Die zukünftige Internationale
IKT. Heute befinden wir uns in einer Situation, in der der Kapitalismus in einer tiefen Krise steckt, das Proletariat allerdings so fragmentiert und desorganisiert ist, dass es sich allenfalls sporadisch den Implikationen von Krieg, Austerität und zunehmender Verarmung widersetzt. Es mag etwas verfrüht erscheinen, über einen Prozess nachzudenken, in dem sich eine zukünftige Internationale der ArbeiterInnenklasse herausbilden wird. Dennoch gib es in dieser schwierigen Situation überall auf der Welt viele neue Elemente, die die Stagnation, wenn nicht gar den Bankrott dieses Systems erkennen. Sie debattieren und diskutieren im Internet und hier und da in kleinen Gruppen wie das Proletariat sich befreien könnte. Indem sie das tun, versuchen sie genau wie wir, sich die Erfahrungen der ArbeiterInnenkämpfe der Vergangenheit anzueignen. Im Folgenden wollen wir unseren Beitrag zu dieser notwendigen Diskussion leisten, und unsere Sichtweise der historischen Lehren des Proletariats darstellen.
Der gegenwärtige Akkumulationszyklus des Kapitals befindet sich seit über 40 Jahren in einer Abwärtsspirale. Nach dem längsten Boom in der Geschichte des Kapitalismus (von 1948-1971) erleben wir nun einen sich langsam hinziehenden Zerfall. Dieses nahezu stagnierende Wirtschaftssystem wurde und wird durch eine beispiellose Staatsintervention gestützt, die bis jetzt einen totalen Zusammenbruch verhindern konnte. Dadurch wurde in den meisten Fällen der Durchschnittslohn der Mehrheit der ArbeiterInnenklasse gekürzt. Doch diese Lohnverluste reichten nicht aus, um einen Aufschwung anzuregen, geschweige denn die Anhäufung von Schulden und die weit verbreitete Schaffung fiktiven Kapitals samt ihrer Minibooms und Pleitewellen zu verhindern.
Dies bewirkte jedoch auch eine zunehmende Fragmentierung und Desorientierung der einzigen Klasse, die objektiv im Gegensatz zum kapitalistischen System steht. Viele lamentieren darüber, dass die Revolutionäre während dieser Periode nicht genug unternommen hätten, um sich zusammenzuschließen – als ob Revolutionäre eine vom Rest der Klasse losgelöste Existenz fristen würden. Die Trennungen unter den Revolutionären war bis heute weitestgehend eine Folge der Schwäche der Klassenbewegungen als Ganzes. Sie ist nicht nur ein Problem der jetzigen Epoche, sondern zieht sich durch die gesamte Geschichte der ArbeiterInnenklasse. Wenn sich die Klasse unter neuen Bedingungen nach einer Periode des Rückzugs neuformiert, fallen die Antworten zwangsläufig verschiedenartig aus. Erst wenn die Bewegung sich wirklich ausweitet und einen Massencharakter annimmt, wird es unter Revolutionären eine ausgeprägtere Bereitschaft geben, Differenzen der Vergangenheit zu begraben und alte Schemata zu hinterfragen. In dem Maße wie die ArbeiterInnenklasse sich über ihren Weg klarer wird, wird auch der Ruf nach einer politischen Klassenorganisation mit einer klaren Vorstellung des Kommunismus lauter werden.
