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Klassenkampf: Wo bitte geht’s zur Front?

Eingereicht on 19. Juni 2019 – 15:21

Rezension von Torsten Bewernitz’ Streitschrift »Syndikalismus und neue Klassenpolitik« – Von Slave Cubela*

Wenn man
es seit Jahren gewöhnt ist, zumeist von außerhalb Deutschlands wichtige Impulse
für die eigene klassenorientierte Reflexion und Praxis zu erhalten, dann schaut
man mit gemischten Gefühlen auf die aktuelle Debatte um eine neue
Klassenpolitik. Einerseits freut man sich, dass diejenigen, die sich selbst
häufig als radikale Linke verstehen, erneut Anlauf nehmen, die sozialen
Verhältnisse von ihren Wurzeln in den Produktionsverhältnissen her zu begreifen
– selbstverständlich ist das in Deutschland leider nicht. Andererseits jedoch
findet sich in der hiesigen Debatte um eine neue Klassenpolitik wenig
erfrischendes Denken, so dass ich dann doch lieber zu den Labor Notes, dem
Jacobin oder zu Actuel Marx greife, um danach womöglich ein wenig klüger zu
sein als vorher.

Vor diesem
Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, dass mit Torsten Bewernitz’
Streitschrift »Syndikalismus und neue Klassenpolitik« nun eine Wortmeldung aus
der bundesdeutschen, radikalen Linken vorliegt, die meines Erachtens aus der
Debatte um eine neue Klassenpolitik positiv hervorsticht. Denn Bewernitz’
Schrift ist nicht nur eine offene Kritik des bundesdeutschen Syndikalismus,
also vor allem der FAU, sondern sie skizziert auch einen diskussionswürdigen
Weg, um in dunkler werdenden Zeiten in Deutschland wieder an die Front des
Klassenkampfes zu gelangen.

Praxiskonservativ

Es sind
vor allem drei Gedanken, die dabei meines Erachtens unbedingt hervorzuheben
sind. Da ist zum ersten Bewernitz’ Zustandsbeschreibung der radikalen Linken in
Deutschland. Denn nicht nur betont er die Stagnation derselben, was sich
beispielsweise bei den deutschen SyndikalistInnen darin ausdrücke, dass diese
»permanent in ihrer eigenen Suppe in einem kleinen Wasserglas« (S. 5) schwimmen
und dabei auf den großen Sturm warteten, ohne das allgemeine Klima um sich
herum zu registrieren. Die Pointe von Bewernitz’ Kritik scheint auf, wenn er schreibt:
»In der Gesamtschau sind die Strukturen der syndikalistischen
Basisgewerkschaften genauso verkrustet wie diejenigen der DGB-Gewerkschaften:
durch basisdemokratische, konsensorientierte Verfahrensweisen, durch
unhinterfragte Traditionen des post-1968 Neoanarchismus oder durch informelle
›Wissens‹-Hierarchien. Hinzukommt nicht selten eine nur geringe Bereitschaft zu
einem tatsächlichen Aktivismus.« (S. 39)

Das ist
natürlich starker Tobak, aber indem Bewernitz aus eigener Anschauung heraus
diese These ausführlich untermauert, wirft seine Schrift mit fortschreitender
Lektüre Fragen auf, die auch außerhalb der syndikalistischen Linken zu
Denkanstößen und Veränderungen führen sollten. Kann man etwa die in Kreisen der
radikalen Linken häufig anzutreffende Abgrenzung aufrechterhalten, der zufolge
die etablierte Linke in Deutschland behäbig, langsam und inaktiv ist, während
die radikale Linke lebendig, phantasievoll und aktionsorientiert ist? Zeichnet
die bundesdeutsche Linke nicht über alle Fraktionen hinweg ein erstaunliches
Maß an praxiskonservativer Eintracht aus, da jede Strömung für sich lieber an
alten Symbolen, Sprechweisen, Slogans und ritualisierten Aktionsformen
festhält, statt risikobereit neue Wege einzuschlagen? Und wen versucht die
radikale Linke eigentlich zu beeindrucken, indem sie sich anhaltend als
revolutionär, kommunistisch oder anarchistisch tituliert, indem sie plakativ
rote und schwarze Fahnen schwenkt, schwarze Blöcke bildet, Fäuste hebt und
unablässig darum bemüht ist, möglichst »anders« auszusehen? Und dies, obgleich
sie gleichzeitig selber immer wieder hellsichtig analysiert, dass die Erfolge
der radikalen Rechten nicht zuletzt die Folge einer neuen, angepassten
Symbolpolitik von rechts sind?

