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Bundestag schließt Russland vom Gedenken an den Sieg über die Nazis aus

Eingereicht on 18. April 2025 – 15:08

Peter Schwarz. Der Deutsche Bundestag hat die Botschafter von Russland und Belarus von der zentralen Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai ausgeschlossen. Die Parlamentsverwaltung stützt sich dabei auf eine Empfehlung des Auswärtigen Amts der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock.

Die Handreichung des Auswärtigen Amts, die auch an Länder, Landkreise und Kommunen verschickt wurde, rät von der Einladung von Vertretern der beiden Länder zu allen Gedenkveranstaltungen in Deutschland ab. Falls sie unangekündigt erscheinen, sollen die Veranstalter „von ihrem Hausrecht Gebrauch machen“ und sie des Platzes verweisen.

Russland ist der völkerrechtliche Nachfolgestaat der Sowjetunion, die die Hauptlast des Kampfs gegen die Nazis trug. Im Zweiten Weltkrieg starben etwa zehn Millionen sowjetische Soldaten. Allein in der Schlacht um Berlin, die das Nazi-Regime zur bedingungslosen Kapitulation zwang, verloren 170.000 Soldaten das Leben und wurden weitere 500.000 verletzt. Hinzu kommen mindestens weitere 15 Millionen zivile sowjetische Opfer, die von den Nazis erschossen, vergast und ausgehungert wurden, weil sie Juden oder Kommunisten waren oder weil sie ihren Expansionsplänen im Wege standen.

Es gibt unter den 144 Millionen Einwohnern Russland kaum einen, der nicht engste Verwandte durch den Terror der Nazis oder im Kampf gegen sie verloren hat. Allein der 28-monatigen Belagerung Leningrads fielen 1,1 Millionen Einwohner der russischen Großstadt zum Opfer. Doch nun sollen die Vertreter dieses Landes von allen Gedenkveranstaltungen ausgeschlossen werden – nicht nur im Bundestag, sondern auch auf Friedhöfen, in denen Zehntausende gefallene sowjetische Soldaten ruhen.

Die Ausladung Russlands ist eine derart offensichtliche Provokation, dass sie selbst bei Lokalpolitikern der Regierungsparteien auf Unverständnis stieß. So erschien der 71-jährige russische Botschafter Sergej Netschajew auf der Gedenkveranstaltung in Seelow, wo in der der größten Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden 33.000 Soldaten der Roten Armee gefallen waren. Trotz Drucks aus Berlin weigerten sich die zuständigen Lokalpolitiker, ihn rauszuwerfen.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Sina Schönbrunn sagte der ARD: „Ich kann doch niemanden ausladen, der hier seiner Landsleute gedenken will. Das kann ich nicht nachvollziehen. So macht man keine Diplomatie.“ CDU-Landrat Friedemann Hanke kommentierte: „80 Jahre ist ein runder Jahrestag. Ich kann doch nicht von heute ausgehen und sagen, ich würdige nicht, was damals geschehen ist.“ Im Übrigen arbeite man bei Fragen der Kriegsgräber sehr eng mit der russischen Botschaft zusammen.

Das Auswärtige Amt begründet seine Provokation damit, dass Russland die Gedenkveranstaltungen „instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen“ könnte. Was für eine unverschämte Lüge! Wenn jemand die Gedenkveranstaltungen für Kriegszwecke instrumentalisiert, dann sind es die deutsche Regierung und Baerbocks Auswärtiges Amt. Sie schließen Vertreter Russlands von den Gedenkveranstaltungen aus, weil sie an Hitlers Großmachtpolitik anknüpfen und wieder Krieg gegen Russland führen.

Mit Ausnahme der amerikanischen hat keine andere Regierung derart hohe Summen in den Krieg in der Ukraine investiert wie die deutsche. Deutsche Panzer, Raketen und Granaten töten wieder russische Soldaten, ukrainische Truppen werden in Deutschland für den Krieg gegen Russland ausgebildet.

Berlin hat mit Panik auf die Bemühungen der Trump-Administration reagiert, mit Moskau einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Es mobilisiert sämtliche verfügbaren Mittel, damit der Krieg weitergeht, obwohl die ukrainische Armee ausgeblutet und in der Defensive ist. Die Bundeswehr soll in wenigen Jahren „kriegstüchtig“ sein, um in einer bewaffneten Konfrontation mit Russland zu bestehen. Zu diesem Zweck hat der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen einen Kriegsfonds von einer Billion Euro beschlossen. Im Bundesrat stimmten auch die Vertreter der Linkspartei zu.

