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Wer auch immer die USA regiert: Der Widerstand wächst

Eingereicht on 1. Dezember 2020 – 12:26

Mit dem Wahlsieg Joe Bidens in den USA ist was vorbei? Gar nichts. Nicht nur, dass Donald Trump 2020 runde 14 Millionen Stimmen mehr bekam, als 2016 ist Hinweis genug darauf, dass der „Trumpismus“ keineswegs der Vergangenheit angehört – die Tatsache, dass ein enormer Teil seiner Anhängerinnen und Anhänger weiterhin an Wahlbetrug glauben und vor allem ihr Nazi-Flügel weiterhin landesweit dagegen mobilisiert, runden das Bild ab von einer fundamentalistischen Massenbewegung, die sich etabliert hat.

Runde 6 Millionen Stimmen mehr als Trump hat Biden bekommen: Bei weitem nichts das, was die Demokratische Partei erwartet hatte – weswegen auch sofort nach der Wahl die Schuldzuweisung an – wieweit auch immer – Linke in der Partei organisiert wurde, deren Ergebnis unter anderem die bisherigen Nominierungen für die kommende Regierungsmannschaft deutlich machen. Nur US-Gewerkschaften und bundesdeutsche Leitmedien, beide sind sich für nichts zu schade, halten den Kurs auf angeblich zu erwartende Neuerungen, die Biden & Co dem Land bringen würden. Eine Regierung im Übrigen, die nur deshalb jetzt den Übergang angehen kann, weil die Topvertreter der herrschenden Klasse in den USA höchstpersönlich Trump in einem Offenen Brief dazu aufforderten, die Obstruktion endlich sein zu lassen, er schade damit den USA. Jenseits der liberalen (sofern man das wenigstens noch so nennen kann) Märchenstunden aber zeigt sich eine soziale Wirklichkeit in den USA, in der die Schlangen für Lebensmittelausgaben ebenso wachsen, wie die Zahl der von Zwangsräumungen bedrohten Menschen – und die Zahl jener, die sich mit Streiks gegen die Gefährdung ihrer Gesundheit zur Wehr setzen genauso anwächst, wie die offene Menschenverachtung der Kapitalisten. Wie auch die zahllosen lokalen Initiativen zu Selbstversorgung und Selbstschutz quer durchs ganze Land.  Zur aktuellen Lage in den USA unsere ausführliche Materialsammlung  „Ob Trump oder Biden: Der soziale Widerstand gegen Epidemie-Kapitalismus in den USA wächst“ vom 30. November 2020:

„So werden Joe Bidens Mitarbeiter von der Rüstungsindustrie gesteuert“ von Harald Neuber am 16. November 2020 bei telepolis zu den Hoffnungsträgern für eine neue Politik – wenn sie konkret betrachtet werden: „… Die Realität sieht freilich anders aus: Biden war als Vizepräsident unter Barack Obama nicht nur für die Kriege im Jemen, in Libyen, Afghanistan und anderen Ländern mitverantwortlich. Er holt nun Lobbyisten eben jener Industrie ins sein Regierungsboot, die unmittelbar von diesen “ewigen Kriegen” profitiert. Das zeigte sich auch am Dienstag vergangener Woche, als Biden seine sogenannten Überprüfungsteams für die US-Behörden und Ministerien vorstellte. Diese Teams seien “dafür verantwortlich, die Geschäfte jeder Behörde zu erfassen, eine reibungslose Übergabe zu organisieren und sich zu gewährleisten, dass der designierte Präsident Biden und die designierte Vizepräsidentin Harris sowie ihr Kabinett vom ersten Tag an einsatzbereit sind”. Und nun wird es spannend: Von den 23 Personen des Überprüfungsteams für das US-Verteidigungsministerium, führen acht – also etwas mehr als ein Drittel – als ihre letzten Arbeitgeber Organisationen, Think Tanks oder Unternehmen an, die entweder direkt Geld von der Rüstungsindustrie erhalten haben oder dieser Branche unmittelbar zuzurechnen sind, wie Sarah Lazare vom US-Onlineportal In These Times schreibt. Tatsächlich mag die Zahl der freiwilligen oder bezahlten Mitarbeiter der Übergangsteams von Biden und Harris höher sein. Es hat schlicht noch niemand die Hintergründe aller Mitarbeiter der “Transition Teams” systematisch untersucht. Das Zentrum für strategische und internationale Studien (Center for Strategic and International Studies, CSIS) wird von drei Personen im Überprüfungsteam für das Verteidigungsministerium aufgeführt: Das betrifft Kathleen Hicks, eine ehemalige Mitarbeiterin des Verteidigungsministeriums unter Obama, Melissa Dalton und Andrew Hunter. “CSIS ist eine offensiv auftretende und einflussreiche außenpolitische Denkfabrik, die von den Rüstungsunternehmen General Dynamics Corporation, Raytheon, der Northrop Grumman Corporation, der Lockheed Martin Corporation und anderen Waffenherstellern und Rüstungsunternehmen sowie von Erdölkonzernen finanziert wird”, schreibt Lazare. Raytheon indes ist einer der Hauptlieferanten von Bomben für den US-saudischen Krieg im Jemen. Das Unternehmen hat aggressiv Lobbyarbeit betrieben, um jegliche Beschränkung der Waffenverkäufe an die von den Saudis geführte Koalition zu verhindern. Zu den Waffen, die Northrop Grumman herstellt, gehören unter anderem Drohnen, die vom US-Militär in Afghanistan, Irak, Somalia und andernorts eingesetzt wurden. Eine Recherche der New York Times ergab 2016, dass CSIS als Lobbygruppe der Rüstungsindustrie fungiert. Das Blatt stützte seine Recherche auf geleakte E-Mails, die die Verbindungen belegen. Daraus ging auch hervor, dass CSIS auf eine Ausweitung von Drohnenverkäufen drängte...“

