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Tellerwäscher qua Geburt

Eingereicht on 6. November 2018 – 10:08

Susan Bonath. WSI-Studie: Arme bleiben arm, Reiche unter sich. In Deutschland verfestigen sich die Klassengegensätze. Wer arm ist, bleibt arm. Auch »Pauken« verspricht kein Entkommen.

Vom Tellerwäscher zum Millionär? Weit gefehlt – in der Exportweltmeisternation Deutschland werden die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten immer größer. Fast jeder sechste Haushalt gilt inzwischen als dauerhaft arm. Und wer zu den Reicheren gehört, muss kaum Angst haben, abzurutschen. Zu diesem wenig überraschenden Ergebnis kommt der am Montag veröffentlichte neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Besonders ausgeprägt sei diese Entwicklung in Ostdeutschland, konstatieren die Autoren. Arme würden dauerhaft von sozialer Teilhabe ausgeschlossen und hätten immer weniger Chancen, den Zustand zu überwinden. Und: »Verfestigter Reichtum wiederum droht zu einem geschlossenen Zirkel zu werden, der sich immer weiter von der Mitte der Gesellschaft entfernt.«

Die Grundlage dieser Untersuchung sind die neuesten Daten des sogenannten sozioökonomischen Panels (SOEP), zuletzt erfasst im Jahr 2015. Seit den 1980er Jahren befragt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dafür regelmäßig 30.000 Personen in 11.000 Haushalten. Als dauerhaft arm gelten für die WSI-Forscher Haushalte, deren Mitglieder mindestens fünf Jahre lang mit weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens auskommen müssen. Für Alleinstehende bedeutete das vor drei Jahren, über weniger als etwa 1.000 Euro pro Monat zu verfügen. Fielen im Jahr 1991 noch elf Prozent in diese Kategorie, waren es im Jahr 2015 bereits knapp 17 Prozent, hochgerechnet also etwa 14 Millionen Menschen.

Interessant: Zu Beginn der 2000er Jahre führten die Forscher die Sonderkategorie »strenge Armut« ein. Sie beschreibt die Situation von Menschen, die dauerhaft von weniger als der Hälfte des Budgets leben müssen, über das der Durchschnittsbewohner der Bundesrepublik verfügt. Der Anteil der davon Betroffenen stieg bundesweit bis 2015 von 2,2 auf 2,4 Prozent an. In Ostdeutschland betraf die sogenannte »strenge Armut« zuletzt mit 6,4 Prozent einen weitaus größeren Anteil der Einwohner. Seit 2001 nahm sie dort um mehr als zwei Prozentpunkte zu.

Als reich definieren die Autoren Menschen mit mehr als dem doppelten Durchschnittseinkommen. Bei einem Einpersonenhaushalt waren das zuletzt gut 3.400 Euro netto monatlich. Es ging somit nicht speziell um die kleine Gruppe der Superreichen. Umso aufschlussreicher ist, dass nur 7,5 Prozent, also gut sechs Millionen Haushalte in Deutschland über ein Einkommen oberhalb dieser Summe verfügten. Ihr Anteil stieg seit 1991 um zwei Prozentpunkte. Zu den »sehr Reichen« gehörten davon lediglich 0,6 Prozent. Besonders verfestigt hatte sich der Reichtum zuletzt bei insgesamt 3,4 Prozent, in Ostdeutschland bei 2,1 Prozent der Menschen.

Insgesamt verdeutlichen die Auswertungen damit ein enormes Wohlstandsgefälle zwischen Ost- und Westdeutschland, stellen die Autoren fest. Auch fast 30 Jahre nach dem Anschluss der DDR an die BRD habe sich daran nichts verändert. So befanden sich fast 40 Prozent der befragten Haushalte, die dauerhaft als arm gelten, im Osten, obwohl ihre Gruppe nur knapp ein Fünftel der gesamten Referenzgruppe ausmachte. Dagegen gab es dort weniger Wohlhabende; nur jeder 20. fiel in diese Kategorie. Ebenso zeigt die Studie: Dauerhaft arm sind vor allem Rentner, Erwerbslose, Alleinerziehende und Migranten. Armut trifft häufiger Frauen als Männer, Singles öfter als Paare. Die Forscher stellen auch »deutliche Bildungsdefizite« bei den Armen fest. Dennoch zeigt die Studie, dass Pauken keineswegs ein Garant gegen Dauerarmut ist. Immerhin jeder achte Betroffene hat Abitur, jeder zwölfte hat studiert. Auch das liege an starren Klassenmilieus. Je verfestigter sie seien, »desto starrer ist die soziale Ungleichheit, was diese Entwicklung wiederum verstärkt«, heißt es. Dieser Trend in Deutschland sei bedenklich.

Doch Klassenkampf gehört nicht in den Forderungskatalog der WSI-Forscher. Sie belassen es bei Bitten an die Politik: Sie müsse insbesondere die Armut mit bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Reformen bekämpfen. Notwendig seien auch, so meinen sie, »Maßnahmen, welche die soziale Durchmischung der Bevölkerungsgruppen fördern«. Nur so sei »verfestigte Armut aufzubrechen und zu verhindern, dass die Reichen den Bezug zur gesellschaftlichen Realität verlieren«. Die besonders Wohlhabenden dürfte das wenig tangieren: In ihre Villenviertel wird sich auch künftig so schnell kein Armer verirren.

Quelle: jungewelt.de… vom 6. November 2018

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