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100 Jahre Roter Oktober – Die Aktualität der Revolution

Eingereicht on 8. Oktober 2017 – 10:06

Tobi Hansen. Epochemachende Ereignisse prägen die Geschichte und das Denken ganzer Generationen. Die Oktoberrevolution war ein solches Jahrhundertereignis. Wie die Pariser Kommune als Beispiel für den Kampfeswillen des Proletariats galt, so die Oktoberrevolution für die Möglichkeit, den Kampf gegen Staat und Kapital zu gewinnen. Viele tausende Organisationen und Parteien wie auch Hunderttausende und Millionen Menschen werden sich an die Taten des russischen Proletariats, der Soldaten und BäuerInnen erinnern, die im Oktober 1917 die Grundlage für die Bildung der Sowjetunion legten.

In diesem Artikel wollen wir auch an die Geschichte erinnern. Wir verweisen an dieser Stelle für eine weit umfassendere Darstellung auf die letzte Ausgabe des „Revolutionären Marxismus“, in dem wir ausführlich Programm, Methode und Lehren der bolschewistischen Politik behandeln. Erst in Bezug auf ihre Aktualität erhält das genaue Studium der Geschichte der Klassenkämpfe, der Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung ihren politischen Sinn. Ansonsten droht sie zum historischen Andenken, zur bloßen Traditionspflege zu verkommen.

Das trifft nicht nur auf „wohlwollende“ bürgerliche Geschichtsbetrachtung zu, die den revolutionären Kern des Oktober als „Ausrutscher“ der Vergangenheit entsorgen will. Es trifft auch auf „VerteidigerInnen“ wie „KritikerInnen“ des Bolschewismus zu, die wie die StalinistInnen Lenin zum Vorläufer Stalins umdichten wollen oder, wie ultralinke Strömungen, die spätere Bürokratisierung der Revolution als unvermeidliche, wenn auch nicht unbedingt gewollte Folge der Politik von Trotzki und Lenin interpretieren.

1917-2017

Wenn wir uns die sonst übliche antikommunistische, antirevolutionäre Hetze vergegenwärtigen, ist bislang zumindest in Deutschland diesbezüglich nicht viel geschehen. Etwas Beileid mit den Romanows im Frühjahr auf den Kanälen, ansonsten relativ wenig bürgerliche Hetze gegen die Oktoberrevolution.

Das mag vor allem daran liegen, dass das System der bürgerlichen Klasse derzeit kein „Erfolgsmodell“ darstellt. Man könnte sagen, dass die objektiven Umstände, welche die Russische Revolution begünstigten, im großen Stil wieder Realität werden.

Erst neulich trat die Nr.1 der „freien“ Welt, der US-Präsident, vor die diplomatische Plauderrunde der UN, um in dort eher ungewohnter Wortwahl (vor diesem Gremium, nicht beim Präsidenten) dem „Schurkenstaat“ Nordkorea mit „vollständiger Zerstörung“ zu drohen, was auch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen mit einschließe.

Dies ist nur ein Beispiel für die aktuelle Phase des Imperialismus, in der sich die Fratze der Reaktion, des Rassismus, Nationalismus und des Faschismus wieder auf der Bühne der „Weltpolitik“ zeigen darf. Nach 1990 versprachen die westlichen Mächte Wohlstand, Frieden, Demokratie für alle, die sich unterwerfen bzw. denen sie im Zuge der kapitalistischen Restauration gerade die Segnungen der Marktwirtschaft verkündeten. Dazu waren auch die gewendeten BürokratInnen der UdSSR und Chinas bereit, nur folgte keine soziale Sicherheit, sondern „nur“ das globale Diktat des Imperialismus.

