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«Acte XIX»: Die Gelben Westen trotzen der verschärften Repression

Eingereicht on 24. März 2019 – 14:55

Mones Chaieb. Nach der Ankündigung einer repressiven Eskalation Anfang dieser Woche war es das Ziel der Regierung, die Ordnung nach dem «Acte XVIII» wiederherzustellen. Wenn Christophe Castaner gestern Abend stolz erklärte, dass «die republikanische Ordnung aufrechterhalten wurde», drückt dies letztlich die anhaltenden Schwierigkeiten der Regierung im Umgang mit der Bewegung der Gelben Westen aus. Wie können wir uns sonst erklären, dass 4 Monate nach Beginn der Bewegung immer noch die gleiche Frage gestellt wird, wie bereits während des Aufstands vom 1. Dezember? Dies als Beweis dafür, dass die Widersprüche der Regierung noch lange nicht ausgeräumt sind, wie insbesondere die stärkere Mobilisierung für den Akt XIX zeigt; dabei wird deutlich, dass die Gelben Westen nicht von ihrem Demonstrationsrecht ablassen und bereit sind, bis zum Sieg über Macron zu kämpfen.

Wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass die Regierung die Kontrolle über die Champs-Elysées wiedererlangt hat, so dann nur mit einer allgemeinen Mobilisierung der Polizeikräfte und mittels eines militärischen Aufmarsches einer Armee von Lastwagen und Panzern. Offensichtlich musste die Regierung sämtliche Polizeikräfte und einen Teil der Armee aufbieten, um zumindest – nach dem Scheitern vom 16. März – eine zentrale Machthochburg zurückgewinnen zu können. Dass dabei Castaner – ein Herz und eine Seele mit der traditionellen Rechten – sich ob dieser Meisterleistung beglückwünscht, verweist auf die Schwierigkeiten der Regierung und ihre immer engere soziale Basis, wenn nicht gar auf eine Verstärkung der Tendenzen zur außerparlamentarischen Mobilisierung gegen die Regierung und ihre antisoziale und arbeiterfeindliche Politik.

Die gegen die Gelben Westen gerichtete Strategie der psychologischen Kriegsführung greift nicht, und schon gar nicht die angekündigte Mobilisierung der Armee und die Verleumdungskampagnen gegen die soziale Bewegung. Während diesem Akt 19 schienen die Gelben Westen zunehmend entschlossen, nicht nur ihr Demonstrationsrecht zu verteidigen, die demokratischen und sozialen Forderungen traten nur noch deutlicher hervor als früher. Bemerkenswert war auch die Teilnahme von Persönlichkeiten der politischen Linken wie Philippe Poutou, Olivier Besancenot und Jean-Luc Mélenchon an der Pariser Demonstration – ein Zeichen dafür, dass die Gelben Westen immer mehr rot werden und damit die extreme Rechte blockieren.

Also, die Kampagne der Gelben Westen geht weiter. Sie demonstrieren in noch größerer Zahl als im Akt 18; das Innenministerium spricht heute von 40.500 Demonstranten in ganz Frankreich gegen 32.000 beim Akt XVIII. Die Gelben Westen zählten 127.000 Menschen auf den Straßen, trotz präventiver Verhaftungen, Durchsuchungen und Polizeikontrollen auf den Bahnhöfen und vor den Toren von Paris.

Auch wenn es auf den Champs-Elysées in Paris keine Demonstration gab, so kam es in ganz Paris zu Manifestationen, um denn auf dem Montmartre-Hügel zu enden und ein «Gelbe Westen Spruchband» an der Kuppel von Sacré Cœur zu befestigen. Als Symbol, dort, wo 1871 die Kommunarden von den Versaillern ermordet wurden. Ein Beweis dafür, dass die repressive Reaktion bei weitem nicht in der Lage ist, die Wut der Arbeiterklasse zu beruhigen, und dass die Regierung daher immer noch nicht in der Lage ist, aus ihrer seit vier Monaten andauernden Krise herauszukommen.

