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Willkommen, Arbeiter*innenklasse! Streiks bei Amazon in ganz Europa

Eingereicht on 22. Juli 2018 – 9:33

Josefina Martinez. Ein 72-stündiger Streik in Madrid, Streiks in verschiedenen Lagern in Deutschland und Solidaritätsaktionen in Polen verwandelten den „Prime Day“ in einen internationalen Kampftag.

Zweiter Streiktag im Amazon-Lager in San Fernando de Henares: 80 Prozent der unbefristet Beschäftigten folgen dem Streikaufruf. Die Polizei verprügelt Arbeiter*innen, die an den Streikposten teilnehmen. Zwei Verhaftete und mehrere Verletzte. So verlief der „epische“ Prime Day von Amazon an diesem Dienstag.

Ana arbeitet seit fünf Jahren in dem Unternehmen, ist alleinerziehende Mutter und folgt dem Streik gemeinsam mit ihren Kolleg*innen. Nachdem sie von der Polizei Knüppelschläge bekommen hat, weint sie vor Wut: „Sie greifen Frauen und unbewaffnete Personen an, die nur ihre Hände zum Arbeiten haben.“ Einer der verletzten Arbeiter musste im Krankenhaus behandelt werden, wo sie sein Kinn mit sieben Stichen nähten. Sein Shirt war voller Blut.

Nach den Polizeiangriffen versammeln sich die Arbeiter*innen wieder: „Jetzt stehen wir noch fester zusammen als je zuvor“, versichert Luis Miguel Ruiz, Delegierter der Gewerkschaft CGT im Betriebsrat. „Es lebe der Kampf der Arbeiter*innenklasse“, antworten seine Kolleg*innen mit Applaus.

„Die Spezialkräfte der Polizei sind hierher gekommen, um sich gegen die Arbeiter*innen und auf die Seite der Bosse zu stellen“, betont der Delegierte. „Wir bekommen heute Knüppelschläge ab, genauso wie unsere Großeltern, aber wir stehen noch. Die Erfahrung von heute sorgt nicht dafür, dass ich zurückweiche. Ich bin stolz darauf, was meine Kolleg*innen getan haben und wir werden weitermachen.“ Klassenstolz und Entschlossenheit, um den Kampf gegen den reichsten Kapitalisten der modernen Geschichte weiterzuführen.

Arbeiter*innen aller Länder… vereinigt euch!

Dem Streik im Lager im Madrid schlossen sich auch sieben Logistikzentren in Deutschland an: Bad Hersfeld (FRA1 und FRA3), Graben, Leipzig, Rheinberg, Werne und Koblenz, zusätzlich gab es Solidaritätsaktionen in Lagern in Polen. Der internationalisierte Protest wurde durch soziale Netzwerke verstärkt, wo tausende Personen zum Boykott aufriefen und die Polizeirepression verurteilten. Die Arbeiter*innen konnten Jeff Bezos das „Prime Day“-Fest gehörig vermiesen.

Der multinationale Online-Händler gehört zu den größten der Welt, mit 80 Lagern in mehreren Ländern. Von Haushaltsgeräten bis Diamanten, Katzenfutter, Motorradersatzteilen und Kriminalromanen: Fast alles kann man bei Amazon kaufen. Mit gigantischen Lagerhäusern verspricht das Unternehmen, die Bestellungen in kürzester Zeit in alle Ecken des Planeten zu verschicken. Aber das Geheimnis von Amazon liegt nicht nur in einem unvergleichlichen Logistiknetz, sondern in der krassen Prekarisierung, unter der die Arbeiter*innen zu leiden haben. Zugleich nutzt die Firma diese globale Struktur, um die Auswirkungen der Streiks zu verringern.

Christian Krähling, Vertrauensmann bei Amazon in Bad Hersfeld für die Gewerkschaft ver.di, erklärt diesen Mechanismus. Wenn es Arbeitskampf in Deutschland gibt, „kann das Unternehmen einen gewissen Teil der Bestellungen an verschiedene Lager umleiten, die nicht im Streik sind, besonders nach Polen.“ Dasselbe hat Amazon beim Streik in San Fernando de Henares gemacht, indem Bestellungen nach Barcelona und nach Frankreich umgeleitet wurden.

In jedem Lager nutzt Amazon eine große Zahl an Leiharbeiter*innen und befristet Beschäftigten, um die Belegschaft zu spalten und ihre Rechte zu untergraben. Das konnte man auch während des Streiks in Madrid beobachten, da viele Befristete und Leiharbeiter*innen unter Androhung von Entlassungen ihre Arbeit fortgesetzt haben. „Sowohl Amazon als auch die Leiharbeitsfirmen haben ihnen gesagt, dass ihre Verträge in einer Woche enden würden, und dass sie keine Verlängerung bekämen, wenn sie in den Streik treten würden. Das ist Erpressung zum Streikbruch, Verletzung des Streikrechts und das werden wir bei den Aufsichtsbehörden melden“, warnt Luis Miguel Ruiz.

Wie kann ein Riese wie Amazon geschlagen werden? Krähling glaubt, dass mehr Kolleg*innen für den Streik gewonnen werden müssen und die internationale Koordierung vertieft werden muss. „Wir arbeiten daran und haben schon Fortschritte gemacht. Wir müssen uns bewusst sein, dass das ein langer Kampf wird.“

Douglas Harper, Delegierter für die Gewerkschaft CC.OO. im Betriebsrat von Amazon San Fernando, hebt hervor: „1200 Arbeiter*innen in Deutschland sind dem Streik gefolgt, zusätzlich dazu gab es die Solidaritätsaktionen in Polen. Das ist sehr wichtig, weil in diesen Tagen die Lager auf Hochtouren arbeiten, und jedes Lager, das fällt, führt zu direkten Verlusten für Amazon.“

Die Streiks sorgten dafür, dass sich die Arbeiter*innenklasse vereint, fügt Harper hinzu. Um „die Konkurrenz untereinander zu überwinden, in die uns der Kapitalismus zwingt“. Unter den Arbeiter*innen liegt „das Durchschnittsalter bei 24 Jahren, das sind Leute, die noch kein gefestigtes gewerkschaftliches Bewusstsein haben, aber verstehen, was der Kampf ist und was die Solidarität ist, und dass der der Individualismus uns überhaupt nichts bringt.“

In Deutschland reflektiert Krähling in demselben Sinn:

Die Welt wird jeden Tag ein bisschen kleiner. Das Kapital überquert die Grenzen mit Leichtigkeit, wir müssen das auch machen! Aber es geht nicht nur darum, Solidaritätsnachrichten an andere Streikende rund um die Welt zu schicken oder auch nur einige Streiks zu koordinieren. Wenn ich mich mit Streikenden in Leipzig, Poznan, Madrid oder Guangzhou in China treffe, ist es, als ob ich mich mit meinen Brüdern und Schwestern treffe. Das berührt mein Herz und gibt mir Energie für die täglichen Kämpfe, weil ich weiß, dass die anderen dieselben Kämpfe führen. Das ist sehr inspirierend und hält den Kampf am Leben!

Abschied vom Proletariat? Nein, willkommen Arbeiter*innenklasse!

Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch bei ctxt.es.

Quelle: klassegegenklasse.org… vom 22. Juli 2018

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