Deutschland: Warum der Osten?
Henri Ott. Im Osten Deutschlands, vor allem in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, häufen sich Fälle von rassistischer Gewalt. Hier hatte die AfD im letzten Wahljahr einen Erdrutschsieg davongetragen, regelmässig finden Nazi-Konzerte statt, sitzen Rechtsextreme in den Stadtparlamenten und hier hatte auch der NSU ein Zuhause. Deshalb stellen sich die Fragen: was ist los mit Ostdeutschland, warum fällt rechtsradikales bis offen nationalsozialistisches Gedankengut hier auf besonders fruchtbaren Boden? Der folgende Artikel soll einen Antwortversuch liefern.
Materielle Verhältnisse oder dumme Ideen?
Die Debatte, warum Ostdeutschland «rechter» ist als der Rest der Bundesrepublik ist schon älter, genau wie das Problem mit rechter Gewalt in dieser Region. Und auch die Antwortversuche in den bürgerlichen Medien enthalten nichts Neuartiges. Die einen schauen mit westdeutscher Überlegenheit auf die «Ossis» hinab. Zurückgeblieben sei man in Sachsen, was sich halt auch in ewig-gestrigem Gedankengut ausdrücke. Die DDR mit ihrer undemokratischen Regierung habe eine «undemokratische» Kultur hervorgebracht, deshalb sei Deutschlands Osten besonders offen für autoritäres Gedankengut. Einige geben auch zu, dass sie sich nicht genau erklären können, wie man auf so dumme Ideen wie Faschismus kommt, andere machen fehlende Bildung verantwortlich usw.
Marxist*innen hingegen sind der Meinung, das Gedanken und Ideologien nicht einfach vom Himmel fallen oder losgelöst von der Umwelt entstehen. Vielmehr gehen sie davon aus, dass sie gemeinsam mit den materiellen Bedingungen betrachtet werden müssen. Die konkreten Lebensumstände und Alltagserfahrungen prägen die Gedanken der Menschen. Das darf man aber nicht als ein mechanistisches Verhältnis missverstehen, und gleiche Lebensverhältnisse müssen nicht zwingend gleiche Gedanken hervorbringen. Dennoch bilden die Umstände den Horizont und Orientierungspunkt für die Gedanken. Besonders in Zeiten kapitalistischer Krisen erlebt faschistisches und rechtsextremes Gedankengut jeweils einen Aufschwung. Die soziale Basis für den Faschismus bildet das Kleinbürgertum, weshalb wird später diskutiert. An diesem Punkt wollen wir vereinfacht festhalten: Das Kleinbürgertum (oder Arbeiter*innen, die sich schon für Kleinbürger halten)t hat Angst vor dem Abstieg, hat Angst davor, in den gleichen Verhältnissen zu enden, wie ihre Umgebung. Daher folgen sie den pseudo-revolutionären Versprechen rechtsextremer oder faschistischer Parteien, die ein Wiedererstarken der Nation, des Volkes und damit auch des Mittelstands versprechen.
Die wirtschaftliche Lage in den «neuen Bundesländern»
Die Angst vor dem Abstieg bringt die Kleinbürger*in um den Schlaf. Vor allem dann, wenn die sozialen Verheerungen der kapitalistischen Krisen in ihrer eigenen Nachbarschaft zu beobachten sind. Und genau diese materiellen Verhältnisse sind in den östlichen Bundesländern gegeben, mehr als irgendwo sonst in der Bundesrepublik. Die ärmsten Bundesländer sind gleichzeitig diejenigen, die auf ehemaligem DDR-Gebiet liegen und erst bei der Wiedervereinigung 1990 als sogenannte «neue Bundesländer» in die BRD eingegliedert wurden. Ich will hier nicht so weit gehen, die DDR oder ihre Wirtschaft als «sozialistisch» zu bezeichnen (den bekanntlich braucht es für den Sozialismus ein Höchstmass an Demokratie, was in der DDR nicht wirklich der Fall war). Dennoch muss man der Ansicht widersprechen, die ostdeutschen Bundesländer seien deswegen so arm, weil sie das Erbe einer ineffizienten Planwirtschaft auszubaden hätten. Klar, die Wirtschaft in der DDR war von Korruption und Klientelismus geprägt, natürlich haben sich die Bürokraten bereichert, aber die Wirtschaftsleistung war in vielen Bereichen nicht viel schlechter, als diejenige Westdeutschlands. Dass