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Die Leninsche Konzeption der Partei: Mythen und Wirklichkeit

Eingereicht on 25. August 2021 – 16:09

Marina Garrisi. In den letzten Jahren ist der Leninismus wieder zu einem Bezugspunkt für Debatten in der radikalen Linken geworden [1]. Nachdem der Name Lenin jahrzehntelang zu Unrecht mit den Erfahrungen des «realen Sozialismus» und dem Stalinismus in Verbindung gebracht wurde, kann man sich darüber nur freuen. Bisher wurde jedoch eine Frage bei dieser Wiederkehr des Bezugs auf Lenin ausgeklammert. Es geht dabei um die Frage der Partei. Diese entscheidende und sogar zentrale Frage der Parteikonzeption Lenins ist zweifellos auch die am schwierigsten zu klärende, da sie durch viele Mythen und Phantasien verstellt ist. Der folgende Aufsatz ist ein Beitrag zur Wiederbelebung dieser Debatten.

Um die Frage nach der Partei Lenins neu zu stellen, muss man sich mit mindestens zwei Arten von Interpretationsschemata auseinandersetzen. Die erste Interpretation, die sich leider lange durchgesetzt hat, setzt den Leninismus mit Autoritarismus und die «leninistische Partei» mit der Diktatur einer «selbsternannten Elite (oder Avantgarde)» gleich, die den Keim einer totalitären Obsession in sich trägt und den Stalinismus vorwegnimmt. Das Fortbestehen dieser Leseart im Kontext der internationalen Reaktion hat zur Disqualifizierung des Bezugs auf den Parteileninismus innerhalb der extremen Linken beigetragen, auch bei Sektoren, die historisch mit diesem politischen Bezug verbunden sind – wie im Fall der historischen Strömung der NPA-exLCR und ihrer internationalen Strömung –, für die dieser Bezug fortan bestenfalls ohnmächtige Folklore, schlimmstenfalls eine im Wesentlichen sektiererische Auffassung ist, die in jedem Fall überwunden werden sollte.

In jüngerer Zeit wurde die Debatte über Lenins Parteivorstellung durch die Forschung in der englischsprachigen akademischen Welt, insbesondere durch die Arbeit von Lars Lih, teilweise neu geprägt. Seine akribische Untersuchung von Lenins Was tun?, die in dem beeindruckenden Buch Lenin Rediscovered, What is to be done? in context mündete, stellt die Mythen, die um dieses berühmte Pamphlet gemacht wurden, das lange Zeit als «Handbuch» für die systematische Ausarbeitung eines neuen Organisationskonzepts gelesen und dargestellt wurde, radikal in Frage. Die Studie von Lars Lih hat zu zahlreichen und ergiebigen Diskussionen geführt [2], aber seine These ist auch ernsthaft kritisiert worden, weil sie besagt, dass Lenin auch nach seinem Bruch mit der Zweiten Internationale bis zum Schluss ein «russischer Sozialdemokrat» geblieben sei. Letztlich tendiert seine Lesart dazu, einige der originellsten und politisch entscheidenden Merkmale von Lenins Beiträgen auszulöschen; das geht so weit, dass er bestreitet, von einer Leninschen Konzeption der Partei sprechen zu können [3]. Bislang hat sich Frankreich leider aus diesen Diskussionen herausgehalten, obwohl dadurch diese Debatten auf breiter Ebene neu belebt wurden. In diesem Aufsatz werden wir versuchen, uns jeweils auf diese verschiedenen Lesarten zu beziehen.

Lenin und der «Leninismus» nach dem 20. Jahrhundert

Um über den Leninismus im 21. Jahrhundert zu sprechen, muss man wahrscheinlich zunächst sagen, was der Leninismus nicht ist. Im Jahr 2017, als der hundertste Jahrestag der Russischen Revolution gefeiert wurde, veröffentlichte Stéphane Courtois ein Buch mit einem Titel, der von den von einigen liberalen Ideologen benutzten intellektuellen Unredlichkeiten gezeichnet ist: Lénine, inventeur du totalitarisme. Auf dieser Seite des politischen Spektrums ist die Dämonisierung von Lenin nicht neu. In seinem Buch Lenin and the Revolutionary Party stellt der nordamerikanische Historiker und trotzkistische Aktivist Paul Le Blanc fest: «Seit dem Triumph der bolschewistischen Revolution bis zum heutigen Tag haben liberale und konservative Ideologen des kapitalistischen Status quo immense Mittel eingesetzt, um die Idee zu verbreiten, dass Lenin und sein Wirken – insbesondere sein Konzept der revolutionären Partei – eine abscheuliche Bedrohung für Recht und Ordnung, den einfachen menschlichen Anstand und die westliche Zivilisation darstellen. Der Hass und die Angst, die Lenin in der internationalen Bourgeoisie hervorruft, ist unter diesem Gesichtspunkt von grosser Bedeutung. Was sie ihm im Grunde vorwerfen, ist, dass er an der Führung und dem Sieg der sozialistischen Oktoberrevolution beteiligt war und auf diese Weise die Hoffnung ganzer Generationen genährt hat.

Aber eine Rückkehr zu Lenin ist umso schwieriger, als es bezüglich seiner Auffassungen innerhalb der kommunistischen Bewegung selbst zu weiteren starken Verzerrungen gekommen ist. Wie kann man die Tatsache ignorieren, dass Stalin, der Vertreter der bürokratischen Konterrevolution im Arbeiterstaat nach Lenins Tod, durch eine systematische Berufung auf Lenin, versuchte, sich zu legitimieren. So hat der Stalinismus unter dem Deckmantel des «Leninismus» mit Hilfe und unter Missbrauch von verkürzten, aus dem Zusammenhang gerissenen und in ewige Wahrheiten umgewandelten Zitaten ein regelrechtes dogmatisches und verknöchertes Denken entwickelt, das er als Argument der Autorität bezeichnete [5]. Diese umfassende theoretische und politische Revision hat die internationale kommunistische Bewegung tiefgreifend geprägt, so sehr, dass man, wie Daniel Bensaïd es ausdrückt, «dazu neigt, den spezifischen Beitrag Lenins zur Konzeption der Partei mit dem kodifizierten ‚Leninismus‘ zu verwechseln, der mit Bolschewisierung [6], mit Monolithismus [7] gleichgesetzt wird.» Es ist im Übrigen bemerkenswert, dass liberale und stalinistische Beschreibungen der Leninschen Partei in der Darstellung eines im Wesentlichen autoritären Lenin übereinstimmen, als Architekten einer Partei mit «von oben auferlegter eiserner Disziplin», die «keine Kritik» duldet, usw. In diesem Zusammenhang und wenn wir uns an diese oberflächliche Leseart halten, können wir mit Paul Le Blanc sagen, dass «es nicht verwunderlich ist, dass viele revolutionär gesinnte Menschen zu dem Schluss kamen, dass, sofern dies der Leninismus war, er nichts für sie sei» [8]! Doch trotz der Klischees, in die ihn viele zu pressen versucht haben, bleibt Lenin eine Schlüsselfigur für diejenigen, die heute über die Möglichkeiten des Aufbaus einer revolutionären Organisation nachdenken wollen. Und zwar aus einem einfachen, aber tiefliegenden Grund, den Pierre Broué in seinem Werk Le Parti Bolchevique. Histoire du PC de l’URSS treffend formuliert hat:

«Die Partei in den Händen von Lenin war ein unvergleichliches historisches Instrument. Denn die etwa zehntausend illegalen Aktivisten, die sich nach den Revolutionstagen im Februar 1917 wieder meldeten, bildeten in weniger als acht Monaten eine Organisation, die von der breiten Masse der Arbeiter und in geringerem Masse auch der Bauern als die ihre anerkannt wurde. Sie sollte sie im Kampf gegen die provisorische Regierung anführen, um die Macht zu erobern und zu behalten. Lenin und seine Genossen sollten also durch Fraktionskämpfe und Repression dort Erfolg haben, wo andere Sozialisten unter zunächst günstigeren Bedingungen letztlich gescheitert waren; zum ersten Mal seit Bestehen der sozialistischen Parteien sollte eine von ihnen gewinnen [9].»

Gerade weil die Notwendigkeit eines solchen «historischen Instruments» für die heutige Zeit immer dringlicher wird, schlagen wir vor, zu Lenin, zu seiner Theorie und Praxis der Organisation zurückzukehren. Dies gilt umso mehr, als die Krise des Kapitalismus sich verschärft und wir einen Aufschwung des internationalen Klassenkampfes erleben, vor dem Hintergrund der Radikalisierung sowohl auf der Linken als auch auf der Rechten und des zunehmenden Autoritarismus vieler Regierungen; gleichzeitig aber ist die «neue» radikale Linke vorderhand nicht in der Lage, Perspektiven vorzuschlagen, die diese Energien in Richtung einer Konfrontation mit dem bürgerlichen Staat und einer Überwindung des kapitalistischen Horizonts lenken können. Schlimmer noch: Wir haben erlebt, wie diese «neuen» politischen Projekte wie Syriza oder Podemos in Rekordzeit zu Erfüllungsgehilfen der neoliberalen Politik geworden sind. In diesem Zusammenhang könnte eine Rückkehr zu Lenin nützlich sein. Nicht um fertige Lösungen für die gegenwärtige Situation zu finden, sondern um darüber nachzudenken, wie wieder Kampforganisationen aufgebaut werden können, die es verstehen, die sich bietenden Chancen zu erkennen, zu ergreifen und zu nutzen, um den Weg zur Revolution und zum Sozialismus im 21. Jahrhundert zu öffnen und der Gefahr zu begegnen, dass diese Situationen dem Konservatismus und schliesslich dem Faschismus Vorschub leisten.

In diesem Aufsatz schlagen wir eine Rückkehr zu Lenin vor [10], ausgehend von einer Reihe von Momenten und Debatten, die die Geschichte des Bolschewismus zu Lebzeiten Lenins geprägt haben, von den Gründungsjahren der POSDR (1895) bis zur Oktoberrevolution. Der Umfang des Themas zwingt uns natürlich, eine Reihe von Entscheidungen über die Art und Weise der Darstellung zu treffen. Unsere Fragestellung geht der Bedeutung von Lenins Beitrag zur Konzeption der Partei nach, der laut Daniel Bensaïd «eine Revolution innerhalb der Revolution» darstellt.

Wenn wir uns mit den verschiedenen Versionen von «Mythen» auseinandersetzen, die um die «Leninsche Partei» konstruiert worden sind, und wenn wir dabei zeigen wollen, dass es bei Lenin keine systematische Theorie der Partei gibt, so zeigt sich, dass trotz des fragmentarischen Charakters seiner entsprechenden Äusserungen eine Kohärenz zwischen Lenins theoretischen Organisationskonzepten und seiner Praxis des Bolschewismus besteht; eine Kohärenz, die, wie wir ebenfalls sehen werden, eine andere Tradition einleitet, die sich von der damals vorherrschenden Sozialdemokratie abhebt. Lenin bezieht sich zwar bis 1914 immer wieder auf die Sozialdemokratie und insbesondere auf ihre deutsche Sektion.  Aber die spezifischen Bedingungen der Entwicklung der Revolution in Russland und sein eigener theoretisch-politischer Weg bringen ihn im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts dazu, das Verhältnis zwischen Klasse, Partei und Führung neu zu formulieren und der Rolle der Partei in der revolutionären Dynamik eine neue Bedeutung zu geben. Dies ist eine qualitative Änderung gegenüber der internationalen Sozialdemokratie, in der seit Ende des 19. Jahrhunderts starke Vereinheitlichungstendenzen vorherrschten, die zum Aufbau echter Massenparteien, insbesondere in Deutschland, geführt haben. In dieser Hinsicht versäumten es Lenin und die von ihm geführte bolschewistische Strömung (nacheinander Tendenz, Fraktion und dann ab 1912 unabhängige Partei) nicht, innerhalb der Zweiten Internationale gegen sie zu polemisieren. Diese einzigartige Position brachte die Partei Lenins im Sommer 1914, zum Zeitpunkt des grossen Verrats der Mehrheit der Führer der Zweiten Internationale, die bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs hinter ihren eigenen Bourgeoisien standen, in eine bessere Position; dies ermöglichte der Partei auch, eine entscheidende Rolle im revolutionären Prozess Russlands von 1917 zu spielen. Vorerst jedoch skizzieren wir die wichtigsten «Etappen» in der Entwicklung der Leninschen Organisationskonzeption und ihrer Praxis des Bolschewismus innerhalb der russischen Sozialdemokratie.

Lenin mit 20: Eine Zeitung für ganz Russland

Lenin führte seinen Kampf für die sozialistische Revolution unter schwierigen Bedingungen, vor allem den spezifischen Bedingungen [11] der kapitalistischen Entwicklung in Russland geschuldet. Die Härte der Repression des zaristischen Regimes war eine grundlegende Tatsache: Sie erklärte sowohl die Schwäche der liberalen politischen Bewegung als auch die Suche nach revolutionären Wegen [12] seitens der Arbeiter- und Volksbewegung [13]. In diesem Kontext entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die ersten Debatten innerhalb der russischen revolutionären Bewegung: Die Narodniki (populistische Strömung) versuchten, die Unzufriedenheit auf dem Lande zu nutzen, wurden jedoch schnell durch die Apathie der Bauernmassen entmutigt und beschlossen, zu terroristischen Methoden überzugehen. Dieser Trend spielte eine entscheidende Rolle im Prozess der politischen Differenzierung in Russland und sollte Lenin stark beeinflussen, insbesondere nachdem sein Bruder Alexander Uljanow, ein Narodnik-Aktivist, vom Regime wegen eines versuchten Attentats auf Zar Alexander II. hingerichtet worden war. Vor allem gegen diese populistische Strömung (und später gegen die so genannte «legale marxistische» Strömung) entwickelte sich der Marxismus in Russland in den 1880er Jahren, insbesondere dank der Pionierarbeit von Georgi Plechanow bei der Übersetzung der Werke von Marx und Engels ins Russische. 1881 gründete Plechanow die «Emanzipation der Arbeit», die erste als marxistisch zu bezeichnende Gruppe, der sich bald Lenin anschloss, um sie in eine echte Partei zu verwandeln. Wie Pierre Broué erklärt, war die Rolle des letzteren von Anfang an entscheidend:

«Nach den glänzenden theoretischen Kämpfen, die von Plechanow geführt wurden, stellt sich für seine Schüler und Weggefährten das praktische Problem: Mehr als andere werden die russischen Sozialdemokraten aufgrund der Unermesslichkeit der Hindernisse, die die Autokratie jeder Organisation, selbst auf elementarer Ebene, entgegensetzt, versuchen, als konsequente Marxisten das Werkzeug zu schaffen, das ihnen zur Umgestaltung einer Welt dienen wird, die sie in Anlehnung an Marx nicht nur interpretieren wollen. Es ist der junge Uljanow – Lenin –, der diese Suche am besten zum Ausdruck bringt» [14].