Das Ende
der negativen Fixierung

Der zweite
Gedanke aus Bewernitz´ Streitschrift, den ich wichtig finde, stellt für die
radikale Linke schon einen wichtigen Schritt aus ihrer Praxiskonservativität
dar. Denn, so Bewernitz, statt sich etwa an den DGB-Gewerkschaften immer wieder
negativ fixiert abzuarbeiten, den DGB-Führungen also z.B. mangelnde
Konfliktbereitschaft oder gar Korrumpiertheit vorzuwerfen, ihren Forderungen
und Erfolgen radikalere entgegenzusetzen, das eigene Tun immer als revolutionär
dem bloßen Reformismus entgegenzusetzen, fragt Bewernitz entwaffnend: »Könnte
es nicht einfach sein, dass der DGB deswegen ›reformistisch‹ erscheint, weil er
einfach ganz demokratisch den Willen seiner Mitglieder umsetzt? Und müssten
dann nicht SyndikalistInnen getreu ihrem basisdemokratischen Motto entsprechend
handeln?« (S. 16) Mit anderen Worten: Die breite Verankerung
reformistisch-linker Institutionen wie Parteien oder Gewerkschaften sollte die
radikal Linken nicht stutzig machen oder gar belasten. Wenige ArbeiterInnen
werden von diesen linken ReformistInnen gebremst, wenige werden von diesen
ReformistInnen ausgenutzt, die ArbeiterInnen, die diese Institutionen wählen
oder Mitglieder in den DGB-Gewerkschaften sind, tun das, weil sie von diesen
Institutionen profitieren, weil sie nichts dagegen haben, dass
StellvertreterInnen für sie Politik machen und weil sie, wenn es ihnen zu blöd
wird, einfach nicht mehr mitmachen und austreten.

Dies vor
Augen gewinnt die radikale Linke in Deutschland meines Erachtens einen
erheblichen strategischen Spielraum. Statt sich nämlich an offiziellen
Verlautbarungen z.B. des DGB abzuarbeiten (die im DGB meist ohnehin kein
Mitglied liest) oder die Funktionäre der Parteien und Gewerkschaften anhaltend
zu kritisieren, könnte sie darüber nachdenken, wie sie eigene Reflexions- und Aktionsbrücken
in die Arbeiterklassen hinein etablieren kann. Dabei könnte man auch den
erheblichen Teil der ArbeiterInnen ins Auge fassen, der weder linke Parteien
wählt noch Mitglied in den DGB-Gewerkschaften ist. Zudem wäre es möglich, wie
auch Bewernitz betont, linken Parteien oder den DGB-Gewerkschaften deutlich
unbefangener als bisher entgegenzutreten. Man könnte punktuell Bündnisse mit
diesen eingehen, man könnte aber auch diese Institutionen nutzen, indem man
deren Strukturen z.B. in die Planung eigener Projekte systematisch einbezieht
(etwa bei der Rechtsberatung, der Öffentlichkeitsarbeit etc.).