„Das Kabinett von Joe Biden: Eine Regenbogenkoalition der imperialistischen Reaktion“ von Eric London am 26. November 2020 bei wsws zu den weiteren bisherigen Nominierungen am Beispiel der viel bejubelten zahlreichen Frauen und des ersten Latino-Ministers etwa: „… Avril Haines, ehemalige stellvertretende CIA-Direktorin, wird die erste Frau an der Spitze des nationalen Geheimdienstes. Haines hatte das Drohnenmordprogramm der Obama-Regierung mitausgearbeitet, bei dem Tausende verarmte Menschen aus Afrika, dem Nahen Osten und Zentralasien – ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht – getötet werden. Alejandro Mayorkas soll als erster Latino das Heimatschutzministerium leiten. Dies wird aber kein Trost für die Hunderttausenden lateinamerikanischen (und anderen) Einwanderer sein, die Mayorkas in den kommenden Monaten und Jahren abschieben wird, oder für die Immigrantenkinder, die er in Käfige gesperrt hat, als er von 2013 bis 2016 stellvertretender Sekretär des Heimatschutzministeriums war. Janet Yellen wird als erste US-Finanzministerin nominiert. Sie hatte die Politik der quantitativen Lockerung mitumgesetzt, in der unter Bush und Obama jeden Monat Dutzende Milliarden Dollar an die Banken transferiert wurden, während Millionen Opfer von Zwangsvollstreckungen keinerlei Hilfe bekamen. Linda Thomas-Greenfield, eine Afroamerikanerin, soll Botschafterin bei den Vereinten Nationen werden. Thomas-Greenfield arbeitete zuvor im Außenministerium, wo sie amerikanischen Öl- und Bergbaukonzernen dabei half, die Rohstoffe der ärmsten Länder der Welt auszubeuten. Kamala Harris, die als erste Frau und Afroamerikanerin Vizepräsidentin wird, ist kein formelles Mitglied des Kabinetts. Sie machte ihre Karriere als „schwarze Staatsanwältin“, indem sie meist arme Menschen inhaftieren ließ und ihr Leben mit Füßen trat...“

„Lieber Joe Biden, wollen Sie mich veräppeln?“ von Erin Brokovich am 20. November 2020 im Freitag online zu Bidens Bock als Gärtner bei der Umweltbehörde: „… Wie aus einem Artikel von The Intercept hervorgeht, übernahm McCabe im Jahr 2003 die Kommunikation von DuPont bezüglich der giftigen Chemikalie. Zu diesem Zeitpunkt sah sich DuPont mit einer Flut an Rechtsstreitigkeiten konfrontiert, nachdem das Unternehmen 7.100 Tonnen PFOA-Abfall in den US-Bundesstaat West Virginia deportiert hatte. Dort fand die Chemikalie ihren Weg in das Trinkwasser von 100.000 Menschen. Unzählige Einwohner waren in der Folge von lähmenden Krankheiten betroffen. (…) Dabei sollte man bedenken, dass DuPont seit den 60er-Jahren vermutete, ihr Produkt könnte schädlich sein – Experimente aus dem Jahr 1961 zeigten, dass PFOS die Leber von Hunden und Hasen beeinträchtigte. McCabes Arbeit trug unweigerlich dazu bei, dem Unternehmen kostspielige Aufräumarbeiten und zusätzlichen Ärger durch Vorschriften zu ersparen. Sollen wir heute einem ehemaligen DuPont-Mann vertrauen, der in ein Übergangsteam gewählt wurde, das mit der Überprüfung der Behörde für Industrieunfälle (U.S. Chemical Safety and Hazard Investigation Board) beauftragt ist? Ist das die Art und Weise, mit der die neu gewählte Führung mit ihrer „heilenden“ und „einenden“ Regierungsarbeit anfangen möchte? Fallen wir jetzt schon zurück in die alten Muster des Versteckspiels, der Heimlichkeiten, der Ausflüchte und Leugnungen? Oder werdet ihr doch die Veränderung sein, die wir brauchen, wenn es um die Umwelt geht? Ich weiß nicht, wie die Wahl eines Manns aus der Industrie uns diesem Ziel näher bringen soll. Die Forschung ist da. Sie hat gezeigt, dass die Chemikalie in Verbindung mit den folgenden Krankheiten steht: Nieren- und Hodenkrebs, Colitis ulcerosa, Schilddrüsenerkrankungen, schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck und ein hoher Cholesterinspiegel. Der neu gewählte Präsident sagt, dass wir auf die Wissenschaft hören sollen. Hören Sie wirklich auf die Wissenschaft oder hören Sie auf einen Insider aus der Industrie, der die Kommunikation kontrolliert?...“

