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Die sozialen Folgen der Corona-Politik in Österreich sind eindeutig

Eingereicht on 11. Mai 2020 – 15:11

„… Auf den ersten Blick zählen in der Corona-Krise Menschenleben mehr als Profite. Dieser Eindruck bröckelt aber, wenn die Gesamtheit der Maßnahmen im Detail betrachtet wird. In Wahrheit wurde wegen des Profitstrebens der Tiroler Tourismusindustrie sehr spät reagiert. Erst als sich bei weiterem tatenlosem Zusehen noch viel langfristigerer, dauerhafterer Schaden für die Wirtschaft abzeichnete, wurde der Lockdown verkündet. Das Epidemiegesetz von 1915 wurde von der Regierung rasch außer Kraft gesetzt. Es hätte allen Ein-Personen-Unternehmen und Betrieben mit bis zu 25 Mitarbeitern den vollständigen Ersatz ihres Verdienstentgangs garantiert. Stattdessen kündigte die Regierung zwar ein Hilfspaket von 38 Milliarden an. Von diesem wird aber nur ein kleiner Teil Umsätze direkt ersetzen. Von den 38 Milliarden sind 15 Milliarden für den Notfallfonds vorgesehen und nur 4 Milliarden davon als Soforthilfe für Einpersonenunternehmen, Freie DienstnehmerInnen, KleinstunternehmenInnen und all jene Unternehmen, die für keine der anderen Hilfen infrage kommen. Zudem wurde mit anfangs löchrigen Bestimmungen Verunsicherung unter den Wirtschaftstreibenden geschaffen. Die Verteilung der Gelder übernimmt zudem keine unabhängige Behörde, sondern die vollständig vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer…“ – aus dem Beitrag „Aus Corona lernen: Die sozialen Folgen der Corona-Krise“ von Julia Eder am 23. April 2020 beim Jahoda-Bauer-Institut der eine ausführliche „Würdigung“ der sozialen Auswirkungen Kurzscher Epidemie-Politik darstellt. Zu verschiedenen Aspekten der sozialen Auswirkungen der Epidemie-Politik in Österreich einige weitere aktuelle Beiträge:

„Von Kurzarbeit und Kündigungen sind sozial schwächere Personen am meisten betroffen“ von Paul Pichler, Philipp Schmidt-Dengler und Christine Zulehner im April 2020 im Corona-Blog der Universität Wien halten unter anderem fest: „… Ein ähnliches Bild wie bei der Bildung ergibt sich bei Betrachtung des Nettoeinkommens (Abbildung 3). Je höher das Einkommen, desto eher ist Arbeit im Home-Office der Fall. Kurzarbeit ist umso unwahrscheinlicher, je höher das Einkommen ist. Bei Urlaubsabbau beziehungsweise Zeitausgleich und Kündigung sind alle Einkommensgruppen ähnlich betroffen. Unsere Daten zeigen, dass insbesondere einkommensschwache und bildungsferne Gruppen von Kurzarbeit betroffen sind. Letztere sind gleichzeitig am stärksten von Kündigungen betroffen. Spätere Umfragewellen werden zeigen, ob auch die besser situierten Gruppen im Lauf der Krise mehr von Kurzarbeit und Kündigungen betroffen sein werden, beziehungsweise welche Gruppen schneller in den bisherigen Arbeitsalltag zurückfinden. Bedenklich scheint der negative Zusammenhang zwischen Bildung beziehungsweise Einkommen und Home-Office Tätigkeit in Anbetracht der fortdauernden Schließung von Schulen. Er legt nahe, dass bereits bestehende sozioökonomische Unterschiede in der Bildung durch Ausfall des Schulunterrichts verstärkt werden könnten“.

„Ohne Vermögenssteuern zahlen Arbeitnehmer 80 Prozent der Corona-Krise“ von Thomas Hackl am 22. April 2020 bei Kontrast hebt hervor: „… Derzeit stammen 80 Prozent der Steuereinnahmen von Arbeitnehmern und Konsumenten – die werden also auch 80 Prozent der Krisenkosten zahlen, wenn Österreich nichts an seiner Steuerstruktur ändert. Die große Mehrheit der Österreicher ist für eine stärkere Besteuerung von Unternehmen. Österreich gilt als eines der Länder mit den niedrigsten Vermögenssteuern international. Während Arbeitnehmer hier zu Lande stark besteuert werden, ist das für Konzerne und Vermögende ganz anders. Österreich ist eines der wenigen Länder in Europa, in dem es weder Vermögenssteuern noch Erbschaftssteuern gibt. Auf EU-Ebene verhindert Österreich, vertreten durch ÖVP-Finanzminister, seit Jahren die effektive Besteuerung von internationalen Konzernen. Das Ergebnis: Große Konzerne verschieben ihre Gewinne und zahlen kaum Steuern, alle andere Unternehmen leisten etwas weniger als 20 Prozent der Steuer und 80 Prozent der Steuern werden von Menschen gezahlt, die jeden Tag arbeiten gehen und Steuern auf ihr Einkommen und Mehrwertsteuer auf ihre Einkäufe zahlen...“

