Das Geschenk der «Antikriegs»-Bewegung an den US-Imperialismus
Davey Heller. Es ist traurig genug, dass die Millionen Menschen, die sich aus aufrichtigen Antikriegsgefühlen an Kundgebungen beteiligt oder ihre sozialen Medien mit Solidaritätsbotschaften für die Ukraine zugekleistert haben, vom US-Imperialismus instrumentalisiert werden. Der Krieg in der Ukraine ist untrennbar mit dem Bestreben des US-Imperialismus verbunden, Russland und China zu zerschlagen, um seine globale Hegemonie zu erhalten. Die Ereignisse steuern unaufhaltsam auf eine massive militärische Konfrontation zwischen der NATO und Russland zu, die alle Grossmächte einbeziehen und zu einem nuklearen Holocaust führen könnte. Die Forderungen nach «Massnahmen zur Rettung der Ukraine» geben dem imperialistischen Krieg politische Deckung, ebenso wie alle Antikriegsgruppen, die unter der Losung «Weder Moskau noch die NATO» kämpfen. Die Forderung nach «Frieden» in der Ukraine schliesst sich einfach den Forderungen an, dass Russland und China der «Pax Americana» beitreten sollen. Man geht fälschlicherweise davon aus, dass ein Krieg nur dann vermieden werden kann, wenn man dem US-amerikanischen und westlichen Imperialismus erlaubt, die Ressourcen der Welt ungehindert auszubeuten. Die einzige wirkliche Antikriegsposition ist der Kampf gegen die verrückten Bestrebungen des US-Imperialismus, die Welt zu beherrschen, auch durch die Einkreisung Russlands, und die Unterstützung des Rechts der Länder, die sich im Fadenkreuz des Imperialismus befinden, sich selbst zu verteidigen.
Die Bilder des ukrainischen Leids und das Mitgefühl, das sie wecken, werden zynisch genutzt, um die Hilfe für die Ukraine durch die Überflutung des Landes mit NATO- und EU-Waffen, die Verhängung von Sanktionen zur Lähmung der russischen Wirtschaft und sogar die Forderung nach einer irrsinnigen «Flugverbotszone» zu rechtfertigen. Ein Tsunami imperialistischer Propaganda stellt Putin als einen weiteren 2neuen Hitler» dar, der mit allen Mitteln gestoppt werden muss.
Jemen und die «Logik» des Imperialismus
Natürlich ist das Leid der Zivilbevölkerung durch den russischen Militärangriff sehr real. Krieg ist die Hölle, und dieser Krieg ist nicht anders. Wie sollen wir uns aber die flächendeckende Berichterstattung über die Ukraine und das völlige Schweigen zum Jemen erklären? Während Russlands Einmarsch in der Ukraine hat Saudi-Arabien weiterhin Bomben auf die Menschen im Jemen abgeworfen, die von den USA und dem Vereinigten Königreich geliefert wurden. Die USA haben weiterhin geholfen, diese Bomben zu lenken und saudische Flugzeuge aufzutanken. In dem achtjährigen Konflikt wurden bisher schätzungsweise 100.000 Menschen, darunter viele Zivilisten, durch die Bombardierungen getötet, weitere Hunderttausende starben an Krankheiten und Hungersnot. Nach der Logik des Imperialismus werden die jemenitischen Toten ignoriert, da diejenigen, die zur Förderung der Interessen des westlichen Imperialismus getötet werden, für unsere herrschenden Klassen einfach nicht zählen. Diese verdrehte Logik wurde von der ehemaligen US-Aussenministerin Madeleine Albright 1996 am deutlichsten zum Ausdruck gebracht, als sie mit der Tatsache konfrontiert wurde, dass die Irak-Sanktionen über eine halbe Million Kinder getötet hatten. Albright erklärte ruhig: «Wir denken, dass der Preis es wert war».

