Die Krise in der Ukraine als grosse Herausforderung für die (US-)Linke
Jeff Mackler. Mit Russlands Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar ist eine Krise von historischem Ausmass in den Mittelpunkt der Weltpolitik gerückt. Die kriegslüsternen US-Medien übernehmen jede Äusserung der Biden-Administration und verkünden täglich, dass Putins Russland der Aggressor ist, dass Russland Zivilisten bombardiert, dass es beabsichtigt, die gesamte Ukraine zu unterwerfen, und dass es eine Bedrohung für die NATO, wenn nicht sogar für das gesamte «demokratische» Europa darstellt. Alle Unternehmensinstitutionen, die für die Herstellung von Zustimmung zuständig sind, stehen geschlossen hinter der Verhängung von beispiellosen und lähmenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland durch die Regierung Biden. Deutschland und Frankreich wurden unter Druck gesetzt, sich den Forderungen der USA zu beugen und die geplante Nord Stream 2-Unterwasserpipeline zu sistieren, die billiges russisches Gas quer durch den Kontinent nach Westeuropa transportiert hätte. Zweifelsohne hat die Eliminierung allen russischen Gases, das durch die Ukraine geleitet wird, ganz zu schweigen vom Nahen Osten, weiterhin oberste Priorität für die US-Ölgiganten, die stets bestrebt sind, das in den USA geförderte Gas überall zu verkaufen, selbst wenn die Kosten für die westeuropäischen Länder doppelt oder dreifach so hoch sein werden wie die derzeitigen russischen Preise.
Die Medien produzieren Zustimmung
Ölkriege sind das Handwerkszeug der USA, vom regelrechten Diebstahl des irakischen Öls durch den US-Krieg, der 1,5 Millionen Iraker tötete, bis hin zu den Sanktionen, Putschversuchen und heissen Kriegen gegen Venezuela, Syrien, den Irak, Libyen und den Iran, die alle darauf abzielen, das konkurrenzfähige Öl dieser Länder vom Weltmarkt fernzuhalten, wenn nicht sogar ganz an US-Konzerne zu übertragen.
All diese Kriege wurden mit von der CIA erfundenen Vorwänden «gerechtfertigt». «Venezuela hatte seine Wahlen manipuliert, Syrien schoss unschuldige Demonstranten in Damaskus ab, der Irak verfügte über Massenvernichtungswaffen, die auf die USA gerichtet waren, Gaddafi plante, 50.000 unschuldige Demonstranten in Benghazi auszulöschen, der Iran entwickelte Atomwaffen, und vor langer Zeit schoss Vietnam auf einen US-Zerstörer in der Tonkin-Bucht.» Die Liste ist endlos. Das Ergebnis war das imperiale Gemetzel der USA an buchstäblich Millionen von Unschuldigen auf der ganzen Welt. Dieses Gemetzel geht bis zum heutigen Tag weiter.
Spaltung der Antikriegsbewegung in den USA
Die Ukraine-Krise hat, zumindest im Moment, ihren Tribut von den immer noch bescheidenen Kräften der US-amerikanischen und internationalen Antikriegsbewegung gefordert, wobei sich zwei Pole mit gegensätzlichen strategischen Vorstellungen herausgebildet haben. In den USA sieht sich eine wachsende Minderheit, vielleicht sogar eine Mehrheit, gezwungen, beide Seiten, Russland auf der einen und die USA/NATO auf der anderen Seite, mit gleicher Inbrunst anzuprangern.
In scharfem Kontrast dazu fordern Organisationen, die die grossen Antikriegs-Koalitionen vertreten: «Nein zum US/NATO-Krieg in der Ukraine! Keine Kriege mit Russland! Keine Sanktionen! Nein zur NATO und zur NATO-Erweiterung» – letztere ist eine zentrale Ursache der gegenwärtigen Krise – und «Finanziert menschliche Bedürfnisse, Bildung, Wohnen, Umwelt und Gesundheit, nicht Krieg!»