„Lohn- und Sozialdumping bleibt ein Problem – besonders für die Baubranche“ von Andreas Riesenfelder am 17. April 2020 beim A&W-Blog hier zur Situation im Baugewerbe: „… Besonders betroffen von Unterentlohnung ist die Baubranche. Wie sich Lohndumping am Bau in der Praxis abspielt, zeigt etwa das folgende Beispiel: Bei einer Baustellenkontrolle im niederösterreichischen Velm-Götzendorf im Mai 2018 trafen MitarbeiterInnen der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskassa (BUAK) auf zwei Arbeitnehmer eines ungarischen Unternehmens, die Fassadenarbeiten durchführten. Da keinerlei Lohnunterlagen vorlagen, nahmen die PrüferInnen der BUAK die Angaben der Arbeitnehmer auf. Einer der beiden wurde von den Prüforganen hinsichtlich der ausgeführten Tätigkeit als Hilfsarbeiter eingestuft, der andere als angelernter Arbeiter. Für die Hilfstätigkeit gebührt entsprechend dem Branchenkollektivvertrag ein Bruttostundenlohn von 10,88 Euro, für die angelernte Tätigkeit von 12,11 Euro. Da beide Arbeiter zudem bereits über einen Monat beim Betrieb beschäftigt waren, ist zusätzlich das aliquote Weihnachtsgeld in Höhe von 1,18 Euro bzw. 1,32 Euro je Stunde zu berücksichtigen. Daraus resultierte letztlich ein für die Arbeit in Österreich zu leistendes Entgelt von 12,06 Euro bzw. 13,43 Euro pro Stunde. Die Differenz zu den tatsächlich ausbezahlten Löhnen war allerdings beträchtlich, erhielt doch der als Hilfsarbeiter tätige Arbeitnehmer lediglich einen Bruttostundenlohn in Höhe von 2,89 Euro, und der als angelernter Arbeiter tätige Arbeitnehmer wurde mit einem Bruttobetrag von 4,11 Euro pro Stunde entlohnt. Die BUAK erstattete daher Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde und beantragte eine Strafe von insgesamt 9.500 Euro wegen des begründeten Verdachts auf Unterentlohnung. Darüber hinaus wurde eine Strafe wegen Nichtübermittlung der Lohnunterlagen in Höhe von 3.000 Euro und wegen fehlender Bereithaltung der Unterlagen in Höhe von weiteren 3.000 Euro beantragt. Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde verhängte die Strafe wie von der BUAK beantragt, das Verfahren ist anhängig…“

„Anderl: Geringfügig Beschäftigte dringend absichern“ am 17. April 2020 bei ots dokumentiert, ist eine Pressemitteilung der Arbeiterkammer Wien, worin es unter anderem heißt: „… Geringfügig Beschäftigte sind nicht in Kurzarbeit einbezogen und auch nicht in den Härtefallfonds. Sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Außerdem haben sie ohne Einkommen keinen ausreichenden Schutz in der Krankenversicherung. Durch das fehlende Einkommen können vor allem Studierende aus der Krankenversicherung fallen und ihr Leben nicht mehr finanzieren. Die AK fordert einen Unterstützungsfonds für geringfügig Beschäftigte, der mit mindestens 30 Millionen Euro dotiert wird. Es sind keineswegs nur Studierende, die von einem plötzlichen Einkommensverlust betroffen sind. Viele der betroffenen Personen sind allein Erziehende oder Pensionistinnen. Besonders erschütternd ist der Fall einer Mutter von mehreren Kindern…“

„”Der Arbeitsplatz ist die größere Gefahr als der Supermarkt”“ von Simon Rosner am 30. April 2020 in der Wiener Zeitung online ist ein Gespräch mit dem Gesundheitsökonomen Thomas Czypionka zur Gefährdung bei der Arbeit (die andere auch nicht haben): „… Zu dieser Situation darf es gar nicht kommen. Man wird auch im Arbeitskontext auf Distanz bleiben müssen und als Arbeitgeber, wenn möglich, weiter auf Teleworking setzen. Aber auf gar keinen Fall, darf es ein Verhalten geben, wo sich 200 infiziert haben könnten. (…) Es ist wichtig, dass man an die Arbeitgeber vorab kommuniziert, Maßnahmen zu treffen, dass zum Beispiel nicht alle im selben Lift fahren, nicht alle zur gleichen Zeit zusammenarbeiten. Dann muss man möglichst viele testen und daheim isolieren. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Arbeitgeber bewusst sind, dass sie ein großes Risiko eingehen, weil in diesem Fall ein Gutteil der Belegschaft nicht mehr verfügbar wäre. Wenn etwas passiert, sollte nur eine limitierte Anzahl potenziell infiziert sein. Das ist ganz entscheidend, denn der Arbeitsplatz ist eine größere Gefahr als der Supermarkt...“