Doch jeder Fall von Leid und Tod, der denjenigen zugefügt wird, die die Interessen des US-Imperialismus untergraben, wird als epische Tragödie dargestellt. Das liegt daran, dass die herrschenden Klassen der USA und anderer imperialistischer Grossmächte wie Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich wirklich empört sind, wenn ein weniger mächtiges Land sich ihnen widersetzt. Man denke nur an die sieben Jahrzehnte andauernde Blockade Kubas. Darüber hinaus werden die vom «Feind» verursachten Todesfälle als Beweis für das zu bekämpfende «Böse» aufgebauscht. Während die westliche Presse Putin seit Jahren als das personifizierte Böse darstellt, ist seine Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren, der «Beweis» für seine Barbarei und sogar seinen Wahnsinn. Das geht so weit, dass Putin in einem Tsunami von Propaganda als der «neue Hitler“ dämonisiert wird. Es kann Putin nicht entgangen sein, dass in den letzten vierzig Jahren Führungspersönlichkeiten, die in ähnlicher Weise bezeichnet wurden, auf grausamste Weise getötet oder ins Gefängnis gesteckt wurden.
Welche Realitäten werden also durch die Propagandalawine, die sich auf das Leiden der Zivilbevölkerung in der Ukraine konzentriert, und die emotionale Reaktion, die sie in der ganzen Welt hervorruft, verdunkelt?
Der Putsch von 2014, der Bürgerkrieg in der Ukraine und das «Nazi»-Problem.
Die erste «Realität» ist, dass in der Ukraine schon viel länger als in den letzten Wochen schreckliche Dinge geschehen sind. Nach Schätzungen der UNO wurden im ukrainischen Bürgerkrieg im Osten, der sich um die beiden separatistischen russischsprachigen Republiken Donezk und Luhansk dreht, über 13.000 Menschen getötet. Mehr als ein Drittel dieser Todesopfer waren Zivilisten.

Dieser Bürgerkrieg hat nur deshalb begonnen, weil der US-amerikanische und der westliche Imperialismus interveniert haben, um den Maidan-Putsch im Jahre 2014 zu schüren und ein antirussisches Marionettenregime zu installieren. Dies ist keine Verschwörungstheorie. Victoria Nuland, Obamas stellvertretende Aussenministerin für Europa und eurasische Angelegenheiten, gab 2014 offen zu, dass die USA 5 Milliarden Dollar in die «Förderung der Demokratie» in der Ukraine investiert hatten, ein offenherziger Euphemismus für den Versuch, ein US-freundliches Regime in der Ukraine einzuricchten. Nuland wurde später aufgezeichnet, wie sie mit dem US-Botschafter in der Ukraine darüber diskutierte, welche Figur die USA als nächsten ukrainischen Premierminister einsetzen wollten. Sie verteilte sogar Kekse an Demonstranten, während andere wichtige US-Persönlichkeiten wie John McCain buchstäblich mit Demonstranten auf dem Maidan-Platz sprachen! Die nächste wichtige «Realität», die von der Propagandalawine verschwiegen wird, ist, dass bewaffnete Faschisten eine Schlüsselrolle beim Maidan-Putsch spielten, indem sie die Stosstruppen stellten, die die Proteste gewaltsam eskalierten. Glaubwürdige Beweise deuten darauf hin, dass es diese Kräfte waren, die in einer Operation unter «falscher Flagge» auf Demonstranten schossen, die den endgültigen Sturz der Regierung Janukowitsch herbeiführten. Nuland erwähnte in ihrem aufgezeichneten Gespräch Oleh Tyahnybok, den Führer der offen faschistischen Svoboda-Partei, als einen der Anführer, mit denen sie zusammenarbeiteten. Tjahnybok hat sich offen gegen die «russisch-jüdische Mafia, die die Ukraine kontrolliert», gewandt. Swodboda wurde mit drei Kabinettsposten in der Regierung nach dem Maiden-Putsch belohnt.

Diese Faschisten massakrierten anschliessend die Anti-Maidan-Demonstranten in Odessa vor dem Gewerkschaftshaus, während die Polizei tatenlos zusah. Faschistische Milizen wie der Rechte Sektor und das Asow-Bataillon haben während des gesamten Bürgerkriegs im Osten eine entscheidende Rolle gespielt. Das Asow-Bataillon wurde in die ukrainische Nationalgarde eingegliedert, was Teil der Assimilierung faschistischer Kräfte in das ukrainische Militär ist.