Die letztgenannten Kräfte vereinigten sich am Dienstag, dem 22. Februar, in einem beeindruckenden landesweiten Webinar, das von der United National Antiwar Coalition (UNAC) initiiert wurde. Rund 1.500 Aktivisten hatten sich angemeldet. 903 nahmen teil. Diese konzentrierte Demonstration der Einheit begann mit Vertretern von 13 nationalen Antikriegsorganisationen, die kurz ihre Ansichten darlegten, gefolgt von einer breit angelegten Diskussion, an der erfahrene Antikriegsaktivisten aus allen Teilen der USA teilnahmen.
Die ersten Redner zielten darauf ab, die Geschichte der von der US-Kriegsmaschinerie begangenen Gräueltaten von der Zeit des Vietnamkriegs bis heute aufzuzeigen. Eine Woche koordinierter nationaler und internationaler Proteste, vom 1. bis 7. März, wurde einstimmig beschlossen. Die Referenten des Webinars waren:
Joe Lombardo, UNAC, Moderation – Ajamu Baraka, Black Alliance for Peace, mit einer Eröffnungsrede, gefolgt von Leela Anand, ANSWER coalition – Medea Benjamin, CodePink – Sara Flounders, International Action Center – Margaret Flowers, Popular Resistance – Bruce Gagnon, Global Network Against Weapons & Nuclear Power in Space – Joe Jamison, U. S. Peace Council – Margaret Kimberley, Black Agenda Report – Jeff Mackler, United National Antiwar Coalition – Nancy Price, Women’s International League for Peace and Freedom (US) – Susan Schnall, Veterans For Peace – und David Swanson, World Beyond War.
Das Wesen des US-Imperialismus heute
In ihren Ausführungen wurde implizit und/oder explizit darauf hingewiesen, dass die imperialistische US-Regierung mit ihren 1.100 Militärstützpunkten in 110 Ländern der Welt bei weitem der grösste Verursacher von Zwang und Gewalt ist. Zu dieser allumfassenden Gewalt gehören ein Orwell-ähnliches Überwachungssystem der USA und der ganzen Welt, Cyberkriege, die darauf abzielen, lebenswichtige Kommunikations- und Energieerzeugungssysteme zu stören oder lahmzulegen, Drohnenkriege, Sanktionskriege gegen 40 Nationen, Embargo- und Blockadekriege, Kriege im Rahmen von CIA-Sondereinsätzen, Kriege mit Todesschwadronen und offene Militärinterventionen, die auf «Regimewechsel» und Eroberung abzielen. Dazu gehören auch Kriege mit multilateralen, von der UNO geförderten «humanitären» Interventionen im Namen der «Demokratie», wie im Fall der derzeitigen US/UN-Besetzung Haitis.
Die Demokraten unter Präsident Obama haben sieben Kriege gleichzeitig geführt. Präsident Biden folgt ihm heute auf dem Fusse. In der Tat hat die Regierung Biden in einem vorgeschriebenen Bericht an den US-Kongress vor einigen Monaten 158 Länder aufgelistet, in denen US-Militäroperationen im Gange sind. Man muss noch ergänzen, dass das AFRICOM der USA Militäroperationen in 53 afrikanischen Ländern durchführt, alle zweifellos gegen den «Terrorismus»!
Im Gegensatz dazu unterhält China einen einzigen Militärstützpunkt ausserhalb seiner Grenzen – in Dschibuti am Horn von Afrika, während Russland etwa sechs Militärstützpunkte unterhält, die meisten in den ehemaligen Sowjetrepubliken und einen in Syrien.
Falsche Anwendung des mathematischen «Gesetzes der Identität»
Unserer Ansicht nach gilt die mathematische Formel der Identität, d. h. «Dinge, die gleich sind, sind einander gleich», nicht für den Bereich der Weltpolitik. Wie wir zeigen werden, kann sie nicht vollständig und formal auf den US-Imperialismus einerseits und den chinesischen und russischen Imperialismus andererseits angewandt werden, so sehr die letzteren Länder auch abscheuliche Praktiken anwenden, um den Reichtum aus den armen und unterdrückten Völkern herauszuholen.
