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Mit den Menschenrechten gegen die SVP? Wohl kaum!

Eingereicht on 2. November 2018 – 12:28

In den vergangenen 15 Jahren waren ausländerfeindliche Initiativen der SVP immer einer der grössten Radikalisierungspunkte in der Schweiz. Dies ist aktuell erneut der Fall, wo die Selbstbestimmungsinitiative zahlreiche überwiegend junge Leute vor politische Fragen stellt. Sie suchen nach radikalen Antworten, wie denn Flüchtlingskrise, Rassismus und auch die SVP selbst bekämpft werden können. Die SP- und die JUSO-Führung halten der SVP die «Menschenrechte» und den «Rechtsstaat» entgegen. Mit ihrer abstrakten und inhaltsleeren Ansicht der Menschenrechte stützen sie ein System, das noch nie weniger in der Lage war, seine grossen Versprechen nach Gleichheit und Menschlichkeit zu erfüllen.

Formelle Gleichheit und kapitalistische Realität

Die Menschenrechte sind eng mit dem Aufstieg der bürgerlichen Klasse und ihrem Kampf gegen die alte feudale Welt verknüpft. Aber wir MarxistInnen sind immer an vorderster Front für die Menschenrechte eingestanden. Bereits im kommunistischen Manifest werden die Errungenschaften der bürgerlichen Revolution (u.a. Abschaffung der feudalen Ordnung, zentralisierter Staat, Stimmrecht) betont und seither haben wir immer vehement für Minderheitenrechte, Dekolonialisierung oder das Frauenstimmrecht gekämpft. Doch wir stellen uns energisch gegen die Hochstilisierung der Menschenrechte, gegen deren Darstellung als alleinige Verteidiger von Moral und sozialer Gerechtigkeit. Denn wir erkennen ihre engen Grenzen an. Es sind die Grenzen des kapitalistischen Systems selbst.

Der Kapitalismus und die Menschenrechte versprechen Gleichheit für alle. Doch handelt es sich hier um eine oberflächliche, rein formelle Gleichheit: Die Realität der allermeisten Menschen im Kapitalismus ist von tiefer Ungleichheit geprägt. Die rechtliche Gleichheit ändert nichts daran, dass auch die kapitalistische Gesellschaft in Klassen gespalten ist. Zwar geben die Menschenrechte allen ein Recht auf Meinungsfreiheit, auf Bildung oder auf faire Gerichtsverhandlungen. Ob diese Rechte dann auch wirklich wahrgenommen werden können, ist davon abhängig, ob das nötige Geld dafür vorhanden ist. Und bekanntlich ist im Kapitalismus für die grosse Mehrheit der Menschen das Geld extrem knapp. Zusammengefasst: Im bestehenden System sind die Menschenrechte bestenfalls ein schönes, aber unerreichbares Ideal. Im schlechtesten Fall sind sie eine bewusste Verschleierung der schreienden Ungerechtigkeit und Ausbeutung des Kapitalismus.

Krise und Abwesenheit der Linken

Dies trifft insbesondere auf die aktuelle Krisensituation zu. Der Lebensstandard der Arbeiterklasse stagniert auch in der Schweiz oder verschlechtert sich sogar seit inzwischen über zehn Jahren. Dies bedeutet auch, dass die Kluft zwischen formeller Gleichheit und der knallharten, realen Ungleichheit grösser und vor allem deutlich sichtbarer wird. Der Kapitalismus und seine liberale Ideologie des Rechtsstaats und der universellen Menschenrechte können ihre Versprechen immer weniger einlösen.

Die etablierten Parteien, die den Status Quo vertreten, verlieren unter diesen Bedingungen zunehmend das Vertrauen der Lohnabhängigen. Die völlige Abwesenheit einer kämpferischen Linken erlaubt es der SVP, sich als Oppositionspartei aufzuspielen und mit ihrer rassistischen Sündenbockpolitik Scheinantworten zu liefern. So ist auch die Selbstbestimmungsinitiative zu verstehen. Sie wurde als demagogisches Schlachtross vor den letzten nationalen Wahlen lanciert. In Wahrheit versucht die SVP damit natürlich von ihrer Politik im Dienst der Bosse und Reichen abzulenken (Steuersenkungen für Grossunternehmen, Rentenaltererhöhungen, etc.). Doch dies bleibt nicht ohne Reaktion: Viele Menschen sind von der menschenfeindlichen Politik der SVP aufgebracht, zeigen offene Solidarität mit den Unterdrückten und Diskriminierten und wollen die SVP bekämpfen.

Menschenrechte sind eine Klassenfrage!

Das Verhalten von SP- und JUSO-Führung in dieser Situation ist schlicht politisch falsch. Zunächst einmal unterscheiden sich SP und JUSO im aktuellen Abstimmungskampf kaum von den offen bürgerlichen und pro-kapitalistischen Organisationen wie die FDP, CVP, foraus oder die Operation Libero. Weshalb sollten die sich radikalisierenden Jungen die Antworten auf ihre Fragen im Sozialismus finden, wenn es die gleichen Antworten auch bei den Liberalen gibt?

Die sozialdemokratischen Argumentationen rund um die Menschenrechte haben keinerlei sozialen, das heisst Klassen-Charakter. Wenn wir die Interessen der Lohnabhängigen und Jungen vertreten wollen, dann dürfen wir uns nicht mit einer rein formellen Gleichheit auf dem Papier zufrieden geben. Für den Grossteil der Bevölkerung bringen die «Menschenrechte» dann etwas, wenn sie greifbar werden und sich in guten Lebensbedingungen ausdrücken.

Als SozialistInnen kämpfen wir täglich dafür, dass Flüchtlinge eine menschenwürdige Unterkunft bekommen, dass wir Jungen und Lohnabhängigen unser Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnen oder Recht auf Bildung auch tatsächlich wahrnehmen können. Doch dies müssen wir uns erkämpfen. Und die KapitalistInnen sollen dafür bezahlen!

Quelle: derfunke.ch… vom 2. November 2018

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