Beispielhafter Arbeitskampf bei Wal-Mart China
Der Arbeitskampf bei « Wal-Mart » weist einige Züge auf, die nicht nur in China einzigartig sind und eine neue Etappe in den Arbeiterkämpfen und den Kämpfen für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eröffnen.
Sie verdienen weltweite Unterstützung.
Pierre Rousset. Die Lohnabhängigen von Wal-Mart China haben sich mit einem Riesen unter den Riesen angelegt. 1962 in den USA gegründet hat dieser Grossverteiler 1991 begonnen, sich international auszuweiten. 2013 stieg das Unternehmen zum weltweit umsatzstärksten Konzern auf.[i] Für ihn arbeiten 2.2 Millionen Lohnabhängige, er betreibt über 11´000 Super- oder Hypermärkte in 27 Ländern und 71 Tochterunternehmen. In den USA und in Mexiko ist Wal-Mart der grösste private Arbeitgeber, in Kanada einer der grössten. 1996, als der Konzern bereits gut in Japan verankert war, begann er, in China zu investieren. Im Jahre 2015 betrieb er dort bereits 419 Läden und 20 Einkaufszentren und beschäftigte über 100´000 Arbeiterinnen und Arbeiter.[ii]
Wal-Mart brachte es dank seinen sehr tiefen Löhnen und seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit zur internationalen Berühmtheit: « Während vierzig Jahren seiner Existenz hat keine einzige Filiale der Gruppe eine gewerkschaftliche Vertretung gehabt, mit Ausnahme einer Gruppe von Metzgern in den USA, denen es gelang, sich gewerkschftlich zu organisieren; deren Abteilung wurde daraufhin ersetzt durch abgepacktes Fleisch. » Paradoxerweise « musste der Konzern ausgerechnet in China zum ersten Mal eine Vertretung der staatlichen Gewerkschaft » in zahlreichen Läden akzeptieren.[iii]
Die chinesische Regierung hat, um auf den amerikanischen Riesen etwas Druck auszuüben in der Tat eine Zeit lang die Schaffung von lokalen Sektionen der offiziellen Gewerkschaft bei Wal-Mart gefördert und, unüblicherweise, mit einem Recht auf die Wahl ihrer Vertretung. Inzwischen besteht eine Vereinarung zwischen der Gewerkschaft (AFTCU) und der Direktion des Unternehmens: die Dinge haben sich « normalisiert ». In vielen Fällen werden die sogenannten Sektionen von den jeweiligen Verantwortlichen der Personalabteilung der Filiale geführt… Diese Erfahrung hat aber immerhin zur Heranbildung von Aktivistinnen und Aktivisten beigetragen, die ihrerseits für den Aufbau der Vereinigung der Lohnabhängigen bei Wal-Mart China (Walmart China Worker’s Association – WCWA) gekämpft haben; diese arbeitet auf Grundlage einer Plattform, die 2014 durch Zhang Jun und Zhang Liya erarbeitet wurde, einem Metzger und einem Elektriker im Unternehmen. Die Vereinigung hat mit den Aktivisten Netzwerken bei « Wal-Mart » in den USA enge gegenseitige Solidaritätsverbindungen geschaffen.
Seit vier Monaten ist ein Kampf im Gange, der sich direkt über vier Geschäfte in verschiedenen Städten erstreckt (während normalerweise Streiks auf einen Betrieb beschränkt bleiben) und ein breites Echo im Konzern findet; die Zahl der Mitglieder der WCWA ist im Laufe dieses Kampfes gegen die durch die Firmenleitung getroffenen Massnahmen sprunghaft auf über zehn Tausend angestiegen. Diese Widerstandsbewegung entstand um die durch die Firmenleitung getroffenen Massnahmen einer extremen Flexiblisierung der Arbeitszeit[iv] ; dadurch wären die Lohnabhängigen gezwungen worden, jederzeit abrufbereit zu sein. Damit wäre jede Regelmässigkeit der Präsenz am Arbeitsplatz und jede Möglichkeit, sein persönliches Leben zu organisieren beseitigt worden!
