Den gemeinsamen Widerstand organisieren – für die Einheitsfront!
Georg T. Die Demonstration gegen das Treffen der EU-Finanzminister am Samstag, 8. September, in Wien kann nur als Zeichen der Schwäche der österreichischen Arbeiter_innenbewegung gewertet werden. Angekündigt als „Auftakt“ zu einem „heißen Herbst“ waren die knapp 130 Teilnehmer_innen ausgesprochen enttäuschend.
Unsere Kritik wendet sich natürlich nicht gegen jene, die sich tatsächlich um 12.00 Uhr beim Donauzentrum in Kagran eingefunden haben (das hat auch Axel Magnus von der „Plattform Gewerkschafterinnen gegen Rassismus und Sozialabbau“ bei seiner Ansprache ganz richtig hervorgehoben) und sie ist auch kein Angriff auf diejenigen, die nicht da waren. Sie richtet sich gegen die politisch Verantwortlichen für diese Krise.
Auffallend war die Abwesenheit der Parteien und Organisationen, die von ihrer Geschichte her aus der Arbeiterbewegung entstanden sind und sich immer noch (mehr oder weniger) auf sie berufen oder sich an die Lohnabhängigen wenden: Die SPÖ und die Gewerkschaften. Was erklärt diesen Abstentionismus? Die Angst, mit „Linksxtremen“ gemeinsam zu demonstrieren und dafür vom Boulevard geprügelt zu werden? Die Sorge ist unberechtigt, denn die Dichand- und Fellnermedien haben sich ohnehin schon mit Sack und Pack dem neuen reaktionären Zeitgeist angebiedert und überbieten sich mit Angriffen auf alles, was sie für „sozialistisch“ halten.
Ist es der Irrglaube, durch ein im Rahmen der parlamentarischen Demokratie, wie sie die 2. Republik lange Jahre erlebt hat, „vernünftiges“ und „konstruktives“ Auftreten das Kapital davon zu überzeugen, dass die reformistischen Bürokrat_innen die besseren (weil besser erzogenen) Geschäftsführer des bürgerlichen Staates wären? Das verkennt die Realität, dass die jahrzehntelange Unterordnung der sozialdemokratischen Bürokrat_innen unter die Interessen der herrschenden Klasse die Lohnabhängigen politisch entwaffnet, buchstäblich bewusstlos gemacht hat. Die historisch die heimische Arbeiter_innenklasse in ihrer Mehrheit vertretende Partei hat ihre Basis vom Kampf entwöhnt, das Bewusstsein über ihre eigene Klassenlage verschüttet (gibt es doch in einer „Sozialpartnerschaft“ keine Klassengegensätze mehr) und damit ihre eigene Basis so ausgehöhlt, dass sie heute staunend und verständnislos erlebt, wie der einst hochgelobte „Sozialpartner“ jetzt mit ihr umspringt.
Wenn wir die jüngsten Proteste gegen die türkis-blaue Kapitalistenregierung Revue passieren lassen, können wir feststellen: Nach wie vor gibt es in und um die Sozialdemokratie (wobei wir hier nicht zwischen Partei und Gewerkschaftsfraktion unterscheiden) Kräfte, die bereit sind, den Protest auf die Straße zu tragen, die instinktiv nach proletarischen Antworten auf die Angriffe des Kapitals suchen. Wenn wir den Vergleich zur Bewegung gegen schwarz-blau 2000 ziehen, müssen wir aber konstatieren, dass dieses Potenzial (immerhin sind 17 demoralisierende Jahre vergangen!) merklich geschrumpft ist. Ebenfalls spürbar: Die gesunkene Militanz der Jugend, die sich zur Jahrtausendwende noch in ziemlich breiten Streikbewegungen an den Schulen ausgedrückt hat.
Wenn heute bei Kundgebungen und Demonstrationen Fahnen und Transparente von Organisationen, die „links“ von der SPÖ stehen, stärker auffallen als früher, ist das kein Beweis für eine Verlagerung des Schwerpunkts der Bewegung nach links, geschweige denn ein Wachstum dieser Kräfte – es ist ein Ausdruck davon, dass straffer organisierte und politisch geschultere Gruppen schlicht und einfach dem Druck der Reaktion und der gesamten bürgerlichen Gesellschaft besser standhalten und ihre kleinen Kaderkerne besser zusammenhalten können (was keine wie immer geartete programmatische Bewertung dieser Organisationen sein soll!).
