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Israel überfällt die Gaza-Hilfsflotte in internationalen Gewässern

Submitted by on 3. Oktober 2025 – 15:19

Ralf Streck. Ein Teil der mehr als 40 Boote der Global Sumud Flotilla (Gaza-Hilfsflotte) wurde erwartungsgemäß vom israelischen Militär aufgebracht, als sich die mit Hilfsgütern beladenen Boote Gaza genähert haben. Illegal, gegen internationales Recht, wurden die Boote beim Eindringen in der von Israel willkürlich festgelegten „Hochrisikozone“ geentert und einen

Teil der Aktivisten „entführt“, wie die Aktivistin Greta Thunberg beklagt. Überall wird nun demonstriert und gestreikt, die Wut ist auch auf die italienische und spanische Regierung groß. Beide hatten Kriegsschiffe zum Schutz ihrer Staatsbürger entsandt, haben dann aber den Rückzug angetreten.  

Nach dem internationalen Recht ist die Lage eindeutig. Die Regierung von Benjamin Netanjahu hat sich erneut auch in dieser Frage über alle internationalen Normen hinweggesetzt. Denn zivile Schiffe haben nach dem Seerechtsübereinkommen in internationalen Gewässern das Recht auf freie Durchfahrt und dürfen nur in sehr begrenzten Ausnahmen – wie Piraterie oder Sklavenhandel – aufgehalten, durchsucht oder geentert werden. Israel hatte aber willkürlich eine „Hochrisikozone“ im Umkreis von etwa 150 Seemeilen (etwa 240 Kilometer) um die Küste vor dem Gazastreifen festgelegt. Damit wurden bisher alle Versuche verhindert, die Seeblockade für Hilfslieferungen zu durchbrechen. 2010 hat das israelische Militär bei einer solchen illegalen Aktion sogar 10 Aktivisten einer Hilfsflotte getötet.

Nach dem Seekriegsrecht können Blockaden unter bestimmten Bedingungen zwar rechtmäßig sein, aber sie müssen den Zugang zu humanitärer Hilfe gewährleisten, was das ausgewiesene Ziel der Gaza-Flotte ist. Und eine Blockade darf nicht darauf abzielen, die Zivilbevölkerung auszuhungern. Unter anderem dafür hat aber der Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) einen Haftbefehle auch gegen Netanjahu wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt. Es geht dabei auch um den Einsatz von Hunger zur Kriegsführung sowie die Verweigerung lebenswichtiger Hilfe wie auch Wasser, medizinische Versorgung etc. gegenüber der Zivilbevölkerung.

Soweit bisher bekannt ist, hat Israel gut zwei Dutzend der mehr als 40 Boote geentert, während andere noch auf dem Weg nach Gaza sind und Gaza auch noch erreichen könnten, wie die Flotille mitteilt. In einer Erklärung nach der Erstürmung einiger Boote am späten Mittwochen, hatte sie angekündigt, man werde weitersegeln und „Israels tödliche Belagerung“ durchbrechen.

Israel hatte es vor allem auf Persönlichkeiten abgesehen, wie die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die ehemalige Bürgermeisterin der katalanischen Metropole Barcelona Ada Colau oder den Flotten-Anführer Thiago Ávila. Die Szenen wurden im spanischen Fernsehen zum Teil live übertragen, da man über das Internet mit verschiedenen Booten verbunden war. Darauf war zu sehen, wie die etwa 500 Aktivistinnen und Aktivisten sich auf den verschiedenen Bootsdecks im Kreis zusammengesetzt hatten, um absolute Friedfertigkeit zu zeigen. Es wurde kein Widerstand geleistet, trotz allem wurden die Boote zum Teil mit Wasserkanonen beschossen.

Colau und andere hatten an Medien ein Video geschickt. „Wenn du dieses Video siehst, dann hat uns Israel illegal festgenommen.“ Es sei unklar, wie lange man nun in einer absoluten Kontaktsperre gehalten werde. Thunberg geht etwas weiter und spricht von „Entführung in internationalen Gewässern“. Diese Version wird auch von verschiedenen Medien übernommen, die auch die sofortige Freilassung der festgesetzten Journalisten fordern. In Deutschland titelt man verharmlosend wie in der Tagesschau: „Israel stoppt Teile der Gaza-Hilfsflotte von Aktivisten“. Hier wird die aus Sicht Israels von einer „Provokation“  gesprochen. Israel meint, die Flotte sei an Hilfslieferungen gar nicht interessiert.

