Syrische Aufständische im Vormarsch gegen den IS und Assad
Corey Oakley. Nach vier Jahren eines zerstörerischen Krieges in Syrien hat sich die Entwicklung gegen die brutale Diktatur Assads gewendet. Seit März hat das Regime im ganzen Land eine Reihe von Niederlagen erlitten. Die Einnahme von Palmyra durch den ultra-rekationären Islamischen Staat (IS) eroberte die öffentliche Aufmerksamkeit; doch wichtiger sind die Gewinne der wirklichen Aufständischen in anderen Regionen.
Nach einer Reihe von erfolgreichen Offensiven ist die Provinz Idlib im Nordwesten in den Händen eines Bündnisses von Aufständischen. Im Süden haben die Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) in der Provinz Daara bedeutende Gebietsgewinne gemacht. Die Einheiten des Regimes stehen davor, im Norden durch Einheiten der Rebellen aus Aleppo vertrieben zu werden, obwohl der Vormarsch der Aufständischen dort durch eine Offensive des IS auf die Stadt bedroht wird.
«Es handelt sich hier nicht einfach um ein Auf und Ab der Kämpfe», sagte ein arabischer Diplomat gegenüber The Guardian. «Es ist zunehmend klar und offensichtlich, dass das Regime sich nicht selbst verteidigen kann, selbst nicht mit der immer stärkeren Unterstützung durch den Iran, seinem Hauptsponsor.»
So behauptet das Regime nicht mehr, dass es im ganzen Land Krieg führe. Stattdessen zieht es sich auf eine Strategie der Verteidigung seiner Kerngebiete in und um Damaskus und des alawitischen Kernlandes an der Küste des Mittelmeeres zurück.
Die andere Achse der Strategie des Regimes besteht seit Beginn des Krieges in der Unterstützung des IS, sofern dieser in einen Konflikt mit den Truppen der Aufständischen verwickelt ist. Dass jüngste Beispiel dafür ist die Schlacht um Aleppo. Der IS begann eine anhaltende Offensive gegen Positionen der Rebellen in der Stadt. Er wurde dabei von der Luftwaffe des Regimes unterstützt, welche nach Aussagen von Rebellenführern in deutlich erkennbarer Koordination mit dem IS operierte.
EA worldview berichtete in diesem Zusammenhang: «Die Luftwaffe Assads bombardierte Positionen des IS in der Provinz Aleppo. Als jedoch der IS die Aufständischen auf einer Front von 25 km im Norden und Nordosten der Stadt angriff, und dabei von ihrem Angriff auf Stellungen des Regimes abliess, konzentrierte die Luftwaffe des Regimes ihre Operationen auf Stellungen der Aufständischen».
Die USA, welche behaupten, einen Krieg gegen den IS zu führen, haben sich unumwunden geweigert, ihre Lufteinsätze auf Territorien auszuweiten, in denen die Rebellen Krieg gegen den IS führen. Und dies trotz der mehrfachen Bitte von Rebellenführern. So erklärte der Rebellenführer Zaher al-Saket am 29. Mai gegenüber der US Web-Seite Daily Beast: «Wir hoffen weiterhin, dass wir mit den Einheiten der Koalition im Kampf gegen den IS eng zusammenarbeiten können und dass sie Luftangriffe gegen die IS-Stellungen nordöstlich von Aleppo fliegen wird. Wir haben sie dazu aufgefordert».
In der Vergangenheit haben sich die USA geweigert, Luftschläge zur Unterstützung der Rebellengruppen zu führen, die gegen den IS kämpfen, da dies Dschabhat al-Nusra stärken würde. Diesmal war die Ausrede noch zynischer. So al-Saket: «Wir wurden aus dem verblüffenden Grund abgewiesen, dass eine Unterstützung der Rebellen Assad schwächen würde, was die Iranis erzürnen würde, welche dann die amerikanischen Truppen im Irak unter Druck setzen würden».
Soviel zur Behauptung, dass die USA das Assad Regime und den IS bekämpfen würden. In Wirklichkeit unterstützen sie Assad in seinem verzweifelten Versuch, den Vormarsch der Rebellen durch eine Stärkung des IS im Norden Syriens aufzuhalten. Auf so eine abgeschmackte Idee hätten wir nie kommen können!