Einige werden einwenden, dass dies nicht notwendig sei. Sie werden argumentieren, dass die „spontane“ Bewegung der Klasse allein ausreichend sei, um den Sieg zu erringen. Wir haben großes Vertrauen in die Entstehung einer genuinen Bewegung der ArbeiterInnenklasse, die zu dem Schluss kommt, dass sie nicht länger auf die alte Weise unter den alten Bedingungen weiterleben kann. Der erste Angriff auf das System wird unweigerlich unvorhersehbar sein und einen spontanen Charakter haben. Solch eine Bewegung kann viel erreichen, doch das allein ist nicht die Lösung des Problems. Die gegen sie wirkenden Kräfte werden nicht einfach aufgeben. Sie werden alle Hebel in Bewegung setzen, um die Bewegung davon abzuhalten den Staat zu überwinden und das wirtschaftliche und soziale Leben völlig neu zu gestalten. An einem bestimmten Punkt werden sie Masken überziehen, falsche Ideologien annehmen und versuchen die Bewegung in eine Richtung zu lenken, die mit dem Fortbestehen des Systems kompatibel ist. Wir kennen dies zu Genüge aus der Geschichte. Wenn derartige Kräfte nicht politisch von der ArbeiterInnenklasse bekämpft werden, werden sie die Bewegung abwürgen. Nehmen wir zwei entgegen gesetzte Beispiele. Während der Russischen Revolution wurde der Zar im Februar durch eine spontane Massenbewegung gestürzt. Noch während die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Straßen kämpften, bildete die Bourgeoisie mit ihren Verbündeten eine Regierung, die darauf abzielte die Arbeiterräte um die Früchte ihres Sieges zu bringen. Die ArbeiterInnenklasse ließ sich dadurch nicht einwickeln und setzte mehr und mehr ihr Vertrauen in die einzige Organisation die entschieden für die Rätemacht und den Internationalismus eintrat, die bolschewistische Partei. Obwohl sie eine kleine Minderheit war, hatte sich die Bolschewiki schon Jahre vor der Revolution in der ArbeiterInnenklasse verankert. Zweidrittel ihrer Mitglieder waren Arbeiterinnen und Arbeiter. Ihre Losungen halfen der Bewegung sich zu orientieren und über den Rahmen des parlamentarischen Systems, welches die herrschende Klasse (mit Unterstützung vorgeblich „sozialistischer“ Parteien) errichten wollte, hinauszuschauen. Letztendlich machte die ArbeiterInnenklasse die bolschewistische Partei zu ihrem Instrument. Nachdem sie im ganzen Land die Mehrheit in den Sowjets bekommen hatte, wurde sie zur Speerspitze des revolutionären Aufstands.
Ganz anders verlief die Sache in Polen in den 80er Jahren. Hier besetzten die Arbeiterin-nen und Arbeiter spontan die Werften und stellten die Herrschaft des stalinistischen Staa-tes infrage. Dennoch gab es in dem vorgeblich kommunistischen Land keine revolutionäre Partei, die als Bezugspunkt hätte dienen können. In dieses Vakuum stießen dann die Katholische Kirche, die polnischen Nationalisten (und in ihren Windschatten die CIA). Sie lenkten die Bewegung von ihrem Klassenbezug zu einer Bewegung für die Demokratie. Kurz gesagt fiel der Kampf der polnischen Arbeiter der innerimperialistischen Rivalität zum Opfer.
Wir wissen auch, dass sich in der ArbeiterInnenklasse das Bewusstsein über die Notwendigkeit der Zerstörung des Kapitalismus nicht gradlinig entwickeln wird. Einige Sektoren werden dies früher als andere verstehen und jedes Zusammenkommen dieser Widersacher des Kapitalismus wird der Ausdruck einer Minderheit der Klasse sein. Die Herrschaft der Bourgeoisie über die Produktionsmittel (und damit über die vorherrschenden Ideen) hat zur Folge, dass sich das politische Instrument der klassenbewussten Arbeiter vor dem Ausbruch der Revolution immer eine Minderheit sein wird. Je mehr diese Minderheit eine konsistente politische Botschaft und eine kohärente Organisationsform herausbildet und versucht innerhalb breiterer Schichten der ArbeiterInnenklasse zu agieren, desto mehr kann sie Teil einer lebendigen Klassenbewegung werden. Eine solche Bewegung muss sich über die Ziele und die Richtung, die sie einschlagen will klar sein. Hierbei spielt die revolutionäre Minderheit, oder in anderen Worten die revolutionäre Partei eine Schlüsselrolle. Ihre Aufgabe besteht darin, die bürgerliche Ideologie zu bekämpfen, indem sie für ein Programm eintritt, welches auf den historischen Lehren und theoretischen Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse basiert. Diese politischen Lehren und Errungenschaften geraten allzu oft in Vergessenheit. Einer der Kernsätze des Kommunistischen Manifests lautet: „Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, dass sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, anderseits dadurch, dass sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft stets die Interessen der Gesamtbewegung vertreten.“
Von Beginn an hat die moderne kommunistische Bewegung den universellen und internationalistischen Charakter der ArbeiterInnenklasse betont. Die Gründung der Ersten Internationale 1864 sahen Marx und Engels als große Errungenschaft an. Marx erklärte, dass sich die ArbeiterInnenklasse damit ein von allen bürgerlichen Parteien unabhängiges Instrument hervorgebracht habe und somit die Losung „Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selber sein“ auf die Tagesordnung setzen könne.