„Joe Bidens Kabinett – ein Zeichen der Hoffnung“ von Carolina Chimoy am 25. November 2020 bei der Deutschen Welle gibt, von solchen Fakten völlig unbeeindruckt, eine Leitlinie für die BRD-Rezeption vor: „… In diesem Moment ist erneut etwas vom alten und jetzt wieder aktuellen Amerika zu spüren: Ein Land, in dem die politischen Führungskräfte sich als Experten in ihrem Feld behauptet haben – mit Klugheit und Wissen, aber vor allem auch mit langjähriger Erfahrung. Da ist Antony Blinken, ein langjähriger Diplomat, der fest an globale Allianzen glaubt und so China die Stirn bieten möchte. Oder Janet Yellen, die als erste Frau das Finanzministerium leiten wird. Alejandro Mayorkas ist als Chef des Ministerium für Heimatschutz ein Mann, der einst selbst aus Kuba einwanderte und nun unter anderem auch für die amerikanisch-mexikanische Grenze verantwortlich sein wird...“

„Die Ära Biden beginnt“ von Claudia Cinatti am 27. November 2020 bei Klasse gegen Klasse unter anderem zur herrschenden Klasse, die den Übergang fordert: „… Die Gerichte in mehreren Bundesstaaten hatten nacheinander seine Klagen wegen angeblichen Wahlbetrugs, für den es nie Beweise gab, abgewiesen. Und die Großkapitalist:innen, darunter viele, die für Trumps Wahlkampf gespendet hatten, dankten ihm für seine Dienste – die Deregulierungen, die Steuersenkungen und den Trubel an der Wall Street -, gaben ihm aber die unmissverständliche Botschaft, dass seine Zeit abgelaufen sei. Vielleicht der letzte Anstoß für den Rückzug war der von 166 CEOs der wichtigsten multinationalen Unternehmen, Banken und Vertreter:innen des Finanzkapitals (General Motors, Mastercard, Goldman Sachs und viele mehr) unterzeichnete Brief, der am 23. November veröffentlicht wurde. Der Brief von Corporate America ist ebenso kurz wie kategorisch. Nach Ansicht der Crème de la Crème der Geschäftswelt gefährdete Trump mit seinem hartnäckigen Widerstand die Sicherheit der USA. Die CEOs forderten im Namen des nationalen Interesses den sofortigen Beginn des Übergangs zur Biden-Harris-Regierung. Um den Druck noch zu erhöhen, drohten einige bürgerliche Republikaner:innen damit, die Wahlkampffinanzierung für die beiden Senator:innen für Georgia, die im Januar zur Wiederwahl stehen, zurückzuziehen, die letztlich darüber entscheiden werden, wer in dieser Kammer die Mehrheit haben wird. Zwischen dem Brief der CEOs und dem Tweet von Trump, mit dem er den Übergang anerkennt, besteht praktisch eine direkte Linie zwischen Ursache und Wirkung…“

