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Die NATO verteidigt die Macht der USA, doch nicht den Frieden

Eingereicht on 5. Oktober 2022 – 10:24

Eugen Drewermann. Seitdem sie gegründet wurde, fast zeitgleich mit der Gründung der Bundesrepublik West 1949, haben wir ein Militärbündnis, dessen strategisches Ziel eigentlich schon 1945 definiert wurde.

Damals konnte Winston Churchill erklären, dass man die falsche Sau geschlachtet hätte: Adolf Hitler. Der Krieg müsste eigentlich gleich weiter geführt werden, gegen Stalin, gegen Moskau. Und die Deutschen sind dabei die besten Soldaten. 40 Kilometer vor Moskau waren die doch schon. Wenn wir die gewinnen und lassen sie marschieren, ist das geschwächte Russland nach 27 Millionen Toten endgültig am Ende. Das ist unsere Chance. Mit solch einem Programm ist die Bundesrepublik gegründet worden, als Aufmarschglacis gegen die Sowjetunion.

Und der NATO-Beitritt ‘55 passte genau in dieses Schema. Was die wenigsten von Ihnen wissen, war der geheime Krieg, der illegal mitgeführt wurde. Es ging dahin, dass man in jedem Fall eine Machtergreifung durch kommunistische Parteien in Italien, in Griechenland, wo immer auch sonst, verhindern musste durch inszenierte Bürgerkriege, Überwachung und gezielte Tötungen. Selbst der SPD-Vorsitzende Ollenhauer stand auf der Liste der Bedrohung US-amerikanischer Imperialziele. Wenn er denn an die Macht gekommen wäre, hätte man um sein Leben fürchten müssen. Die Geheimarmee Gladio machte im Untergrund das, was offiziell die NATO sowieso tat.

1952 schon waren wir unter Adenauer dabei, den Europäischen Verteidigungsgemeinschafts-Vertrag zu unterschreiben. Sieben Jahre nach dem Desaster des Zweiten Weltkriegs hatten Deutsche schon wieder dabei zu sein, weil Amerikaner es wollten. Damals wollten es nicht die Franzosen, nicht schon wieder östlich vom Rhein Deutsche in Uniform. Drei Jahre später hatten wir das, was wir bis heute beibehalten haben. Wir müssen gegen Russland gewappnet sein.

Wir haben uns 2001 gewundert, dass man die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigen kann. Ich war elf Jahre alt, als ich hörte aus dem Munde von Konrad Adenauer, dass wir die Freiheit Deutschlands in Korea verteidigen. Keiner dieser Sprüche hat an Aktualität verloren oder gar an Unsinnigkeit. Es ist gesteigert worden, durch die Repetition des Verkehrten zur Gewohnheit erhoben worden. Und was Sie in Form der NATO haben, ist nicht nur eine unendliche Spirale der Rüstung, sondern auch der Propaganda imperialistischer Machtdurchsetzung.

Wer bedroht denn da wen, ganz simpel?

Die US-amerikanische Politik ist gestützt auf über 750 Militär-Stationen rund um den Globus.

Russland, wenn Sie es ganz hoch rechnen, kommt auf über 30. Der Militärhaushalt der Amerikaner beträgt 750 Milliarden Dollar, der der Russen kaum ein Zehntel davon. Amerika alleine gibt mehr aus als die nächsten neun militärisch rüstenden Staaten in der Serie, China, Russland, Deutschland, Frankreich zusammen. Und das Programm ist so obsolet, als es nur sein kann.

1989 waren es genau betrachtet zum dritten Mal Russen, die diesmal in Gestalt von Gorbatschow den Vorschlag machten zu entmilitarisieren, dass endlich Frieden wäre. Vom Ural bis zum Atlantik keine Waffen mehr, stattdessen die Konversion von Wissen, Geld, Industrie, Engagement für Ziele, die menschlich die Not auf diesem Planeten lindern könnten. Das lag auf dem Tisch. Versprochen wurde Gorbatschow, die NATO werde keinen Zentimeter nach Osten sich ausdehnen. Es wird heute gelogen, das wäre gar nicht so gewesen, ist aber schriftlich zu haben. Genscher machte sich Gedanken, ob die neuen Bundesländer militärisch genutzt werden dürften und versprach, dass nein. Wir hätten den Frieden haben können, wenn wir ihn nur hätten wollen dürfen. 1990 aber machten sich die ‘think tanks’ in USA bereits Gedanken darüber, wie wir ein 21. amerikanisches Jahrhundert ausrufen. Die Sowjetunion ist kollabiert, und wir jetzt müssen das Machtvakuum für uns erobern.

