Der aufhaltsame Aufstieg des Rechtspopulismus
Tobi Hansen. Spätestens seit den Europawahlen 2014 ist der Vormarsch „rechtspopulistischer“ Parteien in Europa zum politischen Alltag geworden. Die Tatsache, dass bei diesen Wahlen UKIP (United Kingdom Independence Party; Partei für die Unabhängigkeit des Vereinigten Königreichs) in Großbritannien und der Front National (Nationale Front) FN in Frankreich jeweils stärkste Parteien wurden, symbolisierte den politischen „Rechtsruck“ in der EU. Seitdem ist der Populismus-Begriff zum Bestandteil der politischen Alltagssprache geworden. Gesellschaftswissenschaften und Medien verwenden ihn teilweise geradezu inflationär und ähnlich kursorisch wie den Extremismus-Begriff, bei dem auch „rechts“ und „links“ gleichgesetzt werden, also ohne differenzierte Behandlung der tatsächlichen Inhalte.
Die konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Parteien, die das politische Spektrum für mehr als ein halbes Jahrhundert geprägt haben und mit dem bestehenden System der parlamentarischen Demokratie, Institutionen und realen Politik eng verbunden sind, befinden sich tatsächlich auf dem Rückzug. Zumeist drückt der Aufstieg von RechtspopulistInnen eine wachsende Polarisierung infolge der Krise, die Diskreditierung der bürgerlichen Demokratie und ihrer staatlichen wie suprastaatlichen Institutionen (EU) aus. Während nach dem Ausbruch der globalen Krise 2008/9 in vielen Ländern befürchtet wurde, dass die Linke – insbesondere Linksparteien – davon profitieren würden, so sind spätestens seit 2014 in der Regel rechte PopulistInnen im Vormarsch.
Diese rechtspopulistischen Parteien haben seit den Europawahlen die Nische der 5–10 % verlassen und steuern in Richtung von 20–30 %. 2018 konnte die Lega (ehemals: Lega Nord für die Unabhängigkeit Padaniens; dt.: Liga) in Italien 17,4 % erreichen und bildet mit der populistischen 5-Sterne-Bewegung (32,7 %) eine gemeinsame Regierung. Vor kurzem haben die Schwedendemokraten (SD) 17,6 % gewonnen und rücken den beiden stärksten Parteien in Schweden, den Sozialdemokraten und der konservativen Moderaten Sammlungspartei nahe. Die rassistische FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) konnte 2017 mit 26 % der Stimmen die Regierungsbeteiligung erreichen, nachdem sich die konservative ÖVP (Österreichische Volkspartei) unter Sebastian Kurz als Koalitionspartnerin selbst an den FPÖ-Populismus angeglichen hatte. Die niederländische „Partei für die Freiheit“ (PVV) gewann im selben Jahr13 %, wie auch die AfD mit 12,6 % in Deutschland ihr Wahlergebnis mehr als verdoppeln konnte. Bei Landtagswahlen konnte die AfD sogar 15–25 % einfahren.
Aufgrund des Mehrheitswahlrechts in Frankreich bei der Parlamentswahl konnte der FN seine Erfolge bei der Präsidentschaftswahl (35 % im 2. Wahlgang) nicht bestätigen und bekam „nur“ 8 Sitze mit 8,7 %.
Die Wahlerfolge der Dänischen Volkspartei (DF) mit 21,1 % (2015), der Schweizerischen Volkspartei (SVP) 29,4 % (2015), der Wahren Finnen (PeruS) mit 18 % (samt kurzzeitiger Regierungsbeteiligung 2015–2017), die Wahlerfolge der PiS (Recht und Gerechtigkeit) in Polen (37,6 % 2015), sowie die Wahlergebnisse aus Ungarn in diesem Jahr (Fidesz [Ungarischer Bürgerbund] 49,3 % und Jobbik [Bewegung für ein besseres Ungarn] 19 %) unterstreichen die parlamentarischen Erfolge der Rechten.
Auch außerhalb von Europa konnten populistische, nationalistische, autoritäre Parteien und KandidatInnen Erfolge feiern. Die mehrmaligen Wahlerfolge von Erdogan, die gewonnene US- Präsidentschaftswahl durch Trump, der philippinische Präsident Duterte sind weitere Beispiele für einen internationalen Rechtsruck.
In diesem Artikel werden wir einen Schwerpunkt auf die europäischen AkteurInnen und Verhältnisse legen und nur im Einzelfall auf außereuropäische Vergleichsphänomene eingehen.
Woher kommt der Populismus?
Populismus ist ein Phänomen der Krise der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie. Die etablierten bürgerlichen Parteien wie auch ihre Bindungen zu bestimmten WählerInnengruppen sind geschwächt, wenn nicht sogar in Auflösung begriffen. Gleichzeitig herrschen unter verschiedenen Teilen der herrschenden Klasse angesichts von Krise und Weltmarktkonkurrenz starke Interessenkonflikte und Meinungsverschiedenheiten über den weiteren nationalen und internationalen Weg (z. B. selbst in Bezug auf sie Zukunft der EU).
Mit Hilfe des Populismus wird nun das Volk neu „entdeckt“: Teile dessen („das Volk“) können außerhalb der bestehenden Parteien mobilisiert werden, um für die „neuen“ Interessen und Zwänge der „neuen“ bürgerlichen Parteien eingesetzt zu werden. Speziell in der ökonomischen Krise werden populistische Bewegungen und AkteurInnen aktiv und fordern die etablierten Parteien der „Mitte“ heraus. In solchen Bewegungen entsteht ein klassenübergreifendes Bündnis von „Subalternen“ aus den abstiegsbedrohten Mittelschichten, Teilen der ArbeiterInnenklasse, Teilen des städtischen und ländlichen Kleinbürgertums. Dies wird von den PopulistInnen als „das Volk“ in Entgegensetzung zu den „Etablierten“ oder „Volksfremden“ als Basis politischer Organisierung genutzt.
Die etablierte sog. „Mitte“ hat vielerorts die Krise seit 2007/2008 zum Wohl des Großkapitals „gelöst“ auf Kosten des Lebensstandards der arbeitenden Klassen. Dieser „Krisen“-Imperialismus kann kaum noch etwas versprechen und noch weniger halten und stürzt damit auch das parlamentarische Vertretungssystem in die Krise. Althergebrachte Parteien verschwinden; neue steigen kometenhaft auf, verglühen aber auch wieder schnell; Regierungen, PräsidentInnen regieren per Notstandserklärung, manche Kabinette werden aufgelöst und durch TechnokratInnen ersetzt – kurz: dies ist eine absteigende Phase des bürgerlich-demokratischen Parlamentarismus.
In dieser Krisenperiode haben vor allem die sozialdemokratischen Parteien in Europa massiv verloren. Vielerorts waren sie in der „Globalisierungsperiode“ an der Regierung – wir erinnern uns kurz und schmerzhaft an „Agenda 2010“, die „Neue Mitte“ von Schröder und Blair – und setzten in der Regierung neoliberale Angriffe durch. Heute ist, mit Ausnahme der Labour Party (Corbyn-Faktor), keine der großen sozialdemokratischen Parteien in Europa mehr mehrheitsfähig. Und letzte ist es auch nur, weil sie – wenn auch auf Basis des Linksreformismus – einen öffentlichen Bruch mit dem Blairismus vollzog und so Hunderttausende für eine „echte“ Labour-Politik begeistern konnte. Dass die schwedischen SozialdemokratInnen bei Wahlen noch stärkste Kraft geworden sind, gilt eher als Ausnahme.
Aber auch die konservativen und liberalen Kräfte erlebten Auf- und Abschwünge. In vielen europäischen Staaten verloren sie Mitglieder und FunktionärInnen an die neuen und alten rechtspopulistischen und nationalistischen KonkurrentInnen.
Krisenhafter Parlamentarismus und Kapitalismus – eine Chance für PopulistInnen!
Gewählte Regierungen wie in Italien und Griechenland wurden durch die EU-Bürokratie abgesetzt und mit TechnokratInnen besetzt. Monti und Papadimos standen anschaulich dafür, um wessen „Demokratie“ es bei der Schuldenkrise ging und dass Brüssel, Berlin, Paris und die EZB am längeren Hebel saßen. Dies wurde nochmals mit der neuen SYRIZA/ANEL-Regierung (ANEL: Unabhängige GriechInnen) in Griechenland durchexerziert: weder Volksabstimmung (OXI!) noch national-kapitalistische Drohgebärden halfen – die Austeritätspolitik gemäß den Vorgaben des deutschen Imperialismus musste umgesetzt werden.
Schon in dieser Phase der „EU-Krise“ konnten wir sehen, wie schnell etablierte Parteien bedeutungslos werden (PASOK; Panhellenische Sozialistische Bewegung), aber auch wie neue Parteien entstehen oder aufsteigen können (Syriza [Koalition der Radikalen Linken] als linksreformistische Partei, die 5-Sterne-Bewegung als populistische 2009).
Während der „Schuldenkrise“ gab es bereits erste rechtspopulistische Wahlerfolge, vor allem auf Grundlage von rassistischen Kampagnen gegenüber Südeuropa.
Die parlamentarische Demokratie kann die kapitalistischen Widersprüche allenfalls schönreden, nicht jedoch beseitigen – schon gar nicht in ökonomischen Krisen. Ihr Klassencharakter, ihre sozioökonomische Beschränktheit wird gerade in der Krise immer deutlicher.
Im gigantischen Maßstab wurden mit Zustimmung der Parlamente die Banken und Großkonzerne nach der Krise 2007/2008 mit Billionen Euro, Dollar, Pfund gerettet, während Sozialleistungen, Löhne und Ansprüche auf Seiten des „Volkes“ gekürzt und gestrichen wurden.
Der Populismus „entdeckt“ diese Widersprüche, ohne die wirklichen Hintergründe und Ursachen zu benennen, spielt sich aber als Kämpfer gegen das „Establishment“ auf, als wahrer Verteidiger des Volkes. Hauptpunkt dabei ist das bürgerliche Konstrukt des Volkes als einer Gemeinschaft der „betrogenen, hart arbeitenden einheimischen Ehrlichen“ – natürlich quer zu den Klassenlinien. Das ist die wesentliche „Leistung“ des bürgerlichen, rechten Populismus: die Klassenwidersprüche auszublenden, vermeintlich „volksfremde“ ErsatzfeindInnen anstelle der wirklichen GegnerInnen zu präsentieren, die „Volksgemeinschaft“ in Pseudoopposition zu den Regierenden zu konstruieren. Mit solchen Mitteln kann sich ein Milliardär wie Trump zum „Anwalt“ der ArbeiterInnenklasse z. B. des „Rust Belt“ aufspielen oder Alice Weidel – eine ehemalige Goldman-Sachs-Bänkerin – zur Anwältin der armen deutschen RentnerInnen aufspielen. D. h. Teile der bürgerlichen Elite gehen auf Distanz zur bisherigen Regierung der eigenen Klasse und stellen sich selbst als VorkämpferInnen des rebellierenden Volkes dar.
Sicherlich hat die PolitikerInnenkaste weltweit eine soziale Sicherheit, von der die ArbeiterInnenklasse und selbst große Teile des Kleinbürgertums nur träumen können – im Vergleich zur Großbourgeoisie sind sie aber kleine Würstchen. Trotzdem: Da reichen ein, zwei Legislaturperioden im Parlament für eine großzügige Rente, während der „restlichen“ Bevölkerung erzählt wird, dass eine solche etwas oberhalb des Armutsrisikos doch eine famose Sache wäre. Um dies vor dem empörten Volk zu erzählen (natürlich ohne dabei die Großbourgeoisie zu erwähnen), müssen PopulistInnen nicht sonderlich „geschult“ oder „intelligent“ sein. Dies gehört zu den allgemein bekannten Ungerechtigkeiten dieser kapitalistischen Demokratie.
Zum Grundrepertoire von populistischen Parteien gehört es daher, die PolitikerInnen der etablierten Parteien an den Pranger zu stellen, wie auch die Eliten aus Medien, „Kultur“, Justiz, Verwaltungen, aber auch von ArbeiterInnenorganisationen, wie z. B. Gewerkschaften.