„Ran ans große Geld“ von George Monbiot am 25. November 2020 im Freitag online zum Thema, was eine neue Regierung machen müsste, um die Lage zu verändern und einen neuen „Trump“ zu verhindern mit viel unverdienter Sympathie für Biden, aber dennoch Probleme deutlich machend, von denen nicht zu vermuten ist, dass die kommende Regierung sie angehen möchte: „… Bevor der Neoliberalismus den Finanzcrash 2008 auslöste, wurden seine Doktrinen von einem breiten politischen Spektrum als nicht hinterfragbar akzeptiert. Obama hatte die Chance, aus diesem Käfig auszubrechen. Er hätte gegen die Kräfte, die „der Markt“ verschleiert, ebenso angehen können wie gegen die daraus entstehende gesellschaftliche Spaltung. Doch er hat die Chance nicht ergriffen. Guter Wille und Anständigkeit allein können strukturelle Ungerechtigkeit nicht besiegen. Trump eroberte das politische Vakuum im Sturm. Chaotisch und skrupellos griff er einerseits den neoliberalen Konsens an, indem er Handelsabkommen aufkündigte, stärkte ihn aber gleichzeitig an anderer Stelle. Entscheidend ist: Er war ein Monster, das dieser Konsens geschaffen hatte. Sein Erfolg war ein Produkt der Fake-Einigkeit und Fake-Heilung durch die politische Übereinkunft der Elite. Als die Mainstream-Politik nichts weiter anbot als Demütigung und Frustration, wandten sich die Menschen einer aggressiven demagogischen Antipolitik zu. Seit seiner Zeit als Obamas Vizepräsident ist Biden nach links gerückt. Sein Programm enthält einige starke politische Positionen. Aber es zeugt auch von dem Unwillen, sich gegen die Geldgeberklasse zu stellen. Seine „Saubere-Energie-Revolution“ – massive Investitionen in erneuerbare Energien und eine umweltfreundlichere Infrastruktur – macht bei der Verhinderung eines Klimakollapses auf halber Strecke Halt. Ohne ein Konzept, das schmutziger Infrastruktur ein Ende setzt und fossile Brennstoffe im Boden belässt – mit anderen Worten, ohne die direkte Konfrontation mit dem fossilen Kapital –, wird sein Programm weniger wirksam sein, als er erwartet oder uns glauben macht. Bidens Unterstützungspläne für kleinere Unternehmen sind positiv, aber sie bedeuten nicht viel, wenn er nicht gleichzeitig die großen Konzerne zerschlägt, angefangen mit den größten US-Technologie-Unternehmen (Big Tech). Biden hat versprochen, die Reichen stärker zu besteuern. Doch die Plutokraten werden ihn auslachen, solange er den Steueroasen und der Verschwiegenheitspolitik nicht wirklich den Kampf ansagt, beginnend in seinem Heimat-Bundesstaat Delaware. Wenn der neue Präsident die Bürger nicht gegen die Oligarchen vereint, die die Nation beherrschen, werden die USA gespalten bleiben und die Menschen sich weiterhin gegeneinander wenden…“