Der US-Imperialismus gibt mehr für sein Militär aus – mindestens 1 Billion Dollar jährlich, einschliesslich des CIA-Budgets – als der grösste Teil der übrigen Welt zusammen.
Eine genauere Einschätzung der globalen militärischen Lage zeigt, dass China und Russland fast vollständig von US-Militärbasen umgeben sind.
Die USA haben die NATO-Mitgliedschaft bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt und 30 NATO-Länder bewaffnet, während sie seit Jahren regelmässig gemeinsame militärische «Spiele» zu Lande und zu Wasser an den Grenzen Russlands und Chinas veranstalten. Heute steht die Ukraine nach Israel und Ägypten an dritter Stelle der Empfänger von US-Militärhilfe, wobei die Biden-Administration in diesem Moment weitere Milliarden an ihr Marionettenregime liefert.
Der von den USA unterstützte faschistische Putsch in der Ukraine 2014
Im Folgenden berichten wir über die kritischen Ereignisse rund um den von den USA unterstützten faschistischen Putsch in der Ukraine im Jahr 2014, durch den die prorussische kapitalistische Regierung Viktor Janukowitsch abgesetzt und durch eine Regierung ersetzt wurde, die auf eine Angleichung an die Europäische Union, die NATO und den US-Imperialismus ausgerichtet ist.
Die Ereignisse, die sich 2014 in der Ukraine abspielten, waren keine Sache der spekulativen Interpretation. Meine ukrainischen Freunde waren während der Proteste auf dem Maidan-Platz (Unabhängigkeitsplatz) vor Ort, wo sich Tausende im Zentrum von Kiew versammelten, um gegen die Korruption der Regierung und den starken Rückgang ihres Lebensstandards und ihrer Lebensqualität zu protestieren. Wie aus dem Nichts regnete von nahe gelegenen Dächern ein Kugelhagel von Attentätern auf die friedlichen Demonstranten nieder und tötete viele von ihnen. Man ging automatisch davon aus, dass die Täter der Regierung Janukowitsch angehörten.
Erst später, nach dem darauf folgenden faschistisch geführten Putsch, wurde die Wahrheit enthüllt, die versehentlich von der US-Vertreterin bei der Europäischen Union, Victoria Nuland, beschrieben wurde. In ihren abgehörten und aufgezeichneten Gesprächen wies sie den von der CIA erzeugten Vorwand des Medienputsches zur Rechtfertigung der faschistischen Machtübernahme im ukrainischen Parlament, der Rada, ausdrücklich zurück. Nulands Quelle, ein hochrangiger Beamter eines baltischen Staates, teilte ihr mit, dass es die von den Faschisten angeführten Gruppen waren, die das Feuer auf die Menschenmenge auf dem Maidan eröffneten, um die geplante bewaffnete Übernahme der Rada vorzubereiten.
Den faschistischen Banden war es schliesslich gelungen, die Maidan-Proteste zu dominieren und ihre bewaffneten Anhänger aus dem ganzen Land zu mobilisieren. US-Senator John McCain und andere US-Würdenträger standen gemeinsam mit faschistischen Führern auf der Bühne. Nuland, die die «friedlichen Absichten» Amerikas kultivierte, wurde dabei fotografiert, wie sie Kekse an die Demonstranten verteilte. In der Zwischenzeit stürmten die von den Faschisten angeführten bewaffneten Banden die Rada und hinderten Janukowitschs Mehrheitsabgeordnete daran, das Gebäude zu betreten. Janukowitsch floh um sein Leben.
In seinem Artikel «Thoughts on the Current Crisis in Ukraine» (Gedanken zur aktuellen Krise in der Ukraine) beschreibt Joe Lombardo, der nationale Koordinator von UNAC, treffend und detailliert die Rolle der USA bei diesem Putsch.