Während die USA sich weiterhin weigern, die syrischen Aufständischen zu unterstützen, gehen die verschiedenen wichtigen Regionalmächte einen anderen Weg.
So war der plötzliche Zustrom von Waffen via Saudi Arabien und der Türkei ein wichtiger Faktor, der den Vormarsch der Aufständischen unterstützt hat. An einem durch den neuen saudischen König Salman in Riyadh im März einberufenen Treffen, an dem der türkische Präsident Erdogan und Regierungsvertreter aus Qatar und dem Golf-Kooperationsrat teilnahmen, wurde beschlossen, dass sie den Aufständischen im Norden (ausser dem IS) endlich die Waffen liefern werden, die sie seit 2011 verlangen.
Innerhalb weniger Wochen begannen die Waffenlieferungen an die Rebellen. So sagte ein Rebellenführer gegenüber dem Observer: «Zum ersten Mal bekommen wir alles was wir wollen, ausser Flugabwehr Raketen».
Diese Entwicklungen sind selbstverständlich Sand in das Getriebe derjenigen «Linken», die sich der Verteidgigung des faschistischen Assad Regimes mit seinen Fass-Bomben und seinen Folterzellen verschrieben haben. Seit dem Beginn der bewaffneten Kämpfe im Jahre 2011 haben sie die Opposition beschuldigt, Marionetten fremder Mächte zu sein.
In Wirklichkeit war diese Unterstützung für die syrische Opposition bestenfalls erbärmlich. Die wirkliche ausländische Intervention im syrischen Krieg erfolgte mit den miliardenschweren Waffenlieferungen an das Regime aus Iran und Russland. Im Verlaufe des vergangenen Jahres haben zusehends iranische Verbände unter dem Kommando von iranischen Offizieren zusammen mit Hezbollah-Milizen die Führung der Verteidigung des Assad-Regimes übernommen.
Die neue Lieferung von Waffen an die Rebellen und die damit eingetretene dramatische Verschiebung auf dem Schlachtfeld strafen die Behauptung Lüge, dass die Opposition die ganze Zeit über durch ausländische Mächte bewaffnet worden sei. Wäre dies der Fall gewesen, wäre Assad schon längst vertrieben worden. Wir sehen nun vielmehr, was geschieht, wenn beide Konfliktparteien substantielle Unterstützung von aussen erhalten: Die Aufständischen machen erstaunliche Gewinne und das Regime ist isoliert und innerhalb seiner eigenen Unterstützer gibt es immer grössere Differenzen.
Selbstverständlich ist der Entscheid der Türkei und Saudi Arabiens, die Rebellen zu bewaffnen, äusserst zynisch. König Salman ist nicht mehr interessiert an Demokratie und Freiheit im Mittleren Osten als sein Vorgänger, Abdullah. Das neue saudische Regime ist durch die neuerliche Annäherung zwischen Teheran und Washington alarmiert und verfolgt, im Versuch der Zurückdrängung der wachsenden iranischen Macht, eine neue Strategie der saudischen Selbstbehauptung.
Die Bewaffnung der syrischen Rebellen und die Zurück-Bombardierung des Jemen in die Steinzeit sind zwei Achsen derselben Strategie der Saudis, sich als Führer der arabischen Welt aufzubauen und ihre Fähigkeit zu behaupten, unabhängig von den USA zu handeln.
Die syririschen Rebellen haben jedes Recht, diese Situation auszunutzen um zu den Waffen zu kommen, die sie für den Sturz des Regimes dringend benötigen.
Der Sturz Assads wird die Probleme Syriens nicht lösen. Die Jahre des Krieges haben Syrien auseinander gerissen, Millionen vertrieben und Hundertausende getötet. Diese Realität hat, zusammen mit dem allgemeinen Zurückfluten der revolutionären Welle in der arabischen Welt zur Folge, dass der grösste Teil des sozialen Gehalts des Aufstands von 2011 verloren gegangen ist.
Der Aufstieg von reaktionären islamistischen Gruppen wie Dschabhat al-Nusra innerhalb der Aufständischen ist kein leichtes Problem. Aber das erste Problem bleibt das Regime. Ohne seinen Sturz bleibt für Syrien keine Zukunft ausser Krieg und Totalitarismus.
Quelle: redflag.org vom 9. Juni 2015
Tags: Imperialismus, Syrien
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