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Tunesien: „Was wir 10 Jahre nach der Revolution machen? Sie zu Ende führen…“

Eingereicht on 22. Februar 2021 – 17:43

Mit diesen Worten wurde einer der Demonstranten in Kasserine in mehreren Medien zitiert – in jenem Ort, der wie kein anderer steht für eine besondere Armutsregion in Tunesien (ungefähr in der Mitte des Landes, Richtung Grenze nach Algerien) – und für eine nicht enden wollende Welle von sozialen Protesten, die seit Jahren immer und immer wieder aufflammen, der zugrunde liegenden Stimmung absoluter Unzufriedenheit nach aber kontinuierlich, beständig und allgegenwärtig ist. „Die Revolution zu Ende führen“ heißt dann nichts anderes, als endlich jene sozialen Maßnahmen zu ergreifen, die bisher nicht ergriffen wurden, weil das, was da als revolutionär bewertet wurde, eben eine Politik ist, die dem internationalen Kapital (vor allem dem französischen, aber auch – und dies durchaus an vorderster Front – dem bundesdeutschen) zugute kommt – und nur diesem. Was sowohl Grund dafür ist, dass auch die neuerlichen Proteste ganz offensichtlich durch Polizeigewalt nicht zu beenden sind, sondern sich, im Gegenteil, zunehmend mehr gegen die kapitalistische Grundstruktur des Landes richten. Siehe zur aktuellen Entwicklung der neuen sozialen Proteste in Tunesien vier Beiträge – und den Hinweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Berichte zu dieser Entwicklung.

  • „“Completing the Revolution” in Tunisia“ von V.U Arslan am 25. Januar 2021 bei Socialist Middle Eastist ein Beitrag, der sich genau um die Ausgangsthese dieses Berichts dreht: Es geht um die konsequente Fortsetzung der Revolution im sozialen Bereich, der bisher weitgehend unangetastet geblieben ist und damit eine dauerhafte Quelle von Protesten stellt. Aber die vor allem sehr jungen Menschen, die in den letzten Wochen dem Polizeiterror trotzten, haben genau dieses Anliegen – dass endlich die kapitalistische Ausbeutung, die „Pflege“ des Heeres von Erwerbslosen in Tunesien ein Ende findet, was nur durch massive Eingriffe in die wirtschaftlichen Strukturen des Landes gehe, wie verschiedene Gesprächspartner des Autors im Verlauf des Beitrags zitiert werden…
  • „Chômage : affrontements à Kasserine“ am 18. Februar 2021 bei Anthropologie du Présentist insofern eine Art exemplarische Materialsammlung, als nicht nur über die massiven Proteste, die erneut in Kasserine stattfinden, berichtet wird, sondern auch stets in Zusammenhang damit, dass diese Proteste zumindest in unmittelberer Nachbarschaft der Ölfelder von Kasserine stattfinden, wie es auch schon in den Jahren zuvor der Fall war, wo eben der eindeutige soziale Kontrast zwischen Realität und Möglichkeit schreiend klar und einfach zutage tritt…
  • „Tunisie: Répression des manifestants d’une région déshéritée“ am 18. Februar 2021 bei Secours Rougeist ein Bericht, der vor allem das Gewicht legt auf die neuerliche massive Repression durch die Polizei, wie sie schon in den gesamten letzten Tagen und Wochen deutlich mehr angewandt wurde, und auch deutlich früher, nämlich sofort, als bei früheren Protesten und Protestwellen. Die dabei so bezeichnete „vernachlässigte Region“ ist eben in Wirklichkeit die Ölregion des Landes, was traditionell eigentlich eher nicht für besonders arm steht…
  • „Un appel international, dix ans après la révolution tunisienne“ am 19. Februar 2021 bei Assawradokumentiert einen internationalen Solidaritäts-Aufruf, mit dem sich Künstler und Künstlerinnen, Abgeordnete und Menschen aus den Universitäten aus zahlreichen Ländern – vor allem aus den nordafrikanischen Nachbarstaaten und aus Frankreich, aber auch aus mehreren südamerikanischen Ländern beispielsweise – auf die Seite der protestierenden Jugendlichen in Tunesien stellen und gegen die mediale Hetzkampagne, die gegen ihren Protest orchestriert wurde und weiterhin wird und in dem tiefgehende soziale Veränderungen gefordert werden. Nach 10 Jahren, so darin die Schlussfolgerung, habe sich deutlich gezeigt, dass alleine die Einführung von Wahlen und die Legalisierung von Organisationen eben nicht wirkliche Veränderung bedeuten kann, sondern es muss wirtschaftliche Struktur-Reformen geben, um die immer wieder zu Protest Anlass gebenden Verhältnisse endlich zu verändern…
  • Zu den aktuellen Protesten in Tunesien zuletzt: „Die Propaganda behauptet: Tunesien sei das einzige Land, in dem der Arabische Frühling zu einem demokratischen System geführt habe. Weil den Protesten mit Wasserwerfern aus Frankreich begegnet wird?“ am  30. Januar 2021 im LabourNet Germany

Quelle: labournet.de… vom 22. Februar 2021

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