Die USA setzen den neuen Präsidenten der Ukraine ein
Es stellte sich dann die Frage, wer Janukowitschs Platz einnehmen würde. Wir erinnern uns vielleicht an das gehackte Telefonat zwischen Victoria Nuland und dem US-Botschafter in der Ukraine. In diesem Telefonat nannte sie die Person, die die USA für die Nachfolge Janukowitschs ausgewählt hatten: Arsenij Jazenjuk, ein Mitglied der rechtsextremen, ultranationalistischen und antirussischen Formation Vaterland. Es hatte den Anschein, dass die Europäer, insbesondere die Deutschen, eine gemässigtere Figur an der Spitze der Ukraine wollten. Sie bevorzugten Vitaly Klitschko, einen Boxer, der zum Politiker wurde und gemässigtere Ansichten vertrat als Jazenjuk. Während des gehackten Telefongesprächs hörten wir Nuland sagen: «Scheiss auf die EU», und natürlich wurde der von den USA ausgewählte Jazenjuk nach dem Putsch der erste Ministerpräsident der Ukraine. Die neue Finanzministerin in der Putschregierung war die US-Amerikanerin Natalie Jeresko, und der Sohn von Joe Biden nahm einen Platz im Vorstand des grössten Erdgasunternehmens des Landes ein und erhielt ein Gehalt von 50.000 Dollar pro Monat.
Die von den USA unterstützte Minderheitsregierung erklärte sich selbst zur Führung des Landes. Nuland bemerkte in ihrem abgehörten Telefongespräch, dass Vizepräsident Biden, der damals für die Ereignisse in der Ukraine zuständig war, den Putschisten den ultimativen «atta boy» [in etwa: Unser Junge] geben würde.
Die USA hatten zuvor den Boden für den Putsch bereitet, indem sie im Laufe der Jahre 5 Milliarden Dollar in die Ukraine fliessen liess, um Hunderte von Nichtregierungsorganisationen zu unterstützen, die darauf abzielten, die Ukraine in ihre Umlaufbahn zu bringen.
Die faschistischen Milizen der ukrainischen Armee
Die Putschregierung verabschiedete sofort eine Reihe von Gesetzen, die vor allem darauf abzielten, die von der Regierung Janukowitsch unterzeichneten Vereinbarungen mit Russland über Rettungsdarlehen zu weitaus günstigeren Bedingungen als von der EU angeboten, zu annullieren. Die russische Sprache als eine der beiden seit Jahrhunderten anerkannten Amtssprachen wurde formell verboten. Die russische Sprache wurde für den Unterricht im öffentlichen Schulsystem verboten.
Von Faschisten geführte Milizen, die Asow-Brigade des ukrainischen Militärs, verwendeten offen faschistische Symbole wie Hakenkreuze und grüssten mit Nazisymbolen. Die von den pro-nazistischen Organisationen Svoboda und Rechter Sektor organisierten Milizen wurden von der Putschregierung beauftragt, in die Ostukraine zu marschieren und die russische Mehrheit in diesen Regionen militärisch herauszufordern. Der Nazi-Kollaborateur und Judenmörder aus dem Zweiten Weltkrieg, Stephen Bandera, wurde rehabilitiert und zum «Helden der Ukraine» ernannt.
In Odessa wurden 48 russischsprachige Putschgegner von faschistischen Schlägern ermordet. Diese Putschisten hatten im Haus der Gewerkschaften Zuflucht gesucht, das in Brand gesteckt wurde. Viele der Insassen waren gezwungen, aus dem brennenden Gebäude zu springen. Die Überlebenden wurden vom faschistischen Mob abgeschlachtet, während die Polizei zusah und schliesslich einige noch lebende Opfer verhaftete. Am nächsten Tag mobilisierten sich 30.000 Odessaner, um sie zu befreien.