Befürworter der NATO und des ukrainischen Nationalismus spielen die Verbindung zu den Faschisten gerne herunter, indem sie auf Zelenskys jüdisches Erbe und die geringe Wahlbeteiligung für explizit faschistische Parteien bei den Wahlen 2019 verweisen. In Wirklichkeit ist die faschistische Ideologie jedoch tief mit dem Nationalismus verwoben, der in der Ukraine nach dem Putsch von 2014 gefördert wurde. Im Jahr 2018 erklärte die ukrainische Regierung den 1. Januar zum nationalen Feiertag, um den Geburtstag von Stephen Bandera zu feiern. Bandera war der Anführer der ukrainischen faschistischen Nationalistenorganisation OUN. Während des Einmarschs der Nazis in die Ukraine wurden über eine Million Juden und Zehntausende polnischstämmige Ukrainer ermordet. Die OUN beteiligte sich enthusiastisch an diesen Massakern. Die «Entkommunistisierungs»-Gesetze führten zum Verbot kommunistischer Parteien und zur Ersetzung von Denkmälern für die UdSSR durch Hunderte von Denkmälern für die OUN und Bandera. Die Unterdrückung der Linken durch das Kiewer Regime wurde während der Invasion mit der Verhaftung der Führer der kommunistischen Untergrundpartei durch die SBU [Ukrainischer Geheimdienst] fortgesetzt. Mit Zelenskys Aufruf zu einer «Internationalen Legion», die gegen die Russen kämpfen soll, wurde ein neues dunkles Kapitel aufgeschlagen. Diese Legion wird ein Ort für die weltweite Rekrutierung von Faschisten sein, in einer dunklen Umkehrung der internationalen Brigaden der Linken, die den Faschismus in Spanien in den 1930er Jahren bekämpften.

Auch wenn man Putins Rechtfertigung, ein Ziel der Invasion sei die «Entnazifizierung» der Ukraine, nicht akzeptieren muss, sollten die Gegner der russischen Invasion zumindest die Ehrlichkeit haben, anzuerkennen, dass die ukrainischen Faschisten eine tödliche Bedrohung für die Menschen in den abtrünnigen Regionen im Osten darstellen. Seit 2014 haben die Post-Maidan-Regierungen einen fanatischen Antikommunismus geschürt, der eng mit Russophobie verbunden ist. Natürlich sind nicht alle Ukrainer faschistisch, aber es braucht nur ein paar Tausend schwer bewaffneter Nazis, die vom Staat unterstützt werden, um der Arbeiterklasse den Tag zu vermiesen! Die westlichen Medien weigern sich weitgehend, das «Naziproblem» der Ukraine auch nur anzuerkennen, und haben die Propaganda sogar direkt verstärkt, wie das berüchtigte Foto der «ukrainischen Oma», die in Mariupol zu den Waffen greift, ein Fototermin, der direkt vom Asow-Bataillon organisiert wurde.
Die existenzielle Gefahr der NATO für Russland Die wichtigste «Realität», die verschleiert wird, ist, dass Russland seinen Krieg gegen die Ukraine im Zusammenhang mit seiner Einkreisung durch den US-Imperialismus begonnen hat. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Restauration des Kapitalismus in Russland hoffte die neue herrschende Kapitalistenklasse, die russische Arbeiterklasse allein ausbeuten zu können und vom US-Imperialismus in Ruhe gelassen zu werden. Es wurde ihnen zugesichert, dass sich die NATO «keinen Zentimeter nach Osten» bewegen würde. Doch der imperialistische Appetit kennt keine Grenzen. Warum sollten die neuen und relativ schwachen kapitalistischen Machthaber Russlands diejenigen sein, die von dem Meer an natürlichen Ressourcen der russischen Landmasse profitieren? Es war auch nicht akzeptabel, dass die russische herrschende Klasse ein massives Atomwaffenarsenal und ein schlagkräftiges Militär erbte, um diese natürlichen Ressourcen zu schützen und unabhängig zu handeln. Deshalb hat die NATO seit 1997 ihre Mitgliedschaft immer weiter nach Osten ausgedehnt. Heute sind mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten ehemalige Sowjetrepubliken, und Russland ist an seiner Westflanke von Estland im Norden bis zur Türkei im Süden nahezu eingekreist. Ist es da verwunderlich, dass der Wunsch der Ukraine mit ihrer 2295 Kilometer langen Grenze zu Russland in das NATO-Lager aufgenommen zu werden, als äusserst bedrohlich empfunden wird? Wie könnte Russland die potenzielle Stationierung von Atomwaffen in der Ukraine, die so nahe an Moskau liegt, nicht als etwas anderes betrachten als die Vorbereitung eines nuklearen Präventivschlags?