Das ist das Programm von allem, was kam. Ein Krieg nach dem anderen im Nahen Osten. Seit 2001 haben die USA 7 islamische Staaten zerbombt, nicht die Russen. Aber man wollte sich alles aneignen, was Russland nicht mehr aktiv verteidigen wird. Und da sitzen jetzt heute wir. Afghanistan ist gerade misslungen, aber Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, die Südflanke. Das Baltikum sowieso. Und jetzt zusätzlich noch zwei neue Staaten, über 1000 km Grenzlänge nach Schweden und Finnland: Raketen können wir genau dahin stellen. Stellen Sie sich vor, was wäre, wenn Russland versucht hätte, ein zweites Mal eine Kuba-Krise heraufzubeschwören oder in Venezuela, Nicaragua, Bolivien Militärstützpunkte gegen die USA errichten würde, wir hätten genau dieselbe Krise wie damals 1962 auf Kuba. Das Strategic Air Command war damals bereits in der Luft mit Atombomben zum Angriff. America first! Das lässt sich nicht bedrohen, wir sind stark, wird Herr Stoltenbergals Chef der NATO sagen. Und wir werden keinen Zentimeter zurückgehen. Wir gehen lieber hunderte von Kilometern vorwärts gegen Russland, aber das wäre keine Bedrohung; es wäre ja ein Missverständnis zu glauben, dass wäre nur Machtausdehnung, es ist vielmehr die Antwort auf Putins Versuch, das Sowjetimperium wiederherzustellen.

Gegen diese offiziellen Narrative müssen wir uns wehren. Wir werden nicht von Russland bedroht. Es wird uns eine Gefahr halluziniert, die zu keinem anderen Zweck als der strategischen Geopolitik der USA und ihrer Machtausdehnung dient. Dass es anders geschildert wird, hindert nicht daran, dass es so ist.

Es gibt gerade von den Grünen heute ein Argument jenseits von Angst, aufgeblasenem Machtwillen und der Beanspruchung des Imperialismus, das lautet: Uns gehört die Welt und keinem andern.

Weswegen? Weil wir Amerikaner sind, weil wir ‘die Guten’ sind, weil wir ‘first’ sind und weil wir, die Europäer, mitzumachen haben.

Den Krieg, denPutin führt, kann man ein Verbrechen nennen. Das ist er. Aber man könnte auch sagen, was in Frankreich zum Sprichwort wurde: Er ist schlimmer als ein Verbrechen. Er ist ein Fehler! Weil jetzt Russland alles das bekommt, was es mit dem Überfall auf die Ukraine verhindern wollte: Raketen in ungezählter Fülle, dicht bis an die Grenze. Die militärische Versorgung der Ukraine ist voll im Gange. Ob ein NATO-Staat daraus wird oder nicht, das Faktum ist längst eingeleitet. Alles, was verhindert werden sollte, steht jetzt da, die gesamte EU, Mann für Mann, die Hacken beieinander geschlagen. Die Gefolgschaft zu den USA, – besser konnte es nicht kommen. “We get him at the nuts!“ würde man auf amerikanisch sagen. Das haben wir hingekriegt. Übrigens die versaute Sprache des Militärs ist das Typische. Alles, was mal für Liebe und Zärtlichkeit gemeint war, muss pervertiert werden, damit man Soldat sein kann.

Aber eines wird uns gleichzeitig moralisch beigebracht, die zweite Ebene der Lüge: die sogenannte Verantwortung. Aus Mitleid mit Menschen müssen wir den Krieg verweigern. Die Angst, die zu ihm führt, müssen wir überwinden durch Gemeinsamkeit, in Respekt vor der Angst des anderen, den wir als Gegner überhaupt erst züchten.