(De-)
Zentrales Organizing

Damit sind
wir beim dritten, wichtigen Gedanken angelangt, den Bewernitz in seiner
Streitschrift formuliert, nämlich seine Überlegungen, wie man diesen
strategischen Spielraum als syndikalistische bzw. radikale Linke nutzen könnte.
Zentral ist dabei die folgende Stelle: »Was wir also für eine praktische
Klassenpolitik brauchen, ist eine Organisationsform, (…) die bewusst eine – starke
– Minderheit der Arbeitenden organisiert, sich daher nicht als Gewerkschaft
versteht, mit dieser nicht konkurriert, aber durchaus über sie hinausgeht,
indem sie Kämpfe auf radikaler und auf breiterer Basis führt. Geschichte und
Praxis der Arbeiterbewegung halten dafür zahlreiche Konzepte zur Verfügung:
Arbeiterräte, Betriebskomitees, das ›Umherschweifen‹ der SituationistInnen
sowie Formen von Selbstaktivierung als Erfahrungsaustausch, militanter
Befragung und Organizing. Konkret möchte ich als Organisationsform eine
Vernetzung von Worker Centers vorschlagen, wie man sie der US-amerikanischen
Arbeiterbewegung abschauen kann.« (S. 18) Und er fügt hinzu: »Als Vorteile von
Worker Centers können wir in der aktuellen Situation festhalten: Erstens
agieren Worker Centers ähnlich wie momentan FAU und IWW im prekären Bereich.
Zweitens sind sie geeignet, migrantische und geschlechtliche Themen zu
integrieren. Drittens kommt ihr Konzept einem der aktuellen praktischen
Schwerpunkte der neuen Klassenpolitik entgegen, nämlich der Stadtteilarbeit;
Worker Centers können über Mieten und Wohnverhältnisse, Rechtsberatung und
Kultur, Erwerbslosenberatung etc. nachdenken. Viertens können Worker Centers
als reale Räume hoffentlich den sozialen Ort ersetzen, den das Beschäftigungsverhältnis
heute oft nicht mehr bietet und der auch kaum noch durch Arbeiterkneipen
präsent ist.« (Ebd.)

Dieses
Plädoyer für den Aufbau eines Netzwerks von Worker Centers ist nun keineswegs
neu, das weiß Bewernitz sehr genau, denn er verweist auf einige erste Blüten
einer erneuerten Linksradikalität, die für ein solches Netzwerk bereits
Anknüpfungspunkte geschaffen haben. Bemerkenswert ist aber zweierlei. Zum einen
argumentiert er bei dieser Schaffung eines Worker-Center-Netzwerkes für eine
Selbstauflösung der FAU, ja er wirft zudem die Frage auf, welche Zukunft
Gewerkschaften überhaupt noch haben, wenn viele Arbeiter gar nicht mehr wissen,
was das ist und gerade prekär Beschäftigte nur sehr zurückhaltend Hilfe von
»den Gewerkschaften« bekommen. (S. 21) Zum zweiten hat er eine klare
Vorstellung davon, wie dieses Netzwerk ausgebaut und vertieft werden kann. Er
schreibt: »Grundsätzlich müssen sich Gruppen, die eine neue Klassenpraxis
anstreben, als OrganizerInnen verstehen oder es muss in ihnen zumindest zwei bis
drei Personen geben, die Organizing praktisch anwenden und innerhalb der
Gruppen vorantreiben.« (S. 25) An anderer Stelle ähnlich: »Das, was Worker
Centers im Alltag machen, muss letztlich eine Art Organizing sein.« (S. 33)

Organizing
– ist das nicht die gar nicht mehr so neue Mitgliedermasche der
DGB-Gewerkschaften? Ist Organizing nicht letztlich nur eine pseudodemokratische
Variante typischer Stellvertreterpolitik »von oben«? Zeigt sich das nicht
schon, wenn man weiß, dass Organizer wie Versicherungsvertreter 1:1-Gespräche
vorher üben, dass sie grenzwertig anmutende Hausbesuche machen, um Menschen zu
aktivieren, dass sie Kampagnen vorab akribisch planen? Bewernitz’ Antwort
provoziert abermals und ist es deshalb wert, ausführlich wiedergegeben zu werden:
»Wer sich gewerkschaftlich betätigen will, sei es auch auf relativ bescheidenem
Niveau, ist gut beraten, sich Methodik und Strategien auch der großen
Gewerkschaften anzuschauen. Es ist nicht nur so, dass man da Material findet,
das Strategien einem dadurch vermittelt, dass man sich von dortigen Strategien
abgrenzt. Nein, so manches lässt sich durchaus übernehmen – gerade, wenn aus
einer gewerkschaftsnahen, aber durchaus kritischen Wissenschaft kommt. Das
Organizing etwa liegt den syndikalistischen Gewerkschaften näher als den
Gewerkschaften des DGB, weil die Verankerung ersterer in sozialen Bewegungen
stärker ist, weil sie aufgrund ihrer Größe schon immer auf solche Methoden
zurückgreifen mussten und weil ihnen die gewachsenen betrieblichen Strukturen
(Betriebsräte und Vertrauensleutekörper) normalerweise fehlen –
nichtsdestotrotz geht die Professionalisierung und Nutzbarmachung des Konzepts
auf die großen Gewerkschaften zurück. Wer dieses Instrumentarium nur deswegen
zur Seite legt, entwaffnet sich schlicht selber.« (S. 38)

Prekariat?
Mobilisieren?

