Krieg gegen Gaza. Schüsse auf Hungernde
Wiebke Diehl. Über 100 Getötete in Gaza bei Hilfslieferung: Israelische Armee will Berichte »prüfen«. Kleinkinder sterben an Nahrungsmangel.
Mindestens 104 Tote und 760 Verletzte meldeten die Gesundheitsbehörden im Gazastreifen bis jW-Redaktionsschluss: Am frühen Donnerstagmorgen haben nach Augenzeugenberichten israelische Soldaten das Feuer auf Zivilisten in der Nähe von Gaza-Stadt eröffnet, wo die Opfer auf Hilfslieferungen warteten. Noch in der Dunkelheit waren demnach Tausende hungrige Menschen auf die ankommenden Lkw zugestürmt. Dabei seien sie einigen israelischen Panzern »zu nahe gekommen«. Die Soldaten hätten daraufhin in die Menge gefeuert. Die Hamas warnte, aufgrund des heftigen Angriffs auf Zivilisten, könnten die Gespräche über eine Waffenruhe scheitern.
Während das israelische Militär zunächst erklärte, keine Kenntnis von den Schüssen zu haben, und dann behauptete, Dutzende Menschen seien infolge des Gedränges durch Stöße und Tritte verletzt worden, waren in sozialen Netzwerken und arabischen Nachrichtensendern blutüberströmte Getötete zu sehen. Auf einem Lkw hatten Anwohner Leichen gestapelt, zudem wurden Opfer mangels Krankenwagen und anderer Fahrzeuge auf Eselskarren abtransportiert. Am Vormittag dann erklärte die israelische Armee, die Berichte zu »prüfen«.
Internationale Hilfsorganisationen warnen immer eindringlicher vor einer flächendeckenden Hungerkrise und dem Hungertod Tausender im Gazastreifen, den Israel seit Oktober von der Stromzufuhr und von Treibstofflieferungen sowie einem Großteil der benötigten Hilfsgüter abschneidet. Während vor dem 7. Oktober noch rund 500 Lkw pro Tag in die Küstenenklave gelangten, dürfen seither nur noch 90 die Checkpoints passieren. Die israelische Regierung streitet dies ab und wirft den Helfern, insbesondere denen der Vereinten Nationen, Versagen beim Verteilen vor. Wie die UNO berichtet, hat sich die Menge der Hilfslieferungen im Februar im Vergleich zum Vormonat sogar noch einmal halbiert.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete derweil über den Tod zweier Säuglinge im nördlichen Gazastreifen. Sie seien an Dehydrierung und Unterernährung gestorben. Zahlreiche weitere Kinder seien aufgrund des Mangels an Nahrungsmitteln ebenfalls vom Tod bedroht. Es waren nicht die ersten derartigen Berichte: Allein aus dem Kamal-Adwan-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens sind bereits sieben verhungerte Kinder gemeldet worden. Am Mittwoch starb der zweijährige Khaled Hidschasi an einer Vergiftung infolge des Verzehrs von Tierfutter. Anderes stand seiner Familie nicht zur Verfügung.
Die Zahl der im Gazakrieg getöteten Palästinenser hat die Marke von 30.000 inzwischen überschritten. Wie der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf bestätigte, sind inzwischen über 100.000 Getötete und Verletzte bei dem – wie er sagte – »Gemetzel« zu beklagen. Zehntausende seien vermutlich unter den Trümmern ihrer Häuser begraben. 17.000 Kinder seien inzwischen zu Waisen oder von ihren Familien getrennt worden. Unzählige weitere würden ein Leben lang die Narben des physischen und emotionalen Traumas tragen.
Die Zahlen und Bilder aus dem Gazastreifen hinterlassen auch in den traditionell proisraelischen USA ihre Spuren: Dort bevorzugen neun Monate vor der Präsidentschaftswahl 56 Prozent der Anhänger der Demokraten einen Kandidaten, der sich gegen Militärhilfen für Israel ausspricht, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Reuters/Ipsos-Umfrage hervorgeht.
#Titelbild: Chaos und Tote nach Israels Angriff am Donnerstag nahe Gaza-Stadt
Quelle: jungewelt.de… vom 1. März 2024
Tags: Imperialismus, Palästina, Repression, Widerstand, Zionismus
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