In einer simplen verschwörungstheoretischen Weltsicht wird dann konstruiert, dass die Bereicherung dieser Politik-Eliten (wohlgemerkt nicht der Bourgeoisie), ihre parasitäre Existenz auf Kosten des „arbeitenden Volkes“, der Grund für die zentralen Probleme und Krisen sei. Auch wenn die Empörung über Diätenerhöhungen, die gleichzeitig mit Sozialkürzungen beschlossen werden, berechtigt ist, so sind sie sicher nicht der Grund für staatliche Finanzprobleme.
Eine solche Sichtweise kann sogar recht leicht mit neoliberalen Ideen verbunden werden, wenn festgestellt wird, dass es zu viel Bürokratie, zu viel PolitikerInnen, zu viele Jobs in den öffentlichen Medien/Unternehmen gebe. So kann die Empörung über Bürokratie für Privatisierungen mit Unterstützung des „wütenden Volkes“ genutzt werden.
Ebenso kann dies für die nationalistische, rassistische Verschwörungstheorie genutzt werden, der zufolge dieser fehlgeleitete Staat auch Kultur und „Antifa“ finanziere, um geplant das Volk zu verdummen, während „linksversiffte Gutmenschen“ sich selbst bedienen würden – all das, während dieser Staat obendrein nichts gegen die angebliche „Überflutung“ durch Flüchtlinge unternähme, da ja damit so viele dieser „Eliten“ gut verdienen würden.
Diese Hetze gegen „Elite“ und Staat funktioniert erst recht in einer Krisenperiode. Der Rechtspopulismus will das Volk „aufwiegeln“, will die herrschende „Elite“ zu Feinden des Volkes erklären – und ist damit zumeist erfolgreicher als die Linke zuvor. Das „Volk“ ist auf jeden Fall dafür ansprechbar, wie die Wahlerfolge entsprechend diesem Muster zeigen. Sogar die US Präsidentschaftswahl wurde ja so gewonnen.
Bestimmte Sozialwissenschaften versuchen psycho-soziologisch zu erklären, dass „Wut, Frustration, Isolation“ sich im „Wutbürgertum“ oder an der Wahlurne im Rechtspopulismus ausdrücken, bestimmte Schichten in der „kosmopolitischen Realität“ nicht mehr integriert seien und mit dem Zurück zum Nationalen doch einfach nur wieder etwas mehr „Gemeinschaft“ erfahren wollten. Dieses Bedürfnis wird dann mit „Kommunitarismus“ umschrieben.
Für die „radikale Linke“ wäre es ein Problem, wenn sie in diesen Kategorien verbleibt, diese soziologische Spaltung mitträgt bzw. durch ihr Handeln noch vertieft. Schnell wird dann der Gegensatz zwischen der „Verteidigung des Sozialstaats“ und der Forderung nach „offenen Grenzen“ zum Scheideweg innerhalb der reformistischen Linken. Dass dies im Klassenkampf zusammen gedacht werden muss, bleibt dann notwendigerweise auf der Strecke. Und so geht ein Teil des Reformismus stramm Richtung Volksfront, um die bürgerliche Demokratie zu verteidigen, während der andere, „traditionelle“ Part dies per ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften tun will. Gemeinsam bleibt ihnen, dass sie die Verteidigung der bürgerlichen „Demokratie“ in ihrer jetzigen, immer undemokratischer werdenden Form auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Bürgerliche Demokratie ist an sich von einem Widerspruch geprägt: Das Bürgertum muss durch den Staat gegen das vorgebliche „Staatsvolk“ regieren (also gegen den offiziellen „Souverän“). Hier wird der Volksbegriff zusammen mit der „repräsentativen Demokratie“ zur ideologischen Klammer, welche den Klassengehalt der bürgerlichen Herrschaft verschleiern soll.
Wenn dieser Widerspruch zwischen vorgeblicher Demokratie für alle und den eigentlich bestimmenden Kapitalinteressen in der Krise offen zu Tage tritt, hat meist die Stunde der PopulistInnen geschlagen. Populismus muss daher vor allem als ein Krisenphänomen der bürgerlichen Gesellschaft verstanden werden und nicht einfach als eine allzeit mögliche Methode, Politik zu betreiben.
Für die mobilisierbaren Teile der WählerInnen von PopulistInnen funktioniert die bürgerliche Demokratie nicht mehr so, wie sie ihnen bisher erschienen war. War die bürgerliche Demokratie meistens angetreten, um auch den Mittelschichten, den Selbstständigen, aber auch Teilen der ArbeiterInnenklasse gewisse soziale Vorteile zu gewähren oder zumindest glaubhaft zu versprechen, so funktioniert dies in der ökonomischen Krise nicht mehr. Stattdessen zeigt die „Demokratie“ dann deutlich, wessen Kind sie ist: Umverteilung auf Kosten der Mehrheit, Absicherung der großen Kapitale und soziale Angriffe oder Kürzungen gegen die Mehrheit, gewähren den PopulistInnen Raum für ihre Agitation und Stimmungsmache. Die Versprechungen des Großkapitals wie auch des Kapitalismus insgesamt („Geht es dem Kapital gut, geht es allen gut!“) werden in dieser Krisenperiode ad absurdum geführt.
Die PROKLA 190 [1], die sich als eine der wenigen Publikationen die „Mühe“ macht, eine marxistische Analyse des Populismus vorzulegen, sieht den Zusammenhang mit der Krise, verfehlt aber den Widerspruch innerhalb der bürgerlichen Demokratie:
„Die moralische Überlegenheit und Überzeugungskraft des neoliberal reorganisierten Kapitalismus wurde deutlich geschwächt. Selbst überzeugte Vertreter des Bürgertums beobachteten eine Legitimitätskrise und bekamen grundlegende Zweifel an der Fortexistenz des Kapitalismus. Nach einer globalen Welle von Protesten hat sich die Bourgeoisie reorganisiert. Doch anders als zu erwarten gewesen wäre, ist es nicht zu Bemühungen um eine neue Form von Hegemonie gekommen, sondern zu einer Rechtsverschiebung, in der der Zwang, das Regieren mit Dekreten, die Schwächung des Parlaments und der Öffentlichkeit sowie der Umbau des Rechtsstaats sowohl auf der Gesetzes- als auch auf der justiziellen Ebene (Angriffe auf Versammlungsrecht, Presse-, Meinungs-, Wissenschaftsfreiheit, Ausdehnung der Überwachung,….), die Erneuerung und der Ausbau der Polizeien eine erhebliche Rolle spielen; daneben kommt es aber auch zu einer Stärkung einer nationalkonservativen, rassistisch und faschistisch orientierten Öffentlichkeit und der Mobilisierung zivilgesellschaftlicher faschistischer Gewalt.“ [2]
Hier werden der Abbau demokratischer Rechte und der allgemeine gesellschaftliche Rechtsruck richtig beschrieben. Allerdings geschieht dies im Kontext einer Theorie, dass bürgerliche Herrschaft es „normalerweise“ schafft, eine breitgefächerte „Hegemonie“ aufzubauen, die es versteht, die Beherrschten ideologisch und durch untergeordnete Elemente von Beteiligung zu integrieren. Dass dies in einer Krisenperiode für das Kapital nicht im Vordergrund steht, sondern hier der Widerspruch von Kapitalherrschaft und „Demokratie“ offen zu Tage tritt, scheint für die Neo-GramscianerInnen doch überraschend zu sein. Eine konfrontative Gesamtsituation mitsamt allgemeinem Rechtsruck und Aufstieg der militanten Rechten ist halt einer Transformationsstrategie nicht sonderlich förderlich – eine Erfahrung, die historisch auch schon Gramsci selbst mit dem italienischen Faschismus machen musste.
Welcher Populismus?
In der „linken“ Gesellschaftswissenschaft wird oft der Begriff des „autoritären Populismus“ benutzt, um den Rechtsruck des Bürgertums in Krisensituationen zu erklären. Was die Regierungspraxis angeht, ist dieser Begriff durchaus hilfreich, allerdings wollen wir hier aus zwei Gründen beim Begriff „Rechtspopulismus“ bleiben. Zum einen, damit dabei klargemacht werden kann, was für (verschiedene) „Rechte“ sich hinter diesem rechten Populismus vereinigen. Andererseits, um klarer benennen zu können, welchen Rechtsruck dieser Populismus zu verwirklichen droht. Das schließt für uns mit ein, dass er auch immer autoritär sein muss. Die unterschiedlichen Begriffe sind für uns also kein Widerspruch, sondern für uns ist „Rechtspopulismus“ ein geeigneterer Kampfbegriff.
Zur historischen Genese des „autoritären Populismus“ meint Demirovic:
„Die Rechte wisse, so Hall (Stuart Hall; d. Red.), dass in einem Prozess der Restauration/Revolution das strategische Feld der Auseinandersetzung die Demokratie sei und verfolge eine Politik der populistischen Demokratie, die durch Elemente des schleichenden Autoritarismus und des passiven popularen Konsenses gekennzeichnet ist. Wesentliche Merkmale dieser populistischen Mobilisierung seien moralische Paniken, die mit einer Reihe von Themen geschürt würden. Dazu gehören Themen wie Sicherheit und Ordnung, Einwanderung, sexuelle Liberalisierung.“ [3]
Der Rechtspopulismus bedient bevorzugt rassistische und nationalistische Motive und Methoden, die wir uns in ihrer heutigen „Neuauflage“ noch genauer anschauen werden. Dabei findet die Konstruktion des Volkes bzw. die „Neukonstruktion“ seiner wahren Vertretung vor allem in Abgrenzung zu und Erniedrigung anderen/r Völker und Nationen statt. Allgemein ist für die meisten europäischen RechtspopulistInnen heute „der Islam“ die „Hauptbedrohung“ bzw. sind es alle Geflüchteten aus muslimisch geprägten Ländern und Regionen. In den USA wirkt aber auch die Hetze gegen EinwanderInnen aus Lateinamerika oder der „Betrug“, den angeblich Mexiko oder andere HandelspartnerInnen der USA z. B. nach Meinung Donald Trumps begingen.
Beim Rechtspopulismus werden wir auch unterscheiden müssen, welche die „rechten“ Kräfte sind, die in den jeweiligen Parteien wirken und in welchem Kräfteverhältnis diese Flügel zueinander stehen.
Unterschieden werden muss auch nach den Ursprüngen dieser Parteien, die im Wesentlichen sich aus zwei Quellen speisen: einerseits aus den bisherigen konservativen und liberalen Parteien, andererseits aus einem Kern von NationalistInnen bis hin zu FaschistInnen. Diese Unterschiede können z. B. bei der Regierungsfrage und/oder der Militanz dieser Parteien und Bewegungen eine Rolle spielen, uns Hinweise zur Taktik gegenüber diesen Formationen geben wie auch die „Grauzonen“ oder „Übergänge“ zwischen Rechtspopulismus und Faschismus beleuchten.
Wir werden zunächst den Rechtsruck innerhalb der bürgerlichen Klasse zu erklären versuchen, die Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise seit 2007/08 als Angelpunkt einer verschärften inner-imperialistischen Auseinandersetzung ins Zentrum rücken, um dann die verschiedenen Aspekte des Rechtsrucks, des Rechtspopulismus sortieren zu können.
Wichtig bleibt generell festzuhalten, dass der Rechtspopulismus und der aktuelle Rechtsruck ihren „Ursprung“ in der bürgerlichen Klasse haben, von dort ihren Ausgangspunkt nehmen. Ein Teil der bürgerlichen Klasse, der „Elite“ wendet sich ab vom bisherigen „demokratischen“ Konsens, sammelt autoritäre politische Kräfte und will in der eigenen bürgerlichen Klasse eine radikalere Linie zur Krisenbewältigung durchsetzen.
Ökonomische Krise und neue politische AkteurInnen
Wenn wir hier auf die generellen Auswirkungen der gegenwärtigen Krisenperiode auf die verschiedenen Klassen eingehen werden, so wollen wir zunächst festhalten, dass wir uns derzeit in einer speziellen Phase dieser Periode befinden. Diese Phase ist „Nachfolgerin“ einer Zeit der Defensive der Herrschenden im „Arabischen Frühling“, den Schuldenprotesten in Europa, etc. Gewissermaßen sehen wir jetzt die Antwort der Rechten auf die Phase von 2009–2012/15. Dies soll nicht bedeuten, dass diese Phase des Rechtspopulismus eine automatische, unvermeidliche Nachfolgerin der gescheiterten Proteste der „Linken“ darstellt.
