Die NATO opfert das kurdische Volk für die Einheit gegen Russland
Liz Stair und Rojhat Altuntaş. Finnland und Schweden werden der NATO beitreten. Während sich die beiden Staaten dadurch mehr Sicherheit erhoffen, wird es vielen kurdischen Aktivist:innen in Europa und den Völkern in Rojava das Leben kosten. Der Weg ist frei für eine türkische Offensive in Nordsyrien – mit Rückendeckung der NATO.
Im Vorfeld des NATO-Gipfels in Madrid bekommt Erdoğan das, was er verlangte. Nach dem Treffen mit dem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Dienstagabend in Madrid wurde ein Memorandum mit kurdischem Blut unterzeichnet. Es sieht die „volle Unterstützung der Türkei in Sicherheitsfragen“ vor. Kurdische Organisationen wie die PKK sowie die Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ, die in Nordsyrien operieren, müssen demnach allesamt als „Terrororganisationen“ eingestuft und ihre Aktivitäten unterbunden werden. Schweden plant die ersten Auslieferungen.
Darüber hinaus ging es Erdoğan darum, den Stopp der Waffenexporte in die Türkei aufzuheben. Die NATO-Partner Deutschland und Schweden haben 2019 aus Protest gegen die türkische Offensive in Rojava, Nordsyrien, die Waffenlieferungen eingeschränkt. Nun verpflichten sich Finnland und Schweden, ihre Vorbehalte aufzugeben. Sie erklären sich bereit, dem Krieg von Erdoğan eine Rückendeckung in Form von Waffenlieferungen zu leisten. Dafür beendete Erdoğan die Blockade und erklärte, dass die Türkei die NATO-Mitgliedschaft von Finnland und Schweden akzeptieren werde.
Die bürgerliche Presse schluckt unhinterfragt die Gründe des türkischen Staates für die Blockade. Das Narrativ über „westliche Demokratie gegen russische Despotie“ ist enthüllt. Es geht um die chauvinistischen Interessen imperialistischer Einheiten, die ihre Allianzen an ihrer Nützlichkeit messen. Die imperialistischen Staaten innerhalb der NATO bereiten sich auf Eskalationen gegen Russland vor. Deshalb rüsten die Regierungen massiv auf. Erdoğans Bedingungen werden akzeptiert, schließlich profitieren die NATO-Partner von der Zusammenarbeit – militärisch wie ökonomisch. Diese Win-Win-Situation zwischen NATO und Erdoğan bedeutet auch eine Erhöhung der Eskalationsstufe gegenüber Russland, da Erdoğan sich zuletzt als Vermittler im Ukrainekrieg inszenierte.
Deutschlands Rolle
Im Rahmen des NATO-Beitritts der Türkei und Deutschland nach dem 2. Weltkrieg intensivierte sich die militärische Zusammenarbeit. Es waren deutsche Leopard II Panzer, die in Afrin, Nordsyrien, rollten. Es ist das kriegerische Know-How der Bundeswehr, das weitergegeben wird und die Besatzung von Afrin unterstützt. Es ist der NATO-Partner Deutschland, der heute wie damals den Angriffskrieg auf Nordsyrien mitträgt, um die wirtschaftliche Allianz aufrechtzuerhalten. Abgesehen von dem bedeutenden Absatzmarkt der deutschen Rüstungsindustrie, ist die Türkei ein wichtiger Absatzmarkt für deutsche Unternehmen.
Schon in den vergangenen Offensiven der Türkei in den Jahren 2017, 2018 und 2019 zeigte sich die Mitschuld der BRD an den etlichen Toten und politischen Verfolgten der kurdischen Freiheitsbewegung. Immer noch schiebt Deutschland regelmäßig kurdische Aktivist:innen in die Türkei ab. Was ihnen droht sind Folter und der Tod.
Solidarität mit Rojava
Rojava (Westkurdistan) ist eine multiethnische Region in Nordsyrien, die auf der Selbstverwaltung basiert. Erdoğan setzt alles daran, das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes zu unterdrücken und es politisch zu entrechten. Der Aufbau von lokalen Strukturen, die in Nordsyrien das Zusammenleben etlicher Ethnien, Kulturen und Religionen ermöglicht, widerstrebt dem Nationalismus des Erdoğan-Bonapartismus.
Die Türkei will weitere militärischen Operationen beziehungsweise Invasionen in Rojava organisieren. Dafür gibt es auch eine Mehrheit unter den etablierten Parteien im türkischen Parlament, die auch die vorherigen Angriffe auf Rojava bewilligten. Erdoğan liegt zwar aktuell bei Umfragen für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2023 zurück, aber mit dieser NATO- und Besatzungspolitik in Kurdistan versucht er, die nationale Einheit wiederherzustellen und Stimmen aus dem oppositionellen Lager zu gewinnen. Sein Expansionismus und die nationalistische Linie sollen die Bevölkerung hinter sich und die AKP-MHP-Regierung vereinen.
Wir stellen uns gegen die Kriminalisierung von politischem Engagement kurdischer Aktivist:innen in Deutschland und weltweit. Wir fordern die Anerkennung von Rojava, die Streichung der PKK aus der Terrorliste, den Stopp aller Abschiebungen in die Türkei und andere Krisengebiete.
Wir stellen uns gegen die Aufrüstung der Bundeswehr, die die Ampel-Regierung vorantreibt. Auch die Aufstockung der NATO-Truppen wird den Krieg in der Ukraine nicht beenden. Sie werden dafür den Krieg in Kurdistan befeuern.
Das Bedürfnis einer großen Antikriegsbewegung wächst. Aber die Mobilisierungen bleiben bisher schwach gegenüber den reaktionären Forderungen nach Waffenlieferungen an die Ukraine und der Aufrüstung. Die antimilitaristische Friedensbewegung resigniert und das ist ein alarmierendes Zeichen, Die Ampel-Regierung behält ihren Kurs bei, sich die Ruhe zu erkaufen, wie in jedem Fall zu Lasten der Unterdrückten geht – unter ihnen die Kurd:innen weltweit.
Wir solidarisieren uns mit dem Kampf der Kurd:innen und allen unterdrückten Nationen. Wir fordern den Rückzug aller kolonialen und imperialistischen Armeen aus Kurdistan.
Quelle: klassegegenklasse.org… vom 1. Juli 2022
Tags: Imperialismus, Kurdistan, Repression, Russland, Schweden, Syrien, Türkei
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