Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » International

Frankreich: Sparhaushalt und Neue Volksfront politisch bankrott

Eingereicht on 7. Februar 2025 – 11:18

Alex Lantier. In Frankreich ist in dieser Woche ein Sparhaushalt verabschiedet worden, der Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen in Höhe von 53 Milliarden Euro vorsieht.

Die französische Nationalversammlung billigte am Mittwoch das Vorgehen des neuen Premierminister François Bayrou, der den Haushalt am Parlament vorbei, gestützt auf den undemokratischen Verfassungsparagrafen 49.3, durchgesetzt hatte. Der Haushalt soll die steigenden Militärausgaben sicherstellen und gleichzeitig das Haushaltsdefizit von 7 auf 5,3 Prozent des BIP absenken.

Die Regierung Bayrou, das neofaschistische Rassemblement National (RN) und die sozialdemokratische PS, die dem Großkapital nahesteht, lehnten beide Misstrauensanträge ab, die Jean-Luc Mélenchons Partei La France Insoumise (LFI) gestellt hatte. Sie erhielten daraufhin nur die Stimmen der LFI selbst und von stalinistischen Abgeordneten.

Daraufhin kündigte Bayrou an, er werde sich auch am Freitag auf den Paragrafen 49.3 berufen, um auch den Sozialversicherungshaushalt ohne Abstimmung im Parlament durchzupeitschen. Damit werden Macrons Rentenkürzungen aus dem Jahr 2023, die auf große öffentliche Ablehnung stießen, festgeschrieben, und sowohl die Renten als auch die Gesundheitsversorgung wird weiter gekürzt.

Mit dem neuen Haushalt tritt die Regierung den Willen der arbeitenden Bevölkerung mit Füßen. Macrons Rentenkürzungen wurden gegen massenhafte Streiks und nur dank der Gewerkschaftsbürokraten eingeführt, die die Streiks letztlich abgebrochen hatten. In den Umfragen lehnen 91 Prozent der Bevölkerung die Rentenkürzungen ab.

Mit dem neuen Militärhaushalt werden die Ausgaben von 31 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 69 Milliarden Euro im Jahr 2030 mehr als verdoppelt. Damit soll die französische Armee auf Kriege zwischen Großmächten vorbereitet werden. Macron hat bereits gefordert, französische Soldaten in die Ukraine zu entsenden, um gegen Russland zu kämpfen. Auch dies wird von einer überwältigenden Mehrheit der Franzosen abgelehnt.

Die Tatsache, dass Bayrou und Macron den Haushalt dennoch durchsetzen konnten, ist vor allem der bankrotten Politik Mélenchons zu verdanken. Er hatte sich darauf konzentriert, die PS wiederzubeleben. Er hatte die Sozialdemokraten in das von der LFI angeführte Bündnis Neue Volksfront (NFP) eingegliedert, und bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im vergangenen Sommer hatte er seine LFI-Kandidaten zugunsten der Kandidaten der PS und von Macrons Partei Renaissance zurückgezogen. Dies spielte eine zentrale Rolle bei der Bildung der neuen Regierung, die Mélenchons Partei nun versucht hat, zum Scheitern zu bringen – was ihr jedoch misslungen ist.

Der Haushalt sieht massive Angriffe auf die Arbeiterklasse vor, damit weiterhin große Summen in die Armee fließen. Auch soll über den Schuldendienst für Frankreichs Staatsverschuldung von über 3 Billionen Euro die Finanzaristokratie weiter bedient werden. Der Haushalt sieht Sparmaßnahmen in Höhe von 32 Milliarden Euro und Steuererhöhungen in Höhe von 21 Milliarden Euro vor, darunter eine einjährige Erhöhung der Körperschaftssteuer um 8 Milliarden Euro.

Dies alles wird angesichts des massiven Defizits Frankreichs nicht ausreichen. Auch fordert Donald Trump, dass die europäischen Länder ihre Militärausgaben auf 5 Prozent des BIP noch einmal verdoppeln. Deshalb beabsichtigt die Bourgeoisie, die Sparmaßnahmen weiter massiv zu verschärfen.

