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Wahlschlappe auch der internationalen Rechten in Bolivien

Eingereicht on 21. Oktober 2020 – 16:29

Natürlich war die Wahl in Bolivien keine Wahl wie die allermeisten anderen, ein Auswählen zwischen verschiedenen Produkten der Werbeindustrie im Dienste des Bürgertums. Was sich schon daran zeigte, dass auch die allermeisten der vielen linken Kritiker der MAS zu deren Wahl aufriefen – weil es eben eine prinzipielle Haltungsentscheidung war gegen die rassistische Junta-Bande und ihre internationalen Unterstützer in Washington, Berlin und Brüssel. Deren Putsch sich ja auch keineswegs nur gegen die MAS gerichtet hatte, sondern wie die geschäftsführende Rassistin sehr schnell sehr deutlich gemacht hatte, gegen die Bestrebungen und Aktivitäten breitester Teile der Bevölkerung für ein besseres Leben.

Es waren ja auch Basis-Aktivisten, die von den Junta-Truppen in ihrem Terrorjahr ermordet wurden. Ob die neue MAS-Regierung diese Hoffnungen der Bevölkerung nicht nur repräsentiert, sondern auch erfüllt, wird sich zeigen müssen – Choquehuanca, der Vizepräsident (den Evo Morales nicht wollte) gilt vielen sozialen Organisationen als Hoffnungsträger. Die USA immerhin haben über ihre Diplomaten bereits reagiert auf Arces Erklärung, eine Regierung der nationalen Wiedervereinigung realisieren zu wollen und dies begrüßt  – der mit 31% der Stimmen weit abgeschlagene „Kandidat der Mitte“ Carlos Mesa das Ergebnis anerkannt – im Unterschied zu den offenen Faschisten (deren Kandidat – der einzige Rechtsradikale, der nicht zugunsten Mesas „zurückgezogen“ hatte – auf 14% kam). Die rotten sich zusammen – und fühlen sich beispielsweise von der EU durchaus „verstanden“, die diese Entscheidung der Menschen in Bolivien noch nicht einmal als Grund ansieht, sich wenigstens offiziell zu entschuldigen für ihr pro-faschistoides Treiben. (So wenig, wie das ihre Fake-News-SpezialistInnen in den Mainstream Redaktionen tun…). Zu den ersten Reaktionen nach der Wahl und beginnenden Debatten über aktuelle Perspektiven fünf weitere Beiträge und der Hinweis auf unseren ersten Bericht zum Wahlausgang:

Celebrations for the restoration of democracy in Bolivia“ am 19. Oktober 2020 im Twitter-Kanal von Camila ist ein kurzer Videobericht der TeleSur-Korrespondentin über Freudentänze in El Alto nach Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse – mit sehr großen Tanzformationen…

Breaking: Carlos Mesa accepts defeat“ ebenfalls am 19. Oktober 2020 im Twitter-Kanal von Camila meldet, dass der Kandidat Carlos Mesa, zweitplatzierter in der Abstimmung, seine Niederlage anerkannt habe: „Der Abstand ist so enorm, dass auch die genaue Auszählung am Ergebnis nichts mehr ändern wird“.

Far-right extremist groups meet by the Christ the Redeemer statue in Santa Cruz“ am 21. Oktober 2020 im Twitter-Kanal der Kawsachun News berichtet von der Zusammenrottung der christlich-fundamentalistischen Nazibanden in ihrer Hochburg Santa Cruz (vor der Erlöser-Statue – als ob sie alle in den Himmel wollen…) – das ist jene Fraktion der Rechten, die nicht für die Kandidatur Mesas eintraten (den andere Nazis als kleineres Übel unterstützten, als sie sahen, dass sie chancenlos waren), wo verkündet wurde, man werde über Reaktionen noch „beschließen“…

„Sieg der Basis“ von Lea Fauth am 19. Oktober 2020 in der taz online kommentiert zwar das Wahlergebnis, nicht aber die gescheiterte taz-Kampagne für die Rechte in Bolivien, weist aber, in diesem Fall wohl hoffnungsvoll, auf sozialen Druck auf die neue Regierung hin: „… Bolivien hat gewählt. Sollte Luis Arce neuer Präsident von Bolivien werden, wie erste Zahlen nahelegen, ist das zunächst einmal eine gute Nachricht. Es wäre die Abwahl einer ultrarechten Regierung, deren Ausrichtung in nur einem Jahr unter Jeanine Áñez allzu deutlich wurde. Áñez äußerte sich wiederholt rassistisch gegen die mehrheitlich indigene Bevölkerung, ließ das Militär oder Paramilitärs auf De­mons­tran­t*in­nen schießen und hat mit ihrer Regierung laut Interamerikanischer Menschenrechtskommission zwei Massaker an Oppositionellen zu verantworten. Sie ist christlich-konservativ und vertritt eine aggressiv neoliberale Politik. Nachdem Áñez ihre Kandidatur wegen Unbeliebtheit zurückzog, war von dem parteilosen Kandidaten Carlos Mesa zumindest wirtschaftlich kein Kurswechsel zu erwarten. Der Sieg des Sozialisten Luis Arce ist somit in erster Linie als eine Absage an die rechtsliberale Politik zu verstehen. Mit dem zukünftigen Vizepräsidenten David Choquehuanca würde auch wieder ein indigener Politiker ein zentrales Amt bekommen. (…) Luis Arce, früher Wirtschaftsminister unter Morales, steht für eine Politik des Extraktivismus – also die rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen –, durch die Indigene Territorien zerstört werden. Trotz bedeutender Errungenschaften in der Sozialpolitik enttäuschte die Partei, indem sie sich zunehmend der Wirtschaftselite annäherte. Auch regierte Evo Morales mit der MAS zuletzt autoritär. Trotzdem ist der Wahlsieg von Luis Arce und der MAS ein Sieg der Bevölkerung...“