die östlichen Bundesländer nie das wirtschaftliche Niveau von Westdeutschland erreicht haben liegt nicht nur an der DDR, sondern zu einem grossen Teil auch an der Wiedervereinigung. Als das Ende der DDR nahte, versuchte man die Staatsbetriebe in marktwirtschaftliche Unternehmen umzuwandeln. Diesen Prozess sollte die dafür gegründete „Treuhandanstalt“ leiten. Mit der Wiedervereinigung wurde das Personal der Treuhandanstalt auf Geheiss des Bundesfinanzministeriums mit «erfahrenen Marktwirtschaftlern» ersetzt, also mit westdeutschen Grosskapitalisten. Diese «Experten» sollten den Wert eines Unternehmens schätzen und es dann verkaufen, doch unter Freunden hilft man sich bekanntlich. Den Wert der ehemaligen Staatsbetriebe wurde systematisch zu tief eingeschätzt, die ostdeutsche Industrie zu Schleuderpreisen ans westdeutsche Kapital verkauft. Die Wiedervereinigung war für das westdeutsche Kapital eine profitversprechende Einkaufsorgie, zulasten der Bevölkerung der ehemaligen DDR. Neben den Privatisierungen wuden zudem auch „unrentable“ Fabriken stillgelegt, was in der Realität darauf hinauslief, dass man sich so die ostdeutsche Konkurrenz vom Hals schaffte. Fabriken, die eigentlich nicht schlechter liefen als diejenigen in Westdeutschland wurden als unrentabel klassifiziert und einfach stillgelegt, die Arbeiter*innen arbeitslos. Gleichzeitig floss durch den Verkauf unter Wert viel zu wenig Geld in die Staatskasse. Geld, das man in die wirtschaftliche Integration Ostdeutschlands hätte stecken können. Kurzum: Die rentablen Teile der DDR-Wirtschaft wurden verkauft oder einfach stillgelegt, Arbeitsplätze zu tausenden vernichtet. Dazu kam noch, dass sich die Löhne im Osten nicht an diejenigen in Westdeutschland anpassten, die Preise allerdings schon. So gesellte sich neben Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit auch noch eine sinkende Kaufkraft.
Ostdeutschland hat sich davon nicht mehr erholt, die Wirtschaftsleistung ist bis heute viel niedriger geblieben als im Westen. Dazu gesellen sich andere sozi-ökonomische Faktoren: im Osten ist die Arbeitslosigkeit am höchsten, die Anzahl Hartz IV-Bezüger*innen ebenfalls.
Das Einkommen ist nirgends niedriger als im Osten und nirgends leben mehr Kinder in Armut. Um wieder zur Ausgangsthese zurückzukehren: In den ostdeutschen Bundesländern wird der Mittelschicht sehr plastisch vor Augen geführt, was ein Abstieg für den Lebensalltag bedeuten kann.
Wer wählt schon Nazis?
Wenn wir uns die Wähler*innen der AfD und die Basis von PEGIDA anschauen, sehen wir Menschen mit einem Einkommen, welches über dem nationalen Durchschnitt liegt überproportional vertreten (wie es übrigens auch in der NSDAP der Fall war). Nur 25% der AfD-Wähler*innen haben ein Einkommen, das unter 1500 Euro liegt, obwohl in Deutschland 50% der Menschen weniger als 1500 Euro verdienen. Demgegenüber verdienen 38% der Wähler*innen mehr als 1500 Euro, während 25% sogar gut verdienen. Der aufgeschlossene Kleinbürger tröstet sich gerne mit dem Mythos, dass die eigene soziale „Schicht“ «gemässigt» sei und rechtsextreme Einstellungen ein Fall für den verarmten, ungebildeten Pöbel. Doch das stimmt nicht, auch wenn es bürgerliche Medien immer wieder suggerieren. 44% der AfD-Wähler*innen haben einen Realschul-Abschluss, 31% sogar Abitur. Und natürlich ist die Mehrheit der AfD-Basis männlich. Und auch «der „typische“ PEGIDA-Demonstrant entstammt der Mittelschicht, ist gut ausgebildet, berufstätig …». Die AfD findet aber auch unter einem ganz bestimmten Milieu ihre Wähler*innen, nämlich unter Staatsbeamten, Polizisten und Soldaten. Gerade Polizisten sind in der AfD überproportional vertreten. Kein Wunder, kommt es immer wieder zu Überschneidungen zwischen Sicherheitsbehörden und Nazis, wie zuletzt der Fall des LKA-Mitarbeiters Maik erneut aufzeigte.