„Elefant im Raum“ von Alp Kayserilioğlu am 11. November 2020 im re:volt Magazine zur Frage was jenseits des Wahlergebnisses an weitaus wichtigeren Entwicklungen bleibt: „… Inmitten des ganzen liberalen Theaters steht der berühmte Elefant im Raum, den jeder sieht, von dem jeder weiß, über den niemand reden möchte: Das Zentrum hält nicht und davon profitiert der falsche Prophet immer noch. (…) Warum aber hält das Zentrum nicht? Das ist schnell erklärt: Joe Biden ist einer der miesesten und menschenverachtendsten Präsidentschaftskandidaten der us-amerikanischen Geschichte, der als Senator und Vizepräsident über 40 Jahre dazu genutzt hat, eine Brücke zwischen Republikanern und Demokraten herzustellen und die Demokraten stramm rechts zu polen. Und zwar durchgehend. Er, der Ronald Reagan um seinen Erfolg im Rechtsruck (!) beneidete und ihn betreffs Kürzungen von staatlichen Sozialausgaben von rechts zu überholen suchte, war und ist einer der heftigsten Verteidiger und Praktiker von Sozialstaatsabbau, von Kriegstreiberei und von Polizeistaatlichkeit, die die politische Landschaft der USA hervorgebracht hat. Kamala Harris, seine angehende Vizepräsidenten, gibt sich da nicht viel. Im deutschsprachigen Raum mag Bidens Geschichte nicht so sehr bekannt sein; nicht zuletzt flossen aberwitzige Summen in Medien und Kampagnen, um ihn als den good ol’ descent moderate man, den Nachbarn von nebenan mit bescheidenem Arbeiterklassenhintergrund zu porträtieren. US-amerikanische Linke haben ihn allerdings schon längst entlarvt als das, was er ist: ein korrupter und willfähriger Erfüllungsgehilfe großkapitalistischer Interessen in den USA im Deckmantel einer „Mittelklassen-Ideologie“, ein Erzfeind der Arbeiter*innenklasse, einer der Hauptarchitekten des Rechtsrucks der Demokraten in den USA – und somit recht eigentlich ein perfekter Vertreter des Establishments der Demokratischen Partei. Wenn us-amerikanische Linke von corporate Democrats reden, dann ist das nicht billige Polemik; es ist schlicht Realität: Das durchschnittliche Vermögen eines Demokratischen Kongressabgeordneten betrug 2012 sagenhafte 5,7 Millionen US-Dollar, das eines Demokratischen Senators gar über 13,5 Millionen US-Dollar. Mit seiner Geschichte und Haltung steht Biden in perfekter Kontinuität von Hillary Clinton und dem Mainstream des Establishments der Demokratischen Partei. Clinton wurde Kandidatin der Demokratischen Partei nach der Enttäuschung der Obama-Jahre: Barack Obama konnte 2008 tatsächlich Millionen für sich begeistern und mobilisieren. Aber innerhalb von kurzer Zeit demobilisierte er selber die grassroots-Bewegung, die ihn ins Weiße Haus brachte, da er und das Demokratische Establishment befürchteten, die Leute nicht mehr unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die Stimmung kippte, als sich herausstellte, dass auch Obama Politik für die Reichen machte; Polizei und Kriegseinsätze (diesmal mit Drohnen) gingen so weiter wie zuvor auch, während die Republikaner mit der Tea Party eine erfolgreiche Gegenbewegung organisierten, die Obama weitgehend blockieren konnte. Während Großbanken und General Motors mit aberwitzigen Milliardensummen gerettet wurden, fielen durchschnittliche Stundenlöhne und Haushaltseinkommen insbesondere in der Industrie und in Haushalten mit niedrigen Einkommen; fast alle der unter Obama während und nach der großen Weltwirtschaftskrise geschaffenen Jobs waren Teilzeitarbeitsplätze beziehungsweise vorübergehende Beschäftigungsverhältnisse und ein Großteil davon (75 Prozent) im Niedriglohnsektor angesiedelt. 38 Prozent aller Schwarzen Kinder litten während der Obama-Ära unter Hunger, während mittlerweile fast 14 Millionen Haushalte in den USA Schwierigkeiten dabei haben, ausreichend Nahrungsmittel für alle Familienmitglieder zu organisieren und immer noch fast 40 Prozent der gesamten US-Bevölkerung nicht ohne weiteres eine unerwartete Rechnung von 400 US-Dollar begleichen könnte…“

„Trumpism Can’t Be Voted Away. We Need Radical Social Transformation“ von Barbara Ransby am 18. Novemer 2020 bei Truthout steht hier als Beispiel für eine ganze Reihe von Beiträgen, die allesamt die These vertreten, dass man eben die Massenbewegung, die Trump durch seine Politik so massiv gestärkt hat nicht abwählen kann – sondern ihr die Grundlagen entziehen muss, vor allem eben durch eine Politik, die eine spürbare Verbesserung de sozialen Lage vieler Menschen bedeute – eine ähnliche Position, wie sie etwa auch Bernie Sanders vertritt, wie auch einige der weniggen linkeren Abgeordneten der Demokraten.

„United States: Trump Lost the Election, But What is the Future of Trump and Trumpism?“ von Dan LaBotz am 15. November 2020 bei Europe Solidaire dokumentiert, ist ein Beitrag, in dem unterstrichen wird, dass es zwar durchaus sein kann, dass Trump ein beendetes Kapitel ist – aber eben nicht jene Strömung, auf der er schwamm und die er mobilisierte und stärkte, und die neben einem deutlich gewachsenen Anteil an „Hardcore-Rassisten“ – der inzwischen nach Schätzung des Autors ungefähr ein Drittel der republikanischen Stimmen umfasse, in etwa ebenso viele, wie für Trump gestimmt haben, weil sie aufgrund ihrer eigenen Lage seinen in der regel demagogischen Versprechungen geglaubt haben.

„Die Wut der Wartenden“ von Thomas Gesterkamp am 14. November 2020 in nd online fasst dies so zusammen: „… Die »blaue Wand«, welche die liberale Ostküste der USA traditionell vom konservativen »Bible Belt« trennt, steht erst einmal wieder. Doch muss das nicht so bleiben. Denn ein problematischer Trend im Wahlverhalten, der sich schon länger abzeichnet, konnte auch bei der Abwahl Trumps nur im Ansatz gestoppt werden. Zwar legen Nachwahlumfragen nahe, dass geringer Verdienende mit Jahreseinkommen von weniger als 50 000 Dollar – wie auch die mittlere Schicht zwischen 50 000 und 100 000 Dollar – klar die Demokraten bevorzugt haben, nämlich zu 57 beziehungsweise 56 Prozent. Trump hingegen obsiegte mit 54 Prozent bei Einkommen über 100 000 Dollar. Dennoch ist auffallend, dass der Anteil der Trump-Stimmen unter den geringer Verdienenden mit rund 41 Prozent dem von 2016 entspricht…“