Unter dem Schlagwort „Globalisierung“ setzte er sein System weltweit durch, eine neue Ära der Konkurrenz, der Monopolisierung und der Marktdurchdringung wurde zur Realität. Mit der Krise 2007/2008 zeigte das kapitalistische System, was von seinen Versprechen nach 1990 übrigblieb – nämlich nichts. Die Verluste der Börsen, Banken und SpekulantInnen wurden als neue Staatsschulden „sozialisiert“, Billionen von Euro und US-Dollar in die Finanzmärkte gepumpt, und die Sparmaßnahmen kürzten die Löhne, Renten und Sozialleistungen weltweit. Nicht Frieden, Demokratie und Wohlstand, wie vorm Irakkrieg versprochen, waren angesagt, sondern Krieg, Elend und Verzweiflung. Der Arabische Frühling war eine Rebellion der Volksmassen gegen die Marionetten des Imperialismus. Die Niederlage dieser Bewegungen läutete eine globale Phase der Reaktion ein. Der Aufstieg des „Islamischen Staats“, die Konterrevolution in Ägypten, die Bürgerkriege in Syrien, Libyen und dem Jemen beendeten diesen „Frühling“ in den nordafrikanischen und arabischen Halbkolonien.

Die politische Reaktion zeigt sich im globalen Rechtsruck, auch in der EU. Nach Jahren der Schuldenkrise, der Spardiktate sind es jetzt die RassistInnen und NationalistInnen, welche sich als SystemgegnerInnen profilieren wollen, vor allem gegen die Geflüchteten, die MuslimInnen und sozialen Minderheiten.

Das imperialistische System ist in der Krise, in einer zugespitzten Konkurrenz miteinander. Die USA als Weltmacht Nr. 1 werden von China und der EU auf den globalen Märkten herausgefordert. Hier geht es um Profite, um Marktanteile, um Übernahmen – ein neuer Kampf um die Neuaufteilung der Welt ist entbrannt!

Diese globale Lage steuert auf die Verhältnisse ähnlich jenen vor 1917 objektiv zu. Nicht nur die ökonomischen Angriffe und die Konkurrenz werden schärfer, auch die Kriegsgefahr steigt. Natürlich wiederholt sich die Geschichte nicht (sonst wäre sie auch keine). Aber die der kapitalistischen Gesellschaft innewohnenden Widersprüche drängen heute, ebenso wie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, mit Macht an die Oberfläche, drohen, sich in eruptiven Krisen und Kriegen zu entladen. Damit aber entwickeln sich, wenn auch auf dem Boden neuer Technik, veränderter Klassenzusammensetzung, neuer Erscheinungsformen des Systems jene Widersprüche, die auch zur Oktoberrevolution und zur internationalen Krisenperiode nach 1917 geführt haben. In diesem Sinne hat die Machtergreifung der ArbeiterInnen und BäuerInnen, haben der Sturz von Zarismus und Kapitalismus sowie die Errichtung der Räteherrschaft bis heute ihre Aktualität behalten.

Umrüstung von Partei und Programm

Eine der wichtigen Lehren aus der Russischen Revolution betrifft die zentrale Rolle und den Charakter der kommunistischen Partei. Bekannt sind die Parteien stalinistischen Musters, ohne innere Demokratie, mit einem abstrakten Personenkult, welcher dann meist je nach Bürokrat auch wechseln kann. Im Vergleich zu dem, was die Bolschewiki in der Russischen Revolution taten und verkörperten, handelt es sich hier um komplett verschiedene Organisationen, abschreckende Beispiele.

Die Bolschewiki wuchsen im Jahr 1917 zu einer Massenpartei an. Von wenigen Tausend, die in der Illegalität des Krieges die Partei und Organisationsarbeit aufrechterhielten, wurden sie innerhalb weniger Monate zu einer Partei von Hunderttausenden. Gleichzeitig veränderte die Partei ihr Programm in grundlegenden Fragen, ihre Methode und Taktik im Angesicht der Februarrevolution und der Aufgaben, die auf sie zukamen.