So haben wir soeben gesagt. Eines aber wird uns jetzt darauf gesagt werden: Wir müssen aus Verantwortung humanitäre Interventionen starten und militärische Eingreiftruppen in aller Welt in Bereitschaft halten. 20 Jahre in Afghanistan haben diese Gedanken nicht geändert, ganz im Gegenteil. In Mali sind wir weiter dabei auf Seiten der Franzosen, wir können dranbleiben, es aufzuzählen. ‘Internationale Verantwortung’.

Man kann es nicht laut genug sagen: Wir, eines der reichsten Länder dieser Welt, haben für die Welt Verantwortung, allerdings, aber dann muss man sich anschauen, wie sie wahrgenommen wird. Menschen, die nicht mehr wissen, wohin, lassen wir ertrinken im Mittelmeer, lassen militärisch organisiert Frontex heran, um sie durch push-backs zurück in die KZ’s in Libyen zu schicken, schnüren ihnen die Fluchtwege ab, weil sie ja nur lästig sind, weil sie Geld kosten. Flüchtlinge aus der Ukraine sind uns jetzt aus politischen Gründen hoch willkommen. Sie werden noch in 20 Jahren Russland verfluchen und Putin hassen. Das ist politisch korrekt. Leute, die einfach nur als Menschen um einen Ort bitten, wo sie leben könnten, sind uns ungenehm, müssen ferngehalten werden. Da hätten wir Verantwortung für über 50 Millionen Menschen, die jedes Jahr verhungern. Gerade jetzt in Ostafrika droht eine neue Dürre.

Wie sieht da unsere Verantwortung aus?

So, dass in der Chicago-Nahrungsmittel-Börse spekuliert wird auf den Hunger; das kann ja jeder lernen in BWL. Je weniger ein Produkt auf den Markt geworfen wird, desto teurer ist es, wenn es gebraucht wird. Eine Dürre in Ostafrika bedeutet weniger Nahrungsmittel in Ostafrika. Also werden die Preise steigen, und was ein richtiger ‘moneymaker’ ist, der muss jetzt zugreifen, sonst verliert er seine Chancen. Wie kann man aus dem Tod von Millionen Verhungernden Geld scheffeln? Das ist Kapitalismus, wie wir ihn haben. Verantwortung, wie man sie uns predigt. Ausblenden der wirklichen Not, die wir lösen müssten, und die Erfindung von virtuellen Ängsten, die völlig überflüssig sind. 100 Milliarden für Rüstung, mal eben versprochen, Aufrüstung der Bundeswehr, voll im Einsatz neuerdings, so sollen wir in die Zukunft gehen.

In Wirklichkeit verhindern wir die Menschlichkeit der Zukunft, indem wir die Humanität wegsperren durch unsinnige Machttiraden.

Deshalb sagen wir aus Verantwortung: Nein zur Aufrüstung, Nein zum Militär und verweigern wir den Wehrdienst.

[Applaus]

Die Perversion der Moral

Und dann kommt es eigentlich noch ärger. Man sollte denken, dass Moral ein Instrument wäre, Unmenschlichkeit zu verhindern. Nicht so, wenn das Wort ‘Krieg’ ausgesprochen wird. Dann werden Sie miterleben, dass bereits im Vorfeld die Moral zur Waffe instrumentalisiert wird. Sie lesen die Zeitung. Mit wem führen wir jetzt Krieg? Putin. Und das ist:

ein Mörder, sagt Herr Biden,

ein Krimineller, sollen wir alle sagen,

ein Dämon, wird die Bild-Zeitung sagen,

ein Teufel, das absolut Böse, das wir aus moralischen Gründen absolut, mit allen Mitteln, bekämpfen und vernichten müssen.

Auch das haben wir hier erlebt seit 1945. Es ist kein Krieg vom Westen geführt worden außer gegen Hitler. Ho Chi Minh – Hitler, Saddam Hussein – Hitler, Gaddafi – Hitler, Milosevic – Hitler, immer bekämpfen wir das absolut Böse aus moralischen Gründen im Vorfeld. Die Idee ist so falsch, dass Sie im Jahre 1520 aus der Feder von Erasmus von Rotterdam in wenigen Sätzen die Entlarvung dieser Selbsthypnose der Unmenschlichkeit beschrieben finden.