Ein erster entscheidender Schritt wurde 1898 mit dem Gründungskongress der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) getan. In Wirklichkeit war die Partei jedoch weit davon entfernt, einheitlich zu sein, und die lokalen Gruppen, aus denen sie sich zusammensetzte, blieben weitgehend verstreut. Lenin schrieb dazu: «Dieser sehr grosse Schritt nach vorn scheint vorübergehend alle Kräfte der russischen Sozialdemokratie erschöpft und sie auf die zersplitterte Arbeit der Vergangenheit zurückgeworfen zu haben, die von den verschiedenen lokalen Organisationen geleistet wurde» [15]. Dies war Lenins erster grosser Kampf: Von 1895 bis 1903 kämpfte er gegen die, wie er es nannte, «handwerklichen Methoden» der sozialdemokratischen Bewegung und setzte alles daran, die «Vereinigung der Partei» [16] zu erreichen.

Lenin war aus zwei Gründen motiviert. Erstens die Überzeugung, dass es der Partei gelingen muss, die Aktionen isolierter und verstreuter Gruppen zu zentralisieren, wenn sie eine entscheidende Rolle gegen das zentralisierte Monster der zaristischen Autokratie spielen will. Er schreibt in diesem Sinne:

«Nur der Zusammenschluss in einer einzigen Partei wird es ermöglichen, die Prinzipien der Arbeitsteilung und der Ökonomie der Kräfte methodisch anzuwenden, was notwendig ist, um die Verluste zu verringern und ein mehr oder weniger solides Bollwerk gegen das Joch der autokratischen Regierung und ihrer Politik der hemmungslosen Unterdrückung zu errichten.» [17]

Zweitens sein Wunsch, die Errungenschaften jedes punktuellen Kampfes der entstehenden Arbeiterbewegung zu koordinieren und herauszukristallisieren, um ihren «Wert als Beispiel» herauszuarbeiten, der ohne eine Partei isoliert bleiben würde. Er schreibt:

«Wegen dieses handwerklichen Charakters bleiben viele kämpferischen Aktionen der Arbeiterbewegung in Russland rein lokale Veranstaltungen und verlieren viel von ihrem Wert als Beispiel für die gesamte russische Sozialdemokratie, von ihrer Bedeutung als Etappe der gesamten russischen Arbeiterbewegung. (…) Wenn sie nicht durch das Organ der Gesamtpartei vereinheitlicht werden, verlieren alle diese Formen des revolutionären Kampfes neun Zehntel ihrer Bedeutung, tragen nicht dazu bei, die allgemeine Erfahrung der Partei zu erwerben, Traditionen und Kontinuität der Aktion in der Partei zu schaffen.» [18]

Die Partei erscheint somit als «Katalysator» für die Zentralisierung, die den Kampferfahrungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten Kohärenz und Kontinuität verleiht. Dasselbe gilt für den Streik, der als Kriegsschule für die Arbeiterklasse und die Revolutionäre angesehen wird: «eine Schule, in der die Arbeiter lernen, Krieg gegen ihre Feinde zu führen.» [19] Es ist nicht überflüssig, an die geografische Fläche Russlands (die 30-mal so gross ist wie die Frankreichs …) oder an sein sehr niedriges wirtschaftliches und kulturelles Entwicklungsniveau zu erinnern, um den ganzen Ehrgeiz und die Schwierigkeit der Aufgabe zu ermessen, die sich Lenin gestellt hatte.

Auf diesem Weg zur Vereinigung der sozialdemokratischen Kräfte ist es die Zeitung, die sehr schnell als das wirksamste Instrument erscheint. So schreibt Lenin:

«… nur die Schaffung eines Zentralorgans [Zeitung] der Partei kann jedem isolierten Kämpfer» der revolutionären Sache das Gefühl geben, «in den Reihen» zu marschieren, das Bewusstsein, dass seine Arbeit unmittelbar für die Partei notwendig ist, dass er einer der Ringe in der Kette ist, die den schlimmsten Feind des russischen Proletariats und des ganzen russischen Volkes erwürgen wird.» [20]

So gelangte Lenin zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer ersten Skizze seiner Auffassung von der Partei: Die grundlegende Aufgabe der Partei besteht darin, den Initiativen des Proletariats eine gemeinsame und organisierte Richtung zu geben. Dieses Konzept ist im Grossen und Ganzen ähnlich, wenn nicht sogar identisch mit dem der damaligen internationalen Sozialdemokratie und vor allem mit dem der deutschen Sektion, die in Bezug auf die Organisation das fortschrittlichste Beispiel darstellt. Im Übrigen sei erwähnt, dass Lenin parallel zu seinem Kampf um die Vereinigung der russischen sozialdemokratischen Bewegung in die programmatischen Debatten eingriff, die die Zweite Internationale in jenen Jahren polarisierten, die durch den ersten offenen Kampf gegen den Opportunismus und insbesondere gegen den Bernsteinschen Revisionismus [21] gekennzeichnet waren und die nicht ohne Einfluss auf bestimmte russische Strömungen blieben.

1902-1903. Was tun? und die erste Spaltung innerhalb der SDAPR

Im Jahr 1903 fand der zweite Kongress der SDAPR statt, von dem man erwartete, dass er die «wahre» Vereinigung bringen würde. Stattdessen war der II. Kongress in der Geschichte derjenige des ursprünglichen Bruchs, der ersten Spaltung zwischen Menschewiki (wörtlich «die Minderheiten») und Bolschewiki («Mehrheiten», geführt von Lenin) bleiben wird. Im Rahmen der Vorbereitungsdebatte für diesen Zweiten Kongress verfasste Lenin sein berühmtes Pamphlet [22]: Was tun? [23]. Dieses Pamphlet ist im Wesentlichen eine Polemik gegen die von Martynow geführte und von Lenin als «Ökonomisten» [24] bezeichnete Gruppe und schliesst logischerweise bestimmte konjunkturelle Entwicklungen ein. Wenn Was tun? als Dreh- und Angelpunkt für dogmatische und «mythisierte» Lesarten des leninistischen Organisationskonzepts gedient hat, insbesondere innerhalb der marxistisch-leninistischen Tradition, so bietet es doch wichtige Elemente für das Verständnis des Leninschen Organisationskonzepts. Da es unmöglich ist, auf alle in diesem Text aufgeworfenen Debatten einzugehen, werden wir insbesondere zwei Ideen betrachten, die Lenin bei dieser Gelegenheit entwickelt: sein Verhältnis zur Klassenspontaneität und sein Beharren darauf, dass das Proletariat und an seiner Spitze die Sozialdemokratie das Terrain des politischen Kampfes einnimmt.

In seinem Pamphlet kritisiert Lenin die Auffassung, dass die Arbeiter «spontan» (d. h. durch die Entwicklung des Kapitalismus und seiner Krisen) zu einem revolutionären Bewusstsein gelangen könnten. Dieser Glaube an die Allmacht der Spontaneität der Massen, den er auch als «Kult des Spontanen» bezeichnet, seiner Meinung nach eine Sackgasse und hindert die russische Sozialdemokratie daran, sich richtig an ihre organisatorischen Aufgaben heranzugehen. Erstens betont er, dass der Spontanismus aus dem Klassenbewusstseins einen Gefangenen der geschichtlichen Unwägbarkeiten macht, die nicht einer geraden Linie folgen (einer langen, progressiven und ununterbrochenen Entwicklung), sondern eher einer Pendelbewegung, mit Perioden des Flusses, aber auch des Rückflusses: «die Zertrümmerung des Bewusstseins (…) geschah auch spontan». Zweitens: Lenins Hinweis darauf, dass sich das Klassenbewusstsein nicht auf neutralem Boden entwickelt, sondern dass es im Gegenteil in einem historisch bestimmten Rahmen Gestalt annehmen muss, in dem die bürgerliche Ideologie über Mittel verfügt, die denen des Proletariats tausendmal überlegen sind:

«Man spricht von Spontaneität. Aber die spontane Entwicklung der Arbeiterbewegung resultiert gerade in ihrer Unterordnung unter die bürgerliche Ideologie [25] (…) Aus dem einfachen Grund, dass die bürgerliche Ideologie zeitlich gesehen viel älter ist als die sozialistische Ideologie, dass sie in all ihren Formen vollständiger ist und unendlich mehr Mittel zur Verbreitung besitzt.» [26]

Im Kampf gegen diejenigen, die dem Kult des Spontanen frönen, schrieb Lenin sogar: «Unsere Aufgabe, die Aufgabe der Sozialdemokratie, ist der Kampf gegen die Spontaneität». Aber entgegen mancher Interpretation, und wie Lars Lih zeigt, sind Lenins Interventionen nicht so sein mangelndes Vertrauen in die Spontaneität der Massen, sondern die Überzeugung von einer kommenden Gelegenheit wo sich grosse Arbeiter- und Volksexplosionen entladen werden, und die Angst, dass die Revolutionäre nicht darauf vorbereitet sind. Es ist also die Unvorbereitetheit der Revolutionäre, die Rückständigkeit der organisierten sozialdemokratischen Kräfte, von der Lenin besessen ist, und nicht sein angebliches Misstrauen oder sein Hass gegen die Spontaneität der Massen. Im letzten Kapitel des Pamphlets skizziert Lenin einige «praktische Schlussfolgerungen»: Auf diesen Seiten radikalisiert Lenin seine Vorstellungen gegen handwerkliche Methoden und räumt der «Zentralisierung» und der professionellen Militanz einen zentralen Platz ein [27]. Wir sehen auch die Umrisse eines Organisationsschemas, das aus verschiedenen Kreisen und Organisationen besteht: Lenin unterscheidet zum Beispiel zwischen der Arbeiterorganisation, der Gewerkschaft, den Berufsverbänden, die sehr breit gefächert sein müssen, und der Organisation der Revolutionäre – der Partei.

Die andere auffällige Dimension von Lenins Pamphlet, diesmal auf einer direkt programmatischen Ebene, ist seine Polemik mit Martynow, dem er vorwirft, die politische Agitation in Richtung der Arbeiterklasse zu «verengen» und zu «verarmen», indem er sie auf «den kollektiven Kampf der Arbeiter gegen die Bosse, um ihre Arbeitskraft vorteilhaft zu verkaufen, um ihre Arbeits- und Existenzbedingungen zu verbessern [28]» reduziert. Für Lenin ist der wirtschaftliche und alltägliche Kampf im Sinne der Arbeiterklasse zwar absolut notwendig, aber nicht ausreichend, um das Klassenbewusstsein vom revolutionären Standpunkt aus zu schärfen. Im Gegenteil, der politische Kampf ist zumindest auf zwei Ebenen absolut notwendig: für die Erziehung der Klasse und der Revolutionäre, die lernen müssen, die kapitalistische Gesellschaft in all ihren Erscheinungsformen zu begreifen, um ihren zutiefst reaktionären Charakter zu erfassen, aber auch, um die für den Sieg der proletarischen Revolution notwendigen Bündnisse zu schmieden. In diesem Sinne schreibt Lenin:

«Klassenpolitisches Bewusstsein kann dem Arbeiter nur von aussen [29] vermittelt werden, d.h. von ausserhalb des ökonomischen Kampfes, von ausserhalb der Sphäre der Beziehungen zwischen Arbeitern und Unternehmern. Der einzige Bereich, aus dem dieses Wissen geschöpft werden könnte, ist der der Beziehungen aller Klassen und Schichten der Bevölkerung zum Staat und zur Regierung, der Bereich der Beziehungen aller Klassen untereinander [30].»

Und weiter:

«Das Ideal des Sozialdemokraten darf nicht der Gewerkschaftssekretär sein, sondern der Volkstribun, der es versteht, gegen jede Erscheinungsform von Willkür und Unterdrückung vorzugehen, wo immer sie auftritt, welche Klasse oder soziale Schicht auch immer darunter zu leiden hat, der es versteht, all diese Tatsachen zu verallgemeinern, um ein vollständiges Bild der Polizeigewalt und der kapitalistischen Ausbeutung zu zeichnen, der es versteht, die kleinste Gelegenheit zu nutzen, um seine sozialistischen Überzeugungen und demokratischen Forderungen vor aller Welt darzulegen, um jedem und jeder die historische und weltweite Bedeutung des emanzipatorischen Kampfes des Proletariats zu erklären [31]. «

Im Kern geht es um die Überzeugung, dass die Arbeiterklasse, um das kapitalistische System zu stürzen, eine hegemoniale Position [32] einnehmen muss, d.h. sich nicht auf eine wirtschaftlich-unternehmerische Position beschränken darf, sondern Bündnisse anstreben muss, um die Forderungen aller Ausgebeuteten und Unterdrückten zu unterstützen.