Die unabhängigen Republiken Donezk und Luhansk
Angesichts der unverhohlenen Drohungen der Putschregierung ist es kein Wunder, dass die belagerten russischsprachigen Provinzen Luhansk und Donezk – der Donbass – an der Grenze zu Russland ihre Unabhängigkeit vom Kiewer Putschregime erklärten und schliesslich die unabhängige Volksrepublik Donezk (DVR) und die Volksrepublik Luhansk (LPR) gründeten.
Angesichts des militärischen Vorstosses der Putschisten nach Osten und Süden drangen russische Streitkräfte auf die Krim vor und befestigten den wichtigsten Hafen Sewastopol, der seit der ukrainischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 vereinbarungsgemäss immer unter russischer Kontrolle gestanden hatte. Kurz darauf organisierten die Russen ein Referendum über den Beitritt der Krim zu Russland, das mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde. Wikipedia berichtet: «Das offizielle Ergebnis der Autonomen Republik Krim war ein 97-prozentiges Votum für die Eingliederung der Region in die Russische Föderation bei einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent, und in der lokalen Regierung von Sewastopol gab es ebenfalls ein 97-prozentiges Votum für die Eingliederung der Region in die Russische Föderation bei einer Wahlbeteiligung von 89 Prozent.» Nur wenige zweifelten an der Legitimität der Abstimmung.
Angesichts des Befehls der rechten Putschregierung an die Soldaten in der Ostukraine und auf der Krim, die russischen Streitkräfte anzugreifen, desertierte praktisch die gesamte ukrainische Armee, wobei sich die grosse Mehrheit sofort der russischen Armee anschloss. Es wurde kaum ein Schuss abgefeuert.
Die Minsker Protokolle
Seitdem herrscht in der Region Donbass seit acht Jahren ein nahezu permanenter Kriegszustand, wobei die US-Regierung die unerbittlichen Angriffe der ukrainischen Armee unterstützt. Die Minsker Protokolle, die am 5. September 2014 und am 12. Februar 2015 nach Verhandlungen zwischen der ukrainischen Putschregierung, Russland, Deutschland und Frankreich unterzeichnet wurden, zielten angeblich darauf ab, das Blutvergiessen durch einen Waffenstillstand, den Abzug schwerer Waffen von der Front, die Freilassung von Kriegsgefangenen und eine ukrainische Verfassungsreform zu beenden, die bestimmten Gebieten im Donbass Selbstverwaltung gewährt. In der Praxis wurde keines dieser Minsker Protokolle umgesetzt, da die unaufhörlichen Vorstösse der ukrainischen Armee in die Donbass-Region auf Unterwerfung und Eroberung abzielten, anstatt eine Verhandlungslösung anzustreben. Etwa 100 «Waffenstillstands»-Vereinbarungen wurden wiederholt gebrochen. Etwa 14.000 Menschen im Donbass haben durch die Kämpfe ihr Leben verloren. Die ukrainische Regierung weigerte sich, die in Minsk vorgeschlagenen Wahlen in Luhansk und Donezk durchzuführen. Der Kern des Minsker Abkommens, das durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats gebilligt wurde, bestand darin, die territoriale Integrität der Ukraine durch einen Föderalisierungsprozess zu wahren, bei dem die abtrünnigen Republiken im Austausch für ihre lokale Autonomie zurückgegeben werden sollten. Letzteres bedeutete, dass die Ressourcen eines föderalen Donbass, insbesondere die riesigen fossilen Brennstoffreserven und der Zugang zu Pipelines, unter der Kontrolle lokaler/regionaler Regierungen stehen würden – ein Vorschlag, den der US-Imperialismus nie akzeptiert hat.
Die ukrainische Regierung drängte unter der Führung des neuen Präsidenten, des ehemaligen Schauspielers und Komikers Vladimir Zelensky, unaufhörlich darauf, die totale Kontrolle über den Donbass zu erlangen; dessen Partei hat sich auf die ersten Wahlen nach dem Putsch, bei denen die grosse Janukowitsch-Partei der Regionen und die Kommunistische Partei, die beiden grössten Parteien des Landes, weitgehend ausgeschlossen oder an den Rand gedrängt wurden, ein neues Image zugelegt. Seine Regierung hat bis zum russischen Überfall 150 000 Soldaten in der Region zusammengezogen, die für einen endgültigen Angriff auf die russischsprachige und pro-russische Bevölkerung bereit waren. Zu diesem Zeitpunkt baten die beiden unabhängigen Republiken um russische Hilfe und erhielten diese auch.