Wer, wenn es Krieg gibt, fragt Erasmus vor genau einem halben Jahrtausend, wird denn von den Kombattanten seine Sache für die falsche erklären? Anders! Weil man am Verhandlungstisch sich über gut und böse, richtig und falsch nicht einigen kann, treibt man sich in den Wahnsinn, das Schlachtfeld zu erklären als den Ort einer Gottes-Justiz, eines Orlog. Und dann wird der effizienteste Mörder, weil er gesiegt hat, sich das Recht nehmen, zu behaupten, dass er immer schon im Recht gewesen ist. Er hat in Wahrheit nur bewiesen, dass er unmenschlicher ist als derjenige, den er besiegt hat. Denn zum Sieg gehört der Einsatz der furchtbarsten Zerstörungsmittel.

Und das müssen Sie jetzt wirklich lernen. Im Vorfeld jedes Kriegs werden Sie mit Lügen und Propaganda-Aussagen dahin gelenkt, den potenziellen Gegner zu hassen. Er war schon immer schlimm, immer war der Russe schuld. Er war es in Wirklichkeit nie im ganzen zwanzigsten Jahrhundert, aber er hatte es zu sein, weil wir Macht über seinen Korridor haben wollen. Sagen wir es noch genauer.

Brzezinski konnte sich rühmen, als Vordenker der amerikanischen Außenpolitik zu erklären, was wir zu fürchten hätten: Nicht den Russen, aber dass sich Westeuropa und Russland verbinden würden zu einem Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok. Eurasien als geschlossener Wirtschaftsraum, das wäre das Ende der amerikanischen Weltmacht-Illusion. Das müssen wir fürchten. Deshalb darf Nordstream 2 nicht gebaut werden, deshalb müssen wir Flüssiggas aus ‘fracking’ teuer anlanden in speziellen Häfen, die noch gebaut werden, damit Amerika sich durchsetzt.

Aber das alles wird garniert mit moralischen Gründen: Die da drüben sind böse. So muss das sein: Wenn Sie Menschen töten sollen, dürfen Sie keine Menschen mehr töten, sondern haben Sie es zu tun mit Ungeziefer, Pesterregern, Läusen, Teufeln, was auch immer. Und das Furchtbare ist, dass Begriffe, die zur Moral gehören, und eben deshalb einen jeden Menschen, weil er ein Mensch ist, einbeziehen, fraktioniert werden zum Gegensatz zwischen den ‘hier Guten’ und den ‘drüben Bösen’. Und selbstredend sind ständig wir die Guten und natürlich die jenseits der Grenzen das absolut Böse. Allein dieses Kalkül verändert alles, was wir Menschlichkeit nennen könnten.

Phil Zimbardo, ein amerikanische Psychologe, hat zwei Bücher darüber geschrieben: ‚Das Stanford Gefängnis Experiment‘ und ‚Der Luzifer-Effekt’ zu Abu Ghraib. Er wollte lediglich beschreiben, was daraus wird, wenn sich eine Gruppe von Menschen als ‘die Guten’ hinstellt und sich die Aufgabe zuspricht, die Gegengruppe als ‘die Bösen’ bekämpfen zu müssen.

Eben bei der Rüstung haben wir gesehen, dass wir immer gefährlicher, brutaler, schrecklicher rüsten müssen. Dieselbe Aussage müssen wir jetzt ins Moralische ziehen. Wir, die wir ‘die Guten’ sind, gewissermaßen der Erzengel Michael im Kampf gegen den Teufel, werden selber auf diese Art ‘das Böse’, das wir bekämpfen wollen, in unsere eigene Seele und Psychologie aufnehmen. Wir müssen böser sein als jeder denkbare Böse sein könnte. Wir wollen den Bösen in die Hölle schicken, aber wir machen die ganze Welt, dabei an allererster Stelle uns selber, zum Herrschaftsgebiet des Teufels. Diese Spaltung der Moral verdirbt selbst Menschen, die es gut meinen, dahin, die schlimmsten Dinge tun zu können oder sogar tun zu müssen. Auch diese Spirale müssen wir irgendwann einmal durchbrechen.