Auch wenn die Ukraine nicht der NATO beigetreten ist, hat der Bürgerkrieg in der Ukraine der Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der NATO Vorschub geleistet. Erst im Dezember letzten Jahres unterzeichneten die Regierung Biden und die ukrainische Regierung ein Abkommen, in dem sich die USA nicht nur verpflichteten, den NATO-Beitritt der Ukraine zu unterstützen, sondern auch ihre offene Absicht bekundeten, die Ukraine in der Zwischenzeit zu einem Defacto-Mitglied der NATO zu machen:
„Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor entschlossen, die Ukraine bei den laufenden Verteidigungs- und Sicherheitsreformen zu unterstützen und ihre robusten Ausbildungsmassnahmen und Übungen fortzusetzen. Die Vereinigten Staaten unterstützen die Bemühungen der Ukraine, ihren Status als NATO-Partner mit erweiterten Möglichkeiten zur Förderung der Interoperabilität zu maximieren.“
Die USA machen aus ihrer Haltung gegenüber Russland keinen Hehl. Seit George Bush Snr. 1990 eine «Neue Weltordnung» verkündete, wird in den offiziellen Dokumenten der USA ganz offen das Ziel einer «Dominanz in allen Bereichen» bekräftigt. Jede Aktion Russlands, Chinas, Irans oder Venezuelas, die die US-Vorherrschaft beeinträchtigt, wird als Angriff auf die «regelbasierte Ordnung» der Pax Americana betrachtet. Die USA haben Russland zusammen mit China ganz offen als Ziel eines «Grossmachtkonflikts» bezeichnet. Die Ziele des US-Imperialismus gehen über die Unterwerfung Russlands hinaus, denn die Architekten der Politik des US-Imperialismus wollen Russland seit langem für die vollständige imperialistische Ausbeutung öffnen. Robert Gates, ehemaliger US-Verteidigungsminister, erklärte in seinen Memoiren 2014:
«Und als die Sowjetunion Ende 1991 zusammenbrach, wollte Dick [Cheney, der spätere US-Aussenminister] nicht nur die Sowjetunion und das russische Imperium, sondern auch Russland selbst zerschlagen sehen.»

Russlands Recht auf Selbstverteidigung
In Wirklichkeit ist Russland also kein imperialistisches Gebilde, dessen Einmarsch in die Ukraine den Beginn seiner Pläne für einen Blitzkrieg in Richtung Mitteleuropa signalisiert, sondern ein verzweifelter Akt der «offensiven» Verteidigung gegen die lang gehegten Pläne des US-Imperialismus, die Schlinge enger zu ziehen. Russland ist in Wirklichkeit eine mittelgrosse kapitalistische Volkswirtschaft, vergleichbar mit Brasilien, Iran oder Südafrika. Zwar hat Russland das wissenschaftliche und militärische Erbe der UdSSR angetreten, was ihm eine überragende militärische Kapazität verleiht, und Putin hat einen Teil der Gas- und Ölgelder zur Aufrüstung des russischen Militärs verwendet, doch ändert dies nichts am grundlegenden Machtungleichgewicht zwischen Russland und dem US-Imperialismus.
