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Soziale Streikformen im Kampf gegen Macrons Rentenabbau wieder da

Eingereicht on 31. Januar 2023 – 15:53

Französische Gewerkschaft schaltet Strom ab, um Macron in Sachen Renten unter Druck zu setzen: Gezielte Stromabschaltungen bei Politikern und Wohlhabenden ziehen Warnungen vor rechtlichen Sanktionen nach sich. Um die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron zu bekämpfen, verfolgt Frankreichs kämpferischste Gewerkschaft eine radikale Strategie: Sie will seinen politischen Anhängern und den Wohlhabenden den Strom abschneiden, während sie der Allgemeinheit Strom und Gas zu ermäßigten Preisen zur Verfügung stellt…“ so beginnt der engl. Artikel von Matthew Dalton und Noemie Bisserbe am 27.1.2023 im Wall Street Journal – ab da im Abo, aber wir haben weitere Informationen zur Maßnahme der CGT im aktuellen Kampf um die Rente und ihren schon älteren „Verwandten“:

  • „Robin Hood“-Streiks in Frankreich: Kostenlose Energie für Krankenhäuser, Schulen und Bibliotheken
    Die Gewerkschaft CGT im Energiesektor kündigte inmitten eines Streiktages an, dass sie kostenlosen Strom und Gas für Krankenhäuser und Schulen sowie reduzierte Tarife für kleine Geschäfte wie Bäckereien bereitstellen wird. Die Streikversammlungen der in der Gewerkschaft CGT organisierten Arbeiter:innen im Energiesektor in Lille, Paris, Marseille und anderen französischen Städten haben einstimmig beschlossen, Schulen, Krankenhäuser und andere öffentliche Dienste während der Streiktage kostenlos mit Energie zu versorgen. Dies wurde am Donnerstag, den 26. Januar, von einem Gewerkschaftsführer im Fernsehen bekannt gegeben. Für kleine Unternehmen, die ebenfalls unter den Strompreiserhöhungen leiden, wird es einen ermäßigten Tarif geben. Wie machen sie das? Ganz einfach: Die Arbeiter:innen selbst können die Strom- und Gaszähler kontrollieren und verändern. Während der Streiks führen sie diese „Robin Hood“-Maßnahmen durch, um die Unterstützung der Öffentlichkeit für ihre Kämpfe zu gewinnen. In den sozialen Medien hat diese Maßnahme enorme Unterstützung erfahren. Ein Fernbusfahrer antwortete: „Wir sollten das Gleiche in unseren Bussen machen, kostenlos für alle. In Anbetracht des katastrophalen Zustands des Netzes wäre das eine angemessene Gegenleistung.” Mit dieser Art von Aktionen werben die Arbeiter:innen in strategischen Sektoren wie Energie oder Verkehr um die breitestmögliche Unterstützung der Arbeiter:innen und der Bevölkerung für ihre Kämpfe. Gleichzeitig zeigen sie, wer an den Hebeln der wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen sitzt und wer die Möglichkeit hat, sie in den Dienst der großen Mehrheit zu stellen: die Arbeiter:innenklasse. In einer Zeit, in der die Strom- und Gaspreise infolge der Energiekrise und der Spekulationen der großen Energiekonzerne ins Unermessliche steigen, stößt diese Aktion der Arbeiter:innen auf große Sympathie bei der Bevölkerung in den Arbeiter:innennvierteln…“ Artikel  aus IzquierdaDiario.es. in der Übersetzung durch Stefan Schneider am 27. Jan 2023 bei Klasse gegen Klasse, siehe dazu auch:

    • „… Die Energieproduktion in Frankreich sank an dem Tag laut Angaben des Stromunternehmens EDF und Regierungszahlen um 5.000 Megawatt, laut Zahlen der (zur zeitweiligen Senkung der Energieproduktion im Zusammenhang mit dem Streik aufrufenden) CGT um 7.000 Megawett. Im Vorfeld hatte es Diskussionen darüber gegeben, dass die CGT auch androhte, etwa Wahlkreisbüros von Macron und die „Reform“ unterstützenden Abgeordneten gezielt den Strom abzudrehen – was in den Medien zu Polemiken führte und dort zum Teil als angebliches Faustrecht und „Druck auf frei gewählte Abgeordnete“ dargestellt wurde. Der Linksparlamentarier François Ruffin (u.a. Mitbegründer der Platzbesetzerbewegung Nuit debout im Frühjahr 2016) hatte versucht, dem Druck zu entgehen, indem er in einem TV-Interview zu erkennen gab, es sei vielleicht besser, „positive“ Maßnahmen – etwa das Umstellen von Haushalten auf den günstigeren Nachtarif – durchzuführen, ohne sich jedoch ausdrücklich zu distanzieren. Das Energieunternehmen Enedis hatte seinerseits mit Strafanzeigen im Falle von Abschaltungen gedroht. Letztendlich kam es jedoch kaum zu gezielten Abstellungen des Stroms, allem Anschein nach nur in zwei Fällen, in einem Industriegebiet in Massy südlich von Paris (von 06.30 Uhr bis 08 Uhr früh, also eher als symbolischer Nadelstich) sowie im ostfranzösischen Chaumont, wo Behörden wie der Präfektur, d.h. der juristischen Vertretung des Zentralstaats, und dem Rathaus bis elf Uhr am Vormittag der Strom abgestellt blieb. Ansonsten handelte es sich durchweg um eine allgemeine Absenkung der Energieproduktion etwa durch Verringerung des Wasserdurchsatzes an Stauseen…“ aus dem Artikel von Bernard Schmid vom 20.1.2023 „Frankreich: Die Mobilisierung zum Sozialprotest übertraf die Erwartungen – weitere Aktionen und Streiks über den 23.1. bis zum nächsten Aktionstag am 31.1.“ mit einigen Links zum Thema aus der französischen Presse