Doch für die Entwicklung des Rechtspopulismus, des Aufstiegs verschiedener reaktionärer Parteien ist durchaus wesentlich, dass die Proteste/Bewegungen der Linken zuvor gescheitert waren. Das Kräfteverhältnis hatte sich geändert durch Niederlagen der globalen linken und „demokratischen“ Bewegungen. Die widerständige ArbeiterInnenklasse (im Bündnis mit der städtischen und ländlichen Armut, großer Teile der Bauernschaft) konnte eben keine Siege gegen die Krisenpolitik des Kapitals landen.
Krisen diesen Ausmaßes haben aber auch früher oder später „Antworten“ bürgerlicher Schichten/Klassen zur Folge. Symptomatisch stand dafür die Aussage des Großinvestors Warren Buffet, der meinte: „Es wird Klassenkrieg geben und meine Klasse wird gewinnen“. Dafür gab es zum einen die staatliche Krisenlösungspolitik, die sich vor allem um die „Nöte“ des Kapitals sorgte, diese durch Staatsschulden und eine massive Erhöhung der Geldmenge „regelte“, um die Kosten dann als Kürzungen und Angriffe auf die sozialen Errungenschaften der Ausgebeuteten und Unterdrückten weltweit zu bewältigen.
Rein ideologisch wurde von den Herrschenden des Kapitals zur Krisenlösung der bekannte Slogan „There is no Alternative!“ wiederaufbereitet, in den imperialistischen Staaten meist mit dem Verweis, dass bestimmte Kapitale „too big to fail“ wären – also gerettet werden müssten, da sonst die Apokalypse drohe. Dafür wurden ganze Länder wie Griechenland ins Elend gestürzt oder die mehr als 40 Hungerrevolten 2009 in Kauf genommen, nachdem die Krisenreaktion des Spekulationskapitals in den globalen Lebensmittelmärkten zu massiven Preiserhöhungen führte (und die billigen Weltmarktpreise zuvor die Eigenversorgung vieler Länder zerstört hatten).
In der darauf folgenden Krisenperiode sind ihre Ursachen bis heute weiterhin ungelöst bzw. bleiben weiterhin direkt aktiv. Die Krise, u. a. als Folge der jahrzehntelangen Überakkumulation und der daraus resultierenden massiven Flucht in die Spekulation, wirkt untergründig auch 10 Jahre danach weiter. Kapitalistische Krisen diesen Ausmaßes wurden geschichtlich bislang nur durch die direkte und massive Vernichtung von Kapital, insbesondere durch die Außerwertstellung von Produktionsmitteln gelöst, unter anderem durch Kriege. So entschieden die imperialistischen Mächte zweimal im 20. Jahrhundert, welche nationale Bourgeoisien die Hauptlast dieser Kapitalvernichtung zu tragen haben.
Der Ausbruch der Krise verschärft die globalen Konkurrenzbedingungen aller Klassen, erst recht die der führenden imperialistischen Bourgeoisien untereinander. Im bürgerlichen Jargon wird heute zumeist mit dem „Aufstieg Chinas“ umschrieben, welcher tatsächlich eine neue Konkurrenzsituation unter den herrschenden Blöcken einleitete. Die USA haben seit der „Globalisierung“, der massiven kapitalistischen Expansion der 1990er/Anfang 2000er Jahre, in denen sie immer mehr abhängig vom Import billiger „Chinaware“ wurden, und dem Aufbau von Schuldenblasen zur Finanzierung der Überakkumulation ökonomisch auf dem Weltmarkt an Boden verloren. Die EU, als Hauptherausforderin der USA, mit Euro-Raum und „Agenda von Lissabon“ gestartet, taumelte von der Finanz- zur „Schuldenkrise“, stellte sich als Binnenmarkt ohne geostrategische Perspektive heraus und steht heute vor der Gefahr des Zerfalls (à la Brexit). Dagegen ist Chinas Aufstieg als Ökonomie, als imperialistische, weltweit agierende Macht beachtenswert. Spätestens nach 2007/2008 konnte China seinen Einfluss massiv ausdehnen – auch wenn es in Asien noch einen zwar taumelnden, aber weiterhin starken Weltmarktkonkurrenten in Japan hat, das sich auch zur Wiederaufrüstung bereit macht.
Diese Hauptkonflikte unter den herrschenden Klassen auf Weltebene ziehen sich ebenfalls durch die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten. Auch dort entbrennt wieder der Kampf um den „Platz an der Sonne“.
Während das internationale Finanzkapital weltweit um Absatzmärkte, Produktionsketten und Profite in verschärfte Konkurrenz tritt, wird diese an die anderen Schichten der bürgerlichen Klasse weitergegeben. Das vom Weltmarkt abhängige „mittelständische“ Zulieferunternehmen bspw. wird vom Finanzkapital gezwungen, diesem günstigere Konditionen anzubieten. Diese Unternehmen geben dies in den Produktionsketten an ihre VorlieferantInnen ebenso weiter. Diejenigen, die noch nicht abhängig sind von globalen InvestorInnen, werden entweder aufgekauft und/oder wegrationalisiert. Diese Tendenz zur Konzentration des Kapitals wird durch jede Krise im Imperialismus auf eine neue Stufe gehoben.
Kleinbürgerliche Schichten
Durch die Auswirkungen der imperialistischen Krise werden auch kleinbürgerliche Schichten wie „FreiberuflerInnen“, kleine Selbstständige, lohnabhängige Mittelschichten vom sozialen Abstieg bedroht und wird die Konkurrenz verschärft. Die Krise, welche Millionen ArbeiterInnen weltweit in Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse gejagt hat, führt eben auch bei den bürgerlichen „Mittelschichten“, dem Kleinbürgertum, zu sozialen Erschütterungen, zu einem Statusverfall. Als Reaktion darauf kann eben auch das Bedürfnis entstehen, die spezifisch bürgerlich/kleinbürgerlichen Interessen in der Krise in politischen Organisationen zum Ausdruck zu bringen. Was immer deren ideologische Form sein mag, materielles Hauptziel dieser neuen bürgerlichen Polit-AkteurInnen ist es, ihren sozialen Status zu verteidigen. Gewissermaßen suchen sie (national)staatlichen Schutz vor der verschärften (globalen) Konkurrenz, wollen „gerettet“ werden wie das globale Finanzkapital. Aus eben diesem Grund wenden sich aber auch bürgerliche wie Mittelschichten von den etablierten bürgerlichen Parteien ab. Unfähig, deren Interessen wahrzunehmen, können diese Parteien ihre traditionellen Milieus nicht mehr an sich so binden wie zuvor.
Dies kann natürlich auch zur Veränderung bestehender Parteien führen bzw. zu einem stetigen Anpassen der jeweiligen bürgerlichen Parteien an sich verändernde Kapitalinteressen und soziale Umschichtungen.
In diesem Kontext müssen auch die Entwicklungen von rechtspopulistischen, nationalistischen und faschistischen Organisationen weltweit verstanden werden. Sie sind Ausdruck einer aggressiven bürgerlichen Neuausrichtung, einer zugespitzten globalen Konkurrenz um die Neuaufteilung der Welt.
Die Kapitalfraktionen organisieren sich neu – Verhältnis Protektionismus und Neoliberalismus
Innerhalb des Großkapitals müssen wir von unterschiedlichen Interessenlagen und Strategien gerade in der Krisenperiode ausgehen. Das Kapital, welches größtenteils auf den Binnenmarkt orientiert ist, muss durch sie in eine verstärkte Konkurrenz zum global operierenden treten. Vor allem jedoch bemühten sich alle imperialistischen Staaten in der Krise, sowohl die Börsen und Banken wie auch die in Gefahr geratenen Großkonzerne (z. B. General Motors in den USA) zu „retten“, blieben die Rettungsmaßnahmen wie das „Quantative Easing“ vor allem für das Finanzkapital längerfristig wirksam bzw. für die eng mit diesem verbundenen Teile des Industrie- und Handelskapitals.
Innerhalb des Blocks der Bourgeoise treten daher unterschiedliche Interessen an die Oberfläche, vor allem auch in Bezug auf das staatliche Handeln. In unterschiedlicher Weise rücken nationale Interessen stärker in den Fokus. In Deutschland steht dafür bspw. „DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V.“ (ehemals: „Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer“, ASU; bestens in der CDU integriert), der meist äußerst skeptisch jegliche EU-„Rettungsmaßnahme“ beäugt, mantraartig vor einer „Transferunion“ warnt und von der Sorge umgetrieben wird, ausländische Unternehmungen könnten von deutschen Staatskrediten mehr profitieren als die „fleißigen deutschen Familienunternehmen“.
Hier sorgen die Krisenmechanismen für zunehmende Konkurrenz, aber als deren Folge auch für zunehmende Abschottung, Forderungen nach Protektionismus und eben mehr Nationalismus in der ideologischen Begründung der Forderungen an den Staat während der Wirtschaftskrise.
Auch Demirovic sieht diese Spaltung im „bürgerlichen Machtblock“ als Grundlage des Rechtspopulismus, stellt sie aber nicht in den Zusammenhang mit der Krisenpolitik, sondern einer allgemeinen „Krise der Repräsentation“. Passend ist allerdings die Konstatierung der „Selbstabspaltung im bürgerlichen Lager“:
„Der autoritäre Populismus kann als ein Versuch von der Seite des Bürgertums verstanden werden, das Gleichgewicht der Kräfte in einer Phase zu verändern, in der es zu einer Krise der Repräsentation kommt, in der also – anders als Gramsci dies erwartete – die bisherigen politischen Kräfte nicht in der Lage sind, eine Entscheidung in die eine oder in die andere Richtung durchzusetzen. Teile des Bürgertums sind mit der Regierungspolitik unzufrieden. Es kommt zu einer Selbstabspaltung aus dem bürgerlichen Lager. Um erfolgreich zu sein, kritisieren sie nicht nur dominante Politik innerhalb des Machtblocks, sondern stützen sich auf die Unzufriedenheit der Subalternen gegen ,die da oben’ und mobilisieren gegen die politische Klasse – obwohl sie selbst zur bürgerlichen Klasse gehören und an der Führung der politischen Geschäfte teilnehmen.“ [4]
Diese „Selbstabspaltung“ im bürgerlichen Lager zeigt auf, dass Fraktionen des herrschenden Kapitals „offensiver“ ihre Standpunkte vorbringen, dabei auch vor dem politisch-populistischen Angriff auf die politische Elite, die bisher dem Kapital im Großen und Ganzen diente, nicht zurückschrecken. Vorsichtig müssen wir sein, wenn diese „Abspaltung“ als eine reale, grundlegende Spaltung der bürgerlichen Klasse verkauft wird. Wir haben nicht zu entscheiden, ob die „Globalisierungsfraktion“ des Kapitals oder die nationalistische Fraktion reaktionärer ist – beide sind sich letztlich einig in ihrer Gegnerschaft gegen die arbeitenden Klassen.
Das Widersprüchliche und Gemeinsame finden wir bspw. in der Regierungspolitik mancher rechtspopulistischen AkteurInnen, aber auch im Verhältnis von Neoliberalismus zu Protektionismus. So wird Protektionismus gerne mit dem „Schutz“ nationaler Unternehmen gleichgesetzt. Doch die aktuelle US-Administration zeigt auf, dass es gerade auch bei den Binnenunternehmen durch diese Zollpolitik sowohl einige Nutznießer wie auch sehr viel mehr Verlierer gibt. Vor allem stellt die klassische Zollpolitik, mit der aktuell vor allem China konfrontiert wird, ein Mittel im zugespitzten Kampf dieser beiden Großmächte dar. Am Beispiel der Zolldrohungen gegenüber der EU konnten wir aber auch die zweite Ebene sehen: Nach den Drohungen kommt der neue Deal, neue Handelsabkommen, quasi mehr Handel zum Vorteil der USA. Ähnlich handeln auch die EU und China. Handelsabkommen mit und zwischen diesen Mächten sind vor allem andere Abkommen zu deren Nutzen, öffnen ihnen die Märkte der unterzeichnenden Staaten. Die Politik der USA ist in dieser Hinsicht Zeichen des aggressiven Kurses zum Erhalt ihrer Weltmachtstellung, gerade gegen die konkurrierenden Blöcke. So sind auch „bilaterale“ Abkommen weiterhin Teil der Globalisierung.