Allerdings war dies etwas verfrüht. Die Erste Internationale wurde von den Differenzen der zwischen den englischen Gewerkschaftern, proudhonistischen Mutualisten und dem Schattenkabinett der „Allianz der Sozialen Demokratie“ um Michael Bakunin zerrissen.
Einige Internationalisten sollten noch eine Rolle in der Pariser Commune spielen, doch zu diesem Zeitpunkt hatte die IAA faktisch aufgehört als Organisation zu existieren. Es sollte 20 Jahre dauern bis mit der Gründung der Zweiten Internationale eine Nachfolgerin der IAA in Erscheinung trat. Diese basierte auf nationalen Sektionen, die viel bestimmen-der waren als das Internationale Sozialistische Büro, welches die Internationale formell koordinierte. Sie brachte verschiedene politische Traditionen zusammen, die nicht explizit marxistisch waren. Faktisch wurde der marxistische Flügel zunehmend von den erstarkenden sozialdemokratischen Gewerkschaften marginalisiert. Letztlich zerfiel die Zweite Internationale in ihre nationalen Bestandteile, als zu Beginn des Ersten Weltkrieges die Mehrheit der ihr angeschlossenen Parteien (mit Ausnahme der russischen, polnischen, rumänischen, serbischen und bulgarischen Partei) für die Kriegskredite stimmten und damit ihre jeweiligen nationalen Bourgeoisien unterstützten. Trotz aller Versuche die Sozialistinnen und Sozialisten gegen den Krieg zu vereinen (wie bei den Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal) entstand keine neue Internationale. Erst mit dem Sieg des russischen Proletariats und der Oktoberrevolution als erstem Schritt hin zur Weltrevolution konnte die Frage einer neuen Internationale ernsthaft auf die Tagesordnung gesetzt werden. Gleichwohl war es im vom Krieg erschütterten Europa alles andere als einfach, die Gründung einer revolutionären oder kommunistischen Internationale anzugehen, weshalb der Gründungskongress erst 1919 in Moskau stattfinden konnte. Die neue Internationale versprach viel. Unter dem Eindruck der russischen Revolution entstanden überall in der Welt kommunistische Parteien, die auf der Grundlage der 21. Bedingungen die Mitgliedschaft in der Internationale anstrebten. Gleichwohl waren all diese Parteien allesamt Neugründungen mit jungen und unerfahrenen Führungsorganen, die viel Ehrfurcht und Respekt vor den Erfahrungen der russischen Genossen an den Tag legten. Das hatte zur Folge, dass die Dritte Internationale von Beginn an von der russischen Partei dominiert wurde (genau wie die deutsche Sozialdemokratie als „die Partei der Zweiten Internationale“(Trotzki) angesehen wurde. Dies sollte fatale Konsequenzen für die Dritte Internationale und ihre konstituierenden Parteien haben.
Im Zuge der Isolierung und des Niedergangs der Russischen Revolution ging die russische KP zunehmend dazu über, die Internationale als Mittel zur Unterstützung Russlands, d.h. der neuen russischen Staatsordnung anzusehen, die mit der russischen Revolution gleichgesetzt wurde. Doch die Unterstützung eines Staates dessen Priorität darin bestand, in einer sich wieder stabilisierenden kapitalistischen Weltordnung zu überleben, lief zwangsläufig darauf hinaus das Ziel der Weltrevolution aufzugeben.
Doch nur die Ausweitung der Weltrevolution hätte das revolutionäre Potential in Russland wiederbeleben können. 1921 ging die Internationale unter der Losung „zu den Massen“ zu einer neuen Politik über, die praktisch darauf hinaus lief Bündnisse mit diversen sozialdemokratischen Parteien und der wiederbelebten Zweiten Internationale einzugehen. Letztere hatte sich als letztes Bollwerk des Kapitalismus gegen die Arbeiterrevolutionen in jedem Land hervorgetan (besonders in Deutschland, wo sie für den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und hunderten kommunistischen Arbeitern verantwortlich war). Ein Jahr später setzte die Komintern die Losung „Zu den Massen“ in Form der „Einheitsfront“ um, die die neuen jungen kommunistischen Parteien dazu verpflichtetet, Bündnisse mit genau jenen einzugehen, von denen sie sich wenige Monate zuvor abgespalten hatten. Die Dritte Internationale wurde so zum Werkzeug der neuen herrschenden Klasse in Russland und hörte auf ein Instrument der Weltrevolution zu sein.
