Griechenlands Kämpferinnen gegen den Faschismus
Leandros Bolaris. Frauen waren ein wichtiger Teil der Widerstandsbewegung in Griechenland. Während des Zweiten Weltkrieges führten sie Streiks an, standen in der ersten Reihe der Massendemonstrationen im Sommer 1943 und engagierten sich im bewaffneten Kampf gegen die Allierten.
Melpomeni Papailiou war eine von ihnen; sie ist in der griechischen Linken besser bekannt unter dem Namen Thiella, was so viel bedeutet wie „Gewitter“. Ihr Gesicht wurde zu dem des Widerstands. Ihr Foto findet man immer noch in Hunderten Büchern, Artikeln und Alben. Man kann sie als Repräsentantin der Hunderten von anonymen und vergessenen Antifaschistinnen bezeichnen.
Costas Couvaras, ein griechisch-amerikanischer Offizier des OSS (Office of Strategic Services, Nachrichtendienst des US-Kriegsministeriums), der 1944 nach Griechenland geschickt wurde, um ein Bündnis mit der Nationalen Befreiungsfront EAM (Ethnikó Apelevtherotikó Métopo) und deren bewaffnetem Arm, der ELAS, aufzubauen, schreibt: „Einen Monat nach unserer Ankunft in Griechenland, stachen uns die weiblichen Kämpferinnen erstmals ins Auge. Gekleidet wie die männlichen Kämpfer, mit ernstem Gesicht, teilten diese Mädchen all die Beschwerlichkeiten des Partisanenlebens.
Die Männer respektierten sie, denn viele von ihnen hatten bereits ihre Fähigkeiten im Krieg unter Beweis gestellt. Im Mai 1944 wurde eine weibliche Spezialeinheit gegründet. Für die meisten der Frauen war der Kampf etwas Neues, doch unter ihnen waren auch erfahrene Partisaninnen. Die neuen Kämpferinnen unterschieden sich sichtlich von den Veteraninnen. Ihr ganzes Auftreten und Verhalten war anders. Sie waren selbstsicher und benahmen sich wie professionelle Soldatinnen, mit allem was dazu gehört. Eine von ihnen stach besonders heraus, daher machte ich mich bei unseren Partisanen-Begleitern schlau über sie. Ihr Name war Thiella.“
Verheiratet mit einem Leutnant der Gendarmerie und als Mutter dreier Kinder führte Thiellas zunehmendes Engagement in der Widerstandsbewegung bald zu Ehestreitigkeiten. Thiella ging schließlich ins zentralgriechische Gebirge (Roumeli), wo sie sich einer Kampfeinheit (dem Todesbataillon des 26. Regiment der griechischen Volksbefreiungsarmee ELAS) anschloss. Zuerst hat sie eine Zeit lang als Krankenschwester gedient.
Laut dem Kriegstagebuch von Couvaras, war es ein Gefühl der Heimatverbundenheit vermischt mit radikalen klassenpolitischen Ansichten, die Thiella motivierten, sich dem Widerstand anzuschließen. Thiella lebte eine fast fanatische Hingebung zu ihren Idealen, schreibt Couvaras. Die marxistischen Ideen, die sie aufsog, brannten sich wie eine Religion in ihr Herz. Sie entwickelte sowohl einen ausgeprägten Wertekanon, als auch den Willen für „die Sache“ zu kämpfen, und wenn nötig auch dafür zu sterben. Thiella fiel schließlich im Kampf gegen die Briten und ihre rechtsgerichteten griechischen Verbündeten, in Athen im Dezember 1944.
Revolution
Die griechische war eine von zwei Widerstandsbewegungen in Europa, die sich einen bewaffneten Kampf mit den Alliierten lieferte (die polnische war die zweite). Im „roten Dezember“ 1944 befand sich ELAS, insbesondere deren Arbeiter_inneneinheiten, 33 Tage lang im Kampf mit den Briten. Was sich dieser Tage in Griechenland abspielte, war nicht einfach nur Nebenschauplatz des 2. Weltkrieges, sondern eine ausgewachsene Revolution. Wie in jeder Revolution standen auch hier die Frauen an vorderster Front.Frauenbefreiung, Solidarität
Eleni Fortouni, damals noch eine Jugendliche, erinnert sich an die Zeit des Widerstands. Fasziniert von Argiro, einer Adartissa (griechisch für Partisanin) , bekannt als die „Amazonen Königin“, schrieb sie: „Ich erinnere mich gebetet zu haben, dass sie mich ansehen würde, dass ihr Blick mich dort finden würde, wo ich stand. Sie war die Amazonen Königin und ich war elektrisiert und eingeschüchtert durch die Begegnung. Ihre Stimme unterschied sich von allem was ich bisher hörte. Ich hatte sie schon vorher gesehen, als sie sich noch nicht von anderen Frauen unterschied, die ich kannte. Nun kann sie niemand mehr missbrauchen. Niemand kann sich an einer Frau vergehen, die mit dem Gewehr geschultert, und Munition um die Brust gehängt, alles und jeden in den Schatten stellt.“
Frauenregimente
Der Wandel vom vergleichsweise ruhigen Familienleben, mit seiner „klassischen“ Rollenverteilung, hin zur politischen Sache und zum bewaffnetem Kampf, war alles andere als einfach; gerade für eine Frau vom griechischen Land mit seinen repressiven Traditionen und Geschlechterrollen. Trotz alledem gingen hunderte wie sie diesen Weg.