Bevor ich euch mit weiteren Zahlen langweile: Was die marxistische Faschismustheorie und auch einige bürgerliche Vertreter*innen behaupten, dass nämlich die soziale Basis des Faschismus das Kleinbürgertum ist, hat sich mehrmals bestätigt. Damit bleibt aber die Frage zu klären, warum diese Menschen besonders empfänglich sind und warum sie sich mehr vom Abstieg bedroht sehen, als andere.
Abstiegsängste
Und hier kehren wir wieder zurück zu den materiellen Verhältnissen, von denen Marxist*innen immer erzählen. Warum ist die Angst vor dem Abstieg beim Kleinbürgertum oder Arbeiter*innen mit etwas besseren Löhnen ausgeprägter als bei anderen? Etwas vereinfacht gesagt: Das Kleinbürgertum ist der designierte Absteiger. Für die Arbeiter*innen mit tiefen oder „normalen“ Löhnen gibt es nicht mehr viel abzusteigen und die Kapitalisten sind so reich, das für einen Abstieg schon mehr geschehen muss, als eine kapitalistische Krise. Das Kleinbürgertum hingegen hängt in hohem Masse von einer guten Wirtschaftslage ab, in einer Krise steigt die Angst, dass auch die eigene Stelle abgebaut werden könnte oder das knapp rentable Kleinunternehmen pleitegeht. Dann wäre man wieder „normaler Arbeiter“ und müsste auch beim gewohnten Lebensstandard Abstriche machen. Doch nicht nur der mögliche finanzielle Verlust peinigt den Kleinbürger, sondern auch die Angst «um die Früchte seiner Arbeit» gebracht zu werden. Um die Abstiegsangst besser zu verstehen, müssen wir auf die typische Ideologie des Kleinbürgers eingehen.
Die ist meistens pro-kapitalistisch und manchmal nationalistisch, beide Einstellungen führen indes dazu, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht für den drohenden Abstieg und die Krise verantwortlich gemacht werden kann. Für den Kleinbürger als selbständige*r Unternehmer*in, Beamte*r oder Angestellte*r mit einem höheren Lohn, scheint der Kapitalismus bei einer stabilen Wirtschaftslage zu funktionieren. Die materiellen Lebensverhältnisse werden als «Normalfall» begriffen, so wie es im Kapitalismus eben üblich sei. Damit geht einer, dass getreu der neoliberalen Logik, höhere Löhne auf die Anstrengung von Einzelpersonen zurückgeführt werden (Leistung lohnt sich), während Armut ein selbstverschuldeter Zustand der ewig faulen Arbeiter*innen sei. Vom Kapitalismus erhofft sich der Kleinbürger den Aufstieg zum Kapitalisten, durch individuelle Anstrengung will er sein Vermögen steigern und kniet sich bei der Arbeit richtig rein. Das kann – wenn es die Wirtschaftslage zulässt – lange gut gehen und die Illusionen nähren. In einer Krise, wie wir sie seit 2007/08 erleben, zerschellen die Aufstiegspläne jedoch an der Realität. Es ist dem Kleinbürger unbegreiflich, warum er – nach Jahren harter Arbeit – doch nicht die Früchte ernten kann, ja sogar noch verlieren soll. Soll er, der er sich Mühe gegeben hat, auf das Niveau des ordinären Arbeiters herabgestuft werden? Da hätte er sich ja von Anfang an keine Mühe geben müssen. So etwas kann und darf nicht sein. Nicht der Kapitalismus ist schuld am drohenden Abstieg, denn der hat ja die letzten Jahre funktioniert, zumindest für die Kleinbürger. Doch wenn der Kapitalismus nicht schuld sein kann, wenn das System also nicht wegen internen Faktoren aus dem «Gleichgewicht» gerät, dann muss Sabotage dahinter sein. Jemand von ausserhalb, externe Faktoren, müssen dann verantwortlich sein, dass der Kapitalismus nicht seinen gewohnten Gang nimmt. Und genau an diesem Punkt knüpfen rechtsextreme und faschistische Parteien mit Scheinlösungen an.