Die dritte Ebene dieses Verhältnis finden wir in Bezug auf den Binnenmarkt. Natürlich tritt das darauf orientierte Kapital für protektionistischen Schutz ein, auf der anderen Seite ist es aber auch daran interessiert, die Konkurrenz dort zu minimieren. Auf dem Binnenmarkt treten vor allem viele kommunale und öffentliche Unternehmen in Erscheinung, die seit der „ersten“ Welle der neoliberalen Globalisierung (1980er/90er Jahre) kaum noch als „Global Player“ agieren, aber als Energieversorger, Nah -und Fernverkehrsunternehmen, kommunale Dienstleister und Verwalter etc. weiterhin für viele Prozente des nationalen BIP verantwortlich sind.
Hier kann die Abschottung nach außen, so fragwürdig sie real auch immer ist, zur neoliberalen Offensive nach innen führen, einen neuen Privatisierungsschub auslösen. Die US-Administration zeigte dies beim Verkauf der staatlichen „Highway“-Infrastruktur: Angekündigt war ein milliardenschweres Investitionsprogramm, herausgekommen ist eine kreditfinanzierte Teilprivatisierung. Beim Bildungshaushalt gab es das klassische Beispiel von Privatisierung, gut 14 Mrd. US-Dollar wurden gekürzt, vor allem bei Hausaufgaben/Nachmittagsbetreuung von öffentlichen Schulen, mit dem Hinweis, dass dies dann private und kirchliche Dienstleister übernehmen werden.
Wir haben es mit keinem „festen“ Programm des Rechtspopulismus zu tun, gerade weil er Ausdruck der Interessen verschiedener Kapitalfraktionen ist, deren Gemeinsamkeit höchstens in ihrer Opposition zu dem bisher vorherrschenden Machtblock besteht. Festhalten können wir hier, dass der Rechtspopulismus eine Kampfansage an die aktuellen Klassenkompromisse (national und international) beinhaltet und eine möglichst aggressive Kapitalpolitik betreiben will. Dafür betreiben die rechtspopulistischen AkteurInnen eine Mobilisierung der von der Krise betroffenen Mittelschichten im Verbund mit demoralisierten Unterschichten.
Häufung rechtspopulistischer Dynamik in der EU
In der EU konnten wir beobachten, wie diese gesteigerte internationale Konkurrenz auch zu völlig irrationalen Erscheinungen führte. Die britische Bourgeoisie ist in sich so zerstritten, dass selbst die regierende konservative Partei zum Thema „Brexit“ tief gespalten ist und so Teile von ihr für eine Entscheidung mobilisiert haben, die im direkten Widerspruch zu den Hauptinteressen des britischen Imperialismus standen/stehen. Der britische Imperialismus ist eine der führenden Ökonomien Europas, der freie Zugang zum Binnenmarkt eine wichtige Stütze der imperialistischen Ambitionen Großbritanniens. Durch die starke militärische Position und die Rolle von London als Finanzzentrum konnte Großbritannien sogar ein Gegengewicht zur „Achse“ Berlin-Paris darstellen, in Opposition zu den Euroraum-Führungskräften.
Die gegenseitige Durchdringung im Binnenmarkt der EU hat zwar dem britischen Finanzkapital genützt, aber ein großer Teil der britischen Industrie wie auch des Dienstleistungs- und Handelssektors kam unter die Räder. So wurde z. B. die britische Autoindustrie durch die deutsche Konkurrenz überrollt und ausgeschlachtet. Die Krise 2007/08 hat speziell HauseigentümerInnen aus der ArbeiterInnenklasse und den unteren Mittelschichten massiv getroffen. Und aus diesem Spektrum (traditionell eher Labour-Klientel) stammte viel Unterstützung für den Brexit. Teile der britischen Bourgeoisie sehen für sich in der EU keine Zukunft bzw. als RepräsentantInnen derjenigen Schichten der britischen Gesellschaft, die durch den Binnenmarkt verloren haben, speziell gegenüber der deutschen Konkurrenz.
Und so muss die Hauptpartei des britischen Imperialismus, die Tory-Partei (Conservatives), einen EU-Austritt verhandeln, der zutiefst den objektiven Interessen und Anforderungen gerade des global aufgestellten britischen Finanzkapitals widerspricht. Die rechtspopulistische Partei UKIP wurde durch die Gegnerschaft zur EU bei den Europawahlen 2014 mit 27,5 % stärkste britische Partei. Nach dem Erfolg beim Brexit ging deren Stern allerdings schrittweise unter. Bei den Unterhauswahlen 2015 sorgte noch das undemokratische britische Mehrheitswahlrecht dafür, dass UKIP mit 12,6 % der Stimmen nur einen direkten Abgeordneten besaß. Weitere Mandate kamen erst durch „Überläufer“ von den Tories zustande. Bei den vorgezogenen Wahlen 2017 bekam UKIP dann nur noch 1,8 % und ist in der Folge in eine tiefe Krise geschlittert. Die kurzfristige Mobilisierung von Millionen WählerInnen gegen die EU sorgte für einen tiefen Riss im britischen Bürgertum, führte aber nicht dazu, dass UKIP sich als Alternative zu den etablierten bürgerlichen Parteien stabilisieren konnte. Ihre WählerInnen sahen ihre Zielsetzungen durch den Sieg beim Brexit-Referendum umgesetzt wie auch durch den Rauswurf des amtierenden „Pro EU“-Regierungschefs David Cameron. Seither sammelt sich die nationalistische Fraktion eher bei den „hard brexiteers“ innerhalb der Tories.
Die Krisenhaftigkeit der britischen Bourgeoisie ist nur ein Beispiel für die der EU. Haben wir vorhin die zugespitzte Lage der globalen imperialistischen Fraktionen erwähnt, so findet das Gleiche in verschärfter Form in der EU in kleinerem Maßstab statt. Nur ist dort die Frage entschieden, welcher „Block“ führt – es ist der deutsch-französische, der seit der Euro-Einführung den Kontinent ökonomisch und politisch bestimmt. Jeglicher Aufstieg nationaler Bourgeoisien wie auch jede mögliche Krise der nationalen Kapitalistenklassen wird vom Verhältnis zum führenden EU-Block bestimmt. Diese Abhängigkeit hat sich in 17 Jahren Binnenmarkt, Euro-Raum und EU-Bürokratie weiter verschärft und bringt die Widersprüche zu den Ansprüchen der EU immer deutlicher an die Oberfläche.
In den sog. „Krisenländern“, anfänglich auch als „PIIGS“ Staaten bezeichnet (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien), hat die Austeritätspolitik des herrschenden EU-Blocks zu Massenarbeitslosigkeit und einer breiten Verarmung von ArbeiterInnenklasse und kleinbürgerlichen Schichten geführt. Aber deren Folgen sind nicht allein auf diese begrenzt. So sind sie auch nicht die Hauptbetroffenen des allgemeinen Rechtsrucks. Sie sind allerdings Beispiele für die Krisenpolitik des deutschen Imperialismus und der EU-Kommission gegenüber den unterworfenen Ökonomien. Daher gerät das politische Gefüge der EU in der gegenwärtigen Krisenperiode besonders unter Beschuss. Die offen bürgerlichen Parteien wie auch die sozialdemokratisch geprägten bürgerlichen ArbeiterInnenparteien konnten als Regierungsparteien zwar das jeweilige Finanzkapital retten, dies aber nur auf Kosten des Lebensstandards und der sozialen Perspektive breiterer Massen.
Die Versprechungen der EU, ein Hort an Demokratie, Gerechtigkeit und sozialem Aufstieg zu sein, sind offensichtlich in den letzten Jahren geplatzt. Die ArbeiterInnen des Kontinents werden in Standortkonkurrenz gegeneinander getrieben, in einem Unterbietungswettbewerb, bei dem jegliche Mindeststandards untergraben werden. Die gesammelte junge Generation des Euroraums wird in Prekarität und Mindestlöhnen gehalten. Auch kleinbürgerliche Schichten, die sog. „Mittelschichten“, werden nicht mehr vor sozialem Abstieg und verschärfter Konkurrenz geschützt. Dies ist auch die Erklärung dafür, warum in der EU der Rechtsruck vermehrter auftritt bzw. hier die vormals wohl gefügte politische Ordnung immer mehr aus den „Fugen“ gerät. Die ökonomische Krise wirkte hier auf einen gemeinsamen Währungsraum und Binnenmarkt, der sehr unterschiedliche bürgerliche Fraktionen beinhaltet, die nun in der Krise vermehrt zur nationalen Politik zurückkehren wollen oder zumindest dies ihrem „Volk“ versprechen. Daher ist diese „Neuaufspaltung“ bürgerlicher Interessen auch besonders ausgeprägt in der EU: Diese rechten Formierungen stellen sich auf, um „ihr“ nationales Kapital vor der Beherrschung durch die EU, d. h. von Deutschland und Frankreich, deren herrschende Klassen selbst von tiefen inneren Gegensätzen geprägt sind, zu schützen – und befeuern damit den immer schärferen Widerspruch zur EU und bereiten so den Boden für deren mögliche Implosion.
Gleichzeitig wird die Austeritätspolitik vom Rechtspopulismus benutzt, um die mangelnde nationale Souveränität zu beklagen wie auch alle schlechten Auswirkungen der EU zuzuschreiben bzw. dies auch als Machenschaft der EU gegen den jeweiligen Nationalstaat darzustellen. Es ist zumeist keine Kritik an den Kürzungen an sich, sondern der Vorwurf, dass diese von „außen“ diktiert würden.
Die Festung Europa implodiert 2015
Mit den sog. „Dublin“-Abkommen hatte die EU bis 2015 die Frage von Flucht und Migration „geregelt“. Das hieß, dass die sog. „Aufnahmestaaten“ auch verantwortlich für Asylantrag und möglichen weiteren Aufenthalt sind. Damit konnten alle Staaten außerhalb des Mittelmeerraums diese Problematik an die „EU-Außengrenzen“ abschieben. Als hauptsächlich syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Türkei über die sog. „Balkanroute“ in die EU kamen, zerbrach die rassistische EU-Politik an der Realität. Die Geflüchteten nahmen sich die „offenen Grenzen“, bis sie in Ungarn verhaftet und schikaniert wurden. Österreich und die BRD ließen sie dann größtenteils nach Deutschland einreisen. Wenn eben nicht allein das Kapital die offenen Grenzen nutzt, dann kann sogar die rassistische EU-Grenz -und Außenpolitik innerhalb von Wochen in sich zusammenbrechen.
Leider gab es keine internationalistische und solidarische Mobilisierung der europäischen ArbeiterInnenklasse, um die Geflüchteten als Teil ihrer Klasse und ihrer Kämpfe in Empfang zu nehmen. Dies wurde meist der „zivilgesellschaftlichen Willkommenskultur“ überlassen, wobei jedoch gerade dort, bei den Ehrenamtlichen, den Vereinen etc., viel proletarisches und linkes Engagement bis heute wirkt. Diese „Individualisierung“ der Solidarität führte andererseits zur Unterordnung unter die Migrationsagenturen des bürgerlichen Staates.
Auf der anderen Seite wurde dieses einmalige Ereignis der offenen Grenzen in der akuten Notsituation für die rechtspopulistischen AkteurInnen zur Vorlage für ihren Aufstieg. Vorwürfe des „Staatsversagens“, des „Kontrollverlusts“, der Unfähigkeit der Regierung beim Grenzschutz, paarten sich mit Rassismus verschiedenster Couleur gegenüber den Geflüchteten. Den vor dem real existierenden Dschihadismus geflohenen syrischen Flüchtlingen wurde eben diese Gesinnung unterstellt und als Motiv für ihre Einreise deren Plan, den Terror nach Europa bringen zu wollen, konstruiert. Rassismus, allgemeine Paranoia und historische Demenz führten bei der damaligen „Menschenrechtsbeauftragten“ Steinbach (CDU) zu der Aussage, dass „die Syrer, anstelle in Cafés in Berlin zu hocken, doch lieber ihre Heimat verteidigen sollten“. Ob sie das als ehemalige Vorsitzende der Vertriebenenverbände auch dort vorgeschlagen hätte, ist fraglich.