Wir haben bereits erwähnt, dass Lenins Was tun? Teil der Vorbereitungsdebatten für den Zweiten Kongress der SDAPR war. Auch wenn der Kongress in programmatischer Hinsicht einen Fortschritt darstellte (wobei insbesondere die Ökonomisten in die Minderheit gerieten), traten in organisatorischen Fragen unerwartete Divergenzen auf [33]. Die Debatten kristallisieren sich insbesondere um den «Paragraph 1 der Satzung» der SDAPR heraus, der die Kriterien für die Mitgliedschaft in der SDAPR betrifft. Zwei Versionen der Statuten stiessen aufeinander: die eine wurde von Lenin, die andere von Martow vorgelegt. Im Gegensatz zu Martov besteht Lenins Version auf der «Teilnahme» der Mitglieder an der Tätigkeit der Partei (und nicht nur auf ihrer «Mitarbeit» wie in Martovs Version) [34]. Der von Lenin eingebrachte Antrag verlor die Abstimmung des Kongresses, aber bei der Wahl der künftigen Führung der SDAPR und ihres Zentralorgans, der Iskra, gewann Lenin die Mehrheit [35]. Diese letzte Abstimmung wurde dann von den Anhängern des Martov-Antrags angefochten, die das, was sie für einen Unfall hielten, als Vorwand nutzten, um mit den Anhängern Lenins zu brechen [36].

In den Monaten nach dem Zweiten Kongress mehrten die Menschewiki ihre Anschuldigungen gegen Lenin und beschuldigten seine «bürokratische, formalistische und tyrannische Auffassung des Zentralismus» [37], für die Spaltung verantwortlich zu sein. In einem langen Artikel «Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück» kehrt Lenin zu den Ereignissen des Kongresses von 1904 zurück und zeigt die Kohärenz zwischen den beiden Strömungen und ihren Organisationskonzepten auf. Gegen die Auffassung der Menschewiki und Axelrods, die als Parteimitglieder «eine Menge Leute, die der Organisation nicht angehören, ihr aber auf die eine oder andere Weise geholfen haben» [38], betrachteten, erklärt Lenin:

«Ich fordere, dass die Partei als Avantgarde der Klasse so weit wie möglich organisiert ist, dass die Partei nur Elemente aufnimmt, die zumindest ein Minimum an Organisation beherrschen. Im Gegenteil, mein Gegner verwechselt organisierte und unorganisierte Elemente in der Partei, solche, die gelenkt werden können und solche, die dafür nicht geeignet sind» [39].

Er wehrt sich auch gegen Karikaturen, die seine Position in eine im Wesentlichen konspirative oder sektiererische Auffassung verwandeln:

«In der Tat ist es nicht zulässig, die Partei, die Avantgarde der Arbeiterklasse, mit der gesamten Klasse zu verwechseln (…), aber man darf nicht glauben, dass die Organisationen der Partei nur aus Berufsrevolutionären bestehen müssen. Wir brauchen die unterschiedlichsten Organisationen aller Arten, Ränge und Schattierungen, von extrem engen und konspirativen Organisationen bis hin zu sehr breiten und freien Organisationen.» [40]

Wir finden die Idee eines Organisationsschemas mit verschiedenen konzentrischen Kreisen.

Letztlich geht es Lenin nicht so sehr um eine «avantgardistische» Konzeption der Partei (oder «Blanquismus», wie ihm seine Gegner oft vorgeworfen haben), sondern um eine Neudefinition des Verhältnisses zwischen der Partei, die die Avantgarde (die bewusstesten und entschlossensten Schichten der Klasse) bildet, und den Massen. Es ist interessant festzustellen, dass, auch wenn die internationale Sozialdemokratie nicht ausdrücklich von Lenin angesprochen wird, seine Konzeption indirekt einen ersten Bruch mit den damals vorherrschenden Auffassungen darstellt. Und als solche wird sie Anlass zu mehreren Kritiken geben, auch auf internationaler Ebene, angefangen bei denen von Rosa Luxemburg [41].

Schliesslich sei daran erinnert, dass Lenin, obwohl er der Klärung der im Statutenstreit enthaltenen Fragen [42] grosse Bedeutung beimass, dies nicht als ausreichenden Grund betrachtete, um die Spaltung der Partei anzustreben – und entgegen der marxistisch-leninistischen Interpretation waren es tatsächlich die Menschewiki, die die Spaltung der Partei initiierten. Wie Paul Le Blanc in Erinnerung ruft, «versuchte Lenin bis zum Herbst 1904, diese Wunde zu heilen, und schlug nie vor, eine separate bolschewistische Partei zu gründen» [43]. Diese Episode veranschaulicht Lenins Verhältnis zur Frage der Parteieinheit: Er war weit davon entfernt, eine Spaltung um jeden Preis zu befürworten (sonst würde man weder seine Entschlossenheit zur Vereinigung der russischen Sozialdemokratie in der vorangegangenen Periode noch seine Position in der darauf folgenden Periode, die zum Stockholmer Vereinigungskongress führte, verstehen), weigerte sich aber, die Parteieinheit vom opportunistischen Flügel instrumentalisieren zu lassen, um politische oder programmatische Zugeständnisse zu erpressen, die er für undiskutierbar hielt. Wie Hal Draper zusammenfasst:

«… [Lenins] Position war damals: Einheit ja, aber nicht um den Preis der Aufgabe der Eroberung der Mehrheit. Einheit ja, aber auf der gleichen demokratischen Grundlage für alle: Der rechte Flügel konnte darauf hinarbeiten, den nächsten Kongress zu gewinnen, aber es war nicht hinnehmbar, dass er politische Zugeständnisse als Belohnung dafür verlangte, dass er sich nicht abspaltete.» [44]

  1. Die Revolution, die Partei und die Volksmassen

Das Jahr 1905 war zweifellos ein entscheidender Wendepunkt in Lenins theoretisch-politischem Werdegang. Wie er selbst sagt, wird die erste russische Revolution die Gelegenheit sein, die Vorstellungen der einen und der anderen auf den Prüfstand der Praxis zu stellen [45]. In diesem Sinne ist das Jahr 1905 gleichzeitig Ausdruck des Sieges der programmatischen Thesen der Bolschewiki über die der Menschewiki und der Moment, in dem Lenin die Beziehungen zwischen der Avantgarde und den Massen im revolutionären Prozess neu untersucht.

Zu jener Zeit findet in der gesamten Sozialdemokratie eine strategische Debatte über die erwartete Revolution statt. Wir können nicht im Detail auf diese Debatte zurückkommen, also beschränken wir uns auf die Feststellung, dass, wenn die Mehrheit der Strömungen der Arbeiterbewegung global gesehen darin übereinstimmt, zu sagen, dass der Inhalt der kommenden Revolution bürgerlich ist (demokratische und landwirtschaftliche Aufgaben), so gibt es elementare Unterschiede zwischen Menschewiki und Bolschewiki in Bezug auf die Rolle, die das Proletariat in dieser Revolution spielen muss. Für die Menschewiki, die mechanisch die «Etappen» der europäischen kapitalistischen Entwicklung auf Russland übertragen, muss die Sozialdemokratie versuchen, die von den Liberalen (der konstitutionell-demokratischen Partei, den so genannten Kadetten) geführte bürgerliche Revolution zu begleiten. Für Lenin – der in dieser Debatte eine Zwischenposition zwischen der Auffassung der Menschewiki und der von Leo Trotzki einnimmt [46] – muss die revolutionäre Sozialdemokratie im Gegenteil die Initiative ergreifen und den Zorn der Massen auf die Perspektive des Aufstands richten. Gerade weil Zeiten intensiver Massenaktivität die Möglichkeit bieten, Theorien in der Praxis zu erproben, werden die Erfahrungen des Jahres 1905 die Möglichkeit bieten, diese Debatten zu klären:

«Die neue Iskra [in der jetzt die menschewistischen Positionen zum Ausdruck kommen] entwickelt sich unter dem Einfluss der Ereignisse und nimmt in der Praxis die Positionen ihrer Gegner des Dritten Kongresses an, entgegen ihren eigenen Beschlüssen [47]. Es gibt keine bessere Kritik an einer falschen Doktrin als revolutionäre Ereignisse.»

Auf dieser Grundlage und im Vertrauen auf die Tatsache, dass der Marsch der Revolution die Menschewiki nur auf ihrer Linken einbeziehen und ihre Positionen zusammenführen kann, setzt sich Lenin erneut für eine Wiedervereinigung der Partei und ihrer bolschewistischen und menschewistischen Strömungen ein.

Um den Druck des Volkes zu mildern, beauftragt der Zar seinen Innenminister Boulyguine mit der Bildung einer Duma (gesetzgebende Versammlung). Diese erste Duma, deren Wahlprinzipien weitgehend unzureichend blieben, löste bei den Sozialdemokraten eine lebhafte Debatte aus. Die Bolschewiki sprachen sich für einen aktiven Boykott aus, und wurden dabei von der Mehrheit der sozialdemokratischen Organisationen unterstützt [48], und starteten eine Propaganda- und Agitationskampagne gegen Verfassungsillusionen. Die Menschewiki hingegen weigerten sich, für die Resolution zum Boykott zu stimmen [49]. Als Lenin ins Ausland emigrierte, verfolgte er die Streiks und Strassenkämpfe des russischen Proletariats, insbesondere in Petersburg und Moskau, aufmerksam und war von ihnen fasziniert [50].

Aber die grosse Neuheit, die «originellste Schöpfung» (dixit Marcel Liebman) der Revolution von 1905, ist natürlich das Auftreten der Sowjets. Diese Massenbetriebsräte, die auf der Ebene der Fabriken und später der Stadtviertel gewählt wurden, traten während der Revolution auf und breiteten sich im Laufe des Sommers in vielen Städten aus. Der prestigeträchtigste, der Sankt Petersburger Sowjet [51], der im Oktober 1905 gegründet wurde, umfasste Delegierte von 250.000 Arbeitern. Diese Räte ermöglichten es, die verschiedenen Initiativen der kämpfenden Massen umfassend zu organisieren und zu koordinieren. Im Gegensatz zu den menschewistischen Aktivisten fühlten sich die Bolschewiki von diesen neuen Rahmenbedingungen zunächst weitgehend desorientiert. Broué bemerkt dazu: «In der Tat haben sich die Bolschewiki nur langsam an die neuen revolutionären Bedingungen angepasst: Die Verschwörer wissen nicht von einem Tag auf den anderen, wie sie zu Rednern werden und Menschenmengen versammeln können.» Aus zahlreichen historischen Quellen geht hervor, dass unter ihnen eine Zurückhaltung, ja fast ein Misstrauen herrscht, das so weit geht, dass die Petersburger Ortsgruppe eine Resolution verabschiedet, in der erklärt wird, der Sowjet riskiere, das Proletariat auf einem niedrigen Entwicklungsstand zu halten. Diese Vorstellungen sind weit entfernt von denen Lenins, der aus dem Ausland nicht zögert, die Vorurteile seiner bolschewistischen Genossen gegenüber den Sowjets zu bekämpfen:

«Mir scheint, dass Genosse Radin falsch liegt, wenn er (…) diese Frage stellt: der Sowjet der Arbeiterdeputierten oder die Partei? Ich denke, dass die Frage so nicht gestellt werden kann; dass wir unbedingt zu dieser Lösung kommen müssen: sowohl der Sowjet der Arbeiterdeputierten als auch die Partei. Die Frage – eine sehr wichtige Frage – ist nur, wie die Aufgaben des Sowjets und die der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands [52] geteilt und koordiniert werden können.»

Das Auftreten der Sowjets ist für Lenin die Gelegenheit, seine theoretische Konzeption der Dialektik zwischen der Organisation (der Avantgarde) und der Spontaneität der Massen zu erweitern. Den bolschewistischen Kadern, die damals versuchten, die aus und im Kampf der revolutionären Klasse geborenen Organe den Entscheidungen der Partei unterzuordnen, stellte Lenin die Perspektive ihrer Erweiterung entgegen: «Meiner Meinung nach ist der Sowjet der Arbeiterdeputierten als revolutionäres Zentrum der politischen Leitung keine Organisation, die zu breit ist, sondern im Gegenteil zu eng.» Diese neue Konzeption des revolutionären Prozesses wird Lenin immer beibehalten; sie nimmt nicht nur die Orientierung vorweg, die er während der russischen Revolutionen von 1917 haben wird, sondern auch die späteren Debatten in der Kommunistischen Internationale der ersten Jahre über die Taktik der Einheitsfront der Arbeiter. Sie zeugt von einer nicht binären Auffassung des Verhältnisses zwischen den beiden Begriffen der revolutionären Gleichung, dem Kampf für die Einheit der Klasse in der Aktion und dem politischen Kampf für ihre revolutionäre Führung, die zu widerlegen falsch wäre.

Auf der organisatorischen Ebene, wo er die Bilanz der Revolution von 1905 zieht, kämpft Lenin für eine echte «Reorganisation der Partei». Diese hat im Wesentlichen zwei Dimensionen. Die erste ist konjunktureller Natur: Es ist notwendig, die sehr begrenzten, aber bedeutenden demokratischen Fortschritte zur Kenntnis zu nehmen, die durch die Revolution erzielt wurden und die nun eine legale Arbeit [53] und eine Demokratisierung der Partei ermöglichen. So bekämpft Lenin den Konservatismus der «bolschewistischen Komitees» [54] und plädiert gegen sie für eine «Öffnung der Türen» [55] der Partei, die seiner Meinung nach durch neue Organisationsmethoden erfolgen soll: die Vergrösserung der lokalen Kreise und vor allem das Wahlprinzip. Lenin schreibt:

«Die Bedingungen für die Tätigkeit unserer Partei haben sich radikal verändert: Zugang zur Versammlungs-, Vereinigungs- und Pressefreiheit. Natürlich sind diese Rechte äusserst prekär, und es wäre töricht, wenn nicht gar kriminell, sich auf die derzeitigen Freiheiten zu verlassen. Ein unerbittlicher Kampf liegt noch vor uns, und die Vorbereitung auf diesen Kampf muss an erster Stelle stehen. Der konspirative Apparat der Partei muss erhalten bleiben. Dennoch ist es unbedingt erforderlich, den relativ grossen Handlungsspielraum jetzt so weit wie möglich auszuschöpfen. Neben dem konspirativen Apparat ist es unabdingbar, ständig neue legale und halblegale Parteiorganisationen (und parteinahe Organisationen) aufzubauen. Ohne diese Tätigkeit wäre es undenkbar, unsere Arbeit an neue Bedingungen anzupassen, neue Probleme zu lösen…» [56]

Unter diesem Gesichtspunkt war das Jahr 1905 für die Einführung der Demokratie in der Partei von entscheidender Bedeutung. Bis dahin war sie durch die politischen Bedingungen des Landes, die ihre Ausübung nicht zuliessen, weitgehend eingeschränkt. Die Revolution änderte diese Situation, und die Bolschewiki führten in der Partei den Begriff des «demokratischen Zentralismus» ein, den es bis dahin nicht gegeben hatte. Das bedeutete natürlich Zentralismus in der Kontinuität von Was tun?, aber auch und zusätzlich Demokratie – und Lenin wurde ihr Hauptverfechter innerhalb der Partei. Als scharfe Reaktion auf eine Resolution des Zentralkomitees über «Freiheit der Kritik und Einheit der Aktion» formulierte Lenin den demokratischen Zentralismus wie folgt:

«Das Prinzip des demokratischen Zentralismus und der Autonomie der lokalen Organisationen bedeutet gerade die Freiheit der Kritik, ganz und überall, solange sie die Einheit einer bestimmten Aktion nicht behindert, und die Unzulässigkeit jeder Kritik, die die Einheit einer von der Partei beschlossenen Aktion zerstört oder behindert.» [57]

Wir können diese Frage nicht im Detail behandeln, aber angesichts der Mythen, die sich über den Autoritarismus und die Vertikalität der Partei Lenins hartnäckig halten, ist es nicht überflüssig, auf die zahlreichen Referenzen zu verweisen, die zu diesem Thema existieren [58].