Was lehren uns die Erfahrungen der letzten revolutionären Welle? Der Kampf der ArbeiterInnenklasse für die Überwindung des Kapitalismus unterscheidet sich grundlegend von dem des Bürgertums gegen den Feudalismus. Die aufstrebende Bourgeoisie eignete sich unter dem Feudalismus Eigentum an und entwickelte ihren Reichtum und ihre Macht im Rahmen des Systems bevor sie es stürzte. Die Revolution des Proletariats unterscheidet sich hier grundlegend. Wir haben kein Eigentum zu verteidigen. Unsere Stärke entwickelt sich aus unserer Fähigkeit zur kollektiven Aktion. Die proletarische Revolution wird sich nicht einfach aus dem Eintreten für die unmittelbaren Interessen entwickeln. Sie muss eine bewusste Revolution sein. Unter kapitalistischen Bedingungen werden einige Arbeiter früher als andere zu der Feststellung gelangen, dass dieses System überwunden werden muss. Es ist nur natürlich, dass diese Minderheit eine politische Organisation bildet, um ihren erklärten Ziel der Schaffung einer neuen Gesellschaft Nachdruck zu verschaffen.
Im Zeitalter der Sozialdemokratie war die ArbeiterInnenklasse in nationalen Parteien organisiert, die die Mitgliedschaft in der Zweiten Internationale anerkannten. Doch diese Internationale funktionierte eher wie ein Briefkasten als eine koordinierte Führung einer internationalen Klasse. Auf jeden Fall brachte sie eine Massenbewegung hervor, die sich überwiegend dem Reformismus verschrieb. Die in ihr tätigen Revolutionäre waren weitgehend marginalisiert, was sich mit Ausbrauch des Ersten Weltkrieges deutlich zeigte. Die revolutionäre ArbeiterInnenklasse verfügte bis zu den Auswirkungen der Russischen Revolution über keine internationale Organisation. Die Dritte Internationale gründete sich viel zu spät, um wie es beabsichtigt war, als Avantgarde der Weltrevolution agieren zu können. Angesichts des enormen Prestiges der ArbeiterInnenklasse, die es geschafft hatte, die herrschende Klasse zu stürzen und so zum Leuchtfeuer der Weltrevolution wurde, kam es nicht von ungefähr, dass die russische Partei einen enormen Einfluss in der Internationale hatte. Doch mit der Isolation der Russischen Revolution verabschiedete sich die Internationale zunehmend vom Ziel der Weltrevolution und setzte auf eine Politik der Verteidigung des russischen Staates, der sich zunehmend von seiner Klassenbasis gelöst und entfremdet hatte. Der sog. „Bolschewisierung“ der neuen Parteien fielen die wirklichen Revolutionäre zum Opfer. Die Internationale verkam zu einer Agentur der UdSSR in ihrem Kampf um einen Platz unter den Nationen. Die Lehre daraus ist klar: Bevor es irgendwo zu einem revolutionären Ausbruch kommt, müssen die Konturen einer Internationale bereits vorhanden sein. Diese „kann nicht einfach eine Föderation mehr oder weniger unabhängiger Parteien sein, die unter dem Vorwand unterschiedlicher nationaler Ausgangslagen politisch unterschiedlich agieren. Deswegen ist es präziser von einer internationalen Partei zu sprechen. Das Wesen, die Struktur und die Statuten der internationalen proletarischen Partei müssen in allen Sektionen einheitlich gestaltet sein. Ihre politische Plattform muss das gemeinsame Erbe sein, welches von allen Sektionen und Militanten einheitlich entwickelt wird.“