Und wieder hätte die Bergpredigt vollkommen recht:

Kämpft nicht gegen das Böse, steht da. (5. Kapitel Matthäus, Vers 39)

Aus genau diesen Gründen, wenn Sie das Böse bekämpfen, hat Isaac Newton recht:

Druck erzeugt Gegendruck, Das Böse, das Sie bekämpfen, schleicht sich ein in Sie selbst. In Ihre Seele, es verbessert nichts. Der ‘crash’ von zwei Druckstärken produziert sich, quadriert sich, vergrößert sich ins immer Höhere. Kampf gegen das Böse ist daher gar nicht möglich. Wie aber dann?

Eben noch sagte ich, wir könnten ja mal schauen in die Augen Ihres bissigen Hundes, besser Ihres vermeintlich gefährlichen Gegners und Sie interessieren sich für dessen Angst. Dann sind Sie dicht dabei, zu tun, was in moralischer Absicht das einzig Richtige wäre: Sie suchen den anderen zu verstehen in den Gründen, weswegen er so handelt. Wenn Sie es aus dem Bergpredigt-Text nicht lesen wollen, können Sie es auch 500 Jahre früher vom Buddha hören: Natürlich gibt es Gut und Böse, aber beides hat seine Ursachen.

Dann kommen wir nicht daran vorbei, dem Papst recht zu geben, wenn er sagt, der Krieg in der Ukraine hat ja Gründe. Solche, die bei uns liegen. Warum in unserer Gesellschaft werden denn Menschen böse? Doch nicht, weil ihnen das einfällt oder weil sie Spaß dran hätten. Sie können 2001 noch Putin im deutschen Bundestag sehen, wo er auf Deutsch eine Rede hält und ihm die damaligen Abgeordneten ‘standing ovations’ geben. Das war 2001.

2005 sehen Sie Schröder, dessen Namen man gar nicht mehr aussprechen darf als Putin-Freund, auf den Stufen der Universität in Königsberg, in Kaliningrad, stehen, gegenüber dem Kant-Denkmal von Marion von Dönhof. Etwa 400 Meter weiter von den Unterständen, die man als Museum geformt hat zur Erinnerung an die Zeit, als Königsberg als Festung noch gehalten werden sollte gegen den Ansturm der Roten Armee. Auf Russisch und Deutsch werden die Kommandos ausgetauscht, bestimmte Szenen eingespielt.

Die Vernunft Immanuel Kants, die Gedanken zum ewigen Frieden, konfrontiert mit dem ewigen Wahnsinn der Unterstände – wir müssen kämpfen! Putin und Schröder gemeinsam zur Einladung für einen europäischen Frieden.

Er sollte nicht zustande kommen. Als ein Jahr später in München bei Herrn Ischingers Konferenz zur Aufrüstung mehr oder minder Putin erklärte, es droht, wenn wir so weitermachen, ein kalter Krieg, konnten deutsche Gazetten schreiben: Putin: Kalter Krieg! Den wollte er vermeiden! Wir wollten ihn, unbedingt sogar, durch permanente Ausdehnung der NATO. Sie hatte ‘89 sechzehn Staaten, heute hat sie 30 Staaten, übermorgen 32 Staaten, Moldawien und Georgien sind schon in der Zielscheibe. Das soll so weiter gehen. Keine Versöhnung! Die Schwäche des anderen ausnutzen! Machtgewinn! Strategisch sich durchsetzen mit allen Mitteln!

Allein der Krieg im Nahen Osten hat über zwei Millionen Tote gefordert. Haben Sie irgendetwas gehört, dass wir dabei ein Verbrechen begangen hätten?