Zweitens sind die Revolution und das Auftreten der Sowjets für Lenin der Anlass, die Verbindung zwischen Partei und Massen in der revolutionären Dynamik neu zu erarbeiten. Wenn man Lenin seit dem Kongress von 1903 vorgeworfen hat (oft zu Unrecht, wie wir gesehen haben), das «spontane Element» unterzubewerten, so ist 1905 der Beweis dafür, dass Lenin ihm im Gegenteil eine entscheidende Bedeutung zugesteht. Die Verbindung zwischen Spontaneität (den Massen) und Organisation (der Avantgarde) ist unter einem dialektischen Gesichtspunkt zu betrachten. Manchmal, insbesondere in Zeiten plötzlicher Veränderungen der Situation, kann das spontane Element dem organisierten Element zuvorkommen: «Die Veränderung der objektiven Bedingungen des Kampfes, die den Übergang vom Streik zum Aufstand notwendig machte, wurde vom Proletariat lange vor seinen Führern wahrgenommen.» Aber auch wenn Lenin seine Parteikonzeption bereichert, bleibt sie in dem Punkt, der ihn 1903 gegen die menschewistischen Positionen aufbrachte, grundsätzlich gleich: Auch in Zeiten der Revolution (und man könnte sagen, gerade in Zeiten der Revolution) ist die Existenz einer zusammengeschweissten und zentralisierten Partei von entscheidender Bedeutung.

Wenn Lenin auch nicht von seiner Konzeption der Partei als Vorhut der Klasse abrückt, so veranlasst ihn doch die veränderte politische Situation, von nun an mit Nachdruck auf der Notwendigkeit zu bestehen, dass die bolschewistischen Kader sich überall und ständig mit den Massen auseinandersetzen müssen. Dies zeigt, dass es keineswegs eine mechanische Beziehung zwischen der Klasse/Masse und der Partei/Vorhut gibt, sondern vielmehr eine «Bewegung des ständigen Austauschs zwischen der Partei und den angesammelten Erfahrungen der Klasse», um es mit den Worten von Daniel Bensaïd zu sagen. Das ist es, was die Partei Lenins so flexibel macht (und was in krassem Gegensatz zu dem Bild eines monolithischen Konzepts steht, das er vertritt, wenn man bestimmten Lesarten Glauben schenken will): ihre Fähigkeit, die Veränderungen der politischen Situation aufzugreifen, um sich selbst zu aktualisieren und jedem Konservatismus zu entgehen. Die Organisation dient also nicht als Bollwerk gegen Spontaneität, sondern ihre Disziplin ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sie sich schnell an veränderte Situationen anpassen kann. Oder, mit den Worten von Lukács:

«Es ist nicht die Aufgabe der Partei, den Massen irgendwelche abstrakt ausgearbeiteten Verhaltensweisen aufzuzwingen, sondern im Gegenteil, ständig von den Kämpfen und Kampfmethoden der Massen zu lernen (…) Das erklärt, warum jeder Dogmatismus in der Theorie und jede Versteinerung in der Organisation für die Partei fatal sind.» [59]

Diese Auffassung steht im Gegensatz zur Auffassung der Mehrheit der deutschen Sozialdemokratie, die die Spontaneität der Massen als eine Hilfskraft ansieht, die von der Partei punktuell mobilisiert werden kann, die aber im Wesentlichen ein Faktor der «Desorganisation»/Ausdruck der «Unreife» des Proletariats bleibt. Dies ist jedenfalls die Position, die Kautsky in der Debatte von 1910 bis 1913 vertrat, die die «Neue Zeit» um den «Massenstreik» bewegte, die ihm Rosa Luxemburg und Anton Pannekoek gegenüberstellte [60] und die insbesondere auf einer Bewertung der russischen Revolution von 1905 beruhte. Es scheint, dass Lenin sich dieser Debatte damals nicht direkt bewusst war, aber es ist unbestreitbar, dass er eine Position vertrat, die der von Luxemburg viel näher stand als der von Kautsky.

Schliesslich bestätigte und beschleunigte das Jahr 1905 auch die Annäherung zwischen den menschewistischen und bolschewistischen Strömungen. Obwohl die Revolution das Ausmass der politischen und programmatischen Divergenzen zwischen den beiden Strömungen offenbart hat [61], ist Lenin zuversichtlich, dass die Menschewiki unter dem Druck der Situation und der Politik der Bolschewiki gezwungen sein werden, sich ihren Vorstellungen anzuschliessen. In Wirklichkeit standen Bolschewiki und Menschewiki während der Revolution von 1905 gemeinsam auf der gleichen Seite der Barrikaden. Für ihn kann und muss sich der politische Kampf im Rahmen einer wiedervereinigten Partei entwickeln, wenn er geführt werden soll:

«Wir müssen den entschlossensten, offensten und rücksichtslosesten ideologischen Kampf gegen diese rechten Tendenzen unserer Sozialdemokraten führen. (…) Aber in einer vereinigten Partei darf dieser ideologische Kampf die Organisationen nicht spalten, er darf die Einheit der Aktion des Proletariats nicht behindern.» [62]

So wurde im April 1906 in Stockholm ein Vereinigungskongress abgehalten. Auch hier ist das, was Lenin leitet, neben der Analyse der neuen Koordinaten der politischen Situation, die Überzeugung, dass die Revolution eine Perspektive ist, die entschlossen vorbereitet werden muss [63]:

«Denkt daran, dass euch morgen oder übermorgen die Ereignisse auf jeden Fall und unweigerlich zum Aufstand aufrufen werden und dass es nur eine Frage des Wissens ist, ob ihr im Augenblick der Aktion bereit und vereint oder zerstreut und desorientiert sein werdet.» [64]

1907-1912. Die Jahre der Reaktion und die endgültige Trennung

Der Vereinigungskongress, der im April 1906 in Stockholm stattfand, verschaffte den Menschewiki eine Mehrheit: 62 Delegierte, die 34.000 Menschewiki vertraten, standen 46 bolschewistischen Delegierten gegenüber, die 14.000 Aktivisten vertraten. Lenin und die Bolschewiki behalten ihre Fraktion bei, aber Lenin erklärt, dass diese nicht dazu berufen ist, in eine neue Partei umgewandelt zu werden, sondern einfach «ein Block ist, um in der Arbeiterpartei eine bestimmte Taktik anzuwenden». Auf dem Londoner Kongress im Mai 1907 kehrte sich das interne Kräfteverhältnis um, und es gab nun eine knappe Mehrheit der Bolschewiki. Dies erklärt sich vor allem durch die Ablehnung der aufständischen Aktionen von 1905 seitens der Menschewiki, den Zusammenhalt und die Organisationsarbeit der bolschewistischen Kader. Doch schon bald sah sich die SDAPR mit einer neuen, viel ungünstigeren Situation konfrontiert. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 1907 und noch stärker im Jahr 1908 setzte die Repression des Regimes gegen die sozialdemokratische Bewegung ein: Zusammenbruch der Arbeiterbewegung und der Streiks, Auflösung der sozialdemokratischen Komitees, Verhaftungen, Verbannung… Zur Mitgliederzahl der SDAPR bemerkt Pierre Broué: «Von mehreren Tausend in Moskau im Jahr 1907 waren es Ende 1908 nur noch 500, Ende 1909 150: 1910 gab es keine Organisation mehr. Im gesamten Land sank die Zahl der Mitglieder von fast 100.000 auf weniger als 10.000 [65]. Kurz gesagt, nach der revolutionären Phase von 1905-1906 war die Reaktion heftig und die Ebbe allgemein.

Diese neuen Verhältnisse tragen in besonderem Masse dazu bei, die Spannungen und Meinungsverschiedenheiten innerhalb der verbliebenen Partei zu verschärfen. Die Polemik über den Ausgang der Revolution von 1905 und über die in der neuen Situation zu verfolgende Politik wird wieder ernsthaft aufgenommen. Die Meinungsverschiedenheiten kristallisierten sich im Wesentlichen in der Frage heraus, welche Politik gegenüber der Dritten Duma verfolgt werden sollte und ob die Partei ihre illegalen Aktivitäten beibehalten sollte. Die Meinungsverschiedenheiten werden sowohl auf der Seite der Menschewiki als auch der Bolschewiki zum Ausdruck kommen und zu neuen Konfigurationen führen. Innerhalb der bolschewistischen Strömung vertrat Lenin eine Minderheitenposition gegenüber den Oztowisten, Anhängern von Bodganow, die sich gegen Lenin stellten und die Aussicht auf ausschliesslich illegale Arbeit und den Boykott der Duma verteidigten. Im Gegenteil, Lenin leitet aus der Situation die Notwendigkeit ab, dass die Revolutionäre alle Mittel, auch legale oder halblegale, einsetzen, um «Kräfte vorzubereiten und zu sammeln» und ihr Programm bekannt zu machen. So wird Lenin, obwohl er den reaktionären Charakter der Dritten Duma anerkennt und gegen verfassungsrechtliche Illusionen kämpft, nicht zögern, mit den Menschewiki gegen den Boykott der Wahlen zu stimmen. Zu den Anhängern Bodganows gesellte sich die als Ultimatisten bekannte bolschewistische Strömung, die gegen jede legale Massnahme war, einschliesslich der Beteiligung an den Gewerkschaften. Auf der menschewistischen Seite entwickelt sich eine entgegengesetzte Tendenz, die für den Verzicht auf klandestine Aktivitäten und die grundsätzliche Ablehnung illegaler Aktionen eintritt. Dies ist die Tendenz der Liquidatoren, gegen die Lenin versucht, im Bündnis mit dem von Plechanow geführten Flügel der Menschewiki, der sich «die Partei» nennt, eine interne Front zu organisieren. Die Offensive der Liquidatoren setzte auf dem Kongress im Dezember 1908 ein, und Lenin schrieb, es handle sich um

«einen Versuch eines bestimmten Teils der Parteiintellektuellen, die bestehende Organisation der SDAPR zu liquidieren und durch eine formlose Gruppierung im Rahmen der Legalität um jeden Preis zu ersetzen, wobei diese Legalität mit einem offensichtlichen Verzicht auf das Programm, die Taktik und die Traditionen der Partei erkauft werden muss.» [66]

So wurde die SDAPR von 1908 bis 1912 nicht nur quantitativ geschwächt, sondern auch durch zahlreiche interne Kämpfe aufgezehrt. Der reaktionäre Charakter der politischen Entwicklungen drängte jedoch auf Einheit in den Reihen der Partei. In einem Text von 1910 mit dem Titel «Notiz eines Publizisten» stellt Lenin eine «Krise der Vereinigung» fest. Er identifiziert zwei Methoden der Vereinigung: «zwei grundlegend unterschiedliche Ansichten über das Wesen und die Bedeutung der Parteivereinigung» und kämpft gegen die versöhnlerischen Tendenzen, die sowohl auf der bolschewistischen als auch auf der menschewistischen Seite bestehen. Er schreibt:

«Eine dieser beiden Auffassungen von Einigung stellt die «Vermittlung» durch «bestimmte Personen, Gruppen und Institutionen» in den Vordergrund. Ihre Einigkeit über die Arbeit der Partei, über die Linie dieser Arbeit wird zweitrangig. Man muss versuchen, die Meinungsverschiedenheiten stillschweigend zu übergehen, anstatt ihre Wurzeln, ihre Tragweite und die objektiven Bedingungen, die sie hervorrufen, ans Licht zu bringen. (…) Es gibt eine zweite Sichtweise auf die besagte Vereinheitlichung. Dieser zweite Gesichtspunkt beruht auf der Tatsache, dass es eine ganze Reihe tiefgreifender objektiver Ursachen gibt (…), Ursachen, die schon seit langem innerhalb der beiden alten, der beiden grossen russischen Fraktionen der Sozialdemokratie zu Veränderungen geführt haben und weiter führen werden, so dass – manchmal gegen den Willen oder sogar ohne das Wissen eines Teils der «entschlossenen Individuen, Gruppen und Institutionen» – die ideologischen und organisatorischen Grundlagen der Vereinigung geschaffen werden.» [67]

Mit anderen Worten: Für Lenin kann die Einheit und der Zusammenhalt der Partei nicht erreicht werden, ohne sich den programmatischen und politischen Diskussionen zu stellen, die die russische Sozialdemokratie durchziehen, ohne «an beiden Fronten zu kämpfen» gegen die beiden entgegengesetzten Bedrohungen des Liquidationismus (Opportunismus) und des Oztowismus (Linksradikalismus). Die Wiederaufnahme des Klassenkampfes ab 1910 und insbesondere in den Jahren 1911 und 1912 und Lenins Überzeugung, dass sich neue revolutionäre Ereignisse anbahnten, veranlassten Lenin zu einer Radikalisierung seiner Vorstellungen. Revolutionäre müssen sich auf den nächsten revolutionären Aufschwung vorbereiten, und dies kann nicht ohne eine solide strukturierte Organisation geschehen. Ausgestattet mit dieser Erkenntnis nutzte Lenin die Prager Konferenz vom Januar 1912, um den Ausschluss der Liquidatoren zu verkünden und die Schaffung «illegaler sozialdemokratischer Kerne, die von einem möglichst grossen Netz legaler Arbeitervereinigungen umgeben sind», voranzutreiben. Die Bolschewiki existieren endlich als unabhängige Partei. Diesbezüglich bemerkt Paul Le Blanc:

«Diese Perspektive der Spaltung bedeutete einen Bruch mit dem klassischen Beispiel der deutschen Sozialdemokratie, und zwar in einer Weise, die tiefer ging als alle Formulierungen von Was tun? oder Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück.» [68]

Diese Entscheidung rief in der internationalen Sozialdemokratie heftige Reaktionen hervor und brachte Lenin Kritik von Rosa Luxemburg, aber auch von Karl Kautsky ein, der den Bolschewiki vorwarf, eine Partei mit «anderem Inhalt» aufzubauen.