Homogenität bedeutet hier nicht die totale Übereinstimmung in jeder Frage, sondern die Verständigung auf eine gemeinsame Plattform und letztendlich ein gemeinsames Programm. Dieses kann nur durch offene Diskussionen innerhalb der Internationale entwickelt werden. Die internationale Partei (oder wie immer sie sich nennen wird) muss auf einer zentralisierten Aktionseinheit zur Bekämpfung des Klassenfeindes basieren. Doch eine wirkliche Einheit kann nicht ohne einen kontinuierlichen Dialog zwischen ihren Mitgliedern erreicht werden. Die bolschewistische Partei zeichnete sich entgegen der stalinistischen Mythologie durch lebendige Debatten zwischen verschiedenen Fraktionen aus. Doch all diese Differenzen hinderte die verschiedenen Sektionen nicht daran, ihre Fähigkeit zur Initiative zu demonstrieren und sich zu einem Bezugspunkt der ArbeiterInnenklasse zu entwickeln und diese zur Speerspitze der Revolution zu verwandeln. Vielmehr war es so, dass viele Debatten sich gerade durch die konkrete und direkte Verbindung ihrer Mitglieder mit der ArbeiterInnenklasse entwickelten. Dies trug wesentlich dazu bei, dass sich die bolschewistische Partei 1917 zu einem Instrument der breiten Klassenbewegung entwickeln konnte. Die Mitglieder der zukünftigen Internationale können keinen Beitrag zu einer wirklichen Emanzipationsbewegung leisten, solange sie keine direkten Verbindungen zur Klasse als Ganzes haben. Kommunistinnen und Kommunisten müssen sich das Recht gehört zu werden erkämpfen. Die Militanten dieser Internationale werden sich an der Revolution aktiv beteiligen und versuchen, diese dadurch anzuführen, indem sie die Autonomie des ArbeiterInnenkampfes durch die Entwicklung eigener Klassenorgane ermutigen und befördern. Sie werden sich auf allen Ebenen so weit wie möglich an den Kämpfen der Klasse beteiligen. Doch die Internationale wird keine Regierung im Wartestand sein. Ihre Aufgabe besteht in der Ausweitung der Weltrevolution. Die Militanten werden sich als Delegierte an den Organen der Klasse beteiligen, doch die Internationale wird kein Regierungs- oder Herrschaftsorgan sein. Wie Onorato Damen 1952 in der Plattform der Internationalistischen Kommunistischen Partei hervorhob: „Es gibt keine Möglichkeit für die Befreiung der Arbeiterklasse oder die Errichtung einer neuen Gesellschaft, wenn dies nicht dem Klassenkampf entspringt. Zu keinem Zeitpunkt und unter keinem Umstand darf das Proletariat seine kämpferische Rolle einstellen. Es darf seine historische Mission und seine Macht nicht an andere delegieren, nicht einmal an die eigene politische Partei.“
Dies ist unsere Vorstellung hinsichtlich der Gestalt einer neuen Internationale. Doch was ist heute unser Ausgangspunkt?
Nach 40 Jahren der Umstrukturierung spiegelt sich die Fragmentierung der Klasse in der Vereinzelung und Schwäche revolutionärer Energien wieder. Einige wurden von den Spaltungen unter den Revolutionären entmutigt, die ihrer Meinung nach jeder für sich in pastoraler Weise ihren jeweiligen Standpunkt verteidigen. Dennoch sind diese Differenzen ernsthafte Meinungsverschiedenheiten, die auf den verschiedensten Anstrengungen beruhen mit der konterrevolutionären Entwicklung nach Scheitern der revolutionären Welle umzugehen. Mit der Zeit erwiesen sich einige Differenzen als nicht so gravierend wie sie einst erschienen, doch es ist ein langer Weg hin zu einer revolutionären Wiederbelebung der Klasse. Dies sollte nicht als negatives Faktum, sondern als notwendiger Schritt im Prozess der Entwicklung von Klassenbewusstsein gesehen werden. Auf diesem Wege sind Debatten notwendig und wichtig. Ohne eine scharfe Diskussion zur Klärung wichtiger Probleme, wird das Proletariat niemals in der Lage sein, ein solides Programm zu entwickeln, um den nächsten Ansturm auf den Kapitalismus durchzufechten. Gleichzeitig müssen die derzeitig dürftigen Verbindungen zwischen den Revolutionären und der Masse der Klasse vertieft und gefestigt werden. Jede lokale politische Organisation muss Wege finden, um mit breiteren Schichten der Klasse Verbindungen zu knüpfen, die sich zwar noch nicht als revolutionär begreifen, aber verstanden haben, dass sie sich gegen die Verheerungen des Kapitalismus zur Wehr setzen