Beatrix von Storch forderte gar den Schießbefehl an der Grenze. Ministerpräsident Viktor Orbán sah die UngarInnen einer weltweiten Verschwörung ausgesetzt, die den „christlichen Charakter“ Ungarns mithilfe muslimischer Einwanderung vernichten wolle. Seit 2015 haben Rassismus, Populismus, Irrationalismus, Angst, Hetze die Gesellschaften Europas massiv verändert.
Die Zuspitzung der Fluchtbewegung nach Europa rund um den Syrienkrieg um 2015 wurde von den sowieso schon im Aufwind befindlichen rechtspopulistischen AkteurInnen sofort benutzt, um seither auf einer Welle von Legenden, Fake-News und Verdrehungen zu schwimmen. Die „Linke“ und die ArbeiterInnenbewegung waren entweder linkes Feigenblatt für Merkels scheinbare Willkommenskultur oder betätigten sich als „SupporterInnen“ der Geflüchteten. Eigenständig als Klasse gegen Rechtsruck und Regierung haben „wir“ jedoch nichts hinbekommen seit 2015. Dies ist ein Grund, warum rechtspopulistische Parteien gerade auch innerhalb der ArbeiterInnenklasse Wahlerfolge feiern und tief in diese WählerInnenmilieus eindringen konnten.
Spektren des Rechtsrucks
Wir können und wollen hier keinen vollständigen empirischen Überblick über die verschiedenen rechten Parteien und AkteurInnen geben, sondern versuchen zu sortieren. Nicht selten werden viele schnell als „Nazis“ oder „faschistisch“ bezeichnet, auch wenn es diese Parteien wie beispielsweise die AfD noch nicht sind. Die rechtspopulistischen Formationen so zu brandmarken, mag zwar von der Absicht getragen sein, die Gefahr zu unterstreichen, die von diesen ausgeht – eine falsche Charakterisierung verkennt aber die Besonderheit des Rechtspopulismus im Unterschied zum Faschismus und führt notwendigerweise zu strategischen wie taktischen Fehlern. Im Folgenden wollen wir die einzelnen Spektren des Rechtspopulismus, ihre Funktion und Rolle betrachten.
Wir gehen im Wesentlichen von einer Dreiteilung aus. Ausgangspunkt der ersten Gruppe sind demnach konservative Parteien, welche sich in dieser Krise nach rechts entwickeln, damit auch den Bewegungsraum für weiter rechtsstehende AkteurInnen öffnen, aber zunächst ihren Hintergrund in der Gruppe der konservativen „Volksparteien“ haben.
Die zweite Gruppierung sind die „etablierten“ Parteien des Rechtspopulismus, die aktuell im Aufwind sind.
Die dritte Gruppierung sind die offen faschistischen militanten Organisationen, auch wenn sie sich teilweise als faschistische Frontorganisationen (Gruppierungen mit eine Führungskern von organisierten Nazis, aber mit scheinbarer Offenheit für „gemäßigte“ MitstreiterInnen) tarnen. Diese unterscheiden sich deutlich von den beiden erstgenannten. Die Bezeichnung „Nazi“ ist für sie angemessen bzw. demgemäß muss auch die Taktik ihnen gegenüber ausgerichtet sein.
Abschließend werden wir anhand der neurechten Konzepte von „Reconquista“ und „Ethnopluralismus“ darstellen, wie sehr es ideologisch „fließende“ Grenzen zwischen diesen Gruppierungen gibt bzw. dort Übergänge von national-konservativ bis hin zum faschistischen Weltbild vorhanden sind.
Wie weit rechts geht konservativ?
Auch vor dem „Rechtsruck“ gab es verschiedene politische AkteurInnen, die „rechte“, d. h. rassistische, nationalistische und sexistische Politik verbreitet haben, die großteils aus den verschiedenen „normalen“ konservativen Parteien aus dem „bürgerlichen Spektrum“ kamen. In vielerlei Hinsicht sind diese konservativen „Volksparteien“ ein Spiegel der verschiedenen Interessen der herrschenden Klasse und des Kleinbürgertums und müssen daher auch in Krisenzeiten deren Rechtstendenzen aufnehmen können. Gegenüber der CDU-Vorsitzenden Merkel wurde aus der nationalistischen Presse („Junge Freiheit“) der Vorwurf erhoben, dass sie die „Sozialdemokratisierung“ der Union betreiben, die konservative Volkspartei gewissermaßen ins „linke“ Lager transformieren würde. Dies ist bis heute eine Begründung für Mitglieder der Union, diese zu verlassen und sich der AfD anzuschließen. Zuletzt etwa prominent zu sehen bei der ehemaligen Vorsitzenden des „Bundes der Vertriebenen“ Steinbach. Als „Sozialdemokratisierung“ gilt z. B. die Einführung des Mindestlohns, die Abschaffung der Wehrpflicht, das „Bekenntnis“, dass der „Islam zu Deutschland gehöre“, oder die Freigabe der Abstimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe.
Als Reaktion versuchen jetzt speziell die CSU oder auch potentielle Merkel-NachfolgerInnen wie Spahn, die Union wieder nach rechts zu schieben. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt gab gar das Ziel einer „konservativen Revolution“ aus. Dass er sich mit diesem Kampfbegriff der Weimarer Republik etwas vergaloppiert hatte, wurde in verschiedenen Interviews deutlich. Zumindest war es ihm nicht möglich zu erklären, was denn in Deutschland einer konservativen Restauration bedürfe – für die Wiedereinführung der Monarchie hat Dobrindt jedenfalls keine Argumente gebracht.
Bei der Union wäre sicherlich der Mindestlohn das erste Opfer einer konservativen Rückbesinnung. Schließlich kämen dabei die Interessen der aktuell unter Druck stehenden kleinbürgerlichen Schichten am deutlichsten zum Ausdruck. Denn 2013 waren ja ganze Sektoren (FrisörInnen, TaxifahrerInnen, BäckerInnen usw.) der Meinung, dass sie nun knapp vor dem Bankrott stünden, weil der Mindestlohn zu hoch sei oder die Arbeitserfassungsbögen zu viel bürokratischen Aufwand erzeugen würden. Gerade von kleinen und mittleren Unternehmern/Selbstständigen ist dies ein wichtiges Anliegen, das sie von der Union einfordern.
Solche Themen können sogar Bewegungen außerhalb der konservativen Parteien mobilisieren, welche dann auch das Kräfteverhältnis innerhalb dieser Parteien nachhaltig ändern. Die „Tea Party“-Bewegung wurde hauptsächlich gegen die Krankenversicherung Obamas gegründet, wobei die Milliardärsbrüder Koch die Starthilfe gaben und gegen die staatliche „Bevormundung“ wetterten, die vor allem die gutverdienenden Mittelschichten zur Kasse bat, um eine Versicherung für alle zu ermöglichen. Als Teil davon (alles über 50.000 US-Dollar pro Jahr) waren diese US-AmerikanerInnen zumeist über ihre Firma krankenversichert. Je höher das Einkommen, desto besser meistens die Versicherungsleistung, war die Devise. Diese gutverdienenden Mittelschichten mussten eine Art „Solidarzuschlag“ für die schlechter verdienenden Einkommensgruppen leisten. Dies wurde von der Tea Party und ihrem frühen Unterstützer Trump als Schritt Richtung Sozialismus gewertet, als Bedrohung für die „Freiheit“ durch einen „überbordenden“ Staat.
Hinter dieser Strömung – die Koch-Brüder unterstützten 2012 auch den hyperliberalen republikanischen Präsidentschaftsbewerber Ron Paul – steht das Ziel eines „libertären“ Staates. Im US-amerikanischen Sprachgebrauch hat dies nichts mit Anarchismus zu tun, sondern mit der kompletten Zerschlagung der öffentlichen Unternehmen und Infrastruktur. Dies ist verwandt mit dem Ideal des „Nachtwächterstaates“, dem klassischen Leitbild der liberalen Schule, bei dem der Staat auf die Gewaltorgane (Polizei und Armee) beschränkt bleiben soll, während die restlichen Staatsfunktionen vom privaten Kapital besser erfüllt werden könnten. Zumindest rhetorisch richteten sich die britischen Tories unter Margaret Thatcher nach diesem Idealbild. Sie ist bis heute ein Vorbild für Privatisierung im großen Stil, rücksichtslose Bekämpfung von Gewerkschaften und drastischen Abbau des Sozialstaates.
Die „Tea Party“-Bewegung war ein Startpunkt für eine massive Veränderung der US–RepublikanerInnen, die bis heute andauert und den Charakter der Partei stark gewandelt hat. Steuersenkungen sind derzeit noch die verbindenden Ziele der Trump-Administration mit den traditionellen parlamentarischen RepublikanerInnen in Repräsentantenhaus und Senat. Im Gegensatz dazu steht der beginnende Handelskrieg, die aggressive unilaterale Ausrichtung und das Engagement von Tea Party und der „Alt-Right“-Bewegung in der Partei gegen die „liberalen“ Elemente. Hier findet ein Richtungskampf statt, der nun auch von oben – vom Präsidenten Trump – befeuert wird. Dies wird z. B. dadurch deutlich, dass viele Gesetze erst gar nicht den Weg in die Parlamente finden, sondern von ihm per Dekret durchgesetzt werden, was oft mit einer entsprechenden Massenmobilisierung und Unter-Druck-Setzen der ParlamentarierInnen verbunden wird.
Umbau der Demokratie – am Beispiel von Fidesz und PiS
In Ungarn und Polen sind die national-konservativen Kräfte in den Regierungsparteien die hauptsächlichen Trägerinnen eines gesellschaftlichen Rechtsrucks geworden. Die Fidesz von Ministerpräsident Orbán, die seit 2006 regiert, kann auch als „revanchistische“ Kraft bezeichnet werden. Sie will offen die Revision der Verträge von Trianon (von 1920, der dem Versailler Vertrag entsprechende Friedensvertrag des ungarischen Reichsteils des Habsburgerreiches) und hält damit die Ansprüche aus dem Ende der k. u. k. Doppelmonarchie aufrecht (d. h. Gebietsansprüche auf große Teile Rumäniens, der Ukraine, der Slowakei und Serbiens). Begriffe wie „Großungarn“ und offene Ansprüche, vor allem gegenüber Rumänien und Serbien, sind neben dem grundlegenden „Antikommunismus“ die dominierenden Kräfte dieser Mitgliedspartei der EVP (Europäische Volkspartei), der EU-Schwesterpartei von CDU/CSU und ÖVP.
Damit einher geht ein „autoritärer“ Staatsumbau, welcher vor allem gegen die konkurrierende sozialdemokratische MSZP (Ungarische Sozialistische Partei) durchgesetzt wurde. Von „antikommunistischen“ Gesetzen ausgehend, die z. B. den roten Stern als politisches Symbol verbieten, wurde der gesamte öffentliche Sektor politisch „gesäubert“. In den staatlichen Medien, in den Gerichten, in den verbleibenden öffentlichen Unternehmen wurde die „Gesinnungstreue“ zu Orbán zum Einstellungskriterium, wie auch unliebsame KritikerInnen aus den Medien strafrechtlich verfolgt wurden. Der Tatvorwurf bei zu deutlicher Kritik an der Regierung lautet: „anti-ungarisches“ Verhalten, Schädigung der nationalen Interessen – so wird die sog. „öffentliche Meinung“ auf Staatslinie gebracht.
Gleichzeitig zeigt das Orbán-Regime gewisse kleptokratische Züge: Von der Privatisierung öffentlicher Unternehmen profitieren Familienmitglieder der Fidesz-Führung und/oder dieser nahestehender Bourgeois-Clans. Dies führt auch zu Korruptionsfällen, deren Aufdeckung das Regime durch die gleichgeschaltete Presse nicht zu fürchten braucht. Die öffentlichen Leistungen wurden gekürzt, so wie auch die Arbeitslosenunterstützung fast nur noch auf dem Papier existent ist. Trotz dieser deutlich neoliberalen Politik fährt die Regierung einen „national-protektionistischen“ Kurs, z. B. was den Verkauf öffentlicher Unternehmen angeht. So gelten die EU wie das „Finanzkapital“ oder auch die Soros-Stiftung, die nun nicht mehr in Ungarn beheimatet ist, als „Hauptübel“ gegenüber den nationalen Interessen vor allem des Bürgertums, das hinter Orbán steht. Investitionen des keine politischen Fragen stellenden deutschen Industriekapitals sind dagegen gerne gesehen (und für die ungarische Ökonomie und das Orbán-Regime tatsächlich lebenswichtig).