„Laid-Off Workers Lobby For Unemployment Benefits To Continue“ von Arthur Delaney am 22. November 2020 in der HuffPost online berichtet von dem, was sich unter anderem anbahnt: Dass zum Jahresende 2020 für rund 12 Millionen Erwerbslose die Unterstützung ausläuft – weswegen es eine ganze Reihe politischer Initiativen gibt, diese generell zu verlängern…

„Thousands of cars form lines to collect food in Texas“ von Melissa Alonso und Susannah Cullinane am 16. November 2020 bei CNN berichtet von den enormen Autoschlangen in Texas – an den Stellen, wo Essen ausgegeben wird…

„Report shows thousands of workers in Tennessee receive federal food assistance“ am 20. November 2020 bei News3 berichtet aus dem Bundesstaat, dass die Zahl der Arbeiterinnen und Arbeiter, die trotz Vollzeitjobs auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind während der Epidemie deutlich angewachsen sei.

„Thanksgiving in Amerika: Schlangen vor Lebensmitteltafeln, Zwangsräumungen und auslaufende Unterstützung“ von Kate Randall am 24. November 2020 bei wsws zur gesamten aktuellen sozialen Lage unter anderem: „… Das Marshall Project, eine Website für gemeinnützigen Journalismus, berichtet, dass sich bis zum 17. November mindestens 197.659 Insassen in staatlichen und lokalen Gefängnissen mit dem Virus infiziert hatten und 1.454 gestorben waren, eine wahrscheinlich zu niedrig angesetzte Zahl aufgrund fehlender Berichterstattung. Während die Zahl der stationär aufgenommenen Patienten unvermindert zunimmt, sehen sich Arbeiterfamilien im ganzen Land neben Krankheit und Tod durch die Pandemie mit einer Krise aus Hunger und Armut konfrontiert. Dutzende Millionen von Arbeitern haben ihren Arbeitsplatz verloren oder sind von Lohnverlust oder Arbeitszeitverkürzungen betroffen. Die bereits jetzt kilometerlangen Schlangen vor Lebensmittelausgaben, Zwangsräumungen und Zwangsversteigerungen von Wohnungen und Häusern sowie der Verlust von Gesundheitsleistungen werden exponentiell ansteigen, wenn die verbleibende staatliche Unterstützung unmittelbar nach Weihnachten ausläuft. Die Hungerhilfeorganisation „Feeding America“ warnt davor, dass rund 54 Millionen US-Einwohner – also jeder sechste – derzeit von Ernährungsunsicherheit bedroht sind. Viele Familien mit Kindern waren bereits vor dem Ausbruch der Pandemie mit Hunger konfrontiert. In Arlington (Texas) trafen am Freitag 6.000 Familien zur Verteilung von gefrorenen Truthähnen vor einem Sportstadion ein. Am 14. November warteten Menschen in Dallas bis zu zwölf Stunden, um einen Truthahn, 20 Pfund unverderbliche Lebensmittel, 15 Pfund frische Produkte und Beutel mit Brot zu erhalten. Fotos, die vor der Lebensmittelbank aufgenommen wurden, zeigten Tausende von Autos, die über mehrere Kilometer auf vier Spuren warteten. Am Samstag standen in Los Angeles rund 1.000 Menschen für eine Lebensmittelverteilung in einer Kirche an. Das von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) verhängte Moratorium für Zwangsräumungen läuft am 31. Dezember aus. Da die Anordnung keine Mieten annulliert oder einfriert, werden alle Mietrückstände am 1. Januar fällig. Schätzungsweise elf bis dreizehn Millionen Miethaushalte sind nach Angaben der Investmentbank Stout von Zwangsräumungen bedroht…“