Aus marxistischer Sicht ist Imperialismus nicht einfach die Anwendung von Gewalt durch ein Land gegen ein anderes, um seine Interessen durchzusetzen, sondern eine Form des Kapitalismus, die die Dominanz von Monopolen und Finanzkapital bedeutet. Die relativ rückständige russische Wirtschaft hebt Russland von den grossen imperialistischen Mächten wie den USA, Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Australien und Kanada ab. Eine ausführlichere Erklärung, warum Russland nicht imperialistisch ist, finden Sie in dem von mir gemeinsam mit Robert Montgomery verfassten Artikel Setting the record straight: Ukraine, Russia and Imperialism.
Was ist mit dem Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung?
Natürlich würden viele dieses Argument entkräften: Wenn Russland das Recht auf Selbstverteidigung hat, hat es die Ukraine dann nicht auch? Die Antwort lautet: Natürlich hat die Ukraine das Recht auf Selbstbestimmung, aber dieses Recht wurde lange vor dem Einmarsch Russlands am 24. Februar untergraben. Die Ukraine hat sich nach der Auflösung der Sowjetunion zu einem schwachen kapitalistischen Staat entwickelt. Bis 2014 haben die Oligarchen und die politische Klasse der Ukraine die Ukraine jedoch als neutrales Land zwischen ihren mächtigeren Nachbarn im Osten und Westen aufrechterhalten. Auch intern herrschte ein instabiles, aber empfindliches Gleichgewicht zwischen den EU-orientierten Bevölkerungen im Westen der Ukraine und den russisch orientierten Bevölkerungen im Osten des Landes.
All dies änderte sich 2014 mit dem ersten Staatsstreich und der Einsetzung von nachgiebigen, wenn nicht gar regelrechten Marionettenregimen der USA in Kiew. Die abgehaltenen Wahlen können weder als demokratischer noch als legitimer Ausdruck der Selbstbestimmung der Ukraine als Ganzes angesehen werden, da jegliche prorussische Stimmung durch faschistische Schläger, die auf den Strassen Massaker verüben, gewaltsam unterdrückt wird, Versuche, Russisch als Amtssprache zu verbieten, «Dekommunistisierungsgesetze», die Nazi-Kriegsverbrecher feiern und kommunistische Parteien verbieten, sowie der massive Beschuss der östlichen Separatistengebiete hebeln jeden Begriff von Selbstbestimmung der Ukraine aus.

Dies alles wurde mit der üblichen imperialistischen Taktik der Untergrabung der Souveränität durch IWF-Kredite kombiniert, die Austerität und die Ausbeutung der Ressourcen eines Landes durch den Westen erzwingen. Wo waren all die Verteidiger des ukrainischen Selbstbestimmungsrechts, als all dies geschah? Wo waren sie nur seit 2014! Es ist der US-Imperialismus, der die Ukraine zu einer Figur auf dem Schachbrett gemacht hat, und wie in Afghanistan, im Irak und in Libyen sind es die Menschen, die den Preis dafür zahlen, dass die Prozesse, die er in Gang gesetzt hat, das Land buchstäblich auseinanderreissen.
All dies sollte jedoch nicht als Blankoscheck für den reaktionären «grossen russischen Chauvinismus» Putins gesehen werden. Die kritische Unterstützung des Einmarsches in die Ukraine sollte nur so weit reichen, wie der Krieg darauf abzielt, Russlands Selbstverteidigung zu stärken und die Ukraine als Speerspitze des Imperialismus zu beseitigen. Sie gibt keinesfalls als Rechtfertigung für die Eingliederung der gesamten Ukraine in «Grossrussland» im Rahmen einer unbefristeten Besatzung.
Die Tatsache, dass Russland seit Jahrhunderten die Rolle des regionalen Tyrannen gegenüber seinen Nachbarn spielt, hat die Wahrnehmung dieser Invasion sowohl in der Ukraine als auch in der ganzen Welt geprägt. Nicht umsonst bezeichnete Lenin das zaristische Russland als «Völkergefängnis». Stalin, obwohl er aus Georgien stammte, setzte die Tradition des russischen Chauvinismus innerhalb der Grenzen der UdSSR fort. Putin selbst hat mit seiner Rede, in der er die Invasion mit dem Verlust Russlands rechtfertigte – eine historische Tragödie, die den verhassten Bolschewiken angelastet wird –, die Situation kaum verbessert.