Im Zusammenspiel mit der nationalistischen und rassistischen Jobbik-Partei sind in Ungarn Antisemitismus und krude Theorien der „Umvolkung“ jetzt gesellschaftlicher „Mainstream“. Laut diesen „Theorien“ steht Multimilliardär Soros hinter der „Flüchtlingswelle“ von 2015, mit dem Ziel, das Projekt „Groß-Ungarn“ zu vereiteln und eine „Umvolkung“, also Ersetzung des ungarischen Staatsvolkes, einzuleiten. Auch wenn die Jobbik heute nicht mehr die behördliche Kennzeichnung von in Ungarn lebenden JüdInnen fordert, so bleibt sie eine zutiefst rassistische, antisemitische und antiziganistische Bewegung, die wesentlicher Bestandteil des Rechtsrucks in Ungarn ist.
Ähnliches vollzieht die PiS-Regierung in Polen. Auch sie konnte sich als Vorkämpferin gegen Kommunismus und EU profilieren – eine „verhängnisvolle“ Mischung, die Kennzeichen aller osteuropäischen RechtspopulistInnen ist. Dabei wird rhetorisch oftmals die EU in Brüssel mit der „Fremdbestimmung“ durch Moskau im „Kalten Krieg“ gleichgesetzt. Diese konservativen Parteien stellen sich somit dar in der Rolle als „Vorkämpferinnen“ für die nationalen Interessen, ein äußerst widersprüchliches Verständnis angesichts der tatsächlich verteidigten Kapitalinteressen. Auf der einen Seite ist auch der polnische Kapitalismus abhängig von Investitionen und Marktzugang aus dem EU-Raum. Allerdings trifft dieser in der EU auf stärkere, imperialistische PartnerInnen, die ihre Position gegenüber den osteuropäischen Staaten ausnutzen und dort Extraprofite erzielen wollen. Dementsprechend gehen dortige bourgeoise Parteien „natürlicher“ in eine rechtsnationale Richtung, da dahinter letztlich deren ökonomische Interessen stehen. Diese Ökonomien fungieren derzeit als „verlängerte Werkbank“ des westeuropäischen Industriekapitals wie auch als Absatzmärkte – jegliche ökonomische Unabhängigkeit des polnischen Kapitals muss damit gegen die herrschenden imperialistischen Kapitalfraktionen durchgesetzt werden, für die symbolisch „Brüssel“ steht.
Die PiS spiegelt sehr anschaulich einen „Grenzfall“ zwischen national-konservativen und rechtspopulistischen Elementen wider. Zum einen war sie klassisch als „Law and Order“-Partei aus Versatzstücken verschiedener bürgerlich-konservativer Parteien gegründet worden, um unter dem Regime der Kaczynski-Zwillinge „neue“ eher rechtspopulistische Schwerpunkte zu entwickeln. Die PiS gehörte nie zur EVP, sondern orientierte sich stets auf die euroskeptischen Kräfte wie den Block um die britischen Tories und die tschechische ODS (Demokratische Bürgerpartei), die sog. „AKRE“ (Allianz der Konservativen und Reformer in Europa).
In „ihrer“ Volk-Elite-Einteilung sieht die PiS das polnische Volk von transnationalen Eliten in Brüssel, Berlin und Moskau bedroht, die den polnischen Staatsapparat übernommen gehabt haben sollen. Überall witterte die PiS ehemalige Mitarbeiter des stalinistischen Geheimdienstes SB (Sicherheitsdienst; sogar über Lech Walesa wird dies verbreitet).
Als spezielles Feindbild und Sinnbild dieser „kosmopolitischen“ Eliten, welche allesamt die polnische Kultur verhökern wollen, sieht man bis heute den ehemaligen Ministerpräsidenten der Bürgerplattform und aktuellen EU-Repräsentanten Donald Tusk.
Seit ihrer 2. Regierung (seit 2015) wiederholt die PiS de facto die Politik Orbáns gegenüber den staatlichen Medien, der Justiz und in der Kooperation mit der „extremen“ Rechten. Während die öffentlichen Medien personell „gesäubert“ wurden, ist aktuell der Justizapparat dran. Jede/r, die/der im Verdacht steht, der Bürgerplattform nahezustehen, soll ihren/seinen Einfluss verlieren. In der Wirtschaftspolitik folgt man klassischer neoliberaler Doktrin, z. B. bei der Senkung der Körperschaftssteuer auf 15 % oder der speziellen Förderung der KleinunternehmerInnen.
Gegenüber der offen katholisch-faschistischen Szene, welche z. B. bei militanten nationalistischen Milizen und bei den Fußball-Hooligans sehr aktiv ist, pflegt die PiS einen offenen, tolerierenden Umgang. Beim jährlichen Unabhängigkeitstag am 11. November unterstützt die PiS de facto den Aufmarsch der faschistischen Rechten, die dann gegenüber Russland, der EU, Juden/Jüdinnen, Sinti und Roma, Geflüchteten und dem Islam ihrer Hetze freien Lauf lassen darf. Dies geht einher mit einer offen sexistischen, trans-feindlichen Politik, welche sich auf reaktionäre katholische Ideologien stützt und damit als „Brücke“ zur faschistischen Szene Polens dient.
Beginnender Bonapartismus
Der wesentliche Zweck dieser rechtsnationalistischen Kräfte an der Regierung ist es, Kapitalinteressen in einer immer autoritärer werdenden Form durchzusetzen und dies unter dem Anschein einer über den Klassen stehenden Politik unter einer/s großen Vertreter/in/s des „wirklichen Volkes“ – eine Form der Politik, für die der Marxismus den Begriff des „Bonapartismus“ verwendet (die historischen Hintergründe in der Gestalt des Louis Bonaparte werden wir später genauer ausführen).
Am Primat der kapitalistischen Politik ändert sich nichts, allerdings mit stärkerer „nationaler“ Ausrichtung. Häufig gilt das „transnationale“ Kapital als etwas nicht zu Kontrollierendes, was von „außen“ gegen die Interessen der Nation handeln will. Stattdessen wird das nationale Kapital massiv gefördert, natürlich auch mit dem Ziel, dass dies im Ausland erfolgreich ist, Marktanteile erobert etc. Dies ist letztlich auch Ausdruck einer „verspäteten“ kapitalistischen Entwicklung: Das nationale Kapital will/muss sich gegen die internationale, europäische Konkurrenz schützen, will selbst eine vergleichbare Position erreichen. Das geht an sich nur über Abschottung der Märkte – dieser Widerspruch ist Teil des „Rechtsrucks“ innerhalb der osteuropäischen EU-Staaten.
Nach innen werden Nationalismus, Rassismus, stellenweise Antisemitismus, anti-muslimischer Rassismus zur Staatsideologie. Was den Kampf für die nationalen Interessen angeht, werden aber große, tatsächlich lebenswichtige Investitionen des EU-Großkapitals in keinster Weise angegriffen oder behindert – im Gegenteil. So sind es zumeist einheimische bürgerliche KonkurrentInnen, die angeblich die Nation an das „transnationale“ Kapital verraten, als „Elite“ den „korrupten“ Staat für sich vereinnahmen, das Volk an und für sich verraten und nur ihren eigenen Nutzen zum Ziel haben. So stellt die PiS die Bürgerplattform von Tusk und mit ihr verbundene Kapitale oder auch Orbán die „sozialdemokratische“ MSZP stets als „SachwalterInnen“ des Kommunismus dar. Statt tatsächlich EU-Kapital zu bekämpfen, verwenden diese NationalistInnen ihre Hetze vor allem zur Bereicherung bestimmter Teile der jeweiligen Bourgeoisie auf Kosten von ArbeiterInnenklasse und anderen Teilen der eigenen Bourgeoisie.
Diese Formationen stützen sich auf militante rechtere oder gar faschistische Bewegungen, solange diese benötigt werden. Sie haben keinerlei Ambitionen, die Macht an sie zu verlieren: Werden diese zu stark, kann es ihnen ergehen wie dem „Rechten Sektor“ in der Ukraine, welcher im Kampf gegen das alte Regime zu „Ehre“ und Posten kam. Als aber sein Einfluss zu groß wurde, starben wichtige Führungspersonen (z. B. der Polizeichef von Kiew) und die Organisation wurde kriminalisiert. Die Unterstützung dieser „Fußtruppen“ ist aber elementar für den Kampf zur Machtsicherung, zumindest in einer ersten Phase. Für die Angriffe auf die Rechte der ArbeiterInnenbewegung, für die Zerschlagung ihrer Organisationen, Parteien etc., für den Straßenkampf gegen jegliche linke oder liberale Gegenwehr, für den Kampf gegen alle MigrantInnen – dafür gibt es das mittelfristige Zweckbündnis. Dafür beginnt auch der „Staatsumbau“, mit dem Zweck, den Staat um autoritäre und bonapartistische Elemente zu verstärken. Dies ist allerdings auch Bestandteil von neoliberalen PopulistInnen wie dem französischen Präsidenten Macron. Gewisse Kapitalgruppen sehen den gewöhnlichen bürgerlichen Staat nicht mehr in der Lage, solche „Reformen“ zu erzielen, wie es der „eisernen Lady“ einst noch möglich war. Dies wird häufig durch das Regieren per „Dekret“, also per präsidialer Verfügung gewährleistet. Die Legislative verliert dabei an Einfluss und Entscheidungsmacht, während die Exekutive weiter gestärkt wird.
Der Staat wandelt sich und bestimmt neu, was denn „rechtens“ ist, welche Meinung noch konform ist und welche nicht, was „unpatriotisch“ ist oder nicht, und auf welcher „Seite“ man zu stehen hat.
Für diesen Umbau sind national-konservative und rechtspopulistische Parteien bis hin zu offen nationalistisch-faschistischen Gruppierungen die „geeigneten“ AkteurInnen. Wenn man so will, kommt die „westliche“ Demokratie nach „ihrem Sieg“ Anfang der 1990er Jahre nun auch zu ihrem gerechten Ende – sie wird als Hülle der Kapitalherrschaft nicht mehr gebraucht.
Rechtspopulistische nationalistische Formationen
Ein zweiter starker Flügel des aktuellen Rechtspopulismus ist der nationalistische Flügel, der aus national-konservativen Strömungen in Bourgeoisie und Kleinbürgertum, oft als nationalistische „Alternative“ zu den etablierten konservativen Parteien, entstanden ist. Diese Formationen finden wir eher im „westlichen“ Europa.
Hierunter würden wir Parteien wie die FPÖ (Österreich), den FN (Frankreich) und die Lega (Italien) sortieren, wie auch die Entwicklung der AfD seit 2015 sie eher diesem Spektrum zuweist.
Bei diesen Parteien sind Nationalismus und Rassismus, bei der Lega auch Separatismus, Gründungsmomente gewesen, indem sie sich von Beginn an als „nationale Alternative“ präsentierten. Auch in dieser Kategorie sind Gemeinsamkeiten mit der offen faschistischen Szene vorhanden bzw. gibt es personelle Überschneidungen in der Mitgliedschaft zu faschistischen Organisationen.
Die FPÖ hat durch ihre Regierungsbeteiligung gleich mehrere Bespiele ihres widersprüchlichen Charakters geliefert. Einerseits hat sie, ohne mit der Wimper zu zucken, zum Zweck der Regierungsbeteiligung eines der Kernelemente rechtspopulistischer Mobilisierung, das sie auch verwendet hatte, aufgegeben. Als Juniorkoalitionspartnerin war keine Rede mehr davon, dass man ein Plebiszit für den Austritt aus der EU anstreben würde. Offenbar ist diese sonst so „völkische“ Partei doch mehr an den elementaren Interessen der österreichischen Bourgeoisie orientiert, als sie es in ihrer Propaganda darstellt. Ebenso waren die „Sozialreformen“ wie insbesondere die Erhöhung der Arbeitszeitobergrenzen wohl auch nicht so sehr am Interesse der „kleinen Leute“ orientiert. Dagegen hat man mit der Durchsuchung der Räumlichkeiten des Verfassungsschutzes, bei der „zufällig“ auch die Akten über die Verbindungen der Nazi-Szene mit der FPÖ mit verbracht wurden, gezeigt, was von solchen Parteien in Bezug auf „Rechts“-Staatlichkeit zu erwarten ist.