Das Jahr 1917. Die Partei der Revolution

Wir haben gesehen, dass sich der Bolschewismus seit seiner Entstehung im Rahmen recht unterschiedlicher Organisationsformen entwickelt hat. Dies gilt umso mehr für die acht turbulentesten Monate ihrer Geschichte, die zwischen Februar und Oktober 1917 liegen.

Anfang März, nach den Tagen des Aufstands, der zum Zusammenbruch des zaristischen Regimes führte, war die Aufregung noch nicht abgeklungen. Es kam zu Streiks, und die gerade ernannte provisorische Regierung war machtlos, die Situation zu kontrollieren. Von Anfang an war sie mit dem Sowjet konfrontiert, der damals von den reformistischen Strömungen (Menschewiki und Sozialrevolutionäre) angeführt wurde, der nach dem Vorbild von 1905 wieder aufgetaucht war. Der Petrograder Sowjet (und alle anderen, die sich im Rest des Landes entwickelten) hatte in vielerlei Hinsicht eine potenziell grössere Macht, weigerte sich aber, diese auszuüben, und beschränkte sich auf eine beratende Rolle und Druck auf die bürgerliche Regierung. Wie die Revolution von 1905 kan auch die Revolution vom Februar 1917 für die Revolutionäre überraschend. Die bolschewistische Partei wurde in Petrograd von einem «russischen Büro des Zentralkomitees» um den Metallarbeiter Alexander Schljapnikow geleitet. Diese Führung hinkte den Ereignissen hinterher und hatte Schwierigkeiten, ihren Weg zu finden. Als am 12. März zwei Mitglieder des Zentralkomitees, Stalin und Kamenjew, aus ihrer Verbannung nach Sibirien zurückkehren, geht die Partei zu einer Position der nationalen Verteidigung, der bedingten Unterstützung und des «Drucks» auf die provisorische Regierung über. [69] Diese Positionen stehen in diametralem Gegensatz zum Inhalt der «Briefe aus der Ferne» [70], die Lenin zwischen dem 7. und 12. März aus der Schweiz schrieb und verschickte.

Nach seiner Rückkehr nach Petrograd am 3. April nahm Lenin sofort den Kampf mit seiner eigenen «menschewistischen» Partei auf. In seiner ersten Rede, als er aus seinem „geführten Zug“ ausstieg, bekräftigte er, dass die Februarrevolution die grundlegenden Probleme des Proletariats nicht gelöst habe, dass man nicht auf halbem Wege stehen bleiben dürfe und dass die Arbeiterklasse im Bündnis mit der Masse der Soldaten die demokratische Revolution in eine sozialistische proletarische Revolution umwandeln müsse. Er schloss mit den Worten: «Von einem Moment auf den anderen, jeden Tag, können wir den Zusammenbruch des gesamten europäischen Imperialismus erwarten. Die russische Revolution, die ihr vollbracht habt, hat den Anfang davon markiert und den Grundstein für eine neue Epoche gelegt. Es lebe die sozialistische Weltrevolution!» [71] Am nächsten Tag veröffentlicht er die «Aprilthesen» [72], in denen er die von ihm vorgeschlagenen Orientierungen für die Partei und die Revolution entwickelt: keine Unterstützung der provisorischen Regierung, sondern ein entschlossener Kampf gegen sie, Ablehnung jeglicher «revolutionärer Defensive» (d.h. Fortsetzung des Krieges im Namen der Verteidigung der Revolution), keine Annäherung an die Menschewiki, «alle Macht den Sowjets», Schaffung einer revolutionären Regierung, die die Räteregierung hervorbringen und das Land auf den Weg des Sozialismus verpflichten würde. Diese Positionen wurden von der Mehrheit des Zentralkomitees abgelehnt, aber von den meisten Kadern und der kämpfenden Basis unterstützt, deren Zahl täglich zunahm. Lenin siegt mit einer Geschwindigkeit, die erstaunlich erscheint, da seine Positionen schon auf der ersten bolschewistischen Konferenz von Petrograd (14. oder 22. April) und dann auf der siebten gesamtrussischen Konferenz der (bolschewistischen) SDSAPR, die vom 24. bis 29. April stattfand, ganz klar angenommen werden.

Nachdem er sich auf die radikale Basis der Partei gestützt hatte, musste Lenin sie bremsen und versuchen, ihren Schwung zu kontrollieren. Mit der weiteren Verschärfung der politischen und sozialen Krise gingen die Demonstrationen in Unruhen über (zum ersten Mal in den Tagen des 20. und 21. April), und innerhalb der Arbeiterklasse und der Petrograder Garnison bildete sich nun ein Massensektor, der die provisorische Regierung so schnell wie möglich stürzen wollte. Die halbaufständischen Tage des 3., 4. und 5. Juli sind der höchste Ausdruck dieses Vorstosses, während die Situation noch nicht reif ist, um die Machtergreifung mit vernünftigen Erfolgsaussichten in Betracht zu ziehen. In dieser Zeit ist die bolschewistische Partei das Gegenteil des Bildes eines monolithischen Blocks, der hinter einer allmächtigen Führung und einem Führer steht. Wie die Sowjets und die Fabrikkomitees funktionierte sie hyperdemokratisch, mit Tendenzen von rechts, links und der Mitte, die sich ständig neu zusammensetzten. In der Praxis enthält sie aber auch eine starke Komponente von Föderalismus und Autonomie. Wir sehen, wie lokale oder sektorale Organisationen ihre Vorrechte und ihre Entscheidungen verteidigen, manchmal sogar gegen das Zentralkomitee. Die wichtigsten Entscheidungen, die in der Hauptstadt getroffen werden, sind oft das Ergebnis langer Diskussionen und letztlich von Kompromissen zwischen der nationalen Führung und diesen halbautonomen Strukturen. Darüber hinaus handelt es sich vor allem um zwei Zusammenhänge: zum einen das Petrograder Komitee, das die Partei leitet und ihr tägliches Eingreifen in den Bezirken und Fabriken der Hauptstadt organisiert, zum anderen die Führung der Militärorganisation, die an der Spitze der politischen und organisatorischen Arbeit innerhalb einer Garnison steht, die je nach Zeit (und den Schätzungen der Historiker) zwischen 215.000 und 300.000 Mitglieder umfasst. Diese beiden Strukturen, vor allem die Militärorganisation, waren massgeblich für die Julitage verantwortlich. Letztere waren Ausdruck und Kombination einerseits von massenrevolutionärer Spontaneität, andererseits von Entscheidungen revolutionärer Sektoren, vor allem der Bolschewiki; teilweise entgegen der Position von Lenin und Trotzki, die damals Ereignisse begleiteten, die sie weder organisiert noch wirklich gewollt hatten. [73]

Zwischen Februar und Oktober vollzog die Partei zwei weitere gleichzeitige Veränderungen. Erstens integrierte sie Zehntausende von Vorkämpfern (kurz vor dem Oktoberaufstand zählte sie über 100.000 Mitglieder, während es am Vorabend der Februarrevolution schätzungsweise nur 20.000 waren), die ihr neues Blut einbrachten und die Partei in gewisser Weise revolutionierten. Zweitens schloss sie sich auf dem 6. so genannten «Vereinigungskongress» (26. Juli bis 3. August 1917) mit einer ganzen Reihe von Gruppen und Einzelpersonen zusammen, die sowohl den alten bolschewistischen als auch den menschewistischen Organisationen angehörten bzw. von beiden unabhängig geblieben waren. Der bedeutendste Sektor ist die Organisation der Inter-Rayonnisten, die 4000 Mitglieder umfasste, darunter auch Leo Trotzki [74]. Derjenige, den Lenin bei vielen Gelegenheiten sarkastisch beschuldigt hatte, von dem er immer wieder gesagt hatte, dass nichts jemals möglich sein würde, wurde so quasi sein Alter Ego an der Spitze der Partei und bald auch der Revolution und des entstehenden Arbeiterstaates. Für Lenin ist das entscheidende Kriterium das der Revolution: Es ist das Programm, das nicht abstrakt betrachtet wird, sondern in der Hitze der revolutionären Ereignisse in die Tat umgesetzt und in Bewegung gesetzt wird. In diesem Zusammenhang ist oft gesagt worden, dass Trotzki 1917 Lenins Position hinsichtlich der Partei unterstützte, während Lenin die Gültigkeit von Trotzkis Schlussfolgerungen zur sozialistischen Dynamik der Revolution anerkannte. Auch wenn daran etwas Wahres dran ist, muss betont werden, dass die trotzkistischen und leninistischen Vorstellungen von der Revolution nicht so weit auseinander lagen, wie es manchmal den Anschein hatte. So bekräftigte Lenin bereits 1905: «Sobald die demokratische Revolution vollzogen ist, werden wir sofort und im genauen Umfang unserer Kräfte, der Kräfte des bewussten und organisierten Proletariats, den Weg zur sozialistischen Revolution einschlagen. Wir sind für eine permanente Revolution. Wir werden nicht auf halbem Weg stehen bleiben. [75]

Nach den Julitagen kommt es zu einer Phase von Reaktion und Repression, die die Bolschewiki zwingt, sich zu verstecken. Diese Bedingungen verschlechterten sich jedoch nach einigen Wochen und kehrten sich Ende August vollständig um, als der Putschversuch von General Kornilow (der von Kerenski, dem Präsidenten der provisorischen Regierung, zum Stabschef der Streitkräfte ernannt worden war) die Diskreditierung der offiziellen Behörden beendete und sie in der Luft hängen liess, ebenso wie die reformistischen Strömungen, die sie weiterhin unterstützten. Im September war der Aufstieg der Bolschewiki unaufhaltsam. Sie bildeten die Mehrheit in den Sowjets, zunächst in Petrograd (Trotzki gewann den Vorsitz zurück, den er 1905 innegehabt hatte), dann in Moskau und in vielen Provinzen. Lenin erkannte diese neue Situation und begrüsste sie, drängte die bolschewistische Führung aber weiterhin, unverzüglich mit den Vorbereitungen für den Aufstand zu beginnen. Der Weg war frei für den Sieg der Revolution und die offizielle Machtübernahme durch den Nationalen Sowjetkongress am 24. und 25. Oktober. Diese Sequenz (Februar-Oktober 1917), die nur kurz umrissen wurde, verdient einer ausführlicheren Darstellung. Es ist diese Abfolge, die es uns erlaubt, die soziale Revolution konkret und in der Praxis als einen Prozess zu verstehen, der sich aus der engen Verbindung zwischen einer Partei und einer Führung ergibt, die auf die Revolution und die Selbstorganisation der Massen vorbereitet und ausgerichtet ist – gemäss der berühmten Metapher vom Kolben und dem Dampf. [76] Wenn der Leninismus und die Leninsche Organisation zu einem Leitfaden, einem Ideal und einem Modell für einen wichtigen Flügel der Arbeiterbewegung geworden sind, so ist dies eindeutig auf seinen Triumph im Jahr 1917 zurückzuführen. Es war dieser Triumph des Bolschewismus, der die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte – «in Hass oder Begeisterung, Abscheu oder Verehrung.» [77]

Die Partei von Lenin. Eine «neue Art» von Partei?