Ebenfalls können wir feststellen: die „Virtualisierung“ von Protesten hat sich totgelaufen. Mobilisierungen über Facebook, WhatsApp-Gruppen oder Twitter scheinen (unter nicht-vorrevolutionären Bedingungen) an ihre Grenzen gestoßen zu sein. Ja, viele „liken“ eine Demo, ein paar Hundert drücken den „ich nehme teil“-Button – und bleiben dann weg. Der Mausklick wird schon zum Aktivismus. Ist das übertrieben, negativ, defaitistisch? Wir haben rund um die Proteste der Lehrer_innen gegen den „Deutschklassen“-Erlass, die Proteste gegen die Angriffe auf die AUVA, die Demonstrationen während der diversen EU-Ministertreffen in Wien mit politisierten Menschen gesprochen, die zornig sind über die Politik dieser Regierung, die ihre und die Zukunft ihrer Kinder gefährdet sehen, die bereit sind, die demokratischen Errungenschaften der Klassenkämpfe der Vergangenheit zu verteidigen – und die oft genug von den geplanten Aktionen nichts wussten, weil sie entweder nicht besonders intensiv im Internet unterwegs sind oder „nicht die richtigen Gruppen“ abonniert haben. Die Mobilisierung über Plakate, Flyer und persönliche Gespräche ist in den letzten Jahren deutlich zugunsten der Propaganda in den „sozialen Medien“ zurückgegangen – im öffentlichen Raum hat damit ebenfalls eine „Entpolitisierung“ stattgefunden, die sich nicht zwangsläufig in Desinteresse, aber dafür im Nicht-Wissen-um-den-Protest ausdrückt.
Angesichts der massiven Angriffe auf soziale (Arbeitszeit; Arbeitslosengeld; Mindestsicherung; Senkung der Leistungen im Gesundheitswesen durch „Optimierungen“, u.s.w.) und politische (Demonstrationsrecht; Aufrüstung der Polizei und des Bundesheers; Ausbau staatlicher Überwachung; Ausgangssperren für Flüchtlinge;…) Errungenschaften gewinnt die Notwendigkeit einer Klasseneinheitsfront gegen die Bourgeoisie rasant an Bedeutung. Das bedeutet: Ohne bestehende Differenzen zwischen den Parteien und Gruppen, die sich auf die Arbeiter_innenklasse berufen, zu verschleiern, müssen diese Organisationen gemeinsam und koordiniert den Widerstand gegen die oben skizzierten Attacken organisieren. Das bedeutet nicht (nur), dass sich die Führungen zum gemeinsamen Kampf verpflichten, das bedeutet vor allem, dass an der „Basis“ – in den Betrieben, Schulen, Universitäten, Stadtteilen, Dörfern … – breite Einheitsfrontkomitees gebildet werden müssen, an denen Arbeiterinnen und Arbeiter, Jugendliche, Arbeitslose unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, Ethnie, Religion… den Widerstand organisieren und politisch weniger bewusste Kolleg_innen in die proletarischen Reihen hinein- und von den reaktionären Parteien wegziehen.
Die Gruppe KLASSENKAMPF ist bereit, jede derartige ernstgemeinte Initiative zu unterstützen. Im Kampf gegen den Faschismus ist das starke deutsche Proletariat 1933 den Nazis unterlegen, weil die großen Arbeiterparteien KPD und SPD die Einheitsfront verweigert haben. Zwei Jahre nach der Niederlage in Deutschland fand im französischen Straßburg eine „Internationale Arbeitermusikolympiade“ statt, an der sich Arbeiterchöre unterschiedlicher politischer Herkunft beteiligten. Bert Brecht und Hans Eissler schrieben und komponierten für dieses Treffen das Lied von der Einheitsfront. Ihr Aufruf kann uns noch heute eine Richtschnur sein.
Und weil der Prolet ein Prolet ist,
drum wird ihn kein anderer befrein.
Es kann die Befreiung der Arbeiter
nur das Werk der Arbeiter sein.
Drum links, zwei, drei! Drum links, zwei, drei!
Wo dein Platz, Genosse ist!
Reih dich ein, in die Arbeitereinheitsfront,
weil du auch ein Arbeiter bist.
Quelle: klassenkampf.net… vom 23. September 2018
Tags: Arbeiterbewegung, Arbeitswelt, Gewerkschaften, Neoliberalismus, Österreich, Sozialdemokratie, Strategie
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