Ein Führer muss her
Teile des Kleinbürgertums schreiten also durch das Dunkle Tal, doch sie fürchten sich, weil sie keinen Hirten haben. Wer hilft ihnen aus ihrem Elend, wer benennt die Schuldigen? Die nach rechts driftenden Kleinbürger*innen erhoffen sich einen Führer, eine starke Hand, die den verlorenen Status quo wiederherstellt und die Versprechen endlich einlöst, die die neoliberale Ideologie ihnen aufgetischt hat. Wo sind die Früchte ihrer Arbeit, wer hat sie darum betrogen? Der Schuldige kann überall lauern, je nach Zeitgeist und Umständen. Einmal ist es der Individualismus, der Marxismus oder die Moderne, das andere Mal sind es die Sozialschmarotzer und die faulen Proleten, die Muslime, die Flüchtlinge, gierige und böse Kapitalisten (im Gegensatz zum guten, kapitalistischen Kleinbürger) und immer wieder mal „die Juden“.
Wer auch der Schuldige sein mag, das Schema ist immer gleich. Hier eine harmonische, organische Volksgemeinschaft. Fleissig, arbeitsam und auf dem Weg zum Wohlstand. Da das fremde Element, das den Volkskörper schädigt, die Gemeinschaft zersetzt und den fleissigen Bürger um seinen Wohlstand bringt. Der Kleinbürger fühlt sich nicht als «zu kurz gekommen» weil sie zu wenig Geld zum Leben hat. Er fühlt sich zu kurz gekommen, weil er nicht genug hat, gemessen an dem, was ihm vermeintlich zustehen müsste. Der Wohlstand, der ihm der Kapitalismus versprochen hat, will einfach nicht vom Himmel zu ihnen herabsteigen. Während ärmere Menschen schon eher einmal zur Einsicht kommen, dass sich Arbeit im Kapitalismus nur für wenige lohnt, meint der Kleinbürger, dass sich Arbeit lohnt, ihm dieser Lohn aber unrechtmässig weggenommen wurde.
Hier verspricht die rechtsextreme oder faschistische Ideologie Abhilfe. Man will «die Ausländer» aus dem Land schaffen, auf dass der nationale Reichtum wieder den eigenen Bürger*innen zugutekommt. Eine Anti-Establishment-Partei soll aufräumen, auf dass Korruption und Fehlwirtschaft im Parlament verschwinde. Wenn der Organismus geheilt, die Volksgemeinschaft („wir sind das Volk“) endlich wiederhergestellt ist, dann kann der brave Bürger endlich die Früchte seiner Arbeit geniessen, so zumindest suggeriert es die Propaganda.
Keine Partei für den kleinen Mann
Dass sich Arbeit in einem Staat wo die AfD regieren dürfte noch weniger lohnt, zeigt schon ein Blick in ihr Parteiprogramm, eine Blaupause für die Demontage von Arbeitsrecht und Sozialleistung. Dass auch Arbeiter*innen und Arbeitslose eine Partei wie die AfD wählen, mutet daher erst einmal fremd an, wären sie es doch, die bei der Umsetzung des AfD-Programms sehr viel zu verlieren hätten. Das gute Abschneiden der AfD bei den Wahlen muss auch als Protest der Wahlbevölkerung verstanden werden. Viele die 2017 AfD gewählt haben, gingen die Wahl zuvor überhaupt nicht wählen oder sie wählten Die Linke. Der Protest richtet sich gegen die «alten» Parteien, wie SPD und CDU, von denen man sich vernachlässigt fühlt, man versucht es daher mit etwas Neuem. Die AfD ist für «den kleinen Mann» aber nicht nur eine Möglichkeit den etablierten Parteien einen Denkzettel zu verpassen, sondern sie bietet dem kleinen Mann auch etwas an, auch wenn nicht auf wirtschaftlicher Ebene. Und natürlich sind viele AfD-Wähler*innen auch einfach Rassist*innen die es geil finden, dass endlich mal jemand ihren Hass auf «Ausländer» noch stärker auf der Politik-Ebene umsetzt als die CDU. Doch zurück zum Angebot für den «kleinen Mann». Ein aggressiver Nationalismus und rechtsextreme Heilsversprechen bieten ein Trostpflaster für die Seele, auch wenn man selbst nicht daran glaubt, dass sich an der wirtschaftlichen Lage etwas ändert. Immerhin darf man sich als stolzes Mitglied einer ehrenwerten Gemeinschaft fühlen, auch wenn man deren Fussabtreter spielen muss. Immer noch besser ein verarmter Hartz IV-Bezüger als ein Ausländer. Die integrative Funktion des Nationalismus darf nicht unterschätzt werden.