Kehren wir schliesslich zu unserer Ausgangsfrage zurück: Inwieweit war Lenin an der Erneuerung der Konzeption der revolutionären Organisation beteiligt? In diesem Artikel haben wir gezeigt, dass es keine systematische Theorie der «Leninschen Partei» und keine monolithische Form davon gibt. Im Gegenteil, wir haben darauf bestanden, dass Lenin ständig an der Überarbeitung arbeitet, vor allem im Hinblick auf die Veränderungen der politischen Situation. Im Gegensatz zum stalinistischen Interpretationsschema, das aus Was tun? ein fertiges Handbuch der «leninistischen Partei» macht, haben wir gesehen, dass Lenin bis 1914 nicht versucht hat, einen «neuen Typ» von Partei aufzubauen, und zumindest auf theoretischer Ebene bleiben seine Bezüge global die der deutschen Sozialdemokratie als dem fortgeschrittensten Teil der internationalen Sozialdemokratie. Das hindert ihn nicht daran, wie wir ebenfalls gesehen haben, in der Praxis singuläre Positionen zu entwickeln, die der damaligen Mehrheitsauffassung innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung oft zuwiderlaufen (zum Verhältnis zwischen Klasse, Partei und Führung; zur Spontaneität der Massen oder zur Frage der Parteieinheit). Das hindert ihn nicht daran, dass seine Positionen innerhalb der Zweiten Internationale heftig kritisiert werden – wir haben die Kritik von Rosa Luxemburg erwähnt, aber erwähnen wir auch die von Kautsky, der die Position der Bolschewiki auf der Prager Konferenz 1912 bedauert, eine unabhängige bolschewistische Partei zu gründen. Lenin blieb jedoch davon überzeugt, dass seine Orientierung der der internationalen Sozialdemokratie entsprach, und seine Organisationskonzepte wurden nicht über den Rahmen des zaristischen Russlands hinaus verallgemeinert. Wie Daniel Bensaïd zu Recht schreibt:

«Bis 1914 handelt es sich eher noch um einen Halbbruch mit der herrschenden Orthodoxie, die sich auf die russischen Besonderheiten stützt, ohne verallgemeinerbare Elemente ihres Ansatzes zu entwickeln. (…) seine Problematik wird ab 1914 systematisiert.» [78]

Es war der Erste Weltkrieg, der die Widersprüche innerhalb der Zweiten Internationale zutiefst offenbarte und eine völlige Neuordnung der internationalen Arbeiterbewegung auslöste. Im Sommer 1914 stürzte der Kriegseintritt der europäischen Grossmächte zur Aufteilung der Welt in Einflusszonen die Arbeiterparteien in ein brennendes Dilemma: die heilige Allianz zu brechen und damit das Risiko einzugehen, illegal zu werden, oder sich den Interessen der eigenen Bourgeoisie anzuschliessen. Mit wenigen Ausnahmen stellte sich die Mehrheit der Führer der Zweiten Internationale hinter das Banner des «Sozialchauvinismus» und stimmte für die Kriegskredite und brach damit mit den Grundsätzen des proletarischen Internationalismus, die auf dem Stuttgarter Kongress 1907 bekräftigt worden waren. Als Lenin diese Nachricht hörte, konnte er sie zunächst gar nicht glauben und hielt sie für eine Verleumdung, um Zwietracht in der revolutionären Bewegung zu säen. Als kein Zweifel mehr daran bestand, dass die Organisationen der Arbeiterklasse und insbesondere ihre Führungen die Interessen der sozialistischen Revolution und der Klassensolidarität verraten hatten, machte Lenin das Verständnis dieser Situation zur obersten Priorität. Es ist dringend notwendig, die historische Bedeutung dieses Verrats zu begreifen und die praktischen und vor allem organisatorischen Konsequenzen daraus zu ziehen. Er schreibt:

«Die meisten sozialdemokratischen Parteien, allen voran die grösste und einflussreichste von ihnen, die deutsche Partei, haben sich auf die Seite ihres Personals, ihrer Regierung, ihrer Bourgeoisie, gegen das Proletariat gestellt. Es handelt sich um ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung, und man kann nicht anders, als es in seinen verschiedensten Aspekten zu analysieren.» [79]

Diese Tragödie ist der Anlass für Lenin, eine tiefgreifende politische Aufrüstung vorzunehmen. Um das Ausmass dieser Aufrüstung auf theoretischer Ebene zu begreifen, sei beispielsweise erwähnt, dass die Jahre 1914-1915 gleichzeitig die Jahre des eingehenden Studiums und der kritischen Aneignung des Werks von Carl Clausewitz, des preussischen Generals und Theoretikers der Kriegskunst, und die Zeit einer aufmerksamen Lektüre von Hegel und einer erneuten Prüfung seiner Dialektik waren. [80] Einer der zentralen Gedanken Lenins ist, dass der imperialistische Krieg einen Bruch mit der vorangegangenen Periode der «friedlichen Entwicklung» markiert, dass er eine Neukodierung des globalen historischen und strategischen Rahmens auslöst. Diesbezüglich schreibt er:

„Der europäische Krieg stellt eine sehr tiefe historische Krise dar, er markiert den Beginn einer neuen Epoche. Wie jede Krise hat sie tiefe Widersprüche akzentuiert und ans Licht gebracht (…) Die Zweite Internationale, der es gelungen ist, in fünfundzwanzig oder fünfundvierzig Jahren (je nachdem, ob man von 1870 oder 1889 an zählt) ein äusserst wichtiges und nützliches Werk zu vollbringen, nämlich die Verbreitung des Sozialismus und die ersten Ansätze der Organisation seiner Kräfte, hat ihre historische Aufgabe erfüllt.» [81]

Die imperialistische Epoche und die durch 1914 ausgelöste Krise veranlassten Lenin, die Rolle des Opportunismus innerhalb der Arbeiterbewegung neu zu bewerten. Schon vor dem Krieg war Lenin mehrfach auf den Kampf gegen den Opportunismus innerhalb der internationalen Sozialdemokratie zurückgekommen. Man denke zum Beispiel an das Vorwort zu seiner 1907 erschienenen Sammlung «In zwölf Jahren», in dem er die politischen Kämpfe innerhalb der SDAPR seit ihrer Gründung schildert. Es war derselbe Kampf gegen den Opportunismus, der ihn dazu brachte, sich von der SDAPR zu lösen und eine unabhängige politische Organisation aufzubauen. Und auch Lenin war sich bewusst, dass es in den verschiedenen Sektionen der Zweiten Internationale ähnliche Tendenzen gab. Was sich mit der Tragödie von 1914 tatsächlich veränderte, ist die Bedeutung dieser opportunistischen Strömungen innerhalb der Arbeiterbewegung:

«Die durch den Ersten Weltkrieg ausgelöste Krise hat den Schleier weggerissen, die Konventionen hinweggefegt, den lange gereiften Abszess zum Platzen gebracht und den Opportunismus in seiner wahren Rolle als Verbündeter der Bourgeoisie gezeigt.» [82]

Mit anderen Worten: Der Opportunismus hat für Lenin den historischen Beweis seiner konterrevolutionären Rolle erbracht und er kann deshalb nicht mehr wie bisher als ‚legitime Nuance‘ innerhalb einer einzigen Partei» [83] betrachtet werden. Der Kampf gegen den Opportunismus ändert seinen Charakter, und Lenin zieht daraus Schlussfolgerungen auf politischer und organisatorischer Ebene. Es geht nicht mehr nur um einen Kampf zwischen Tendenzen innerhalb derselben Organisation: «Es ist jetzt notwendig, dass dieser [Opportunismus] auf dem organisatorischen Terrain völlig von den Arbeiterparteien getrennt wird. Deshalb rief Lenin bereits im August 1914 zum Bruch mit der Zweiten Internationale auf und machte sich an die Arbeit, sich international gegen den Opportunismus (oder «Sozialchauvinismus» und Klassenversöhnung) neu zu gruppieren, eine Arbeit, die zu den Konferenzen von Zimmerwald (1915), Kiental (1916) und dann zur Gründung der Dritten Internationale (1919) führte. Diese neue politische Spaltung und die Notwendigkeit, politisch und strategisch vom Opportunismus abgegrenzte Organisationen aufzubauen, sowohl auf nationalem als auch auf internationalem Terrain, ist die grundlegende Lehre, die er aus dem Verrat von 1914 zieht. Diejenigen, die sich wie die «zentristischen» Flügel (und insbesondere Kautsky, Lenins wichtigster «Abtrünniger») weigern, in dieser neuen Situation entsprechend zu handeln, und die glauben, dass der Kampf gegen den Sozialchauvinismus innerhalb einer gemeinsamen Partei geführt werden kann, sind seiner Meinung nach ein Hindernis auf dem Weg zum Wiederaufbau der revolutionären Organisationen und müssen als solches bekämpft werden:

«Der schlechteste Dienst, den man dem Proletariat erweisen kann, besteht darin, zwischen Opportunismus und revolutionärer Sozialdemokratie hin und her zu schwanken, wie es das «Zentrum» der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands tut, und sich darauf zu beschränken, den Bankrott der Zweiten Internationale stillschweigend zu übergehen oder unter diplomatischen Phrasen zu verschleiern.» [84]

Auf theoretischer und praktischer Ebene ist der Bruch von 1914 ein vollendeter Bruch mit dem «Marxismus der Zweiten Internationale» [85] und seiner Leitfigur Karl Kautsky sowie mit dessen Auffassung von der Revolution als einem allmählichen («evolutionären») und quasi «natürlichen» («organischen») Prozess, der – um mit Karl Kautskys Worten zu sprechen [86] – «nicht vorbereitet» ist und die Sozialdemokratie zu einer Art «zeitlosem Sozialismus» (oder «passivem Radikalismus» [87]) führte. In diesen Koordinaten kann die politische Organisation nur durch eine passive und geduldige Ansammlung von Kräften entstehen. Die Rolle Lenins wird bei dieser theoretischen und politischen Neuordnung innerhalb der jungen Dritten Internationale (vor ihrer Bürokratisierung) entscheidend sein. Er war der Auffasung, dass der imperialistische Krieg das Zeichen für den Eintritt in eine neue Epoche war, die Lenin die imperialistische Epoche nannte, in der die politische Zeit nicht mehr «homogen und leer» war, sondern aus Diskontinuitäten, Brüchen, «Krisen» besteht (in diesen Jahren sollte sein seit 1905 gereifter Begriff der «revolutionären Krise» seine volle Bedeutung erlangen), in der die Partei es verstehen musste, einzugreifen, um die Situation zu nutzen und die Energie der Massen auf die Konfrontation mit dem Staat zu richten. Übrigens wird auch in dieser Frage des Staates der Beitrag von Lenin entscheidend sein und sein Gegensatz zu Kautsky klar hervortreten [88]. In diesem Zusammenhang ist die Partei nicht mehr nur ein einfaches Sammelgefäss des Klassenbewusstseins, eine passive Ansammlung von Kräften, sondern ein echter strategischer Akteur, ein grundlegender Faktor im Umgang mit neuen Situationen, um ein taktisches Arsenal zu entwickeln und zu artikulieren, ohne dabei das strategische Ziel aus den Augen zu verlieren – die sozialistische Revolution. Die Tatsache, dass sich Lenin auch nach 1914 weiterhin auf den «Kautsky von vor 1914» bezog, wie Lars Lih bemerkt hat [89], scheint nicht im Widerspruch zu dem Bruch zu stehen, der dann stattfand [90]. Sie rechtfertigt auch nicht die «Wiederentdeckung» der Leninschen Parteikonzeption allein durch seine Texte von 1902, wie Emilio Albamonte und Matias Maiello zu Recht schreiben:

«Es geht nicht nur um ein ‘Parteimodell’, sondern um die Arbeit an der Strategie für seine Umsetzung. Es ist daher unmöglich, die Entstehung von Lenins Parteikonzeption losgelöst von allen geführten Kämpfen und dem Kampf gegen den «Sozialchauvinismus» [91] zu verstehen.

***

Heute haben sich die stalinistischen sozialdemokratischen und kommunistischen Apparate infolge ihrer Ausrichtung auf den «Sozialliberalismus» und des Zusammenbruchs des Stalinismus und der Sowjetunion weitgehend zurückgezogen. Die Verwandlung dieser Klassenorganisationen in Apparate zur Domestizierung der Arbeiterbewegung unter dem Wirken ihrer Führungen, die zunehmend in den bürgerlichen Staat integriert wurden, hatte dramatische Folgen für die Arbeiterbewegung. Sie wirkten mit an einer Reihe von Niederlagen, insbesondere nach dem Scheitern des internationalen revolutionären Aufstands von 1968 und der imperialistischen und bürgerlichen Restaurations-Gegenoffensive der neoliberalen Periode, was zu einem Bruch der revolutionären Kontinuität führte. All dies hatte nachhaltige Auswirkungen auf das Proletariat, seine Organisationsfähigkeit und sein Klassenbewusstsein, auch wenn es auf der «objektiven» Ebene zu einer beispiellosen Entwicklung der Weltarbeiterklasse «An-sich» kam. In jüngster Zeit scheinen jedoch verschiedene Symptome einen Prozess der subjektiven Neuzusammensetzung innerhalb bestimmter Sektoren des Proletariats und der Volksschichten vorwegzunehmen. Dies ist zumindest eine Hypothese, die vor dem Hintergrund des zunehmenden internationalen Klassenkampfes seit 2019 formuliert werden kann, in dem Aufstände und Revolten, die manchmal zu Massenstreiks führen, einem gelegentlichen Massenradikalismus, der sich mit den Grenzen der bürgerlichen Legalität auseinandersetzt, und eine diffuse Politisierung wichtiger Teile der Jugend gegen den systemischen Rassismus oder die Zerstörung des Planeten zusammenkommen. Diese Elemente sind nur bruchstückhaft vorhanden, aber von grosser Bedeutung. Sie sind ein wahres Geschenk des Himmels für diejenigen, die die Perspektive der Revolution noch nicht aufgegeben haben, da das Entstehen echter Kampforganisationen in hohem Masse von der Fähigkeit abhängt, sich mit solchen Avantgarde-Sektoren zusammenzuschliessen.

Endnoten

[1] In Frankreich denkt man insbesondere an Andreas Malm, La chauve-souris et le capital, La Fabrique, 2020, und Frédéric Lordon, Vivre sans, La Fabrique, 2019, oder seinen jüngsten Beitrag „Pour un néo-léninisme“, Acta, 2021. Wir haben Malms «ökologischen Leninismus» in einem anderen Artikel diskutiert.

[2] Siehe z.B. Historischer Materialismus, Bd. 18:3, 2010.

[3] Lih bezeichnet Lenin als «Erfurter», in Anspielung auf den Erfurter Kongress der SPD 1891 und das damals verabschiedete Programm, das innerhalb der Zweiten Internationale als massgebend galt.

[4] Paul Le Blanc, Lenin and the Revolutionary Party, Haymarket, 2015 [1990], von uns übersetzt.

[5] Dies ist es, was insbesondere als «Marxismus-Leninismus» bezeichnet wurde. Ein erbauliches Beispiel dafür sind die Prinzipien des Leninismus, eine von Stalin unterzeichnete Broschüre. Über die Partei kann man lesen: «Die Partei [ist] eine Einheit des Willens, die mit der Existenz von Fraktionen unvereinbar ist», «die Partei stärkt sich selbst, indem sie sich von opportunistischen Elementen säubert», usw. Hier verfügbar.

[6] Als «Bolschewisierung» wird die Entwicklung bezeichnet, die in der Kommunistischen Internationale ab 1924 zur Durchsetzung des Stalinschen Diktats und zur drastischen Einschränkung des Rechts auf Kritik innerhalb der kommunistischen Parteien geführt hat.

[7] Daniel Bensaïd, Stratégie et parti, Les prairies ordinaires, 2016 [1986].