Diese gigantische Aufrüstung hat nichts mit „Verteidigung“ zu tun, wie die offizielle Propaganda behauptet. Ziel ist es vielmehr, die wirtschaftliche und politische Expansion nach Osten fortzusetzen, die mit dem Ukrainekrieg zum Stillstand gekommen ist, Russland eine militärische Niederlage beizubringen, das gewaltige Land zu zerschlagen und seine Rohstoffreserven und sonstigen Reichtümer auszubeuten. Es ist dasselbe Ziel, das Wilhelm II im Ersten und Hitler im Zweiten Weltkrieg verfolgten.

Das ist der Grund, weshalb Russland aus den Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs verbannt und die Geschichte systematisch umgeschrieben wird. Wie zynisch die deutsche Regierung dabei vorgeht, zeigt der Umstand, dass sie Vertreter der ukrainischen Regierung auf den Gedenkveranstaltungen mit offenen Armen willkommen heißt.

Unter den 28 Millionen Opfern des deutschen Vernichtungskriegs befanden sich auch Millionen aus der Ukraine, einem der Hauptschauplätze des Krieges. Aber sie starben, weil sie in der Roten Armee kämpften, weil sie Bürger der Sowjetunion waren oder weil sie als Juden ausgerottet wurden.

Das Regime von Wolodymyr Selenskyj stützt sich dagegen auf eine völlig andere Tradition. Es verehrt Nazi-Kollaborateure, die auf der Seite der deutschen Wehrmacht kämpften und sich an ihren Verbrechen beteiligten, errichtet ihnen Denkmäler und lässt Straßen nach ihnen umbenennen. So ist Andrij Melnyk, der die Ukraine in Deutschland jahrelang als Botschafter vertrat, ein fanatischer Bewunderer des Faschisten Stepan Bandera, an dessen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) das Blut Zehntausender Kommunisten, Juden und Polen klebt.

Auch an deutschen Universitäten wird systematisch ein neues historisches Narrativ entwickelt, das die Verbrechen der Nazis verharmlost und die Sowjetunion zur Mitverantwortlichen für den Zweiten Weltkrieg erklärt. Die WSWS hat kürzlich eine ausführliche Kritik der Ausstellung „Riss durch Europa“ veröffentlich, die diese Geschichtslüge verbreitet und über die Bundeszentrale für politische Bildung auch als Handreichung für den Schulunterricht dienen soll.

In diese Entwicklung passt auch, dass führende Unionspolitiker und Anwärter auf Ministerposten in der neuen Regierung – darunter Jens Spahn, Johann Wadephul und Mathias Middelberg – dafür plädieren, die Beziehungen zur AfD zu normalisieren und mit ihr umzugehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei“ auch. In der rechtsextremen Partei, deren Ehrenvorsitzender Alexander Gauland die Nazi-Herrschaft als „Vogelschiss“ in einer über 1000-jährigen, ruhmreichen deutschen Geschichte verharmlost, wimmelt es von Nazi-Verehrern.

Vor einem Monat schrieben wir im Artikel „Eine Billion Euro für Krieg“:

Der wirkliche Zweck des gigantischen Rüstungspakets besteht darin, Deutschland wieder in eine militärische Großmacht zu verwandeln, die sich von der amerikanischen Vorherrschaft befreien, Europa dominieren und es im Kampf um die gewaltsame Neuaufteilung der Welt mit anderen Großmächten – Russland, China und den USA – aufnehmen kann. 80 Jahre nach der Kapitulation von Hitlers Wehrmacht entledigt sich der deutsche Militarismus der letzten Fesseln, die ihm aufgrund seiner Kriegsverbrechen angelegt wurden.

Der provokative Ausschluss Russlands aus den Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs bestätigt diese Einschätzung. Er muss entschieden zurückgewiesen werden.

#Titelbild: Soldaten der Roten Armee hissen die sowjetische Flagge über dem Reichstag in Berlin

Quelle: wsws.org… vom 18. April 2025

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