Trotz
dieser und einiger anderer Stärken gibt es jedoch auch in Bewernitz´ Schrift
Aspekte, in denen er meines Erachtens argumentativ abfällt. Da ist zum einen
der Umstand, dass er zwar einer militanten Basispolitik klare Perspektiven
eröffnet, gleichzeitig aber interessieren ihn die sozialen Verhältnisse, die
die Grundlage einer solchen Politik wären, nur etwas mehr als eine Seite lang.
Und wenn er dann schreibt, dass Worker Centers an dem »prekären Segment des Proletariats«
(S. 27) anzusetzen hätten, dann ist das zwar in dieser Allgemeinheit sicherlich
bedenkenswert, doch das sog. prekäre Segment ist groß und rekrutiert sich aus
sehr unterschiedlichen sozialen Hintergründen. Die Branchen, in denen es
arbeitet, sind geprägt von erheblichen Unterschieden. Viele migrantische
Prekarier sind z.B. zufrieden mit ihrer Arbeit, da sie sie als ersten Schritt
in einer neuen Gesellschaft schätzen. Das Prekariat im sozialen Bereich
wiederum scheut sich häufig genug vor sozialen Kämpfen, da es emotional sehr
eng mit seinen KundInnen, PatientInnen, Kindern etc. verbunden ist. Hier wäre
es besonders wichtig, in einer Neuauflage oder einem eigenen Papier tiefer zu
schürfen, denn die Gleichung »Prekariat braucht Worker Centers« ist auf Dauer
zu holzschnittartig.

Eine
andere Stelle, die mich beim Lesen irritierte, findet sich in jenem Abschnitt,
den er »Mobilisieren statt organisieren« nennt. Bewernitz erläutert, dass er
sie gewählt habe, um seine »kritische Haltung« gegenüber den »aktuellen
Methoden« des Organizing zu unterstreichen. Denn: »Praktisch läuft Organizing
immer auf dasselbe hinaus, Gewerkschaftsmitglieder gewinnen (…), Betriebsräte
gründen, Tarifverträge abschließen.« (S. 33) Mobilisieren hingegen sei ein
Prozess, in welchem es offenbliebe, »ob ArbeiterInnen nur an einigen Aktionen
teilnehmen, Gewerkschaftsmitglieder werden oder dauerhaft an einer
außergewerkschaftlichen Initiative (wie einem Worker Center) teilnehmen
wollen«. (S. 36) Um es deutlich zu formulieren: Ich halte diese Entgegensetzung
von Organizing und Mobilisieren aus mehreren Gründen für fragwürdig. Muss denn
nicht auch ein Worker Center zahlende Mitglieder gewinnen, damit es sich
dauerhaft materiell finanzieren kann? Muss es nicht auch formalisierte Strukturen
herauszubilden suchen, also z.B. einen Worker-Center-Rat, der die Leitlinien
der eigenen Arbeit diskutiert und entscheidet? Warum bedarf es überhaupt eines
besonderen Verweises auf die Offenheit dieses Prozesses? Macht Bewernitz dies
etwa, weil er wie viele radikale Linke denkt, dass man ArbeiterInnen mit
besonderen Samthandschuhen gegenübertreten muss, da sie sich sonst, wie er
anderer Stelle schreibt, missverstanden und ausgenutzt fühlen könnten?