Ab 1943 verschob sich die Operationsbasis der ELAS von Roumeli Richtung Makedonien und ab 1944 waren Frauenregimenter offizieller Bestandteil der Bewegung. Solche operierten in der 9. Division (westliches Makedonien), 10. Division (zentrales Makedonien), 13. Division (Roumeli), 2. Division (Thessalien), 1. Division und 8. Division (Ipiros). Da die Frauenregimenter gegen Ende der Besatzung der Achsenmächte formiert wurden, wurden sie eingesetzt, um die Rückzugsrouten der deutschen Wehrmacht abzuschneiden, und zur Befreiung von Dörfern und Städten.
In den Städten
Der Widerstand in Griechenland war nicht bloß ein Aufstand radikalisierter Bauern und Bäuer_innen, auch wenn ihre Rolle natürlich zentral war. An guten Tagen hatte ELAS um die 80 000 Partisan_innen in ihren regulären Einheiten und weitere zehntausende in der Reserve. Um eine Einheit dieser Größenordnung mit Nahrung und Obdach zu versorgen, war ein breites Unterstützernetzwerk notwendig (laut neueren Studien kamen etwa 10 Bauern auf einen Partisanen). Am Vorabend der Befreiung kontrollierte die Linke (bestehend aus EAM-ELAS und der kommunistischen Partei KKE) zwei Drittel des Landes, vor allem aber die ländlichen Gegenden.
Doch im Fokus der Bewegung stand die Arbeiter_innenschaft in den großen Städten. Das war auch der fundamentale Unterschied zu Titos Partisanen in Jugoslawien. Im März 1943 zwang etwa ein Generalstreik die Nazis und ihre Quisling-Regierung dazu, ihren Plan der Einführung von Zwangsarbeit aufzugeben.
Frauen im „roten Gürtel“
Frauen waren von Anfang an ein zentrales Element der Arbeiter_innenklasse und ein wichtiger Teil der städtischen Widerstandsbewegung während des Krieges. Frauen führten Streiks an (etwa in den Banken und Textilfabriken) und standen in der ersten Reihe der Massendemonstrationen im Sommer 1943. Panayiota Stathopoulou, eine 17-jährige Studentin, starb beim Sturm auf ein gepanzertes Fahrzeug, bei einer dieser Demos.
Electra Apostolou, eine lang gediente Genossin der Kommunistischen Partei, und Vorsitzende der Arbeiterfrauen in Athen, wurde von der griechischen Polizei, auf direkten Gestapo-Befehl hin, verhaftet und starb nach qualvoller Folter im Herbst 1943. Ihr Mord löste Massenproteste aus, und führte zu Vergeltungsschlägen der KKE-Gegenspionage-Einheit, der berühmten OPLA (Organisation zum Schutz der Volkskader).
Natürlich gab es auch kämpfende Frauen in den Arbeiter_innenvierteln von Athen und Piraeus, dem „roten Gürtel“ rund um das Stadtzentrum. Wir wissen z.B. von Xeni Vardaki, einer 20-jährigen Arbeiterin aus Kaisariani (einem komplett „rot gefärbten“ Viertel im Ostteil der Stadt). Als Teil des OPLA-Teams in der Gegend, exekutierte sie in voller Öffentlichkeit einen Nazi-Kollaborateur während eines Massenprotests; oder Eftichia Mouriki, auch aus Kaisariani, die Massen anführte und sich im bewaffneten Kampf engagierte.
Wir sprechen über eine verlorene Revolution. Die griechische Linke erlitt, sowohl 1944, als auch im Bürgerkrieg (1946-49), eine blutige Niederlage. Die Gründe für dieses Debakel liegen auf der Hand: Die Politik der Klassenkollaboration ihrer Führung. Aber die Traditionen der Rebellion sind noch lebendig und präsent in den Kämpfen der griechischen Arbeiter_innen gegen Faschismus, Kapitalismus und Unterdrückung.
Übersetzung aus dem Englischen von Alexander Akladious
Quelle: linkswende.org… vom 29. August 2017
Tags: Arbeiterbewegung, Faschismus, Griechenland, Imperialismus, Widerstand
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