In dem Artikel „Bruch und Wandel des Bolschewismus“ haben wir die Entwicklung der Bolschewiki von einer Partei, die zu Anfang 1917 in vielen Punkten immer noch die Methoden und Taktiken der Zweiten Internationale verinnerlicht hatte, zur Partei des Oktober nachgezeichnet.

Bekanntlich ging die große Mehrzahl der Bolschewiki vor 1917 davon aus, dass die russische Revolution ihrem Wesen nach eine bürgerliche Revolution sein müsse, dass sie nicht zur Diktatur des Proletariats, sondern zur „demokratischen Diktatur“ der ArbeiterInnen und BäuerInnen führen müsse. Dies im besten Fall widersprüchliche Formel erwies sich angesichts der realen Entwicklung der Revolution, der objektiv gestellten Aufgaben als unhaltbar. Sie musste entweder nach rechts, d. h. hin zu eine Anpassung an die bürgerliche Klasse, „gelöst“ werden, also zu einem strategischen Block mit Menschewiki oder Sozialrevolutionären – oder nach links, zur Übernahme der Konzeption der „permanenten Revolution“.

Die „Aprilthesen“ Lenins vollzogen diesen Schritt nach links. Als er sie nach seiner Rückkehr nach Russland präsentierte, waren sie auch unter der Mehrheit der Partei kein umjubeltes Dokument, sondern wurden scharf vom rechten Flügel, von führenden Genossen wie Kamenew, Sinowjew und Stalin kritisiert. Lenin musste Vorwürfe des „Blanquismus“ über sich ergehen lassen.

Lenins Politik war schließlich ein direkter Bruch mit der bisherigen Konzeption der Bolschewiki. Die „Aprilthesen“ stellten die Lösung der Doppelmacht zwischen Provisorischer Regierung und den Sowjets in den Mittelpunkt – und somit auch die Machtfrage zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Weil das Bürgertum seine historisch fortschrittliche, revolutionäre Rolle bereits ausgespielt habe, sei die kommunistische Partei verpflichtet, ein Programm für die proletarische Revolution, gestützt auf die Bauernschaft, zu entwerfen.

Diese Strategie war maßgeblich von der Beschäftigung mit der Analyse der imperialistischen Epoche geprägt, wie sie Lenin unter anderem in seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ darlegt, und von der Vorstellung, dass der Erste Weltkrieg die internationale proletarische Revolution auf die Tagesordnung stellt. Hier konvergierte Lenins Theorie mit der Trotzkis von der permanenten Revolution. Beide vollziehen einen grundlegenden Bruch mit den alten Vorstellungen der Zweiten Internationale, deren geschichtliche Erben Sozialdemokratie und Stalinismus werden sollten.

Dieser Wechsel mit allen seinen Implikationen wie alle großen politischen Wendungen des Bolschewismus im Jahr 1917 wurden sehr aktiv in der Partei diskutiert. Bei den ArbeiterInnen in den Bezirksorganisationen, den VertreterInnen der Bolschewiki in den Räten, bei den Soldaten standen die Debatten um Programm und Taktik im Mittelpunkt.

Charakter der Partei

Vielfach wird das Bild der einigen, der einheitlichen Partei gezeichnet, welche, erleuchtet von Lenin, geschlossen marschierte. Auch wenn die Bolschewiki sicher viel einheitlicher waren als andere Parteien, so musste diese Geschlossenheit immer wieder im inneren Streit, in der offenen Auseinandersetzung um die politische Linie errungen werden.

„Die Vorstellung, dass Lenin ein ‚chemisch’ reiner Bolschewismus vorschwebte, der keine inneren Differenzen geduldet hätte, ist für jede Phase der Entwicklung der Partei vor der Machtergreifung schlichtweg falsch – und selbst danach bedurfte es einiger Jahre, bis die bürokratische Konterrevolution die Partei zu jener Karikatur des ‚Leninismus’ machen konnte, wie sie in den stalinistischen Geschichtsmythen gefeiert wird.