Die Sparmaßnahmen umfassen Kürzungen bei der Arbeitsvermittlung um 1,85 Milliarden Euro, des Bildungswesens um 1,19 Milliarden Euro, der Forschung um 630 Millionen Euro und der Entwicklung um 781 Millionen Euro. Ökologische Programme werden um 14 Prozent gekürzt, und die staatlichen Subventionen für die Regionalbehörden werden um 2,2 Milliarden Euro gekürzt. Das Departement Hérault hat daraufhin alle Ausgaben für Kultur gänzlich gestrichen. Zu den Steuererhöhungen, die die breite Masse der Bevölkerung treffen, gehören ein starker Anstieg der Steuern für Selbstständige und eine Erhöhung der Abgaben auf Flugtickets.

Mit Blick auf Trumps Wiederwahl erklärt die Finanzaristokratie zudem, dass eine Erhöhung der Körperschaftssteuer um 8 Milliarden Euro nicht hinnehmbar sei. Bernard Arnault (Vermögen: 189 Milliarden US-Dollar), der gerade erst von Trumps Amtseinführung in Washington zurück war, kritisierte den Haushalt ganz offen und deutete an, er könnte mit seiner Holdinggesellschaft LVMH wohl Frankreich verlassen.

„Ich komme aus den Vereinigten Staaten zurück, wo ich den enormen Optimismus in diesem Land gesehen habe. Und so nach Frankreich zurück zu kommen, das ist eine kalte Dusche“, sagte Arnault. „Outsourcing zu fördern, ist ideal (…) Ich weiß nicht, ob das das Ziel der Regierung ist, aber dieses Ziel wird auf jeden Fall erreicht werden“, fügte er hinzu. „Die US-Behörden ermutigen uns, weiterhin Fabriken in den Vereinigten Staaten zu bauen (…) In der gegenwärtigen Lage ist das etwas, was wir ernsthaft erwägen.“

Solche Kommentare unterstreichen, dass es mit der herrschenden Klasse nichts zu verhandeln gibt. Bayrou führt eine Diktatur der Finanzoligarchie. Er führt Krieg gegen die Arbeiter, während die Nato-Mächte sich auf intensivere Eroberungskriege in Übersee vorbereiten. Trump hat bereits dazu aufgerufen, Kanada, Panama, Grönland und den Gazastreifen zu annektieren.

Die rationale Nutzung sozialer Ressourcen und die Verteidigung sozialer und demokratischer Rechte erfordern die Mobilisierung der Arbeiterklasse. Sie muss den Kampf aufnehmen, um der herrschenden Klasse die Kontrolle über die wirtschaftlichen Ressourcen aus den Händen zu nehmen.

Was jedoch Mélenchon betrifft: Er fordert die Arbeiter dazu auf, den Klassenkampf einzuschränken, soziale Konflikte über das Parlament zu lösen und die kapitalistische „Demokratie“ zu respektieren, die sich doch im Zustand der Fäulnis befindet. Dies war der Inhalt seiner Rede bei einer Versammlung am Mittwochabend in Angers. Er begann mit den Worten: „Es ist immer dasselbe: Einige häufen endlos Reichtum auf, während andere genau parallel dazu ausgeplündert werden. Alles, was an die Milliardäre geht, wurde denen weggenommen, die produzieren. Das ist die Wahrheit.“

Dann jedoch argumentierte Mélenchon, die Arbeiter sollten eine nicht-revolutionäre Politik verfolgen, und er verwies auf die erfolgreiche Misstrauensabstimmung der NFP zusammen mit dem faschistischen Rassemblement National, die im vergangenen Herbst die Regierung Barnier zu Fall brachte und letztlich Bayrou an die Macht gebracht hat. Er sagte: „Die Bürgerrevolution, die wir anstreben, wird an der Wahlurne und durch Abstimmungen in der Nationalversammlung erreicht. Ohne einen einzigen Meter Barrikaden oder einen einzigen Schuss haben wir jene Regierung zu Fall gebracht. Auf diesem Weg werden wir weitermachen, und auf diesem demokratischen Bürgerweg werden wir alles von Grund auf ändern.“

In Wirklichkeit zeigt die jüngste Abstimmung über Bayrous Haushalt, dass die NFP-Politik der Missachtung Barniers in eine Sackgasse geführt hat. Sie hat die Arbeiter nicht zum Kampf aufgerufen und wurde von Kräften angeführt, die der sozialistischen Revolution feindlich gesinnt sind. Damit verschaffte sie der Bourgeoisie nur Zeit, ihre arbeiterfeindliche Politik neu auszurichten.

