des Autors ist mit Heuchelei und Verzerrungen, sowie den türkisch-nationalistischen Argumentationsmustern beladen. Sie dienen dazu, die über die Sachlage wenig informierte deutsche Öffentlichkeit durch Verwirrung zu verblenden. Denn es ist das Mandat der deutschen Wähler, das die Regierung repräsentiert und auf ihrer Grundlage Politik betreibt.
Obwohl die PKK sich mehrmals öffentlich von der TAK distanziert hat und die Anschlagsziele der TAK – trotz ziviler Opfer – ausschließlich die türkischen Sicherheitskräften waren, suggeriert der Autor eine feste Verbindung zwischen den beiden verschiedenen Organisationen. Die zahlreichen Kriegsverbrechen der Türkei an den Kurden, ihre Vernichtungs- und Verleugnungspolitik gegenüber der kurdischen Kultur und Identität, ihre Tötung von Zivilisten, Akademikern, Politikern, Zeitungsträgern; ihre Zerstörung und Entvölkerung tausender kurdischer Dörfer etc. sind kein Problem: Es gibt nur ein Problem, und das ist die PKK. Dieses Argumentationsmuster, was er unter seiner deutschen Leserschaft verbreitet, ist das Hauptargument des türkischen Staates, wenn es seine Verbrechen und die legitimen Forderungen der Kurden verschleiert. Die derzeitige Lage in der Türkei, die durch die massenhafte Verhaftung der HDP-Politiker und ihrer Unterstützer, der Zwangsverwaltung der kurdischen Städte, der Inhaftierung der Journalisten, die Gleichschaltung der Medien, die Islamisierung der Gesellschaft etc. gekennzeichnet ist, wird vom Autor bewusst ausgeblendet. Auch wird die – fragwürdige – Rolle des Sicherheitsapparats des türkischen Staates im Hinblick auf die vom IS ausgeübten Anschlägen in der Türkei, die die türkische und kurdische Friedensveranstaltungen und die Versammlungen der HDP-Wählerschaft trafen, ignoriert. Es ist heute bekannt, dass die türkischen Sicherheitsapparate die IS-Attentäter beobachteten und wenig unternahmen, um die Anschläge zu verhindern. Auch wurden im Parlament jegliche Vorschläge zur Untersuchung der Terroranschläge, welche von der HDP unterbreitet wurden, jedes Mal seitens der AKP abgeschlagen. Stattdessen wird ein Bild von der hochgefährlichen PKK suggeriert, mit der die syrisch-kurdische YPG verbündet ist. Daher, so die Botschaft des Autors, ist der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen (die demokratische Selbstverwaltung der) Kurden legal und legitim. Er verdeckt damit die Ängste der AKP und Erdoğans darüber, dass die demokratische Entwicklung in Nordsyrien auch ein Vorbild für die Türkei und damit zur Alternative zum Ein-Mann-Regime Erdoğans werden kann. Denn wenn der syrische Krieg vorbei ist und die Kurden an den Verhandlungen über eine politische Lösung teilnehmen, dann besteht die Möglichkeit, dass sich Syrien zu einer pluralistischen und föderalen Demokratie entwickelt, in der neben Kurden auch alle anderen Minderheiten und insbesondere die Frauen ihren gleichberechtigten Platz haben. Der von Erdoğan despotisch beherrschten Türkei macht das Angst. Dafür habe ich Verständnis. Aber warum beängstigt es den Autor der dpa und dieser an zahlreiche wichtige deutsche Zeitungen wie ein Propagandapapier verteilten „Analyse“?
Seine Analyse der „fragwürdigen Rolle des Westens“ mit der „Kurdenmiliz YPG“ entpuppt sich als fragwürdiger Journalismus im Sinne Erdoğans und des AKP-Regimes.
Welat Parêz ist ein in den 1990er Jahren aufgrund türkischer Kriegspolitik nach Deutschland geflohener und in der Hamburger Universität in Sachen Diskurstheorie (Michel Foucault) und Diskursanalyse (Siegfried Jäger) ausgebildeter kurdischer Sozialwissenschaftler.
Der oben behandelte Artikel wurde in folgenden Onlinezeitungen veröffentlicht:
https://opennewswindows.com.ng/2018/01/24/die-kurdenmiliz-ypg-und-die-fragwurdige-rolle-des-westens/
Quelle: civaka-azad.org… vom 31. Januar 2018
Tags: Deutschland, Imperialismus, Repression, Syrien, Türkei, USA
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