« In ganz China haben die Angestellten von Wal-Mart ihre Fäuste bei den Protestaktionen erhoben und skandierten ‘Arbeiterinnen und Arbeiter, erhebt Euch !’ Sie riefen mit patriotischem Eifer die lokalen Verantwortlichen auf und bezogen sich dabei auf Mao-Zedong in seinem Kampf gegen die ausländischen Imperialisten. Sie stellten lange Botschaften gegen die Unternehmer und ihre Handlanger bei der offiziellen Gewerkschaft auf das Netz. »[v]
Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass die Initiative direkt von den betroffenen Lohnabhängigen ausging, unabhängig von jeder anderen Vereinigung als der ihren. Die WCWA sieht sich nicht mehr als Teil der offiziellen Einheitsgewerkschaft an, hofft aber, eines Tages deren Sektionen aus der Industrie zu gewinnen. Sie nutzt mit Erfolg das Internet, um sich zu koordinieren, zu informieren (vor allem über die Rechtslage) und bildet so eine kollektive Identität heran. Seit neuestem veröffentlicht sie einen Jahresbericht über ihre Aktivitäten.[vi]
Sie hat mit ermutigendem Erfolg in ganz China eine Kampagne zur Sammlung für einen Solidaritätsfonds gestartet ; sie ist aber noch weit entfernt davon, damit die Kosten für die Unterstützung der Streikenden, zur gerichtlichen Verteidigung usw. decken zu können. Sie will ihren Kampf auf Dauer auslegen, im Bewusstsein, dass er sich noch über lange Zeit erstrecken wird. Sie will ihre Klagen gegen die Firmenleitung vor die Justiz bringen und ruft dazu zur internationalen Solidarität auf.
« Als Plattform zur autonomen Selbsthilfe [self-help] eines medialen-sozialen Netzwerkes für alle Angestellten von Wal-Mart in China möchte die Vereinigung so lange wie möglich existieren und weiterhin Unterstützung und Hilfe im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereitstellen. Objektiv existiert die Notwendigkeit, dass die Vereinigung ihre Aktivitäten über längere Zeit aufrechterhält. »[vii]
Die « Welt von Wal-Mart » ist etwas Besonders. Die Arbeitsbeedingungen, die pyramidale Hierarchie, die Ideologie des Unternehmens und das interne Reglement sind über ganz China einheitlich – jede Änderung wird überall zur selben Zeit umgesetzt. Die Lohnabhängigen bekommen einen englischen Namen und müssen täglich laut die gleichen Losungen skandieren. Um die Person des verstorbenen Gründers Sam Walton wurde ein regelrechter Kult aufgebaut. Die Beschäftigten müssen sich als « Wal-Mart » fühlen, als « Wal-Mart » denken – eine kollektive Identität, die nun zur Quelle des kollektiven Widerstandes wurde.
Für Anita Chan ist die Anzahl der Streiks in China über die vergangenen Jahre deutlich angewachsen; die Bewegung von Wal-Mart bedeutet für sie aufgrund der spezifischen Züge eine « neue Etappe in der Geschichte der Arbeiterkämpfe in der Ära nach Mao ».[viii] Unter Druck haben die Volkszeitung und die offizielle Gewerkschaft auf der Ebene der Provinz erklärt, dass Wal-Mart nicht berechtigt sei, das System der vollumfänglichen Flexibilisierung der Arbeitszeit einzuführen. Dies verschaffte der WCWA die Legitimität. Nichtsdestotrotz haben die Ämter der Arbeitsinpektion und die Gewerkschaft auf Distriktebene bislang nicht darauf reagiert. Die lokale Regierung ist in der Tat die übergeordnete Instanz, und der geht es vor allem darum, ausländisches Kapital anzuziehen…[ix]
Die so originelle Erfahrung der WCWA und die wachsende Zahl von grösseren Arbeiterkämpfen zeigen die Dringlichkeit auf, unsere Solidarität mit den Kämpfen derArbeiterklasse und der breiten Bevölkerung in China zu verstärken. Die Schwierigkeiten für eine finanzielle Unterstützung sind sicher nicht einfach, aber nicht unüberwindbar.
Quelle : europe-solidaire… vom 23. Januar 2017 ; Übertragung aus dem Französischen durch die Redaktion maulwuerfe.ch
[i] 469 Milliarden Dollar im Jahr 2012.
[ii] https://fr.wikipedia.org/wiki/Walmart
[iii] Idem.
[iv] Integrated Working-hours System.
[v] ESSF (Artikel 40087), Coordinated action : Across China, Walmart Faces Labor Unrest as Authorities Stand Aside.
[vi] ESSF (Artikel 39930), 2016 Year-end Report Wal-Mart China Employees’ Association .
[vii] Idem.
[viii] ESSF (Artikel 39807), Labour struggles : Unusual Features of China’s Walmart Workers’ Resistance.
[ix] Idem.
Tags: Arbeiterbewegung, Arbeitskämpfe, Arbeitswelt, China, Imperialismus, Neoliberalismus, Widerstand
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