Der Streit, die Auseinandersetzung um die richtige Linie, um revolutionäre Klarheit ist das unerlässliche Terrain, auf dem sich überhaupt nur eine revolutionäre Politik entwickeln kann. Nur in diesem Rahmen kann sie verallgemeinert und zur Konzeption, zur Programmatik einer Organisation und ihrer Mitglieder werden, nur in diesem Rahmen können Entwicklungen aufgenommen werden.

Erst recht kann nur auf einer solchen Basis eine Kampfpartei jene Elastizität entwickeln, die es ermöglicht, ihr Handeln rasch an wechselnde politische Situationen (z. B. Phasen der Reaktion auf jene der revolutionären Offensive, Illegalität auf jene der Legalität usw. usf.) anzupassen.“ (Bruch und Wandel des Bolschewismus, RM 49, Seite 32)

Eine solche Partei war in der Lage, von einer kleinen Minderheit zur Führerin der Klasse zu werden, diese für ihr Programm zu gewinnen und ihr Handeln zu bündeln.

„Das Programm der Partei muss aber zugleich auch eine Vermittlung darstellen zu den aktuellen Grundfragen des Klassenkampfes, eine Verbindung herstellen zwischen den unmittelbaren nächsten Konflikten, dem Bewusstsein der Klasse im Hier und Heute, den strategischen Aufgaben der aktuellen Periode, der Frage der politischen Macht und des Übergangs zum Sozialismus. Ein solches Programm muss die aktuellen Tageskämpfe mit dem strategischen Ziel verknüpfen. Daher nimmt es die Form eines Aktionsprogramms, einer Anleitung zum Handeln an.“ (Ebenda, S. 75)

Diese Tradition der Bolschewiki, als aktive Kampfpartei, nach außen wie nach innen, zu handeln, muss für uns heute die Hauptlehre aus der Russischen Revolution sein. Das ist das Vermächtnis, das zukünftigen kommunistischen Massenparteien Vorbild sein soll.

Programmatisches Erbe

Wir stehen heute am Beginn einer weltgeschichtlichen Periode, die in vielem der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts gleicht. Auch wenn sich Geschichte nicht wiederholt, hinterlässt die Politik des Bolschewismus ein theoretisch-programmatisches Erbe, das auch heute noch, ja wieder aktuell ist und an das es anzuknüpfen gilt.

    1. Der internationale Charakter der Revolution

Der Kapitalismus ist schon immer ein internationales gesellschaftliches System gewesen. Seine inneren Krisen treiben notwendigerweise zu revolutionären Zuspitzungen – und zwar im globalen Maßstab. Kommunistische Politik darf daher den internationalen Klassenkampf nicht als Summe nationaler Kämpfe begreifen, sondern muss umgekehrt von den Gesamtinteressen der Klasse weltweit ausgehen. Der Sozialismus in einem Land hat sich im Stalinismus als das erwiesen, was er seinem Begriff nach schon immer war – eine reaktionäre Utopie.

    1. Anti-Imperialismus

Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt droht der Menschheit mit neuen Handelskriegen, Zuspitzungen bis hin zum großen Krieg. Die ArbeiterInnenklasse darf in diesem reaktionären Ringen keine Gruppe imperialistischer Staaten und Mächte unterstützen, sondern muss sich im Konflikt der Methode des „revolutionären Defaitismus“ bedienen und des Klassenkampfes gegen die „eigene“ Bourgeoisie. Liebknechts Losung „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ hat nichts an Aktualität verloren.

Antiimperialismus bedeutet nicht nur Klassenkampf gegen die eigene Bourgeoisie, er bedeutet auch die Unterstützung nationaler Befreiungskämpfe unterdrückter Nationen, von Aufständen und Klassenkämpfen gegen die ImperialistInnen und die „nationale“ Bourgeoisie in den halb-kolonialen Ländern.