„Klage gegen Tyson Foods: Chefs sollen gewettet haben, wie viele Mitarbeiter Corona bekommen“ am 19. November 2020 bei RTL.de meldet von der „Spitze des zynischen Unternehmer-Eisbergs“: „… Hierzulande waren es Tönnies und Wiesenhof, in den USA ist vor allem der weltgrößte Fleischproduzent Tyson Foods betroffen: Auf Schlachthöfen und in Fleischproduktionen steckten sich in den letzten Monaten besonders viele Menschen mit dem Coronavirus an. In einem Tyson-Foods-Betrieb in Waterloo im US-Bundesstaat Iowa soll kranken Mitarbeitern erlaubt worden sein, weiterzuarbeiten. Unfassbar: Chefs sollen sogar Wetten darüber abgeschlossen haben, wie viele der Arbeiter sich mit dem Virus infizieren. Der Sohn eines verstorbenen Mitarbeiters hat die Firma in den USA jetzt verklagt, wie die Nachrichtenagentur “Reuters” berichtet. Isidro Fernandez starb im April. Er sei wegen seines Jobs krank geworden, heißt es in der Klageschrift, die am 11. November von seinem Sohn eingereicht wurde. Ingesamt infizierten sich 1.000 Mitarbeiter der Fabrik mit dem Virus – knapp ein Drittel der 2.800 Beschäftigten. Fünf davon starben laut der Klage. Der Betrieb musste wegen des Ausbruchs im April kurzzeitig geschlossen werden. Die Klage wirft Tom Hart, der Manager des Betriebs, auch vor, eine Wette organisiert zu haben, bei der es darum ging, wie viele Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet werden. Die Wette soll unter leitenden Angestellten gelaufen sein, die sich mit einem bestimmten Geldbetrag daran beteiligen konnten, nach dem Prinzip “der Gewinner bekommt alles”. Um zu gewinnen, sollen die leitenden Angestellten kranke Mitarbeiter unter Druck gesetzt haben, weiterzuarbeiten. Die Mitarbeiter, denen die Wetten vorgeworfen werden, seien suspendiert worden, hieß es in einer Stellungnahme des Unternehmens Tyson Foods. Außerdem habe man eine unabhängige Untersuchung eingeleitet…“

„Elon Musk’s Tesla factory workers counted as ‘essential workers’“ am 22. November 2020 bei WION meldet vom eher alltäglichen Zynismus, Belegschaften bewusst Risiken auszusetzen, dass Resla in Kalifornien durchgesetzt hat, als „essenzieller“ Betrieb eingestuft zu werden: Mensch braucht Musks Karren um zu überleben, so die kalifornischen Behörden…

Black Autonomy Federation – Chicago Local Organizing Committee is raising money to buy tents for houseless ppl in Chicago this winter“ am 20. November 2020 im Twitter-Kanal der BAF berichtet von seiner Chicagoer Initiative, zu Winterbeginn Zelte für Obdachlose zu organisieren – eines von sehr vielen örtlichen Beispielen organisierter Selbsthilfe, die unter Epidemie-Bedingungen nahezu automatisch mit politischen Debatten und Initiativen verbunden sind.

We have produced 30,000+ bottles of hand sanitizer since March, along with bottling disinfectant and packaging masks“ am 24. November 2020 im Twitter-Kanal der Portland Action Medics berichtet von der eigene Herstellung von Desinfektionsflaschen und Masken aus jenen Kreisen, die bei den großen Auseinandersetzungen mit dem Polizeistaat in Portland die medizinische Versorgung von der Polizei misshandelter Personen organisiert hatten.

„Organizing To Oppose Evictions“ am 20. November 2020 bei It’s Going down gibt einen Überblick – aus verschiedenen Orten und Bundesstaaten – über selbstorganisierte Bestrebungen (und auch Erfolgen dabei) sich gegen Zwangsräumungen (die trotz zeitweisen Verboten weiterhin stattfinden) zur Wehr zu setzen.

„L.A. Tenants Union Rejects Legislative Compromises, Affirms Dual Power“ am 18. November 2020 bei der LA Tenants Union (Mietergewerkschaft von Los Angeles) berichtet zum einen von rund einer halben Million Haushalten, die in LA von Zwangsräumung bedroht sind – und ausführlich aber auch sehr vom im April 2020 begonnenen und nunmehr von mehreren Tausend mit getragenen Mietstreik in Los Angeles. Dieser, so unterstreicht die LATU in diesem Bilanz-Beitrag, sei der einzige Weg für Mieterinnen und Mieter, ausreichend Macht zu gewinnen, um das Ende der vielfältigen Formen von Zwangsräumung und die allgemeine Streichung von Mietschulden zu erringen und nicht die Hoffnung auf politische Kompromisse.

„A Breakthrough Agreement in Philadelphia Could Become a Template to Curb the Housing Crisis“ von April Short am 24. November 2020 bei Portside berichtet vom Erfolg eines monatelangen Kampfes in Philadelphia, wo die Stadt nach selbstorganisierten Verteidigungsaktionen gegen Zwangsräumungen und politischen Kampagnen zugestimmt hat, 50 Mehrfamilien-Häuser bereit zu stellen für Zwangsgeräumte – und dies inklusive der Förderung selbstverwalteter Strukturen.

An abandoned middle school in Tacoma, WA. has been occupied by community members to provide shelter for a houseless encampment of 20 people, following multiple deaths from exposure in recent weeks“ am 20. November 2020 im Twitter-Kanal von Max Curtis berichtet von der Besetzung einer leer stehenden Mittelschule in Tacoma – und soll hier (auch wenn die Besetzung zwei Tage später geräumt wurde, was ebenfalls häufig aber längst nicht immer passiert) als Beispiel für zahlreiche Meldungen über Besetzungsaktionen an zahlreichen Orten quer durchs Land stehen.