Die Verantwortung dafür trägt in erster Linie Mélenchon. Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 hatte er 20 Prozent der Stimmen gewonnen, während die PS und die stalinistische PCF einbrachen. Die kapitalistischen Medien hatten ihn schon als Frankreichs führenden „linken“ Politiker dargestellt, bzw. verteufelt und angeprangert. Aber Mélenchon reagierte, indem er ein Bündnis mit der PS, der PCF und den Grünen einging und ihre Kandidaten bei den Parlamentswahlen 2022 und 2024 unterstützte. Er fügte sich auch dem Aufruf der Gewerkschaften, den Kampf gegen die Rentenkürzungen 2023 einzustellen.

Mélenchon arbeitete also daran, die Arbeiterklasse zu demobilisieren, und stärkte gleichzeitig Macron und dessen Verbündete im Parlament. Die Tatsache, dass Bayrou nun seinen Sparhaushalt durchpeitschen kann, ist das vorhersehbare Ergebnis.

Zur Zeit diskutiert die LFI darüber, ob sie die PS aus der Neuen Volksfront NFP ausschließen soll, aber das ist ein zynisches Manöver. Viele Kräfte innerhalb der NFP – darunter die LFI, die PS, die PCF, die Grünen und die pablistische Neue Antikapitalistische Partei (NPA), sowie die Gewerkschaftsbürokraten – unterstützen in Wirklichkeit Bayrous Haushalt. Tatsächlich bezeichnete die Gewerkschaftssekretärin der CFDT, Marylise Léon, den Haushalt zwar als „sozial ungerecht“, forderte aber dessen Verabschiedung.

„Eine gewisse Stabilität ist eine gute Sache“, sagte sie am Dienstag der Zeitung FranceInfo, „ebenso wie ein Haushalt, auch wenn er sicherlich nicht viele Erwartungen und Ambitionen erfüllt.“ Sie warnte vor den „enormen Erwartungen“, die die Arbeiterinnen und Arbeiter haben. „Sozial gesehen ist es ein Budget, das ungerecht ist, das keine ökologischen Ambitionen hat und das ein Problem darstellt“, fuhr sie fort. Aber sie fügte hinzu, dass es dennoch „dringend verabschiedet werden muss“.

Am Mittwochabend griff der PS-Funktionär Jérôme Guedj Mélenchons Partei LFI als intolerant an, weil sie kritisierte, dass die PS mit Macron und dem RN für den Haushalt gestimmt hatte. Dies, so sagte er, „macht eins klar: Es wird nie wieder eine Allianz zwischen der PS und LFI geben.“ Die LFI, fügte Guedj hinzu, „kann sich aus Gründen der politischen Kohärenz nicht mit einer PS verbünden, die sie als Verbündete des RN bezeichnet“. Und die PS „akzeptiert nicht die permanenten Beleidigungen und Verratsvorwürfe“.

Was auch immer in den Fraktionskämpfen der NFP vor sich geht, diese Erfahrung beinhaltet weitreichende politische Lehren. Um den imperialistischen Krieg im Ausland und den Klassenkampf im Inland auf beiden Seiten des Atlantiks zu stoppen, ist die Vereinigung und Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf erforderlich. Dies erfordert den Aufbau einer internationalen Bewegung der einfachen Arbeiter für den Sozialismus, nicht nur gegen die Parteien des Großkapitals wie die PS, Macron und den RN, sondern auch gegen Kräfte wie Mélenchon, die jeden Klassenkampf gegen diese Parteien sabotieren.

#Titelbild: Jean-Luc Mélenchon (Mitte) bei einer Rede nach dem zweiten Wahlgang der Parlamentswahlen [AP Photo/Thomas Padilla]

Quelle: wsws.org… vom 7. Februar 2025

Tags: , , , , , , , ,