Jede ernsthafte Bewertung der Ursprünge der gegenwärtigen Ukraine-Krise zeigt den USA, dass der US-Imperialismus wieder einmal von Natur aus gezwungen ist, mit allen Mitteln Krieg zu führen, um die Interessen der Konzernelite, die die USA im Wesentlichen beherrscht, durchzusetzen. Das Endergebnis aller gegenwärtigen und vergangenen US-Kriege, Putsche, Sanktionen und des institutionellen Terrors, die gegen arme und unterdrückte Nationen entfesselt wurden, führt, wenn sie nicht unangefochten bleiben, dazu, dass die US-Konzernelite mit der «Beute», d.h. dem Reichtum ihrer Opfer, davonkommt.
Nochmals zum «Gesetz der Gleichwertigkeit»
Die Tatsache, dass Russland und China meiner Meinung nach kapitalistische/imperialistische Staaten sind, entbindet uns nicht von unserer Verantwortung, ihre Handlungen im Kontext der sich entfaltenden Ereignisse zu bewerten. Würden wir die Augen vor der Realität der Ereignisse in der Ukraine seit dem von den USA initiierten faschistischen Putsch von 2014 verschliessen und den US-amerikanischen und den russischen Imperialismus gleichsetzen, würden wir einen schweren Fehler begehen. Wir würden die These aufstellen, dass derjenige, der den ersten Schuss abgegeben hat, kategorisch zu verurteilen ist, anstatt zu bewerten, was diesen Schuss ausgelöst hat. In ähnlicher Weise ist es eine reine Spitzfindigkeit, die USA, China und Russland als imperialistische Länder zu definieren und daraus zu schliessen, dass sie in allen Belangen gleichermassen zu verurteilen sind. Die Tatsache, dass der US-Imperialismus einen von Faschisten angeführten Staatsstreich geplant und inszeniert hat, der darauf abzielte, die russischsprachige Minderheit, 30 Prozent der Bevölkerung, auszulöschen, und dass dieselbe US-Regierung versucht, die Aufnahme der Ukraine in die NATO zu inszenieren, die mit Atomwaffen vor der Haustür Russlands ausgestattet ist, kann nicht aus jeder ernsthaften Bewertung herausgenommen werden. Die Tatsache, dass die US-Ölkartelle der Ukraine die fossilen Brennstoffe und andere für ihr Wohlergehen lebenswichtige Ressourcen stehlen wollen und dass die USA versuchen, die ukrainischen Pipelines zu beschlagnahmen, um die Profite der US-amerikanischen Monopolunternehmen zu steigern, muss ebenfalls in jede ehrliche Bewertung der Krise einfliessen, vor der wir stehen. Müssen wir überhaupt fragen, welches Recht die imperialistische Regierung der USA hat, die Welt zu kontrollieren? Wir sind in diesen Fragen nicht neutral.
Das Recht auf Selbstbestimmung
Wir sind auch nicht neutral, wenn es um das Existenzrecht der unterdrückten russischsprachigen Bevölkerung der Ukraine geht, d.h. um ihr Recht auf Selbstbestimmung. Sie hat in dieser entscheidenden Frage um russische Hilfe gebeten. Wir haben nichts dagegen, dass Russland diese Hilfe leistet, auch wenn Wladimir Putins Motive gelinde gesagt zweifelhaft sind. Dazu gehört auch, dass er Vorstellungen aus der Zarismus-Ära beschwört, um das Russische Reich wieder auferstehen zu lassen, und Lenins historisches Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht armer und unterdrückter Völker ablehnt.