Ohne
Zweifel ist es so, dass ArbeiterInnen in vielen gewerkschaftlichen
Organizing-Prozessen erfahren müssen, dass Entscheidungen getroffen werden,
ohne dass sie gefragt werden. Aber diese ArbeiterInnen sind deshalb keineswegs
hilflos. Viele sagen der entsprechenden Gewerkschaft dann teils sehr deutlich
ihre Meinung. Viele treten dann auch aus. Und viele registrieren diesen
Vertrauensbruch, bleiben aber Mitglieder, da sie zumindest eine partielle
Besserung ihrer Situation aufrechterhalten wollen. Mit anderen Worten: Statt
sich tausend Gedanken darüber zu machen, wie man ArbeiterInnen um Gottes Willen
integer und basisdemokratisch behandelt, sollte die radikale Linke Organizing
nutzen, um überhaupt in eine dauerhafte Beziehung zu ihnen treten zu können.
Darüber hinaus kann sie beruhigt sein: Die betreffenden ArbeiterInnen selber
werden dieser Linken – sollte sie sich zu dumm, autoritär oder manipulativ
anstellen – schnell Zeichen geben, ob diese Beziehung auch in ihrem Sinne ist.

Der Alltag
ist die Front? Der Alltag ist die Front!

Doch, so
könnte man einwenden: das soll also die Front des Klassenkampfs sein?
Organizing im Prekariat zwecks Etablierung eines kämpferischen
Worker-Center-Netzwerks? Wo bleibt da die Radikalität? Trotz aller Polemik: Der
gegenwärtigen Antifa etwa verdanken wir sicher eine Unmenge an verhinderten
Nazi-Umzügen und ein immer wieder mutiges Eintreten gegen rechte Gewalt.
Besetzte Häuser oder andere autonome Räume sind ohne Zweifel ein wichtiger Ort
für viele Individuen, um soziale Denkphantasie, aber auch gesellschaftliche
Kritik einzuüben. Kleine Gewerkschaften wie die FAU oder die IWW lassen immer
wieder aufhorchen, so dass sie kürzlich selbst Anerkennung von der großen IG
Metall bekamen – in Form eines Lobs der zweiten Vorsitzenden Christiane Benner
für das Engagement bei Foodora (taz, 20. November 2017). Doch, und das ist
letztlich das große Richtungsschild, das Bewernitz hochhält: Mit Blick auf eine
Vielzahl bedrohlicher sozialer Entwicklungen wird es Zeit, dass diese linke
Radikalität endlich Eingang in die gesellschaftlichen Alltags-Diskurse und
Praxen findet, wird es Zeit, dazu die linksradikalen Rituale, Zöpfe und Symbole
abzuschneiden, wird es Zeit, demütig und geduldig linke Radikalität in
sinnfällige, greifbare Verbesserungspraxen nicht nur rund um die eigene
Lohnarbeit einfließen zu lassen.

Dazu noch
ein letzter, durchaus optimistischer Gedanke: Wenn es schwer zu leugnen ist,
dass die Probleme unserer Zeit zunehmend einen grundsätzlichen Charakter
bekommen, dann stellt dies radikale Praxen zur Bewältigung dieser Probleme in
ein neues Licht. Egal ob es sich um die Erderwärmung, die zunehmenden
gesellschaftlichen Zerfallsprozesse, die explodierenden Mieten oder die
Entstehung der Big-Data-Strukturen handelt – immer häufiger sorgen die riesigen
Problemdimensionen dafür, dass auch unpolitische Menschen vermehrt radikalen
Lösungen zuneigen. Zwar suchen viele Menschen dies vor sich zu verstecken,
indem sie scheinbar überschaubare »Single-Issue«-Forderungen aufstellen, sie
z.B. die schnelle und konsequente Umsetzung der Klimaziele fordern, die Etablierung
eines solidarischen und bedingungslosen Grundeinkommens interessant finden, der
Verstaatlichung von Wohnraum viel abgewinnen können oder aber die Macht von
Großkonzernen wie Google oder Facebook bedrohlich finden und deren Zerschlagung
ins Auge fassen. Aber dieses Versteckspiel muss so nicht bleiben. Bewernitz’
Streitschrift ist insofern auch ein spannender Hinweis, wie die radikale Linke
mit dafür sorgen kann, dass diese implizite Links-Radikalisierung größer
werdender Teile der Gesellschaft zu einer expliziten wird.

Slave
Cubela arbeitet für eine große deutsche Gewerkschaft.

Torsten
Bewernitz: Syndikalismus und neue Klassenpolitik. Eine Streitschrift. Verlag
Die Buchmacherei, Berlin 2019. 70 S., 7,– Euro. ISBN: 978-3-9820783-1-1

Quelle: express.de… vom 19.
Juni 2019

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