[8] Paul Le Blanc, Lenin and the Revolutionary Party, op. cit, übersetzt von uns

[9] Pierre Broué, Le parti bolchévique. Histoire du P.C. de l’U.R.S.S., Editions de Minuit, 1963. Hier erhältlich

[10] Wer sich mit diesen Fragen näher befassen möchte, sei auf die Hinweise in den Fussnoten verwiesen. Im Grossen und Ganzen haben wir uns dafür entschieden, die online verfügbaren Referenzen zu erwähnen, aber denjenigen, die dazu in der Lage sind, empfehlen wir dringend, die Bücher im Buchhandel zu kaufen.

[11] Ohne ins Detail zu gehen, sei nur erwähnt, dass sie sich vor allem durch die Langsamkeit ihrer Entwicklung, die ungleichmässige und kombinierte Übernahme einiger der fortschrittlichsten Merkmale westlicher kapitalistischer Gesellschaften und durch das Fehlen minimaler politischer Freiheiten auszeichnet, die von der zaristischen Autokratie abgelehnt wurden. Diese besonderen Merkmale der kapitalistischen Entwicklung in Russland sind für das Verständnis der Entwicklung des Leninismus und der umfassenderen Debatten in der russischen Sozialdemokratie von grundlegender Bedeutung. Zur Untersuchung dieser Fragen siehe Pierre Broués Geschichte der bolschewistischen Partei, a.a.O., oder Leo Trotzkis Histoire de la révolution russe, Seuil, 1995 [1930], auch hier [auf Deutsch] verfügbar.

[12] Vgl. Pierre Broué: «Angesichts eines Regimes, das – wie Alexander II. sagte, und was keiner seiner Nachfolger je zu leugnen gedachte – nur zulässt, sich von oben her umzuwandeln, um keine Revolution von unten zu erleiden, das bei Gefahr des Selbstmordes keine noch so friedliche Form der Opposition gegen sich selbst zulassen kann, gibt es keinen anderen Weg als den der revolutionären Gewalt», in Histoire du Parti bolchévique, op. cit.

[13] Die russische Bourgeoisie entwickelte sich langsam und mühsam zwischen dem Gewicht der antiliberalen Autokratie, der russischen Grossgrundbesitzer und der westlichen Bourgeoisien einerseits und den armen Massen der Bauernschaft und der aufkeimenden, aber bereits stark konzentrierten Arbeiterbewegung andererseits. Aus diesem Grund suchte sie nach Möglichkeiten der Übereinkunft mit der Autokratie, da sie eine Radikalisierung der Arbeiterbewegung befürchtete.

[14] Pierre Broué, Histoire du parti bolchévique, op. cit.

[15] Lenin, «Unsere unmittelbare Aufgabe» [1899], in Œuvres, éditions de Moscou, t. 4.

[16] Idem. Siehe auch: «Diese Vereinheitlichung zu erreichen, eine geeignete Form auszuarbeiten, den engen Rahmen der lokalen Zersplitterung ein für alle Mal zu beseitigen, das ist die unmittelbare und dringendste Aufgabe der russischen Sozialdemokraten»; «Was wir jetzt brauchen, ist die Konzentration all dieser lokalen Aktivitäten in der Aktion einer einzigen Partei», oder «Es geht also darum, zu wissen, ob man die Arbeit, die bereits geleistet wird, im ‘handwerklichen’ Modus fortsetzt oder ob man sie so organisiert, dass sie die der ganzen vereinigten Partei wird, und dafür sorgt, dass sie sich in ihrer Gesamtheit in einem einzigen gemeinsamen Organ widerspiegelt», in Lenin, «Eine drängende Frage», idem. Zur weiteren Lektüre sei auf die Artikelserie verwiesen, die Lenin zwischen 1898 und 1901 in der Rabotcheia Gazeta veröffentlichte, in: Œuvres, t. 4, op. cit.

[17] Lenin, «Unsere unmittelbare Aufgabe», in: Œuvres, t. 4, op. cit.

[18] Idem.

[19] Lenin, «Über die Streiks», in: Œuvres, t. 4, op. cit.

[20] Lenin, «Unsere unmittelbare Aufgabe», ebd.

[21] Siehe «Unser Programm», wo er den Ideen Bernsteins in der Arbeiterinternationale und in Russland den Kampf ansagt, und seinem «Programmentwurf für unsere Partei», in: Œuvres, t. 4, op. cit.

[22] Marcel Liebman ging so weit zu sagen, dass dieses Pamphlet «die kohärenteste Darstellung der Ideen eines Marxisten ist, der daran arbeitet, das Instrument zu schaffen, mit dem das revolutionäre Projekt verwirklicht werden kann», in Le léninisme sous Lénine, Samsa, 2017 [1975].

[23] Lenin, Was tun?, Marxist Science Publishing, 2004 [1902].

[24] Lars Lih zufolge benutzte Lenin den Begriff «Ökonomisten» als diskursives Mittel, um einen politischen Kampf zu führen. Lih schreibt: «Die Polemik in Was tun? richtet sich nicht gegen den Ökonomismus – vielmehr ist es eine Polemik, die den Ökonomismus als Knüppel benutzt, um die Hauptkonkurrenten der Iskra-Führung (die Rabochee Dielo-Gruppe) zu schlagen. Lenin ging zu Recht davon aus, dass seine Konkurrenten diskreditiert würden, wenn er ihnen das Etikett ‚Ökonomisten‘ anheften könnte», in Lenin Rediscovered, op. cit, übersetzt von uns.

[25] Im Übrigen ist zu bemerken, wie Marcel Liebman feststellt, dass Lenins Kritik «weniger auf die spontane Aktion der Arbeiterklasse als auf ihr spontanes, instinktives und daher mangelhaftes Bewusstsein abzielt», in Le léninisme sous Lénine, op. cit.

[26] Es scheint, dass wir hier einen Gedanken wiederfinden, den Marx und Engels bereits in der Deutschen Ideologie formuliert haben: «In jeder Epoche sind die Ideen der herrschenden Klasse die herrschenden Ideen; mit anderen Worten, die Klasse, die die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich die herrschende geistige Macht.»

[27] Sein Konzept des Berufsrevolutionärs ist nicht zu verwechseln mit der Praxis der Festangestellten, d. h. der Anstellung von Aktivisten durch die Partei selbst. Lenins Idee ähnelt eher der Rekrutierung und Ausbildung von Revolutionären, deren «Aufgabe» es ist, die Revolution zu machen.

[28] Lenin, Was tun?, op. cit.

[29] Diese Formel, die er in der Tat von Kautsky übernommen hat, hat zu zahlreichen Interpretationen und Debatten geführt, auf die wir hier nicht im Einzelnen eingehen können. Es sei nur erwähnt, dass Lenin Kautskys Formel zwar unverändert aufgreift, ihr aber eine andere Bedeutung gibt: Für Lenin geht es nicht darum, auf der Rolle der kleinbürgerlichen Intellektuellen innerhalb der revolutionären Bewegung zu bestehen, sondern auf der Notwendigkeit des politischen Kampfes zur Entwicklung des Klassenbewusstseins. Vgl. Hal Drapper, « Le mythe de la conception léniniste du parti ou Qu’ont-ils fait à Que faire ?», Période, 1990, hier verfügbar oder Daniel Bensaïd, “ « De Marx à la IIIe Internationale », 2007, hier verfügbar.

[30] Lenin, Was tun?, op. cit.

[31] Idem.

[32] Diese Vorstellung von der Hegemonie der Arbeiter wurde einige Jahrzehnte später von Gramsci weiterentwickelt.

[33] Ironischerweise wurden beide Anträge von Mitgliedern der gleichen Strömung innerhalb der Iska eingereicht.

[34] Hier die beiden vorgelegten Fassungen: § 1 des von Martow vorgelegten Entwurfs: «Als Mitglied der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei gilt, wer ihr Programm anerkennt und aktiv an der Verwirklichung ihrer Aufgaben unter der Kontrolle und Leitung der Parteiorganisationen mitarbeitet», § 1 des Entwurfs von Lenin: «Mitglied der Partei ist, wer ihr Programm anerkennt und die Partei sowohl materiell als auch durch seine persönliche Mitarbeit in einer der Parteiorganisationen unterstützt», in „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“, [1904], Werke, op. cit, t. 7.

[35] In Wirklichkeit waren die zukünftigen «Bolschewiki» zu Beginn des Kongresses in der Minderheit und wurden am Ende des Kongresses aufgrund eines unerwarteten Ereignisses zu echten Bolschewiki (Mehrheit). Vor dem Ende verliessen sieben Delegierte den Kongress: die fünf Delegierten vom Bund (Organisation jüdischer Sozialisten), die unzufrieden damit waren, dass eine Mehrheit (mit den meisten der zukünftigen Bolschewiki wie auch einige Menschewiki) ihnen die völlige Autonomie im Rahmen einer «Föderation» mit der russischen Partei verweigert hatte; ihnen folgten, aus anderen Gründen, die beiden Vertreter der Ökonomisten». So werden die Mehrheiten zu Beginn des Kongresses zu Minderheiten («Menschewiki») und umgekehrt. Vgl. «Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück», op. cit.

[36] In den Wochen nach dem Zweiten Kongress verweigerten die Menschewiki unter der Führung von Martow trotz Lenins Vorschlägen jede Zusammenarbeit mit der Iskra, es sei denn, diese erklärte sich bereit, die Zusammensetzung der Redaktion zu ihren Gunsten zu ändern. Plechanow, der zunächst mit Lenin verbündet war, gab schliesslich den Wünschen des Martow-Flügels nach, kooptierte die alte (den Menschewiki zugeneigte) Redaktion und Lenin beschloss, das Iskra-Komitee zu verlassen. Lenin schrieb mehrere öffentliche Briefe zu diesem Thema, «Brief an die Redaktion der Iskra» und «Warum ich die Redaktion der Iskra verliess», im November 1903, siehe Œuvres, op. cit.

[37] Bemerkungen von Lenin in seinem Artikel «Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück», ebd.

[38] Axelrod schreibt auch: «Wir schaffen natürlich vor allem eine Organisation der aktivsten Elemente der Partei, eine Organisation von Revolutionären; aber als Klassenpartei müssen wir uns davor hüten, diejenigen aus der Partei auszuschliessen, die sich bewusst, wenn auch vielleicht ohne sich völlig aktiv zu zeigen, der Partei anschliessen», worauf Lenin antwortet: «Aus welchem Grund und aufgrund welcher Logik könnte man aus der Tatsache, dass wir eine Klassenpartei sind, schliessen, dass kein Unterschied gemacht werden darf zwischen denen, die der Partei angehören, und denen, die ihr angeschlossen sind? Das Gegenteil ist der Fall: Angesichts der unterschiedlichen Bewusstseins- und Aktivitätsgrade ist es wichtig, einen Unterschied im Grad der Nähe zur Partei festzustellen. Wir sind die Partei der Klasse, und deshalb muss fast die ganze Klasse (und in Kriegszeiten, in Zeiten des Bürgerkriegs, absolut die ganze Klasse) unter der Führung unserer Partei handeln, muss sich so weit wie möglich um sie scharen. Aber es wäre Manilowismus und «Nachtraberei» zu glauben, dass im Kapitalismus fast die gesamte Klasse oder die gesamte Klasse jemals in der Lage sein wird, den Grad des Bewusstseins und der Aktivität ihrer Vorhut, ihrer sozialdemokratischen Partei zu erreichen. Im Kapitalismus ist selbst die (primitivere, für die unterentwickelten Schichten leichter zugängliche) gewerkschaftliche Organisation nicht in der Lage, fast alle oder die gesamte Arbeiterklasse zu erfassen. Und kein vernünftiger Sozialdemokrat hat dies je bezweifelt. Es hiesse, uns selbst zu täuschen, die Augen vor der Unermesslichkeit unserer Aufgaben zu verschliessen, diese Aufgaben einzuschränken, den Unterschied zwischen der Vorhut und den sie umgebenden Massen zu vergessen, die ständige Verpflichtung der Vorhut zu vergessen, immer breitere Schichten auf diese fortgeschrittene Stufe zu heben. Und genau das ist es, den Unterschied zwischen Sympathisanten und Anhängern, zwischen den bewussten und aktiven Elementen und denen, die uns helfen, zu verwischen», in Lenin, «Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück», ebd.

[39] Lenin, «Einen Schritt vor, zwei Schritte zurück», ebd.

[40] Idem.

[41] Wir kennen die berühmte Polemik von Rosa Luxemburg anlässlich ihres Artikels «Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie» aus dem Jahr 1904 (hier verfügbar), die zu einer Antwort von Lenin führte (hier verfügbar), deren Veröffentlichung in der Neuen Zeit, der theoretischen Zeitschrift der SPD, Kautsky ablehnte. Für weitere Details zu diesen Debatten siehe Daniel Guérin, Rosa Luxemburg et la spontanéité révolutionnaire, Amis de Spartacus edition, 1999 [1971], oder die Werke von Paul Le Blanc, von denen einige ins Französische übersetzt wurden «Lenin und Rosa Luxemburg über die revolutionäre Organisation. Über die Debatte von 1904 und ihre Folgen», in «Marxisme et parti. 1903-1917», Cahiers d’Etudes et de recherches, n14, 1990, hier verfügbar.

[42] Lenin unternimmt es auch, diese Debatte zwischen Menschewiki und Bolschewiki innerhalb der internationalen Sozialdemokratie neu zu verorten: «Es ist hochinteressant festzustellen, dass alle diese prinzipiellen Merkmale des Opportunismus im Bereich der Organisation (Autonomismus, intellektueller Anarchismus, Gefolgschaft und Girondismus) mutatis mutandis in allen sozialdemokratischen Parteien der Welt zu finden sind, in denen die Spaltung in einen revolutionären und einen opportunistischen Flügel besteht», in «Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück», op. cit.

[43] Siehe Paul Le Blanc, «Lenin und Rosa Luxemburg über die revolutionäre Organisation. Über die Debatte von 1904 und ihre Folgen», op. cit.