Ohne den geringsten Zweifel unterstützen wir dieses Recht aller armen und unterdrückten Nationen, frei von imperialistischen Kriegen und Eroberungen zu sein. Dies schliesst ihr Recht ein, andere Nationen, einschliesslich imperialistischer Nationen, um Hilfe zu bitten, um ihre Souveränität, wenn nicht sogar ihre Existenz zu verteidigen.
Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt für alle belagerten Nationen, einschliesslich Syrien, Venezuela, Nicaragua und Afghanistan.
In Syrien wurde die Regierung von Bashar al Assad Opfer eines zehnjährigen Krieges der USA, der NATO und der Golfstaaten-Monarchie, in dem 500.000 Syrer abgeschlachtet wurden. Als die von den USA unterstützten dschihadistischen Armeen drei Viertel Syriens besetzten und kurz davor standen, Damaskus einzunehmen, und als der damalige US-Aussenminister John Kerry sich anschickte, eine weitere Putschregierung zu installieren, die den USA gehorchen sollte, baten die Syrer Russland um Hilfe. Das Ergebnis war die Niederlage dieses US-Regime-Change-Horrors.
Auch wenn wir den kapitalistischen Regierungen armer und unterdrückter Nationen keine politische Unterstützung gewähren, stehen wir an ihrer Seite, wenn sie sich gegen imperialistische Interventionen, Kriege und Eroberungen wehren.
In Venezuela haben die USA nach dem gescheiterten, von den USA inszenierten Staatsstreich, mit dem der reaktionäre US-Marionette Juan Gaidó als Präsident eingesetzt werden sollte, eine Flut von Sanktionen und ein Embargo bzw. eine Blockade verhängt, die laut einem UN-Bericht zum Hungertod von 50.000 Venezolanern geführt haben. Als Russland und China Venezuela später Lebensmittel und medizinische Hilfe sowie einige Waffen zur Verfügung stellten, verurteilten nur die verstocktesten «linken» Formalisten, dass Venezuela diese Hilfe erhielt.
Afghanistan
Nach 20 Jahren des US-imperialistischen Krieges und der Verwüstung, der Zerstörung des Landes und etwa einer Million toter Afghanen war die imperialistische Bestie der USA gezwungen, sich besiegt zurückzuziehen. Das Gleiche gilt für die 20 Jahre des russischen Krieges gegen Afghanistan davor. Beide Niederlagen, die mit schrecklichen Kosten verbunden waren, stellten Siege für das afghanische Volk dar, ungeachtet der Tatsache, dass der Sieg von den obskurantistischen Kräften der Taliban geführt wurde. Er wurde jedoch von der grossen Mehrheit des afghanischen Volkes unterstützt, das keine Lust auf imperialistische Bevormundung hatte. Die Niederlage imperialistischer Interventionen überall versetzt die arbeitenden Massen der besetzten Länder in die beste Position, um ihre eigenen repressiven Regierungen herauszufordern. Heute muss der Aufbau einer demokratischen und massenwirksamen Einheitsfront-Antikriegsbewegung, die in der Lage ist, die endlosen Gräueltaten des US-Kriegsführungsstaates zu besiegen, ganz oben auf der Tagesordnung aller ernsthaften Aktivisten stehen. Den arbeitenden Menschen in den USA, die sich mit den Unterdrückten und Ausgebeuteten der Nation verbünden, kommt in den kommenden Kämpfen eine Schlüsselrolle zu.
Der US-Imperialismus hat die Lunte gelegt, die den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine entzündet hat und aufrechterhält. Die einfache Forderung der US-Antikriegsbewegung «USA/NATO raus, jetzt!» bleibt zentral für ihren zukünftigen Erfolg.
Quelle: socialistaction.org… vom 1. April 2022; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch
Tags: Afghanistan, Imperialismus, Lenin, Libyen, Neue Rechte, Nicaragua, Politische Ökonomie, Russland, Strategie, Syrien, Ukraine, USA, Venezuela
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