In dem Land spricht auch gerne von den Aktivisten als „Terroristen“. Der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir hatte schon deutlich gemacht, dass er die Mitglieder der Flottille als Terroristen inhaftieren will. „Wir werden nicht zulassen, dass Personen, die den Terrorismus unterstützen, ein angenehmes Leben führen. Sie werden die vollen Konsequenzen ihrer Handlungen tragen müssen.“ Ihm geht es um „Abschreckung“ und er führte weiter aus. „Jeder, der sich für eine Zusammenarbeit mit der Hamas und die Unterstützung des Terrorismus entscheidet, wird mit einer entschlossenen und unnachgiebigen Reaktion Israels konfrontiert werden.“

So ist nun die Frage, ob Israel die Aktivisten nun deportiert oder tatsächlich anklagt, auch wie von Minister Ben-Gvir wegen Terrorismus oder dessen Unterstützung. Klar ist jedenfalls, dass die Stürmung der Boote zu einer enormen Protestwelle führen wird. Die Aktivisten haben in Videos die Zivilgesellschaft zur Mobilisierung aufgefordert, um Druck auf die jeweiligen Regierungen zu machen, um die sofortige Freilassung zu erreichen und um den geplanten „humanitären Korridor“ für Hilfslieferungen einrichten zu können.

Dem Aufruf sind noch am späten Mittwochabend tausende Menschen in verschiedensten Städten gefolgt. Besonders stark zeigte sich der Protest in Italien, wo auch Bahnhöfe wie in Neapel besetzt wurden und am Freitag ein Generalstreik stattfinden wird. Auch in Athen, Brüssel, Barcelona, Berlin und an vielen anderen Orten wurde protestiert und für den heutigen Donnerstag und in den nächsten Tagen wird mit riesigen und breiten Protesten gerechnet. Die große Gewerkschaft CGIL hatte noch gestern gewarnt, einen Generalstreik durchzuführen, sollte die Flotte angegriffen werden. Inzwischen hat sich die CGIL dem Aufruf kleinerer Gewerkschaften angeschlossen.

Dass der Unmut in Italien besonders groß ist, hat auch mit dem Verhalten der rechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu tun. Die hatte sich in Bezug auf Israels Vorgehen im Gaza-Krieg, der nun inzwischen allseits als Völkermord eingestuft wird, zugesichert, dass die Regierung alles tun werde, um italienische Staatsangehörige an Bord der Flottille zu schützen. Nach etlichen Experten und Organisationen, auch aus Israel, kam schließlich kürzlich auch eine unabhängige von der UN eingesetzte Kommission zum Schluss, dass Israel einen Völkermord begeht..

Italien hatte sich sogar vorgewagt und die Mehrzweckfregatte Fasan entsendet, um insbesondere die  italienische Staatsangehörigen an Bord der verschieden Bote zu schützen. Verteidigungsminister Guido Crosetto sagte: „In einer Demokratie müssen Demonstrationen und Formen des Protests auch dann geschützt werden, wenn sie im Einklang mit dem Völkerrecht und ohne Gewaltanwendung durchgeführt werden.“ Später wurde sogar angekündigt, ein zweites Marineschiff zu entsenden, um die Präsenz zu verstärken und „für alle Eventualitäten bereit“ zu sein.

Meloni wird, nachdem sie sich besonders aus dem Fenster gelehnt hatte, nun zum speziellen Angriffsobjekt. Denn sie hatte nach dem absurden „Friedensplan“ von US-Präsident Donald Trump den Schwanz eingezogen. Der Plan, der auch von vielen als kolonialistische  Aufteilung gewertet wird, muss an anderer Stelle ausführlicher aufgearbeitet werden. Doch plötzlich warnte Meloni, nun stelle die humanitäre Flotte stelle eine potenzielle Gefahr für einen Friedensplan dar. Sie sagte, „die Flottille sollte jetzt anhalten und einen der verschiedenen Vorschläge für den sicheren Transport der Hilfsgüter annehmen sollte“.  Das ist natürlich absurd, denn das „Angebot“ kam von Israel, das nachweislich kaum oder keine Hilfslieferungen ins Land lässt.