Die Verstärkung durch die Operation Sentinel mit der Armee wurde als endgültige Lösung der von den Gelben Westen ausgelösten Krise angekündigt, mit den Szenen der Zusammenstösse auf den Champs-Elysées und erst letzte Woche dem verwüsteten Fouquet’s, die die Bourgeoisie nach achtzehn Wochen der Mobilisierung beunruhigten.

Das Manöver war einfach: Schrecken zu verbreiten, indem man offen erklärte, dass alle Demonstranten als Randalierer gelten würden, und dass die Armee das Feuer auf die Menge eröffnen könnte. So hoffte die Regierung, die Gelben Westen und die 64% der Bevölkerung, die sie unterstützen, einzuschüchtern, und sie von einer weiteren Mobilisierung abzuhalten. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Erwägung der möglichen politischen Folgen der Umsetzung eines solchen Projekts die Regierung von dessen Umsetzung abgehalten haben. Tatsächlich wäre der Rückgriff auf die Armee gegen die Demonstranten nicht ohne Risiko gewesen, in einem Kontext, in dem selbst Brüche innerhalb des Militärapparats offenbar wurden, als sich hohe Offiziere in den Medien anonym gegen eine solche Operation stellten.

Mit anderen Worten, die Regierung muss auf Feld 1 zurück. Und das zu einem Zeitpunkt, da die herrschenden Klassen von der Entwicklung zunehmend desillusioniert sind, hatten sie sich doch auf Macron verlassen, um die Agenda der neoliberalen Gegenreformen durchzuziehen. Dieses Projekt stagniert jedoch seit Ende November und dem Beginn der Mobilisierung, was diese zunehmend beunruhigt. Daher Macrons Ankündigungen, sich als Führer der Ordnungspartei zu etablieren. Die traditionelle Rechte hat dabei ihre Methoden zur Aufrechterhaltung der Ordnung vorgespielt. Wir möchten nur darauf hinweisen, dass Christian Estrosi, Bürgermeister von Les Républicains von Nizza, persönlich für das Sicherheitssystem in seiner Stadt verantwortlich war. Dieses ging am Samstag besonders brutal vor, mit 80 Verhaftungen und gewalttätigen Angriffen der CRS gegen eine Kundgebung der Gelben Westen, wobei ein friedlicher Demonstrant schwer verletzt wurde. Das Gleiche gilt für Bordeaux, wo die Demonstranten systematisch durchsucht und kontrolliert wurden; dabei fielen die Repressionskräfte frontal über die Demonstrationszüge her und lösten diese auf.

Am Vorabend der Großen Debatte behauptete die gesamte herrschende Klasse, dass jene ein Erfolg war. Zwei Akte danach erweist sich diese Gewissheit als verfrüht. Die Gelben Westen haben sie zerschlagen. Die Regierung muss nun die Große Debatte in einer äusserst unangenehmen Lage wiedereröffnen. In diesem Zusammenhang ist es mehr denn je notwendig, dass Teile der Arbeiterbewegung den Kampf aufnehmen – mit voller Kraft mit den Gelben Westen in die Schlacht ziehen. Mehr denn je ist es an der Zeit, dass sich die Arbeiterbewegung der Bewegung des tiefen Kampfes anschließt, die seit mehr als vier Monaten das Land durchzieht, um die Bewegung mit ihren Methoden zu stärken, den Streik, geschweige denn den unbefristeten ins Spiel bringt, um die Wirtschaft zu blockieren. Die Gelben Westen haben ihr Streben nach einem «Generalstreik» unter Beweis gestellt. Es liegt an der Arbeiterbewegung, sich dem Kampf zur Stärkung der Macht der Gelben Westen anzuschließen, es ist der einzige Weg, Macron zu besiegen und seine neoliberalen Gegenreformen zu stoppen.

Quelle: revolutionpermanente.fr… vom 24. März 2019; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

 

 

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