Wenn Assangedie Bilder aufnimmt, die Chelsea Manning über einen Hubschrauberangriff auf Zivilisten in Bagdad weitergegeben hat, wenn gezeigt wird, mit welchem Jargon man Menschen kaputt schießt, reuelos, skrupellos, und es kommt ins Internet, ist nicht das Verbrechen der GI’s das Verbrechen, sondern dass es mitgeteilt wird im Internet. Dafür gehört Assange 175 Jahre lang eingesperrt, muss verfolgt werden seit zehn Jahren, mit falschen Behauptungen getrieben werden. Darf er, wenn überhaupt, in London nur bleiben, weil er so krank ist, dass er nicht überstellt werden könnte in die USA, nicht weil wir, die Europäer, mal sagten, es muss möglich sein, die Verbrechen des Militärs offenbar zu machen, damit sie aufhören?

Die Lüge muss ein Ende haben!

[Applaus]

Was wir erleben, ist, dass die simpelste moralische Reaktion auf das verbrecherische Militär unterdrückt werden muss durch Geheimhaltung, und das ist die Geschichte des Militärs überhaupt. Nie dürfen Sie wissen, was gemacht und geplant wird. Sie sind ja die Bürger, die sich geschützt fühlen müssen durch den starken Staat, der nur das Gute will. Nochmal: Immanuel Kantkonnte sagen, die Moral des Politischen ist ganz einfach: Handele so in der Öffentlichkeit, dass du deine Absicht öffentlich erklären könntest. Alle Lügen, Geheimdiplomatie, Spionage, Waffen, die der Gegner gar nicht wissen darf, aber ihn abschrecken sollen, fänden augenblicklich ihr Ende.

Und dann käme zur Moral noch ein Weiteres: Wir dürften nicht länger uns einreden lassen, dass die Trennung von Gut und Böse juristisch und ethisch unausweichlich wäre. Wenn jemand wirklich etwas tut, das nach moralischer Wertung als böse bezeichnet werden muss, ist uns nicht die Pflicht gegeben, dagegen anzukämpfen, sondern nachzuschauen, aus welchen Zusammenhängen, mit welchen Absichten, unter welchen Bedingungen der andere so in die Ecke getrieben wurde, dass er meinte, so handeln zu sollen. Und diese Umstände, die wir selber mit zu verantworten haben, müssen wir abtragen.

Was ist mit der Ukraine?

Der Krieg wäre bis zum letzten Tag nicht nötig gewesen, hätte man, was Russland forderte: Militär-politische Neutralität der Ukraine und endlich Frieden im Donbas und die Zugehörigkeit der Krim zu Russland akzeptiert.

Stattdessen hatte es das United Kingdom nötig, genau den Ansatz einer solch möglichen Verhandlung zu unterminieren und Selenski dann den Rücken zu stärken mit immer neuen Versprechungen. Er muss durchhalten, er ist der Starke, er muss hetzen gegen die Russen.

Ich will die Politik, die dahinter steht, kulturgeschichtlich nicht länger kommentieren, aber erinnern darf ich daran, dass Kiew einmal der Ursprungsort der russischen Orthodoxie war um 900, und die russische Kultur da ihre Wurzeln hat. Die Ukraine hat länger zu Russland gehört, als es die Vereinigten Staaten von Amerika überhaupt gibt. Dass die Ukrainer nicht gerade glücklich waren unter der Zarenherrschaft und noch weniger unter Stalin, ist allgemein bekannt. Auch die Russen haben gigantische Fehler begangen. Die Kornkammer, die Ukraine, mit Millionen Hungertoten unter Stalin in den dreißiger Jahren, das alles ist eine ganze Serie von Verbrechen, die wir nicht übersehen dürfen und die den Hass mancher Ukrainer auf Russland bestätigen und erklären können. Vergessen dürfen wir auch nicht, dass, als die Nazis einmarschierten, ganze Teile der Ukraine die Deutschen begrüßten als Befreier von Stalin. Und von dieser Denkungsart gibt es heute noch in der Kiewer Regierung eine ganze Reihe Bandera-Anhänger.

….

Auszug aus einer Rede von Eugen Drewermann auf dem Kongress ‘Ohne NATO leben – Ideen zum Frieden’ vom 21.5.2022 in der Humboldt-Universität Berlin

Quelle: frieden-links.de… vom 5. Oktober 2022

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