„Paradoxes Politikum: Warum die System-Relevanz von Care-Arbeit nicht länger zu verschleiern ist“ am 13. April 2020 in der Berliner Gazette online ist ein Gespräch der Redaktion mit Chistine Braunersreuther, worin sie unter anderem zur Situation er Heimpflege hervor hebt: „… Nein, die Bedingungen sind kein bisschen verbessert worden. Von Optimieren sind wir hier weit entfernt, selbst wenn großzügig verlautbart wird, dass Flüge und Unterkunft bezahlt werden. Von den Betreuer*innen wird erwartet, dass sie vor Dienstbeginn zwei Wochen in Quarantäne verbringen. Unbezahlt, in 3-4-Bett-Zimmern mit teilweise fremden Menschen. Danach noch einmal zwei Wochen Quarantäne in ihren Herkunftsorten. Das sind vier Wochen unbezahlte Arbeit. Dafür bekommen sie einen Bonus von 500 €. Das ist noch weniger, als sie sonst im Monat verdienen. Der Durchschnittsverdienst einer Betreuer*in liegt bei 1.000 €, wovon jedoch knapp 300 € an Sozialversicherung abgehen. Abgesehen davon, dass sich niemand fragt was passiert, wenn sich in einem der Quarantäne-Hotels das Virus ausbreitet. Diese Unterkünfte werden von der Wirtschaftskammer bezahlt. Das ist keine so großzügige Leistung, wie immer getan wird. In Österreich arbeitet ein Großteil der regulär tätigen Betreuer*innen auf selbständiger Basis. Unter den EPUs (Einpersonenunternehmen) machen sie die größte Gruppe aus. Sie sind damit auch für den höchsten Teil der Wirtschaftskammerbeiträge verantwortlich, für die sie sonst kaum Leistung erhalten (einige Bundesländer wie die Steiermark bilden hier eine Ausnahme). Die Betreuer*innen haben sich ihre Unterkunft damit längst selbst bezahlt. Dass die Betreuer*innen meist selbständig tätig sind, ist der Regelung durch das oben erwähnte Hausbetreuungsgesetz zuzuschreiben. Selbständigkeit hat den Nachteil, dass dafür keine arbeitsrechtlichen Standards anzuwenden sind. Anders wäre der Beruf nicht möglich: über Wochen hinweg Arbeitszeiten von 22-24 Stunden ohne Ruhetage…

„Hohe Belastung, niedrige Bezahlung: Wie Lehrlinge in Vergessenheit geraten“ von Christian Hofmann am 30. April 2020 in Mosaik zu einer weiteren „vergessenen“ Schicht der Gesellschaft: „… 109.000 junge Menschen absolvieren in Österreich derzeit eine Lehre, 40 Prozent aller 15-Jährigen in Österreich entscheiden sich für eine duale Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule. Die Lebenslage dieser junger Menschen findet jedoch in politischen wie medialen Debatten (auch in der Linken) kaum Beachtung. So arbeiten beispielsweise in den Supermärkten 7.000 Lehrlinge. Sie müssen derzeit arbeiten, obwohl ihre Berufsschule geschlossen ist. Das gilt für alle Lehrlinge in der „kritischen Infrastruktur“, also auch für jene in Apotheken, Supermärkten, Drogerien, Bäckereien, Fleischverarbeitung und IT/E-Commerce. Die Berufsschule wurde kurzerhand ausgesetzt und die Lehrlinge angewiesen, fünf Tage die Woche im Betrieb zu erscheinen. Die entsprechenden Verordnungen hat das Bildungsministerium nur mit der Wirtschaftskammer nicht aber den Gewerkschaften besprochen. Auf die gewerkschaftliche Forderung, dass die Lehrlinge Zeit für E-Learning in der Berufsschule bekommen, nahmen sie keine Rücksicht. Viele Lehrlinge beklagen sich derweil, dass die Arbeitsbelastung deutlich gestiegen ist. Dennoch ignorierte die Wirtschaftskammer die Forderung nach einer vollen Entlohnung statt Lehrlingsentschädigung. Der Unterschied zwischen Lehrlingsentschädigung und Fachkräftegehalt liegt dabei meist bei mehreren hundert Euro brutto. Zum Beispiel verdient ein Lehrling im Handel im dritten Lehrjahr 1.150 Euro, der Mindestlohn für Fachkräfte liegt bei 1.714 Euro. Immerhin konnten die Gewerkschaften in manchen Bereichen ihre Forderungen dennoch durchsetzen. Als der größte gewerkschaftliche Erfolg müssen die Verhandlungen über Kurzarbeit für Lehrlinge gelten. Denn wenn der ganze Betrieb die Arbeitszeit reduziert, macht es wenig Sinn, wenn die Lehrlinge Vollzeit in der Firma erscheinen müssen. Die Forderung der Gewerkschaftsjugend, dass sich für Lehrlinge in Kurzarbeit die Lehrzeit nicht verlängert und sie 100 Prozent ihrer Lehrlingsentschädigung als Kurzarbeitsgeld bekommen, wurde erfolgreich umgesetzt…“

Quelle: labournet.de… vom 11. Mai 2020

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