Argumentieren gegen rechts?
Wenn die Lohnabhängigen eine Partei wählen, die ihren materiellen Interessen zuwiderläuft, würden sie nicht linker wählen, wenn man sie darauf aufmerksam macht? Diese Idee ist naheliegend aber weit von der Realität entfernt. Erstens lassen sich Überzeugungen nicht einfach von heute auf morgen durch einen Dialog und logische Argumente verändern. Das zweite Argument: Ein AfDler, der sich von dem Schaden überzeugen lässt, den er sich in wirtschaftlicher Hinsicht einbrockt, wenn er AfD wählt, könnte sich einfach eine Partei aussuchen, die Rassismus und Sozialstaat (für Deutsche versteht sich) vereint. Und zu guter Letzt dürfen wir nicht so naiv sein und davon ausgehen, dass alle AfD-Wähler*innen, die nicht viel verdienen nur materiellen Reichtum im Sinn haben: Viele sind auch einfach überzeugte Rassist*innen, die lieber arm in einem deutschen Deutschland sind, als ein bisschen reicher, in einem «überfremdeten» Deutschland, wie sich solche Personen ausdrücken.
Wenn die soziale Basis des Faschismus aus vom Abstieg bedrohte Kleinbürger besteht, müsste die Basis nicht verschwinden, wenn sich die wirtschaftliche Lage für alle bessert? Zum einen bestimmt das materielle Verhältnis die Gedanken unter anderem, aber nicht ausschliesslich. Es gibt keine zwingende Korrelation zwischen Einkommen und der links-rechts-Skala. Rechtes Gedankengut wird nicht mit der nächsten Konjunktur verschwinden.
Wenn wir eine starke Linke aufbauen, wird die Rechte dann nicht weichen müssen? Die Geschichte hat mehrfach gezeigt, dass neben einer starken Linken, eine ebenso starke Rechte bestehen kann. Der Aufstieg der einen muss nicht zwingend den Untergang der anderen herbeiführen.
Müsste man nicht die Polizei aufstocken, die in Chemnitz ja wegen Personalmangel überfordert war, wie offizielle Stellen verlauten liessen? Polizei gibt es in Ostdeutschland sicherlich genug, das Problem ist eher, dass die Beamten mit den Rassist*innen sympathisieren, nicht wenige wählen ja selbst AfD. Zudem hat sich gerade Sachsen letztes Jahr einen Panzer für sein Sondereinsatzkommando angeschafft (inkl. Stickereien die an die NS-Symbolik angelehnt sind). Das SEK kommt denn auch zum Einsatz, nämlich, wenn einige Hundert Antifaschist*innen in einer sächsischen Kleinstadt demonstrieren. Es gibt nicht zu wenige Polizeibeamte, sondern sie werden einfach nicht gern gegen die rechten Kameraden eingesetzt. Mehr Polizei löst in Sachsen kein Problem, da sie ein Teil davon ist.
Was bleibt?
Was bleibt ist das – für uns nicht sehr schöne – Zwischenfazit, dass wir auf kurze Zeit nicht viel gegen den Rechtsrutsch tun können. Das soll nicht heissen, in Apathie zu verfallen und «es ist eh nix zu machen» in die Welt zu posaunen. Natürlich müssen wir versuchen, die radikale Linke weiter auszubauen und andere für unsere Ideen zu begeistern, doch man darf den Menschen keine falschen Illusionen machen à la: in zwei Jahren sind wir mehr als die und dann ist die Rechte in Europa Geschichte. Wir müssen uns auf diejenigen Menschen konzentrieren, die sich noch nicht entschieden haben, die noch offen sind für die Idee einer emanzipatorischen Zukunft. Diese Menschen gilt es zu gewinnen, und mit ihnen eine Welt.
Für einschlägige Zahlen und Grafiken siehe Ungleichheits-Report der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Quelle: sozialismus.ch… vom 8. September 2018
Tags: Arbeitswelt, Breite Parteien, Deutschland, Faschismus, Neoliberalismus, Neue Rechte, Politische Ökonomie, Rassismus, Repression, Sozialdemokratie
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