„Bolivien kehrt zur Demokratie zurück“ von Martin Ling am 19. Oktober 2020 in nd online kommentiert das Wahlergebnis rein parteipolitisch unter anderem so: „… Das Ergebnis ist ein politisches Erdbeben. Ein Jahr nachdem die MAS die Regierung wegen des Putsches gegen Morales abgeben musste, aber im Parlament und im Senat weiter die absolute Mehrheit hielt, ist die MAS wieder auf dem Weg in die Regierung und wird die rechte De-facto-Regierung unter Áñez ablösen, die den Kampf gegen die MAS zu ihrer Hauptbeschäftigung machte. Die offiziellen Ergebnisse werden erst in ein paar Tagen bekannt gegeben, aber ohne Wahlbetrug lässt sich am Sieg von Arce nichts mehr ändern. Dafür genügte in der ersten Runde bereits 40 Prozent plus zehn Prozentpunkte Vorsprung. Laut den Umfragen liegt Arce mit über 20 Prozentpunkten vor dem neoliberalen Ex-Präsidenten Carlos Mesa, der auf rund 30 Prozent der Stimmen kommt. Luis Arce reagierte besonnen auf seinen in der Höhe unerwarteten Wahlsieg: »Wir haben die Demokratie zurückgewonnen und wir haben die Hoffnung wiedergewonnen … Wir werden eine Regierung der nationalen Einheit bilden«, versprach er. Er merkte an, dass er den »Prozess des Wandels« neu aufnehmen und dabei aus Fehlern lernen und sie überwinden wolle…“

„MAS schlägt Putschisten“ von Frederic Schnatterer am 20. Oktober 2020 in der jungen welt zu den aktuellen Perspektiven: „… In der Nacht zu Montag erkannte sogar die selbsternannte »Übergangspräsidentin« Jeanine Áñez, deren Regime nach dem Putsch auf brutale Weise alles daran gesetzt hatte, eine Rückkehr der Linkspartei an die Spitze des Staates zu verhindern, den Wahlsieg der MAS an. Auch der Generalsekretär der von Washington dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, der den Staatsstreich offen angefeuert hatte, gratulierte Arce am Montag per Twitter. Die Parteien der unterlegenen Kandidaten, die »Comunidad Ciudadana« von Mesa sowie »Creemos« des drittplazierten Klerikalfaschisten Luis Camacho (14,1 Prozent), betonten hingegen, auf das offizielle Endergebnis warten zu wollen. Der Wahltag selbst, der von einer hohen Beteiligung geprägt war, war trotz mehrfacher Drohungen im vorhinein weitgehend friedlich verlaufen. Teilweise kam es dennoch zu Provokationen von Rechten sowie Einsatzkräften. Bereits seit dem frühen Sonntag morgen hatte die Putschistenregierung Polizei- und Militäreinheiten auf die Straßen entsandt, vorgeblich mit dem Ziel, einen friedlichen Ablauf der Stimmabgabe zu gewährleisten. Das Verhalten der ultrarechten Kreise um die De-facto-Machthaber in den kommenden Tagen dürfte nun darüber entscheiden, ob die Übergabe der Regierungsgeschäfte friedlich verlaufen wird“.

„Why Lucho & David won the Bolivian elections“ von Pablo Solón am 19. Oktober 2020 bei Systemic Alternatives untersucht die Gründe für den Wahlsieg, und hebt dabei insbesondere die Bedeutung der Kandidatur David Choquehuancas hervor, der viele indigene Stimmen für die MAS zurückgeholt habe, weil er für einen echten sozialen Aktivismus stehe. Eine Kandidatur im Übrigen, gegen die Expräsident Morales Front gemacht habe – wobei es ihm nur gelungen sei, Choquehuancas Kandidatur als Präsident zu verhindern – gegen die Bestrebungen vieler indigener sozialer Organisationen. Diese internen MAS-Auseinandersetzungen (siehe dazu auch den Verweis auf frühere Beiträge dazu unten) spiegeln die Kritik der Linken und Indigenen an der Morales-Regierung wieder, die durch den Putsch nicht in Vergessenheit gerieten – aber zurück traten.

„Gana elecciones partido de Evo Morales y comienza nueva fase de las autonomías para resistir el capitalismo y avanzar a los autogobiernos“ am 19. Oktober 2020 bei Clajadep-LaHaine fasst Ergebnisse du Perspektiven so zusammen, dass unterstrichen wird, es gebe jetzt eine neue Phase des Kampfes gegen den Kapitalismus und zur Stärkung und Entwicklung aller Bestrebungen zur Selbstregierung die, wie in anderen lateinamerikanischen Staaten auch, bei den indigenen sozialen Organisationen in Bolivien eine kontinuierliche und durch das letzte Jahr der Putschistenregierung keineswegs geschwächte Strömung darstelle.

Quelle: labournet.de… vom 21. Oktober 2020

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