    1. Permanente Revolution

Der niedergeschlagene „Arabische Frühling“ war ein weiterer Beweis dafür, dass demokratische Forderungen im Zeitalter des Imperialismus nicht allein durch eine „demokratische Revolution“ errungen werden können. Die Abhängigkeit des Bürgertums in den Halbkolonien von den imperialistischen Bourgeoisien ist heute genauso gegeben wie die Abhängigkeit der russischen Bourgeoisie vom Großgrundbesitz und dem französischen und britischen Finanzkapital. Daher braucht das Proletariat eine unabhängige Klassenpolitik. Nur diese kann die Basis für ein Bündnis mit den ausgebeuteten Schichten von Stadt und Land, speziell den unteren Schichten der Bauernschaft in den Halbkolonien sein. Dies bedeutet auch, dass Proletariat, Bauernschaft und die städtische Armut nicht auf die Illusionen in eine „westliche“ Demokratie setzen dürfen, sondern stets deren Abhängigkeit vom Imperialismus berücksichtigen und für die proletarische Demokratie, die Rätedemokratie kämpfen.

    1. Verteidigung demokratischer Rechte

Gerade angesichts der reaktionären Züge unserer Zeit gewinnen die Verteidigung demokratischer Rechte und das Einstehen für demokratische Forderungen eine wichtige Bedeutung. Wir stehen an der Seite derjenigen, welche die Meinungs- und Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Koalitionsfreiheit auf gewerkschaftlicher und Parteiebene gegen staatliche Eingriffe und Repressionen verteidigen. Dabei ist uns aber auch klar, dass dieser Kampf nicht abstrakt für die parlamentarische Demokratie geführt werden kann, sondern auf eine proletarische Demokratie, eine Rätedemokratie abzielen muss.

    1. Soziale Unterdrückung

Die kapitalistische Ausbeutung stützt sich zusätzlich auf mannigfaltige Unterdrückung verschiedener Teile der Bevölkerung und insbesondere unter den ProletarierInnen. Rassismus, Sexismus, Homophobie werden benutzt, um die Spaltung der Klasse zu vertiefen und chauvinistische Vorurteile und rückständiges Bewusstsein zu stärken. Deswegen treten wir für besondere Rechte der unterdrückten Teile der ArbeiterInnenklasse ein, wollen die Selbstorganisierung von Frauen, von MigrantInnen, der Jugend und von sexuell Unterdrückten stärken. So können diese ihren Kampf als Teil des Proletariats führen, wie wir auch in der Klasse gegen Vorurteile und rückständiges Bewusstsein kämpfen. Der Kampf wie der gegen Rassismus, für offene Grenzen und gleiche Rechte aller MigrantInnen und Flüchtlinge ist integraler Bestandteil des Klassenkampfes.

    1. Taktik der Einheitsfront

RevolutionärInnen suchen die größtmögliche Einheit der ArbeiterInnenklasse im Kampf gegen das Kapital, die Regierung, den bürgerlichen Staat. Diese Forderung richten sie – wie die Bolschewiki 1917 – an die ArbeiterInnenparteien und Massenorganisationen, deren Basis wie deren Führungen. Der gemeinsame Kampf für klar definierte Ziele darf dabei nie auf Kosten der Freiheit der Propaganda und Kritik an den zeitweiligen reformistischen, gewerkschaftlichen oder kleinbürgerlichen BündnispartnerInnen gehen. Eine revolutionäre Anwendung der Einheitsfronttaktik verfolgt nämlich immer zwei Ziele gleichzeitig – größtmögliche Einheit in der Aktion und die Ablösung der ArbeiterInnen und Unterdrückten von reformistischen, zentristischen oder kleinbürgerlichen Führungen.