Diese Geschichte ändert jedoch nichts an dem Kontext, der Russlands Vorgehen in der Ukraine im Wesentlichen als defensiv definiert. Putins Wunschträume von der Rückkehr Grossrusslands ändern nichts am Charakter Russlands in Bezug auf den US-Imperialismus. Auch der politische Charakter von Putins reaktionärem kapitalistischem Regime, das die wirtschaftlichen Interessen der russischen Oligarchen verteidigen soll, ändert nichts an dieser wesentlichen Beziehung. Der Widerstand gegen die US-Invasion im Irak bedeutete nicht, dass die Antikriegsbewegung Saddam Hussein unterstützte. Anti-Kriegs-Aktivisten, die sich gegen die Finanzierung und Bewaffnung der islamistischen Kräfte in Syrien durch die USA aussprachen, haben Assad nicht politisch gebilligt. Sich gegen Sanktionen gegen den Iran zu wehren, bedeutet nicht, die Mullahs in Teheran zu unterstützen. Diese Regime hatten das Recht, ihre Länder gegen den Imperialismus zu verteidigen. Es ist kein Widerspruch zu sagen, dass eine Antikriegsposition durch Antiimperialismus gestützt werden muss.
Die Interessen der Arbeiterklasse
Auf einer grundlegenden Klassenebene ist die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts Russlands kein Bekenntnis zu «Russlands nationalen Interessen» im Sinne der Interessen der russischen Bourgeoisie. Eine Niederlage Russlands gegen den US-Imperialismus in der Ukraine wird seine neokoloniale Unterwerfung durch den Imperialismus nur beschleunigen. Dies wird bedeuten, dass die russische Arbeiterklasse in ihrem eigenen Kampf für die sozialistische Befreiung dem «doppelten Joch» ihrer eigenen undemokratischen herrschenden Klasse und ihrer imperialistischen Oberherren ausgesetzt sein wird. Dies ist das doppelte Joch, dem die ukrainische Arbeiterklasse heute ausgesetzt ist. Wenn es eine grosse organisierte sozialistische Arbeiterbewegung in Russland oder der Ukraine gäbe, die eingreifen könnte, um die Konflikte in eine revolutionäre Richtung zu lenken, würde sich diese Analyse ändern, aber unsere Analyse darf nicht abstrakt sein, sondern muss sich auf die konkrete objektive Realität stützen.
Einige marxistische Gruppen haben argumentiert, dass keine der beiden Seiten in diesem Krieg unterstützt werden sollte, da beide kapitalistisch sind und es «keinen anderen Krieg als den Klassenkrieg» gibt. Natürlich ist es grundsätzlich richtig, dass der Krieg letztlich nur durch den Sturz des Kapitalismus selbst beendet werden kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns im Laufe der Geschichte, während wir für den Sozialismus kämpfen, nicht mit den vom Imperialismus angegriffenen Nationen solidarisch zeigen und uns gegen den imperialistischen Unterdrücker stellen.
Eine Niederlage Russlands wäre auch ein Rückschlag für die internationale Arbeiterklasse, da sie den offen geäusserten Wunsch des US-Imperialismus, China zu unterjochen, ermutigen und vorantreiben würde. Wenn die militärische und wirtschaftliche Macht Russlands, einschliesslich seines Atomwaffenarsenals, auf die eine oder andere Weise neutralisiert wird, ist der Weg für die USA frei, gegen die aufstrebende Macht China vorzugehen. Chinas Versuche, mit der Belt and Road Initiative einen alternativen wirtschaftlichen Rahmen ausserhalb der Kontrolle des US-Imperialismus zu schaffen, müssen gestoppt werden, und die USA sind entschlossen, ihren Griff um die eurasische Landmasse zu verstärken, um dies zu erreichen. Obwohl der Krieg in der Ukraine kurzfristig die Gefahr eines Atomkriegs erhöht hat, muss die Antikriegsbewegung verstehen, dass ein Sieg der USA über Russland den Weg in den Dritten Weltkrieg nicht aufhalten, sondern beschleunigen wird.

