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Anti-Terror-Gesetz Schweiz: Nein zu Polizeiwillkür als Staatsraison!

Eingereicht on 6. Juni 2021 – 8:58

Clemens Studer. Das «Anti-Terror-Gesetz» ist ein Frontalangriff auf die Demokratie. Kommt das Gesetz in der eidgenössichen Volksabstimmung vom 13. Juni 2021 durch, könnten bald auch unliebsame Gewerkschafter:innen und linke Aktivist:innen ohne Anklage weggesperrt werden. Weil die Polizei in ihnen eine «Gefährdung» sieht. So geht das nicht, warnen viele Linksliberale, Gewerkshaften und politisch linke Kreise.

Unbehindert von Jurist:nnen und Richter:innen einfach mal Menschen wegräumen. Sie ins Gefängnis stecken oder mit Fussfesseln in den Hausarrest. Und zwar selbst Kinder! Monatelang. Ohne Beschwerdemöglichkeiten. Das wollen Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) und die rechte Mehrheit im Parlament möglich machen. Mit dem sogenannten Antiterrorgesetz. Am 13. Juni stimmen wir darüber ab.

Darum geht es (angeblich)

Um das Land vor vermeintlichen «islamistischen Anschlägen» zu schützen, sollen die Möglichkeiten der Polizei massiv ausgebaut werden. Die rechtsstaatlichen Abläufe wären ausgehebelt. Polizei und Algorithmen würden bestimmen, wer eine «Gefährderin» oder ein «Gefährder» ist. Unabhängige Überprüfung durch Richter:innen und Beschwerdemöglichkeiten? Fehlanzeige! Weil sich das Thema «islamistischer Terror» gut verkaufen lässt, steht das Gesetz im Moment bei Umfragen schwer im Ja.

Darum geht es (wirklich)

Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung soll den «Sicherheitskräften» ein Freipass ausgestellt werden. Wer «gefährlich» ist, könnten dann Polizeibeamt:innen nach eigenem Gutdünken entscheiden. Sie hätten eine unkontrollierte Machtfülle jenseits juristischer oder gar demokratischer Kontrolle. Denn bereits seit 2004 kennt das Schweizer Strafgesetzbuch «strafbare Vorbereitungshandlungen». Wer also den von den Befürwortenden ständig im Munde geführten «islamistischen Anschlag» vorbereitet, kann bereits heute ermittelt und verurteilt werden. Einfach auf rechtsstaatlichem Weg.

Emanzipatorische Bewegungen kriminalisieren

In Ermangelung von «gewalttätigen Islamisten» ist klar, dass die Polizei das Gesetz dazu missbrauchen wird, politisch unliebsame, das heisst eher linke Bewegungen zu kriminalisieren. Wie das rauskommt, konnten wir in den letzten Wochen und Monaten sehen: Feminist:nnen wurden von «Sicherheitskräften» zusammengeschlagen, obwohl sie sich an die Coronaregeln hielten (Zürich, 8. März 2021). Dagegen wurden maskenlose Covidiot:innen liebevoll begleitet und manchmal auch umarmt und mit Blumen beschenkt (so zum Beispiel in Rapperswil SG am 24. April 2021). In Basel ermöglichte die Polizei am 24. November 2018 mit einem massiven Angriff auf eine friedliche Familiendemo einem Dutzend bewaffneter Neonazis den unbehelligten Abzug. Blöd für die Polizei: Ausgerechnet ein geleaktes Polizeivideo mit Ton belegt die Absicht hinter dem aggressiven Polizeiauftreten.

Im Unterschied zum Nazi-Aufmärschchen war die eigentliche Gegendemo nicht bewilligt. Danach ermittelte die Justiz mit unverhältnismässiger Härte gegen die friedlich Demonstrierenden. Solche Willkür will das «Antiterrorgesetz» quasi legalisieren. Polizeiwillkür als Staatsraison. So wie etwa in Brasilien, Indonesien und in weiten Teilen der USA.

Viele Warnungen

Das «Antiterrorgesetz» sorgt auch weltweit für Aufsehen. Die Uno warnt davor und zahlreiche Menschrechtsorganisationen wie zum Beispiel Amnesty International. Über 60 Schweizer Rechtsprofessor:innen schlagen Alarm. Auch Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter zu Folter und Schweizer, hat sich deutlich gegen das Gesetz geäussert. Unterdessen haben Tessiner Anwält:innen schon eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht, darunter auch die bürgerlichen Urgesteine Paolo Bernasconi und Dick Marty. Wegen der Falschinformationen, die der Bundesrat an Medienkonferenzen und im Bundesbüchlein verbreitet. Unter anderem die «Menschenrechts-Konformität».

Auch Gewerkschaftsarbeit wird erschwert

Auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ist gegen das Gesetz, da es «unvereinbar mit den Grundrechten ist und damit aus rechtsstaatlicher Sicht unhaltbar». Und noch deutlicher: Bei einem Ja «besteht die Gefahr, dass unliebsame Gewerkschafter:nnen, Politiker:innen, Journalist:innen, Staatskritiker:innen oder Klimaaktivist:innen Opfer der Massnahmen werden könnten».

Quelle: Work Zeitung für die Gewerkschaft vom 4. Juni 2021, mit leichten Änderungen durch Redaktion maulwuerfe.ch

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