Mit einem ähnlichen Widerstand und mit ähnlichen Vorwürfen, vor Israel eingeknickt zu sein, ist auch der sozialdemokratische spanische Regierungschef Pedro Sánchez konfrontiert. Als Reaktion auf die Entsendung des italienischen Kriegsschiffs hatte auch der Sozialdemokrat eine Fregatte in Richtung Gaza-Flotte in Bewegung gesetzt. Dass die die nicht einmal wirklich erreicht hat, zeigt schon die mangelnde Bereitschaft, real etwas zu tun. Aber erneut hat sich der Mann gezeigt, der gerne links blinkt, um dann rechts zu überholen, dass er real nur verbal etwas gegen die Verbrechen Israels in Gaza tun will. Wie Overton längst mehrfach herausgearbeitet hat, ist er stets nur auf den massiven Druck der Bevölkerung und seiner Unterstützer zu einem verbalen Vorgehen getragen worden.

So hatte der Ankündigungsmeister kürzlich, weil der Druck enorm wurde, sogar Sanktionen gegen Israel angekündigt. Real kam wie bei der Anerkennung Palästinas oder bei der Unterstützung der Völkermord-Klage aber außer heißer Luft wenig heraus.So war Spanien bisher eines der Länder, dass große Waffengeschäfte mit Israel gemacht hat, obwohl man dem Land offiziell einen Genozid vorwirft. Erst nach Wochen wurde schließlich das angebliche Waffenembargo nach der Ankündigung beschlossen und es ist so löchrig, dass sie praktisch fast ungehindert weitergehen können.

So spricht die Linkspartei Podemos, auf deren Stimmen Sánchez auch angewiesen ist, von einem „wirklichen löchrigen Sieb“ und greift die Regierung heftig an. „Das angebliche Embargo wird auch nicht dazu beitragen, den Transit von Militärgütern durch spanische Häfen zu stoppen, da keine Kontrollen der Schiffsladungen vorgesehen sind und die Nutzung der US-Stützpunkte in Rota und Morón nicht verhindert wird”, erklärt die Partei.  Die Partei verweist aber auch darauf, dass alle Maßnahmen mit Blick auf das „allgemeine Interesse” Spaniens ausgehebelt werden können und spricht von einem Betrug. Denn nach der ersten Zusatzbestimmung des Dekrets sei weiter „jede Operation auf völlig willkürliche Weise“ möglich.

Auch in seiner Regierung stößt Sánchez damit, dass er wie Meloni die Fregatte nicht zum Schutz der spanischen Flotten-Mitglieder eingesetzt hat, auf heftigen Widerstand. Schließlich hatte er noch einen Tag zuvor erklärt, die Gaza-Flotte stelle „keine Bedrohung“ für Israel dar.Doch statt die etwa 50 Staatbürger auf dem humanitären Weg zu unterstützen, hatte seine Regierung hatte danach angeordnet, dass das Kriegsschiff nicht in die willkürlich von Israel bestimmte Sicherheitszone eindringen wird.

Dass hatte neben Podemos und anderen auch der Koalitionspartner Sumar (Summieren) gefordert. Auch diese Linkskoalition hat den „Angriff“ auf die Gaza-Flotte verurteilt und die „sofortige Freilassung“ der Aktivisten gefordert. Auch Sumar fordert nun von der EU das Assoziierungsabkommen zu suspendieren und jegliche Beziehungen zu Israel abzubrechen. Die Sumar-Anführerin und Vize-Ministerpräsidentin Yolanda Díaz spricht auf Bluesky von einem „Verbrechen gegen das internationale Recht“.

In Spanien streiken heute schon Schülerinnen und Schüler auf Aufruf der Schülergewerkschaft.  Im Baskenland rufen alle Gewerkschaften zum Generalstreik am 15. Oktober auf. Der Druck auf die Sánchez-Regierung, die sich seit langem am Abgrund befindet, wird nun enorm. Es ist klar, dass diese Regierung definitiv vor dem Aus steht, die seit zwei Jahren keinen Haushalt beschließen konnte und auch in der gesetzlichen Frist keinen für 2026 vorgelegt hat. Sánchez, der sich sogar hinter den von Trump und Netanjahu ausgearbeiteten „Friedensplan“ gestellt hat, steht nun vor alsbaldigen Neuwahlen mit heruntergelassenen Hosen da, dabei wollte er doch genau in der Palästina-Frage bei den Wählern punkten.

Quelle: overton-magazin.de… vom 3. Oktober 2025

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