Sie stehen in Konkurrenz mit den traditionellen konservativen Volksparteien, welche zumeist auch das Kleinbürgertum repräsentieren und das Großkapital politisch vertreten. Entscheidender Punkt ist, inwieweit sie sich den strategischen Erfordernissen des Großkapitals unterordnen und dadurch auch gewisse „populistische“ Elemente und Forderungen aufgeben. Dieser entscheidet letztlich auch darüber, inwieweit die traditionellen konservativen Parteien für eine gemeinsame Regierung zur Verfügung stehen.
Innerhalb dieser nationalistischen rechtspopulistischen Parteien existiert ein Widerspruch zwischen dem Anspruch, die konservativen Parteien zu „überholen“, und sich gleichzeitig diesen als Koalitionspartnerin anzubieten. Dies kann auch immer eine Bruchstelle für diese Parteien sein. Bei der AfD äußerte sich etwa in den Aussagen von Weidel („2021 sitzen wir auf der Regierungsbank“) und Tillschneider aus Sachsen-Anhalt („Unser Ziel ist die Machtübernahme“), dass hier weiterhin verschiedene Kräfte wirken (der Begriff der „Machtübernahme“ lässt nicht allein auf Regierungskoalitionen schließen).
Italiens neue Regierung – Lega und 5-Sterne-Bewegung
Die italienische Lega war einige Legislaturperioden in einem Wahlbündnis mit Forza Italia (Vorwärts Italien), der Wahlplattform von Berlusconi, und hat es bei diesen Parlamentswahlen geschafft, diese zu überholen. Das lag sicherlich auch daran, dass die Lega den Separatismus aus dem Parteiprogramm vor Wahlantritt strich (Umbenennung von „Lega Nord“ in einfach nur noch „Lega“) und auch den „internen“ Rassismus gegenüber den SüditalienerInnen abschwächte. Jetzt sind die Geflüchteten, speziell die afrikanischen und die EU die angeblichen gemeinsamen GegnerInnen aller ItalienerInnen. Auch hier wieder wird eher mit dem Austritt aus der EU gedroht, vor allem für den Fall, dass die EU nicht auf die Forderungen der Lega eingeht.
Gemeinsam mit der Alleanza Nationale (AN; dt.: Nationale Allianz) und kleineren faschistischen Parteien wie der CasaPound (CPI) hat dieser „Flügel“ in Italien die traditionellen konservativen Parteien und Bündnisse hinter sich gelassen. Dies ist zwar eine Momentaufnahme, aber auch eine entscheidende für die aktuellen Kräfteverhältnisse in Italien. Sollte das politische und physische Ende von Berlusconi jemals kommen, wird ein „klassischer“ Vertreter des italienischen Großkapitals verschwinden und Lega und Co. als „ErbInnen“ bereitstehen.
Die Regierung von Lega und 5-Sterne-Bewegung hat schnell von sich reden gemacht. Die komplette Umsetzung der rassistischen Lega-Politik, die Abweisung von Rettungsschiffen und die Versuche, das EU-„Festungsregime“ weiter zu verschärfen, sind die bekannten Merkmale. Inzwischen haben rassistische AttentäterInnen Geflüchtete auf offener Straße hingerichtet und dabei den Namen ihres Helden, Lega-Chefs und Innenministers Salvini skandiert.
Als gemeinsames Handeln gab es zunächst eine neoliberale Steuerreform fürs Großkapital und Kleinbürgertum – da waren sich die PopulistInnen unterschiedlicher Couleur sofort einig. Die Rücknahme der „Rentenreform“ der Vorgängerregierung unter der PD (Demokratische Partei) wie auch ein kaum als solches wahrnehmbares „Bürgereinkommen“ stehen dagegen unter dem Vorbehalt, dass sie jederzeit in den Budgetauseinandersetzungen mit der EU wieder zurückgenommen werden könnten.
Was die gesamtkapitalistische Strategie angeht, versucht die Regierung, eine Umschuldung bei EU und EZB für die 250 Mrd. Euro Schulden zu erwirken, deren (zumindest teilweise) Durchsetzung zum entscheidenden Test für die Brauchbarkeit dieser Regierung für das italienische Kapital sein wird.
Fest steht, dass wir nun zwei weitere offen rassistische Regierungen in der EU haben, welche den Rechtsruck, den staatlichen wie „außerparlamentarischen“ Rassismus weiter befeuern werden.
Der Front National heißt jetzt Nationale Versammlung
Im Verhältnis zum konservativen, in Frankreich meist als „gaullistisch“ bezeichneten Parteienspektrum, hatte der „alte FN“ gewissermaßen den Status eines Parias (kastenlose InderIn, AusgestoßeneR) erreicht. Es war der Parteigründer Jean-Marie Le Pen, der den FN als rassistische, antisemitische Kraft etabliert hatte und mit der positiven Bezugnahme auf das mit den Nazis kooperierende Regime des Marschall Pétain gerade gegen den gaullistischen, republikanischen Konsens des Nachkriegs-Frankreich verstieß. Dies führte dazu, dass quasi alle anderen Parteien eine Front gegen den FN bildeten und mit dem französischen Mehrheitswahlrecht dafür sorgten, dass er trotz aller erfolgreichen Wahlen meist nur einstellig in der Nationalversammlung repräsentiert war, sich also die anderen Parteien auf KandidatInnen gegen den FN einigten (mindestens in zweiten Wahlgängen). Der FN hatte in den 1970/80er Jahren enge Beziehungen zu faschistischen Schlägertrupps, unterstützte meistens direkt deren Gewalt gegen Linke oder auch deren Einsatz als StreikbrecherInnen. Die für diese Periode gültige Kennzeichnung des FN als faschistische Frontorganisation hat sich aber in den letzten Jahren verändert.
Unter der Führung von Marine Le Pen hat der FN einen neuen Kurs eingeschlagen, der sich oberflächlich betrachtet schon an der Umbenennung der Partei und mit dem Ausschluss des Parteigründers zeigt.
Bei den letzten Wahlen wurden nun auch entscheidende „Zugeständnisse“ gegenüber dem französischen Imperialismus gemacht bzw. fand ein Kurswechsel des FN statt, der Ähnlichkeiten mit den Zugeständnissen der FPÖ an die Koalition hat. Keine Rede mehr von einem Austritt aus der EU, kein Zurück zum Franc, stattdessen Schutz und Verteidigung vor deutscher Hegemonie in der EU – das sind auch wesentliche Interessen großer Teile der französischen Bourgeoisie. Die EU soll nicht weiter vertieft, die nationale „Souveränität“ verteidigt werden – so begradigte Marine Le Pen ihre „Regierungstauglichkeit“ vor den Präsidentschaftswahlen. In wirtschaftspolitischen Fragen vertritt der Ex-FN viele protektionistische Maßnahmen, bestärkt die Rolle des französischen Staats zur „Verteidigung“ des Monopolkapitals, wie auch Sozialleistungen durch Beschränkung auf „echte FranzösInnen“ eingespart werden sollen. In der WählerInnenschaft ist der FN quasi als „Volkspartei“ aufgestellt, also als Querschnitt aus der ArbeiterInnenklasse (speziell Elsass, Nordost), der lohnabhängigen Mittelschichten, wie auch dem klassischen Kleinbürgertum (HändlerInnen, Bauern/Bäuerinnen, Selbstständige).
Diese Entwicklung versuchte Le Pen zu nutzen, um dem FN einen neuen Anstrich zu geben, für den sie derzeit den Führungs-/Fraktionskampf gewonnen zu haben scheint. Der RN (Rassemblement National; dt.: Nationale Versammlung) tritt nun deutlich weniger rassistisch auf. Vom früheren geifernden Antisemitismus eines Jean-Marie Le Pen ist nicht mehr viel zu merken, der antisemtisch/nationalistisch/faschistische Flügel hat offenbar politisch die Oberhand verloren.
Das heißt nicht, dass der FN/RN, einmal an die Macht gekommen, sich nicht zum Angriff auf die Errungenschaften der französischen ArbeiterInnenbewegung aufmachen würde. Die Frage wird nur sein, wie, und die ist im Vergleich zu einer faschistischen Machtübernahme schon entscheidend. Der FN der 1980/90er Jahre war verbunden mit paramilitärischen Trupps, hatte enge Kontakte zur faschistischen Szene und war quasi deren Deckmantel für das Ziel der Machtergreifung. Das jetzige Regime des RN rückt quasi in die „rechte Mitte“, versucht sich auch als „Alternative“ zu den RepublikanerInnen von Juppé und Sarkozy darzustellen, als „letzte“ nationale Partei. Letztlich hängt der Erfolg dieses Vorhabens davon ab, ob Marine Le Pen die Blockade der „GaullistInnen“ und Liberalen (Union pour un Mouvement Populair, UMP, heute: Les Républicains; dt.: Die RepublikanerInnen), welche relativ komplett bei Macron integriert ist, gegen ihre Partei brechen kann und dadurch eine reale, parlamentarische Machtoption (Mehrheitswahlrecht) bekommt. Dann könnte der RN, ähnlich der FPÖ oder auch der Lega, regierungstauglich für die konservativen Parteien werden. Geschieht dies nicht, ist davon auszugehen, dass die faschistischen und antisemitischen Kreise wieder an Macht in der Partei gewinnen werden.
Aufschwung von faschistischen Organisationen
Noch in den 1990er Jahren traten faschistische Organisationen, die zu größeren Massenorganisationen werden wollten, noch selten direkt und offen auf – sie erschienen vor allem als faschistische Frontorganisationen: Dort arbeitet ein Kern von faschistischen „Kadern“ und Gruppen in der Partei, mit dem Ziel andere rechte, nationale Strömungen zu gewinnen, um dadurch eine Massenbasis für diese faschistische Frontorganisation herzustellen. Auch in diesen Organisationen können Kämpfe um die politische Führung ausbrechen, speziell was die Regierungsbeteiligung angeht. Aber sie sind so aufgebaut, dass aus einer kleinen faschistischen Kernorganisation eine faschistische Massenpartei entstehen kann. Mitte der 1990er Jahre identifizierten wir vor allem den FN (Front National) und den MSI (Movimento Sociale Italiano; dt.: Italienische Sozialbewegung) als solche Frontorganisationen, in denen FaschistInnen die Führung haben und die Richtung bestimmen.
Aktuell können wir beim FN ein anderes Kräfteverhältnis feststellen, während der MSI sich nach der ersten gescheiterten Berlusconi-Regierung 1995 in der AN auflöste. Diese „Umgruppierung“ der NationalistInnen und FaschistInnen Italiens hat seitdem mehrere radikalere faschistische Gruppierungen hervorgebracht, während der alte MSI-Kern an Bedeutung verliert.
Auch wenn zur Zeit Jobbik vermehrt versucht, sich als eine Frontorganisation zu präsentieren und damit auch „respektablere“ Kräfte zu gewinnen, so besteht nicht nur ihr Kern eindeutig aus FaschistInnen, sondern auch ein großer und der aktivste Teil ihrer Mitgliedschaft. Die Goldene Morgenröte (Griechenland) und der Rechte Sektor (Ukraine) hingegen sind rein faschistische Organisationen.
Die von ihnen zur Schau getragene Militanz und der Aufbau zur Polizei paralleler Schlägertrupps bis hin zu paramilitärischen Einheiten ist ein wesentliches Kennzeichen des Faschismus. Dies wird gebraucht zum direkten physischen Kampf gegen den/die politische/n GegnerIn (die „Linke“, die „Roten“, die „Antifa“), aber auch als „Angebot“ gegenüber den anderen bürgerlichen Parteien. Bei diesen Organisationen sind diejenigen, die ernsthaft gegen die „rote Gefahr“ kämpfen, die in der Lage sind, die „Antifa“ zu vertreiben und letztlich sich anbieten, militant gegen die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung vorzugehen.
Diese Strukturen finden wir beispielsweise bei der Jobbik aus Ungarn und ihrer Magyar Gárda (Ungarische Garde), welche nicht zufällig bis 2007 noch die Symbole der faschistischen PfeilkreuzlerInnen trug, der KollaborateurInnen mit dem 3. Reich in Ungarn. Diese Garde beweist sich zum einen bei folkloristischen Paraden zur Darstellung von „Großungarn“-Träumen wie auch in gewalttätigen Aktionen gegen Roma und Sinti in Ungarn. Nach dem Verbot 2007 gründete sich diese Miliz als Neue Ungarngarde neu, ohne Zeichen der PfeilkreuzlerInnen, aber mit gleicher Ausrichtung und Gesinnung.