    1. Zerschlagung des bürgerlichen Staats – Kampf um die Rätemacht

Ein entscheidendes Merkmal der erfolgreichen Russischen Revolution waren die Sowjets, die Räte, welche den gesammelten Willen des Proletariats, der Bauernschaft und der Soldaten 1917 repräsentierten und daher die wichtigste Stütze der Revolution verkörperten. Diese können nur in revolutionären und vorrevolutionären Situationen entstehen. So wichtig die Räte dabei als elementare Form der Selbstorganisation der Klasse sind, so können sie ihr Potential als Kampforgane und Kern einer zukünftigen proletarischen Staatsmacht nur verwirklichen, wenn sie von einer revolutionären Partei geführt werden. Alle Theorien, die die Räte der Partei entgegenstellen, müssen daher strikt zurückgewiesen werden. Nur durch eine revolutionäre Führung kann die Klasse, gestützt auf Räte, auf Milizen – den bewaffneten Teil der ArbeiterInnenklasse – und in Räten organisierte Soldaten die Macht erobern, eine Doppelmachtsituation aufheben, die bürgerliche Staatsmaschinerie zerschlagen und durch einen proletarischen Halbstaat ersetzen.

    1. Proletarier aller Länder vereinigt Euch!

Diese bekannte Losung aus dem Kommunistischen Manifest hat an Strahlkraft nichts von ihrer Bedeutung verloren, im Gegenteil. Ein revolutionärer Kampf, eine Befreiung der Menschheit vom Kapitalismus, die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft kann nur auf internationaler Basis stattfinden – oder eben nicht. Dies war die Erkenntnis von Marx und Engels, von Lenin und Trotzki bis zu ihrem Tod. Die Entfremdung dessen, ja sogar völlige Verzerrung durch die Ideologie des „Sozialismus in einem Land“ hat nicht nur die Degeneration und schließlich das Ende des ArbeiterInnenstaates eingeläutet, es hatte auch verheerende Folgen für den internationalen Klassenkampf und die politischen Organisationen. Letztlich führte dies zur Abschaffung der Komintern, welche zuvor den nationalen Bedürfnissen der Sowjetbürokratie untergeordnet wurde.

Deswegen ist der Aufbau einer Weltpartei der sozialistischen Revolution, einer 5. Internationale heute die zentrale Aufgabe unserer Zeit. Nur ein internationales Programm gegen den Imperialismus, welches die aktuellen Kämpfe weltweit via der Übergangsmethode mit dem Kampf gegen die herrschende Ordnung verbindet, kann diesen auch herausfordern und stürzen.

    1. Für die revolutionäre Partei!

Wir treten ein für das methodische und taktische Rüstzeug der linken Opposition in der Sowjetunion, für die Theorie und Praxis der Bolschewiki-LeninistInnen. Mit ihrer Methode und ihren Analysen haben sie die Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Sozialismus betrieben und real die „Lehren des Oktober“ gezogen. An diesen Fundus knüpfen wir mit unserer Programmatik, unserer Strategie und Taktik an und wollen diese in den Aufbau einer neuen kommunistischen Partei und Internationale einbringen, da nur auf dieser Grundlage eine lebendige kämpferische Organisation aufgebaut werden kann. Zu den Werkzeugen des Marxismus, des Leninismus wollen wir eine Herangehensweise entwickeln, die im folgenden Zitat gut wiedergegeben ist:

„Und wenn irgendetwas tödlich für das geistige Leben der Partei und die theoretische Erziehung der Jugend sein kann, dann dies, nämlich den Leninismus aus einer Methode, zu deren Anwendung Initiative, kritisches Denken und ideologischer Mut notwendig sind, in einen Kanon zu verwandeln, der nur Interpreten braucht, die ein für alle Mal ernannt wurden.“

(Trotzki, Der Neue Kurs, in: Wolter, Ulf [Hrsg.]: Die Linke Opposition in der Sowjetunion 1923-1928“, Band I, 1923-1924, Berlin/West [Olle & Wolter], 1976, S. 390)

Quelle: Neue Internationale 223, Oktober 2017… vom 8. Oktober 2017

 

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