[44] Hal Draper, «The Myth of the Leninist Conception…», op. cit.

[45] Siehe Lenin, «Politischer Streik und Strassenkampf in Moskau“ und «Die Revolution erzieht», Œuvres, a.a.O., Bd. 9. Lenin schreibt: «Die Erfahrung des Kampfes wirft mehr Licht und Tiefe, als es jahrelange Propaganda unter anderen Umständen tun würde»; «mehr als jede andere bietet eine revolutionäre Epoche dank der schwindelerregenden Geschwindigkeit der politischen Entwicklung und der Überreizung der politischen Zusammenstösse die Gelegenheit, diesen Test zu erproben.»

[46] Nach der Revolution von 1905 vertrat Lenin die Auffassung, dass die kommende Revolution eine bürgerlich-demokratische Revolution sein würde, «was den wirtschaftlichen und sozialen Inhalt der Umwälzung betrifft, die sie hervorbringt» («Die Agrarfrage und die Kräfte der Revolution», 1907). Da die Bourgeoisie jedoch nicht in der Lage sein würde, diese bürgerliche Revolution zu verwirklichen, weil «der totale Sieg der Revolution eine Bedrohung für die Bourgeoisie wäre», bedeutete dies die Notwendigkeit einer «revolutionären und demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft», eine algebraische Formel, die er im Sommer 1905 in «Zwei Taktiken der Sozialdemokratie» ausformulierte. Er nimmt damit eine Zwischenstellung zwischen der Konzeption der Menschewiki und derjenigen Trotzkis ein, der seinerseits in «Bilanz und Perspektiven» (1906) eine erste Fassung der Theorie der permanenten Revolution entwickelt hat. Erst ab 1917, insbesondere anlässlich seiner «Aprilthesen» (April 1917), bekräftigt Lenin, dass die Dualität der Macht eine Situation des «Übergangs» zwischen der ersten, bürgerlichen, Etappe und der kommenden zweiten Etappe widerspiegelt, die «die Macht in die Hände des Proletariats und der armen Schichten der Bauernschaft legen sollte», und stimmt von da an mit Trotzkis früheren Ansichten überein.

[47] Der 3. Kongress der SDAPR fand im April 1905 statt und versammelte nur den bolschewistischen Flügel. Die Menschewiki trafen sich im selben Jahr, ihr Treffen wurde als Konferenz bezeichnet.

[48] «Die Konferenz der sozialdemokratischen Parteien und Organisationen (Zentralkomitee der SDAPR, Bund, Lettische Sozialdemokratische Arbeiterpartei, Polnische Sozialdemokratie, Ukrainische Revolutionäre Partei) hat einstimmig die Taktik des aktiven Boykotts der Staatsduma angenommen (…). ) Die Prinzipien der Taktik, die vom ZK der SDAPR angenommen wurden und die wir in der Proletari verteidigt haben, (…) sind jetzt zu den taktischen Prinzipien der gesamten Sozialdemokratie in Russland geworden, mit einer traurigen Ausnahme. Diese Ausnahme ist, wie der Leser weiss, die der Iskra und der ‚Minderheit'“, vgl. Lenin, «Eine erste Einschätzung der politischen Gruppierungen», [1905], Œuvres, op. cit.

[49] Diese politische Unentschlossenheit bestätigt Lenin in seiner Auffassung, dass die Menschewiki «der opportunistische Flügel der Sozialdemokratie» sind.

[50] Aber auch «radikale Studenten, die sich in Petersburg und Moskau die Parolen der revolutionären Sozialdemokratie zu eigen gemacht haben» und die «die Vorhut aller demokratischen Kräfte bilden, die sich über die Niedertracht der ‚konstitutionell-demokratischen‘ Reformisten empören, die in die Duma eingezogen sind», in Politischer Streik und Strassenkämpfe in Moskau», Œuvres, op. cit.

[51] Leo Trotzki, ein unabhängiger menschewistischer Aktivist, wurde während der Revolution von 1905 zum Vorsitzenden des Petrograder Sowjets gewählt.

[52] In Lenins Konzeption sind die Sowjets mit der Partei verbunden, um die Entwicklung des revolutionären Prozesses vorwärtszutreiben: «Der Sowjet der Arbeiterdeputierten ist aus dem Generalstreik heraus entstanden, aus Anlass des Streiks, für die Ziele des Streiks. (…) Ich denke, um den politischen Kampf zu führen, sind sowohl der Sowjet (der in dem Sinne umgewandelt wurde, wie wir ihn gleich besprechen werden) als auch die Partei zum jetzigen Zeitpunkt absolut notwendig.» Lenin schreibt auch in «Neue Ziele, neue Kräfte» [1905]: «Je mehr die Volksbewegung wächst, desto deutlicher tritt das wahre Wesen der verschiedenen Klassen hervor, und die Aufgabe der Partei, die Klasse zu führen und zu organisieren, statt den Ereignissen hinterherzulaufen, wird immer dringlicher (…) Je breiter die immer neuen Ströme der sozialdemokratischen Bewegung werden, desto wichtiger wird eine solide sozialdemokratische Organisation.» Siehe Band 8 und 9 der Œuvres, op. cit.

[53] Von da an sollte die legale Arbeit in der russischen Sozialdemokratie ein ständiger Gegenstand von Debatten und Auseinandersetzungen sein.

[54] Lenin spottete über diejenigen, die «Formeln auswendig gelernt haben, die sie wiederholen».

[55] Den bolschewistischen Kadern, die sich Sorgen machen, die Türen der Partei zu öffnen, antwortet Lenin: «Nein, Genossen, wir werden diese Gefahr nicht übertreiben. Die Sozialdemokratie hat sich einen Namen gemacht, eine Orientierung, Kader der sozialdemokratischen Arbeiter. Und in der heutigen Zeit, in der das heldenhafte Proletariat durch Taten seinen Kampfeswillen und seine Fähigkeit bewiesen hat, geschlossen und kompromisslos für Ziele zu kämpfen, deren es sich klar bewusst geworden ist, in einem rein sozialdemokratischen Geist zu kämpfen, – in einem solchen Moment wäre es einfach lächerlich, daran zu zweifeln, dass die Arbeiter, die Mitglieder unserer Partei sind oder morgen auf Einladung des Z.K. sein werden, keine Sozialdemokraten sind, Instinktiv, spontan ist die Arbeiterklasse sozialdemokratisch, und mehr als zehn Jahre sozialdemokratischer Tätigkeit haben viel dazu beigetragen, diese Spontaneität in Bewusstsein zu verwandeln. Stellt euch keine Schrecken vor, Kameraden! Vergesst nicht, dass es in jeder lebendigen und sich entwickelnden Partei immer Elemente der Instabilität, des Schwankens und des Zögerns geben wird. Aber diese Elemente eignen sich und werden sich eignen für die Aktion des kohärenten und unerschütterlichen Kerns der Sozialdemokraten», in «Die Reorganisation der Partei», [1906], Œuvres, op. cit, Bd. 10, verfügbar hier

[56] «Die Reorganisation der Partei», ebd.

[57] Lenin, «Freiheit der Kritik und Einheit der Aktion», [1906], Œuvres, op. cit.

[58] Siehe insbesondere die Entwicklungen von Marcel Liebman, in «Le léninisme sous Lénine», op. cit.

[59] Georg Lukacs, Lenin. Studie über den Zusammenhang seiner Gedanken. Hier verfügbar

[60] Vgl. Henri Weber, Socialisme : la voie occidentale. Kautsky, Luxemburg, Pannekoek, PUF, 1983.

[61] Lenin, «Bericht über den Vereinigungskongress», [1906], Œuvres, a.a.O., Bd. 10: «Unsere Rechte glaubt nicht an den vollständigen Sieg der gegenwärtigen Revolution, d.h. der bürgerlich-demokratischen Revolution in Russland, sie fürchtet diesen Sieg, sie schlägt dem Volk diesen Sieg nicht klar und entschieden als Losung vor. Sie ist immer noch verblendet von der radikal falschen und entwürdigenden Idee, dass nur die Bourgeoisie die bürgerliche Revolution selbst ‘machen’ kann oder dass es nur der Bourgeoisie zusteht, die bürgerliche Revolution zu führen. Der rechte Flügel der Sozialdemokratie versteht nicht die Rolle des Proletariats als Vorhut für den vollständigen und entscheidenden Sieg der bürgerlichen Revolution. (…) Daher die Skepsis (um es höflich auszudrücken) unserer rechten Sozialdemokraten gegenüber dem Aufstand, daher ihre Tendenz, sich von den Erfahrungen des Oktobers und Dezembers, von den damals erarbeiteten Kampfformen abzuwenden. Daher ihre Unentschlossenheit und Passivität im Kampf gegen die konstitutionellen Illusionen, ein Kampf, den jede wirklich revolutionäre Periode in den Vordergrund stellt.»

[62] Lenin, «Bericht über den Vereinigungskongress», [1906], ebd.

[63] Diese wahre Besessenheit Lenins, die Partei auf revolutionäre Möglichkeiten vorzubereiten, steht im Gegensatz zu der deterministisch-naturalistischen Interpretation des Marxismus der Zweiten Internationale, insbesondere durch Kautsky. Man fühlt sich an die berühmten Sätze des letzteren erinnert: «Die sozialistische Partei ist eine revolutionäre Partei, sie ist keine Partei, die Revolutionen macht. Wir wissen, dass unser Ziel nur durch eine Revolution erreicht werden kann, aber wir wissen auch, dass es weder von uns abhängt, diese Revolution durchzuführen, noch von unseren Gegnern, sie zu verhindern. Wir haben daher nicht die Absicht, eine Revolution zu provozieren oder vorzubereiten. Und da wir die Revolution nicht nach Belieben machen können, können wir auch nicht im Geringsten sagen, wann, unter welchen Umständen und in welchen Formen sie vollzogen wird.» Zur Vertiefung siehe Jean Quétier, « La question de la volonté chez Karl Kautsky », La Pensée, n380, 2014, hier verfügbar.

[64] Lenin, « Les enseignements des événements de Moscou », Œuvres, op. cit, t. 11.

[65] Pierre Broué, Geschichte der bolschewistischen Partei, op. cit.

[66] Lenin, «Notiz eines Publizisten», [1910], Œuvres, op. cit.

[67] Idem.

[68] Paul Le Blanc, Lenin and the Revolutionary Party, op. cit, übersetzt von uns.

[69] Siehe Alexander Rabinowitch, Prelude to Revolution. The Petrograd Bolsheviks and the July 1917 Uprising (Die Petrograder Bolschewiki und der Aufstand vom Juli 1917), Indiana University Press, 1968, Neudruck 1991; Pierre Broué, Le parti bolchevique. Histoire du PC de l’URSS, op. cit; Edward Hallet Carr, La révolution bolchevique, tome 1 La formation de l’URSS, Editions de Minuit, 1969.

[70] Lenin, Œuvres, a.a.O., Bd. 23.

[71] Idem.

[72] Lenin, Œuvres, op. cit.

[73] Siehe Leo Trotzki, Histoire de la révolution russe, op. cit.

[74] Aber auch andere zukünftige bolschewistische Führer ersten Ranges wie Ouritski, Ioffé, Lounatcharski oder Rjasanow.

[75] «Die Haltung der Sozialdemokratie zur Bauernbewegung», [1905], Œuvres, op. cit.

[76] Leo Trotzki, Histoire de la révolution russe, op. cit. « Nur wenn man die politischen Prozesse in den Massen studiert, kann man die Rolle der Parteien und der Führer verstehen, die wir nicht im Geringsten ignorieren wollen. Sie sind ein nicht-autonomer, aber sehr wichtiger Teil des Prozesses. Ohne eine führende Organisation würde die Energie der Massen verschwinden wie Dampf, der nicht in einem Kolbenzylinder eingeschlossen ist. Die Bewegung kommt jedoch nicht vom Zylinder oder vom Kolben, sondern vom Dampf.»

[77] Marcel Liebman, Le léninisme sous Lénine, op. cit.

[78] Daniel Bensaïd, Stratégie et parti, op. cit.

[79] Lenin, „Der Bankrott der Zweiten Internationale“, [1914], Werke, op. cit.

[80] Siehe Emilio Albamonte und Matias Maiello, Marxismus, Strategie und Militärkunst, demnächst erhältlich bei Communard.e.s, und Stathis Kouvélakis, «Lénine, lecteur de Hegel», Période, hier verfügbar.

[81] Lenin, Œuvres, a.a.O., Band 21.

[82] Idem.

[83] Idem.

[84] Idem.

[85] Für eine eingehendere Untersuchung dieser Fragen siehe insbesondere Karl Korsch, L’Anti-Kautsky, ; Georg Lukacs, Lenin. Studie über den Zusammenhang seiner Gedanken, op. cit. oder Geschichte und Klassenbewusstsein, 1968 [1923], oder die Ausführungen von Gramsci, siehe Collectif, «Une nouvelle conception du monde». Gramsci et le marxisme, Editions sociales, 2021.

[86] Siehe Anmerkung 65 zu diesem Aufsatz.

[87] Ausdruck von Anton Pannekoek in seiner Polemik mit Karl Kautsky über Massenstreiks, siehe Henri Weber, Socialisme, la voie occidentale, op. cit.

[88] Vgl. Staat und Revolution, Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky.

[89] Lars Lih, «Kautsky as marxist data base», Historical Materialism, 2008-2011, hier verfügbar.

[90] Diese Debatte würde eine weitere Entwicklung verdienen, die hier nicht direkt relevant ist, obwohl sie faszinierend ist. Wir werden vielleicht in einem späteren Artikel darauf zurückkommen.

[91] Siehe Emilio Albamonte, Matias Maiello, Estrategia socialista y arte militar, IPS, 2016, demnächst auf Französisch erhältlich bei Communard.e.s unter dem Titel Marxisme, stratégie et art militaire.

Quelle: revolutionpermanente.fr… vom 6. August 2021; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch. Anmerkung zur Übersetzung: die Zitate und Referenzen wurden zum allergrössten Teil direkt dem Französischen entnommen. Nur in Ausnahmefällen wurden die deutschen Referenzen verwendet.

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