Siehe frühere Beispiele:

  • Die Robin Hoods der Energie
    Kurze Dokumentation über französische Beamte, die Leuten, die ihre Elektrizitätsrechnung nicht bezahlen können, den Strom wieder anstellen. „Den Strom wieder anzustellen ist für uns total konsistent mit dem Prinzip des Öffentlichen Dienstes (…) Leuten den Strom abzustellen, weil sie nicht bezahlen können, ist für uns im 21. Jahrhundert ganz inakzeptabel. Die letzte Disziplinarkommission hat von 9h bis 19h30 gedauert, und es scheint, dass diese Robin Hood Aktion das Thema ist, das für sie am problematischstem ist, weil sie wissen, dass das, was sie gemacht haben in der Öffentlichkeit nicht so schön aussieht. Dafür haben sie uns bestraft.“ (aus dem Film) Das Video bei labournet.tv (Französisch | 9:30 min | 2010 | untertitel: dt)
  • Streiken, aber richtig. Die Gewerkschaften müssen ihre Kämpfe zu gesellschaftlichen machen
    Wer die Gewerkschaftsbewegung bereits tot glaubte, wird momentan eines Besseren belehrt – flächendeckend wird gestreikt und protestiert! Bei aller Freude an selbst geringsten Regungen von Widerstand ist es dennoch notwendig, über Streik- und Kampfformen nachzudenken. Die aktuell größte Streikbewegung organisiert ver.di im Rahmen der Tarifverhandlungen für die rund 160 000 Beschäftigten bei der Deutschen Post AG. Dem Aufruf zu zeitlich befristeten Arbeitsniederlegungen sind seit vergangenem Samstag über 1 500 Kolleginnen und Kollegen gefolgt, und ver.di ist stolz darauf, daß rund fünf Millionen Sendungen liegenblieben. Das ist schon beeindruckend, sind doch Postangestellte nicht gerade für ihre Streikbereitschaft berühmt. Auch »fünf Millionen Sendungen« klingt gewaltig, solange Liebesbriefe und Rechnungen gleichgestellt werden. Insbesondere in Kenntnis französischer Kampfmaßnahmen, bei denen Geschäftspost liegenblieb, während Erwerbslosenschecks ausgetragen wurden, stellt sich jedoch die Frage, ob andere Streikformen nicht eher geeignet gewesen wären, bei dem allen, die unter dem ausgedünnten Postfilialnetz leiden, Verständnis für die gebeutelten Angestellten zu erzeugen.
    Die Frage, »wem will ich mit den Streikmaßnahmen schaden und wem nicht«, stellt sich auch bei den Herweg Bus Betrieben (HBB) in Leverkusen. Die dortigen Beschäftigten befinden sich seit Wochen im Streik gegen Niedriglöhne, denn neue Fahrer werden nur noch bei der Tochtergesellschaft Wupper-Sieg AG zu deutlich niedrigeren Löhnen eingestellt. Es ist zu vermuten, daß dieser berechtigte Streik mehr Unterstützung erfahren würde, wenn die Kampfmaßnahme nicht in der Verweigerung der Beförderung, sondern in der Verweigerung des Kassierens der Beförderungskosten bestünde. Allein die Androhung einer solchen Maßnahme des Nulltarifs hat im vorletzten Jahr den niederländischen Bahnschaffnern zu einer sechsprozentigen Lohnerhöhung verholfen.
    Es gibt zahlreiche internationale Beispiele für Kampfformen, die die Bevölkerung einbeziehen, anstatt sie zu behindern. Das aktuellste kommt einmal mehr aus Frankreich, wo der Streik im Energiesektor gegen Privatisierung für die bedürftigen Kunden zu verbilligten Stromrechnungen führt. Solche Kampfformen setzten aber voraus, daß sich die Gewerkschaften und ihre Mitglieder auch um die gesellschaftlichen Folgen der Arbeit kümmern und so ihre Kämpfe zu gesellschaftlichen Kämpfen machen
    …“ Artikel von Mag Wompel in der jungen Welt vom 29.05.2004 (im Abo)

Siehe zum Thema auch im LabourNet Germany:  

Quelle: labournet.de… vom 31. Januar 2023

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