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Förderung von Racial Profiling mit Schweizer DNA-Profil-Gesetz

Eingereicht on 21. Oktober 2021 – 8:33

Ende September beriet der Ständerat das revidierte DNA-Profil-Gesetz und fügte auf Druck von nationalen und internationalen Organisationen Abschwächungen ein. Trotzdem drohen durch das Gesetz die systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von Minderheiten und mehr.

Nach einer Vergewaltigung im Oktober 2015 in Emmen, die grosse mediale Aufmerksamkeit erlangt hatte, verlangte FDP-Nationalrat Albert Vitali die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für erweiterte DNA-Analysen. 2016 beauftragte das Parlament den Bundesrat mit der Revision des DNA-Profil-Gesetzes. Weil dabei sensible Daten anfallen, ist bis heute in der Schweiz die polizeiliche Verwendung von DNA aus Datenschutzgründen nur gestattet, um eine Person eindeutig zu identifizieren. Mit der Revision des DNA-Profil-Gesetzes sollen Strafverfolgungsbehörden nun weitere Instrumente erhalten, Straftäter*innen zu überführen. Verschiedene Organisationen wiesen bereits in der Vernehmlassungsantwort auf eine Reihe kritischer Aspekte hin. Die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen (RK-S) empfahl deshalb dem Rat Einschränkungen, der Ständerat folgte zum Teil den Empfehlungen.

Verwandtensuchlauf

Die Schweizer NGO Biorespect sieht die gezielte Fahndung nach körperlichen Merkmalen wie etwa Haar- und Augenfarbe äusserst kritisch: «Durch Genanalysen sollen auch Aussagen zur biogeografischen Herkunft verdächtiger Personen gemacht werden. Die Verfahren sind fehleranfällig, unpräzise und nicht geeignet, einzelne Personen zweifelsfrei zu identifizieren.» Die Neugier der Untersuchungsbehörden geht noch weiter: «Sogar DNA-Profile von Familienangehörigen sollen zur Fahndung herangezogen werden können. Dieser sogenannte Verwandtensuchlauf ist besonders heikel, da Daten von Personen, die nichts mit einer Tat zu tun haben, verwendet werden.» Auch das Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) betont in ihrer Stellungnahme, die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von DNA-Proben und -Profilen stelle einen Eingriff in das Recht auf Privatleben dar: «Es muss unbedingt geklärt werden, ob solche zusätzliche Profiling-Massnahmen notwendig sind und wann sie angewandt werden dürfen. Auch die Notwendigkeit der Speicherung muss überprüft werden.»

Die Beschlüsse des Ständerats sehen nun Anpassungen der Vorlage vor: Ein spezifischer Deliktkatalog soll Phänotypisierung und Verwandtensuchlauf einschränken. Ausserdem soll der Einsatz der kritisierten Verfahren auf die Aufklärung von schweren Gewaltverbrechen beschränkt bleiben. Die vom Nationalrat eingefügte Bestimmung betreffend Profilerstellung im Fall eines Suizids wurde vom Ständerat gestrichen. Auch bei den Löschfristen der DNA-Profile will die kleine Kammer eine Verkürzung der Aufbewahrungsdauer und verlangt für bestimmte Fälle einen Gerichtsentscheid. Die von der Kleinen Kammer geänderte Gesetzesvorlage geht zurück in den Nationalrat.

Grosses Risiko

«Der Datenschutz darf nicht ausgehebelt werden», schreibt die Biorespect zur vom Ständerat bearbeiteten Version. «Zudem muss unbedingt verhindert werden, dass das zukünftige DNA-Profil-Gesetz zur Diskriminierung ganzer Bevölkerungsgruppen führt.» Und Humanrights warnt generell: «Die vorgeschlagenen Änderungen sollen es der Polizei ermöglichen Tatort-DNA auf äussere Merkmale und biogeografische Herkunft zu analysieren. Damit einher geht die systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von Minoritätengruppen. Erweiterte DNA-Analysen gefährden die Menschen- und Minderheitenrechte. Insbesondere um die Rechte von rassifizierten und ethnisierten Personen zu schützen, muss die Polizei in ihren Ermittlungen auf erweiterte DNA-Analysen verzichten.» Denn während der Ermittlungen zur Vergewaltigung in Emmen «dominierten stereotypische und rassistische Darstellungen die öffentliche Debatte.» Susanne Schultz, Soziologin und Forscherin zu Bio-, Bevölkerungs- und Migrationspolitik, stimmt zu: «Das Risiko, mit der Einführung der erweiterten DNA-Analysen solchen Ressentiments in die Hände zu spielen, ist sehr gross».

Die erweiterten DNA-Analysen zielen von der Erfassung bis zur Auswertung auf das wahrscheinliche Aussehen und die wahrscheinliche Herkunft von Täter*innen ab. Das bedeutet, dass in den Referenzdatensätzen der Untersuchungsbehörden mit rassifizierenden und ethnisierenden Kategorisierungen und Klassifikationen gearbeitet wird. Alle forensischen Datenbanken haben die starke Tendenz, marginalisierte Gruppen und Minderheiten zu überrepräsentieren. «Minderheiten bilden ein Interessensgebiet einiger Genetiker*innen, etwa weil sie dort auf eine geringere genetische Vermischung hoffen.»

Generalverdacht

Dabei bleiben die Methoden relativ ungenau, die Haarfarbe zum Beispiel kann in nur in maximal 75 Prozent der Fälle richtig bestimmt werden: «Die DNA-Phänotypisierung basiert auf groben Kategorisierungen, weshalb im Ergebnis lediglich statistische Wahrscheinlichkeitsaussagen über eine Reihe von Merkmalen einer mehr oder weniger grossen Bevölkerungsgruppe getroffen werden», so Isabelle Bartram, Biologin und Forscherin Humanklassifikation.

Die Fokussierung auf Minderheiten fördert Diskriminierungen wie das Racial Profiling, Minderheiten werden unter Generalverdacht gestellt. Damit verstösst der Einsatz erweiterter DNA-Analysen gegen grundlegende Prinzipien des Europäischen Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und der UNO-Antirassismuskonvention. Laut des ODIHR der OSZE bedeuten die erweiterten DNA-Analysen einen Eingriff in das Recht auf Privatsphäre und verstossen gegen die Unschuldsvermutung und das Recht auf ein faires Verfahren.

Quelle: vorwaerts.ch… vom 21. Oktober 2021

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