müssen. In der Nachkriegszeit, entwickelte die Partito Comunista Internazionalista (Battaglia Comunista) auf der Grundlage des Verständnisses, dass die Gewerkschaften der Organisierung antikapitalistischen Widerstands entgegenstehen, die Strategie der Fabrikgruppen, die sich in verschiedenen Betrieben (u.a. FIAT) aus Mitgliedern und Nichtmitgliedern zusammensetzen. Doch mit der schwindenden Konzentration von Arbeiterinnen und Arbeitern in Großbetrieben ist dies nicht länger mehr als zentrales Mittel der Organisierung in der Klasse tauglich. Stattdessen wurde das Konzept „territorialer Gruppen“ entwickelt. Dabei handelt es sich um Kollektive in lokalen Betrieben oder Gruppen von Aktivisten die in bestimmten Bereichen (Wohnungsfrage, Jobs etc.) arbeiten. Der Schlüssel besteht darin, dass die politische Organisation sich stets bemühen muss, dort präsent zu sein, wo die Masse der Klasse ist. Die Partei kann nicht in der letzten Minute gebildet werden kann, noch wird sie von alleine entstehen, wenn es Kämpfe gibt. Sie muss Teil des Lebens der Klasse werden, ohne dem Krebsgeschwür des Reformismus zu erliegen, künstliche und kurzlebige Erfolge erzielen zu wollen.
Gegenwärtig ist die Verankerung von Revolutionären in der Klasse sehr embryonal. Doch wenn sich die Krise vertieft, werden auch mehr Arbeiterinnen und Arbeiter erkennen, dass es keine kapitalistischen Lösungen für ihre Probleme gibt, werden sich den Revolutionären neue Möglichkeiten bieten
Sobald sich die ArbeiterInnenklasse zu bewegen beginnt, wird die praktische Bewegung dazu tendieren, sich dem Programm anzunähern, welches ihren wirklichen Bedürfnissen am meisten entspricht. Doch dies heißt nicht, dass Revolutionäre einfach nur mit verschränkten Armen auf den großen Tag warten müssten. Es wird keinen großen Tag geben, wenn nicht die Kommunistinnen und Kommunisten in den von der Klasse hervorgebrachten Kampforganisationen für ihre Perspektive kämpfen.
Die Internationale (oder zumindest ein größerer Kern von ihr) muss vor dem Ausbruch einer revolutionären Krise Gestalt angenommen haben.
In dem Sinne, dass ihre Plattform und ihr Programm auf den revolutionären Lehren des Klassenkampfes basiert, ist sie eine politisch sehr eng gefasste Formation. Innerhalb dieses Rahmens sind Debatten möglich und die Partei organisiert sich entlang demokratisch zentralistischer Leitlinien, (letztendlich werden alle Dinge von den Mitgliedern abgestimmt und entschieden). Gleichzeitig wird die Partei die Existenz von Fraktionen und Tendenzen zu noch ungeklärten Fragen und neuen Aspekten des Programms zulassen. Sie müssen das volle Recht auf Debatte und Veröffentlichung ihrer Minderheitenmeinung haben, da es auf dem Weg der Revolution viele neue Herausforderungen geben wird und es noch viele Fragen gibt, die die Geschichte noch nicht endgültig für uns beantwortet hat. Die Gesundheit der Organisation hängt von einem lebendigen Meinungsaustausch statt. Letztendlich ist das auch die gesündeste Art, auf die sich die Partei entwickeln kann, um als zentralisierte Kraft zu agieren, wenn die Situation einer Weltrevolution dies erfordert.
Ohne ein gemeinsames Verständnis der Zielvorstellungen (selbst wenn es keine vollständige Übereinstimmung gibt) ist keine erfolgversprechende Politik möglich. Gleichzeitig bereiten Diskussionen und Debatten jedes Parteimitglied darauf vor, unabhängig als Revolutionär zu agieren, wenn die unmittelbare Situation vor Ort dies erfordert. Es gibt keinen statuarisch festgelegten Mechanismus, um dies sicherzustellen. Es hängt von der Vorbereitung und Bewusstwerdung der jeweiligen Mitglieder ab, und dies ist nur in einer Partei möglich in der es eine lebendige Kultur der Diskussion und Bildungsarbeit gibt.