Das Geschenk der Antikriegsbewegung an den US-Imperialismus
Die Auslöschung all dieser Zusammenhänge unter einer Lawine von Kriegspropaganda, die mit dem Leiden von Zivilisten in der Ukraine gerechtfertigt wird, gibt den USA freie Hand, sich als Verteidiger des Friedens aufzuspielen! Wie sonst liesse sich die Obszönität erklären, dass Aussenminister Anthony Blinken, der auf dem Leichenberg des US-Imperialismus steht, in der Lage ist, vom Aussenministerium kuratiertes Filmmaterial von Menschen zu twittern, die auf Kundgebungen in aller Welt «Kein Krieg»-Schilder hochhalten.

Ein ehemaliger Leiter der Australian Securities and Intelligence Organisation (ASIO), Denis Richardson, der australischen Inlandsspionagebehörde, stellte kürzlich fest, dass
«Wenn man die letzten 20, 30, 40 Jahre Revue passieren lässt, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass die Menschen in den westlichen Ländern gegen etwas anderes demonstrieren als gegen Kriege. Im Grossen und Ganzen hatten die Kriege, in die westliche Länder in den letzten 40 Jahren verwickelt waren, eine erhebliche Opposition im eigenen Land. Dies ist ein Konflikt, bei dem das Gewicht der öffentlichen Meinung bisher auf den westlichen Regierungen zu liegen scheint, mehr und nicht weniger zu tun. Ich kann mich nicht erinnern, wann es das letzte Mal so etwas gab, wo die Menschen auf die Strasse gegangen sind und ihre Regierungen aufgefordert haben, mehr zu tun, und ich glaube, dass die sozialen Medien viel damit zu tun haben.»
Australien ist eines der Mitglieder des imperialistischen Geheimdienstnetzwerks «Five Eyes» und Richardson ist einer der am besten vernetzten Spione Australiens. Seine Kommentare zeigen, was für ein Geschenk die Kooptation der Antikriegsstimmung für den US-Imperialismus in diesem Konflikt mit Russland darstellt.
Für eine sozialistische, antiimperialistische Bewegung gegen den Dritten Weltkrieg!
Das Versäumnis der Mehrheit der Antikriegsbewegung, sich eindeutig gegen den Kriegszug der NATO gegen Russland auszusprechen und die Versuche Russlands, sich mit einer militärischen Intervention in der Ukraine zu verteidigen, kritisch zu unterstützen, hat nur dazu beigetragen, dem Drang zum Dritten Weltkrieg ein linkes Gesicht zu geben. Die Antikriegsbewegung muss eine wesentliche Wahrheit wiederentdecken, und zwar schnell. Gegen den Krieg zu sein bedeutet, antiimperialistisch zu sein und für das Recht der Länder einzutreten, sich gegen den Imperialismus zu verteidigen. Die Aktionen einer schwachen russischen herrschenden Klasse, die mit dem Rücken zur Wand steht, können nicht mit den rücksichtslosen Bemühungen des US-Imperialismus gleichgesetzt werden, der über das grösste Militär- und Finanzimperium verfügt, das die Welt je gesehen hat und um jeden Preis seine globale Vorherrschaft aufrechterhalten will. Der Kampf muss beginnen, um eine internationale Antikriegsbewegung aufzubauen, die versteht, dass das Führen eines antiimperialistischen Kampfes der einzige Weg ist, um den fast unvorstellbaren Horror eines dritten Weltkrieges zu verhindern.
Quelle: classconscious.org… vom 10. April 2022; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch
Tags: Arbeiterbewegung, Dritter Weltkrieg, Imperialismus, Politische Ökonomie, Postmodernismus, Russland, Strategie, USA, Widerstand
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