„USA: Wachsender Widerstand der Pflegekräfte angesichts von über 20.000 Todesopfern“ von Katy Kinner am 24. November 2020 bei wsws berichtet von wachsendendem betrieblichen Widerstand unter anderem: „… Letzte Woche bestätigte die Cleveland Clinic, ein renommiertes Krankenhaus mit Niederlassungen in ganz Ohio, dass fast 1.000 Pfleger derzeit wegen Infektionen mit Covid-19 freigestellt sind – dreimal so viele wie vor zwei Wochen. Der Begriff „Pflegekräfte“ wird im Krankenhaussystem für alle Beschäftigten benutzt, vom Krankenpfleger über den Hausmeister bis hin zu Beschäftigten der Personalabteilung. Allerdings sind die Infektionsraten unter Beschäftigten „an der Front“ vermutlich deutlich höher. Vorstandschef Tom Mihaljevic verschickte einen Brief an die Beschäftigten, in dem er zynisch erklärte, die Infektionen seien nicht am Arbeitsplatz erfolgt, sondern durch Übertragungen in der Bevölkerung. Eine Pflegerin der Cleveland Clinic sprach vor Kurzem mit der World Socialist Web Site über die Zustände im Krankenhaus: „Ich arbeite zwar nicht in einer Covid-19-Abteilung, aber ich habe gehört, dass sie schon fast voll sind. Chirurgen, die in meiner Abteilung arbeiten, wurden angewiesen, alle Operationen abzusagen, bei denen die Patienten zur Genesung auf die Intensivstation müssen. Die Personaldecke ist momentan zwar annehmbar, aber ich weiß, dass das nicht lange vorhalten wird. Ich mache mir große Sorgen, dass sich die Lage so entwickeln könnte, dass Springerkräfte eingestellt werden müssen. Das Problem ist, dass alle Krankenhäuser sich aus dem gleichen Pool bedienen. Im April hatten wir Hotspots in den Großstädten, so dass Pflegekräfte nach New York oder Los Angeles geschickt werden konnten. Die Cleveland Clinic hat sogar eine Gruppe von Pflegekräften nach New York geschickt. Aber jetzt geht es um Bismarck, Pittsburgh, El Paso, der Süden von Ohio, überall.“ Zu der jüngsten Ankündigung des Gesundheitsministeriums in North Dakota, asymptomatische Pflegekräfte mit Covid-19 müssten weiter in den Covid-19-Abteilungen der Krankenhäuser arbeiten, erklärte die Pflegerin aus der Cleveland Clinic: „Das ist eine schreckliche Vorgabe. Aber meiner Meinung nach passiert das auf subtilere Art und Weise in Krankenhäusern im ganzen Land.“…

Workers at Fargo company go on strike over COVID-19 concerns“ am 19. November 2020 im Twitter-Kanal von Autonomie Ouvrière berichtet von einem Fahrerstreik bei Fargo, die mehr Sicherheitsausrüstung und –normen forderten.

„Pflegekräfte streiken für bessere Arbeitsbedingungen“ am 18. November 2020 bei den Rote Fahne News meldete: „Rund 800 Krankenschwestern im St. Mary Medical Center Langhorne im US-Bundesstaat Pennsylvania traten am Dienstag in den Streik, um höhere Löhne und eine bessere Personalausstattung durchzusetzen. Ende Oktober hatten sie zu 85 Prozent für einen Streik gestimmt. Die Gewerkschaft PASNAP erklärte, gerade in Corona-Pandemiezeiten müssten sichere Arbeitsbedingungen für Patienten und Beschäftigte hergestellt werden. Die Klinik, die zum Trinity Health System gehört, heuert Leiharbeitskräfte als Streikbrecher an“.

„Altenpfleger streiken gegen Niedriglöhne“ am 25. November 2020 ebenfalls bei den Rote Fahne News berichtet: „Knapp 700 Beschäftigte in elf Infinity Healthcare Pflegeeinrichtungen traten am Montagmorgen in der Region Chicago in den Streik. Die Altenpflegerinnen und Altenpfleger, aber auch Reinigungspersonal und Hilfspersonal fordern höhere Löhne und bessere hygienische Bedingungen in den Einrichtungen. In einer der Einrichtungen waren 200 Covid-19-Infektionen aufgetreten. Die Beschäftigten verdienen teilweise nur 13 US-Dollar die Stunde. Sie verlangen mindesten zwei Dollar mehr“. 

Quelle: labournet.de… vom 1. Dezember 2020

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