Auch wenn wir diese Prinzipien in unsere Statuten verankert haben, ist die IKT, wie wir mehrmals wiederholt sagten nicht die Partei oder gar der einzige Kern einer zukünftigen Partei, da die Voraussetzungen dafür nicht bestehen. Gleichwohl kommen wir nicht aus dem Nichts. Wir kommen aus der Tradition der Italienischen Kommunistischen Linken, die 1921 die Kommunistische Partei Italiens als Sektion der Dritten Internationale gründete. Nachdem unsere Vorläufer im Zuge der sog. „Bolschewisierung“(die in Wirklichkeit die Antithese zu allen revolutionären Elementen des Bolschewismus war) aus der Führung der Partei verdrängt worden waren, setzten sie ihren Kampf für den Internationalismus und ihre revolutionäre Politik in den Fabriken Frankreichs und Belgiens und in den Gefängnissen des faschistischen Italiens fort. Unter dem Einfluss dieser beiden Strömungen vereinigte sich die Kommunistische Linke 1943 in Italien in der Partito Comunista Internazionalista (PCInt). Sie verteidigte die revolutionäre Politik und entwickelte sie weiter. Trotz aller Versuche der Stalinisten sie auszurotten, gelang es ihr die Zeiten des Nachkriegsbooms zu überstehen und als Bezugspunkt für die Gründung der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz zu dienen. Die PCint versuchte stets mit anderen Gruppierungen und Tendenzen eine gemeinsame Basis zu finden, auch wenn dies oftmals nicht zu einer Einigung führte, wurde die Tür zum Dialog stets offengehalten. In dieser Tradition arbeitet die IKT auch heute.
Mit diesem politischen Erbe will die IKT Bestandteil einer zukünftigen Partei werden, um sicherzustellen, dass die Lehren vergangener Arbeiterkämpfe für neue Generationen erhalten bleiben, damit nicht alte Fehler wiederholt werden, bevor verstanden wird was als nächstes getan werden muss. Gleichzeitig sind wir uns darüber im Klaren, dass die Situation der ArbeiterInnenklasse heute eine andere ist als in der Vergangenheit. Die zukünftige revolutionäre Welle wird für jede politische Minderheit neue Probleme aufwerfen und wir müssen offen für neues Denken sein.
Dennoch sieht sich die IKT nicht als bloßes Diskussionsforum, sondern als Kern der zukünftigen internationalen Partei, weshalb wir uns mit anderen Erfahrungen, die zu der Herausbildung einer solchen beitragen können genauer auseinandersetzen. Das Festhalten an einer gemeinsamen und klaren politischen Plattform, der ständige Versuch mit der Klasse in Kontakt zu sein und sich in ihr zu verankern, definiert unsere Arbeit für die Herausbildung einer zukünftigen Weltpartei.
In unserem Kampf für den Kommunismus haben wir stets die Frage einer Internationale oder internationalen Partei aufgeworfen. Solange die ArbeiterInnenklasse dieses Instrument nicht als Ausdruck der Entwicklung ihres revolutionären Bewusstseins hervorbringt, werden wir in Zukunft noch mehr Niederlagen erleben. Unsere Hoffnung besteht darin, mit all jenen neuen Kräften, die sich der Notwenigkeit der Überwindung dieses Systems bewusst werden in Kontakt zu treten und mit ihnen einen politischen Kompass zu entwickeln. Gleichzeitig wollen wir den Dialog mit den bereits existierenden Gruppen zu suchen, aktiv zusammenzuarbeiten, wenn dies möglich ist, Differenzen auszuhalten wo dies notwendig ist und uns schließlich zusammenzuschließen, wenn die Geschichte voranschreitet und eine wirkliche Klassenbewegung entsteht.
Internationalistische Kommunistische Tendenz
Quelle: gis… vom 3. August 2018
Tags: Arbeiterbewegung, Deutschland, Friedrich Engels, Italien, Lenin, Marx, Rosa Luxemburg, Russische Revolution, Sowjetunion, Strategie
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