Jobbik selbst hat den Platz als größte Oppositionspartei gegenüber Orbáns Fidesz seit zwei Wahlen sicher und steht in einem Wettbewerb mit der Regierung von rechts. Jobbik beantragte beispielsweise die Kennzeichnung ungarischer Juden/Jüdinnen in ihren Personaldokumenten. Die Ablehnung dessen wird als „Dienst an Soros durch Orbán“ dargestellt, Wir sehen also einen Überbietungswettbewerb in Sachen Antisemitismus, Antiziganismus und kruden Verschwörungstheorien. Je mehr Jobbik die Regierung von rechts unter Druck setzte, desto stärker sie auch im Vergleich zur MSZP wurde, desto mehr versucht sich Jobbik neuerdings auch als „normale“ konservative Volkspartei darzustellen.
Jobbik selbst will die „erste“ nationale Volkspartei des Landes werden, also Fidesz ablösen. Im Zuge dieser „Selbstfindung“, die 2014 begann und vor den Parlamentswahlen 2018 für abgeschlossen erklärt wurde, gab es programmatische Korrekturen, vor allem Angleichungen an die Interessen des ungarischen Kapitalismus. So wird nicht mehr der Austritt aus der EU gefordert, selbst die Einführung des Euro ist jetzt akzeptabel. Schließlich hat der Vorsitzende Gábor Vona sich von der antisemitischen und antiziganistischen Vergangenheit Jobbiks distanziert. Im Zuge dessen wurde auch die gegenseitige Treueerklärung mit der Neuen Ungarngarde aufgekündigt. Dies war sicherlich eine Voraussetzung, um auch beim ungarischen Kapital und Establishment anzukommen bzw. auch ein ernsthafter Koalitionspartner für die Fidesz zu werden, sollten deren Stimmen einmal nicht für die Mehrheit ausreichen. Trotz dieser zuletzt genannten Differenzierungen der Jobbik ist diese im Kern weiterhin eine Partei, die von faschistischen Kadern geführt wird, also eine faschistische Frontorganisation.
Die Partei der Goldenen Morgenröte (Chrysi Avgi) in Griechenland konnte sich im Zuge der Schuldenkrise, der technokratischen Papadimos-Regierung (2011/2012), dem Zusammenbruch von PASOK und dem Verrat von Syriza als heute stärkste Kraft der militanten Rechten in Griechenland aufbauen. Zuvor waren die RechtspopulistInnen von LAOS (Volksorthodoxe Sammlungsbewegung) in diesem Segment führend, doch war ihre Unterstützung der Papadimos-Regierung zusammen mit ND (Nea Dimokratia; dt.: Neue Demokratie; konservativ-liberal) und PASOK ihr politisches Ende. Chrysi Avgi ist vor allem als militante, offen faschistische Partei bekannt, so auch als einzige, die sich positiv zur halbfaschistischen Metaxas-Diktatur bekennt. Rassismus gegenüber der Türkei, den AlbanerInnen, den MakedonierInnen und Geflüchteten ist ebenso prägend wie es auch gewaltsame Überfälle auf MigrantInnen und Linke sind. Diese Partei trat vor ihren Wahlerfolgen als „Mischung“ zwischen Schlägertrupp und krimineller Vereinigung auf, konnte sich aber durch die politischen Erfolge jetzt auf ein höheres „Niveau“ begeben. Ihre Straßentrupps vertreiben „nicht-griechische“ HändlerInnen von Wochenmärkten, Geflüchtete werden zusammengeschlagen und bekannte AntifaschistInnen wie Pavlos Fyssas 2013 ermordet. Ähnlich dem Rechten Sektor ist bei der Goldenen Morgenröte davon auszugehen, dass sie bereits gewisse paramilitärische Strukturen und vor allem Gewalt als Erkennungszeichen ihrer Politik etabliert hat.
Ebenfalls ist eine recht enge Verbindung zu Einheiten der Polizei bekannt. So waren ihre AnhängerInnen wohl regelmäßig unter „zivilen“ Einheiten der Polizei zu finden, auch dort mit übergroßer Bereitschaft, linke Demonstrationen anzugreifen.
In den aktuellen nationalistischen Mobilisierungen gegen die Republik Mazedonien, in der Streitfrage, was/wie Mazedonien/Makedonien heißen darf oder nicht, spielt die Chrysi Avgi eine sehr wichtige Rolle. Vor allem gelang es ihr aber, sich wieder der bürgerlichen „gemäßigten“ Rechten als Bündnispartnerin zu präsentieren. Aktuell läuft zwar noch ein Verbotsverfahren aufgrund verschiedener krimineller Handlungen (inkl. dem Mord an Fyssas). Für alle Fälle ist eine mögliche Nachfolgepartei jedoch schon eingetragen.
Gerade in der tiefen sozialen Krise Griechenlands ist es möglich, dass diese Partei für künftige konservative oder Technokratenregierungen eine wichtige Rolle spielen kann und zwar als militante Organisation im Einsatz gegen die Linke und die ArbeiterInnenbewegung. Dazu kann sie dem griechischen Kapital dienen bei der möglichen Abwahl der Syriza-Regierung 2019.
Die Goldene Morgenröte gilt auch international als Vorbild für kleinere faschistische Organisationen. So haben sich in Großbritannien und Deutschland Ableger dieser Partei gegründet, vor allem aus den Kräften, denen eine militante Organisierung wichtiger erscheint als die politische Gründung einer Partei.
Je nach weiterer Zuspitzung in Griechenland kann der Morgenröte auch ein „Schicksal“ ähnlich dem Rechten Sektor vergönnt sein. Diese faschistische Kraft aus der Ukraine zeigt, wie schnell aus einem Auf- auch ein Abstieg werden kann. Als de facto Miliz des Maidan war der Rechte Sektor, meistens zusammen mit der nationalistischen Allukrainischen Vereinigung „Swoboda“ (Freiheit), eine der führenden rechten Kräfte des Putsches in der Ukraine. Angetreten mit der Erinnerung an die ukrainischen faschistischen Kollaborateure im 2. Weltkrieg, entwickelte sich ihr Slogan „Ruhm und Ehre unseren Märtyrern, Ruhm und der Ehre der Ukraine“ zum Motto dieser Putschbewegung, für die die Einheiten des Rechten Sektors quasi die militante Spitze bildeten. Im neuen Putschregime sank ihr Stern aber zunehmend. Der US-Protege Jazenjuk gründete die nationalistische „Volksfront“, in der auch viele „Swoboda“-FunktionärInnen ihre neue Heimat fanden. Nachdem dieser die Regierung verließ und auch Präsident Poroschenko keine Miliz auf der Straße mehr brauchte, entledigten sich die führenden Kräfte des Putsches aus dem Bürgertum ihrer faschistischen „Knechte/Mägde“. Als Ausdruck dessen wurde der Polizeichef von Kiew, führendes Mitglied des Rechten Sektors, ermordet und die offiziellen Gewaltorgane der Ukraine wendeten sich gegen die Organisation. Diese hatte zur Finanzierung auch den Zigarettenschmuggel an der rumänisch-ukrainischen Grenze organisiert. Als die Polizei dort eingriff und es gewalttätige Auseinandersetzungen gab, war die Trennung von Regime und Rechtem Sektor ganz offiziell.
Diese Organisation hatte sich ideologisch als Vorkämpferin des „weißen“ und „christlichen“ Europas gegen Russland und den Orient stilisiert, zog damit auch in den Bürgerkrieg in der Ostukraine und rekrutierte wahrscheinlich mehrere tausend Freiwillige aus ganz Europa für ihre Bataillone. Diese ideologischen Versatzstücke einer „Reconquista“, eines gemeinsamen nationalistischen und rassistischen Projekts für Europa, werden wir auch bei den verschiedenen rechtspopulistischen Formationen finden. Es sind quasi die verbindenden Elemente zwischen den verschiedenen Strömungen des Rechtsrucks.
Rechtspopulismus und Faschismus
In den letzten Jahren sind Erscheinungsformen der „neuen Rechten“ auf die Bühne getreten, die zwischen den verschiedenen Strömungen „vermitteln“. Diese sind bei den politischen Gruppierungen unterschiedlich stark angebunden, können aber eine gemeinsame „Klammer“ bilden.
Eine solche Organisation und „Bewegung“ ist die Identitäre Bewegung (IB), die als „Jugendorganisation“ vor allem in Frankreich, Österreich und Deutschland aktiv ist und viele vormals „lose“ angebundene militante FaschistInnen organisiert. Sie geriert sich als Trägerin eines „europäischen“ Nationalismus und Rassismus. Als Organisation versucht sie ihren militanten Background in „Freien Netzwerken“ und „Kameradschaften“ oder bei den JN (Junge Nationalisten; bis zum 13. Januar 2018: Junge Nationaldemokraten, Jugendorganisation der NPD) zu vertuschen und modern aufgemotzt als nationalistische NGO oder, wie es der IfS-Vordenker Götz Kubitschek ausdrückte, als „braunes Greenpeace“ aufzutreten (IfS: Institut für Staatspolitik). Es gibt eine enge Kooperation mit der „Alt-Right“ in den USA, die ihrerseits die „Defend Europe“-Aktionen der Identitären finanziell unterstützt. Dieses Milieu der „Neu-Rechten“ ist international aufgestellt und vernetzt.
Mit den folgenden beiden Hauptschlagwörtern dieser Bewegung werden alte Konstrukte des Rassismus und Nationalismus wiederbelebt, wie auch der Boden für faschistische Militanz und Bewusstsein bereitet.
Reconquista und Ethnopluralismus
Die „Identitäre Bewegung“ versucht, einen „gemeinsamen“ Begriff von Europa zu entwickeln, eine kontinental vereinigende Ideologie. Zwar steht auch hier die „eigene“ Nation an erster Stelle, allerdings funktioniere die rassistische Abgrenzung nun kontinental und eben nicht mehr ausschließlich national.
Als wichtigstes Hilfsmittel einer ideologischen Vereinheitlichung nationalistischer Bewegungen auf dem europäischen Kontinent soll dabei der Begriff „Reconquista“ dienen. Ähnlich dem historischen Völkermord nach der Vertreibung von Muslimen und JüdInnen von der iberischen Halbinsel insbesondere zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert durch die „christlichen“ Eroberer (ideologisch als „Reconquista“ = „Wiedereroberung“ verbrämt) sehen heutige Rechte den Islam als hauptsächliche Bedrohung der europäischen „Völker“ und Kultur (vom Judentum sprechen sie derzeit noch nicht so offensiv). Dementsprechend sei Europa durch den Islam, durch die hier lebenden MuslimInnen, bedroht, welchen unterstellt wird, in Europa islamische Staaten, Kalifate aufbauen zu wollen. Dieser „Theorie“ zufolge, sollen die Geflüchteten aus dem Nahen und Mittleren Osten die „schleichende“ Übernahme des Kontinents und dessen „Umvolkung“ beschleunigen.
Ähnlich der historischen Mobilisierung verschiedener Feudalherrschaften zum Krieg gegen die Mauren in al-Andalus (muslimisches Spanien) sehen sich die „Identitären“ Europas als Verbündete berufen im Kampf gegen den Islam, der aus Europa zu vertreiben sei, damit die „christlich-abendländische“ Kultur gerettet werden könne.
Dies geschieht mal recht martialisch wie beim ukrainischen Rechten Sektor, der sich an der Frontlinie zu „den Barbaren“ im Osten, als Verteidiger Europas stilisierte. Man kann aber auch fast akademisch daherkommen wie z. B. bei der Identitären Bewegung, die zur Frage „Was ist Reconquista?“ folgendes von sich gibt:
„Als Identitäre Bewegung wollen wir uns die gesellschaftlichen Diskursräume zurückerobern, die zuvor von einer linksliberalen Hegemonie dominiert wurden. Wir sind die laute patriotische Stimme, die offen Gesicht zeigt und den Werten von Heimatliebe und Tradition wieder Gestalt und gesellschaftlichen Raum verleiht. Die Liebe zum Eigenen und das Bewusstsein für unsere ethnokulturelle Identität sind Selbstverständlichkeiten, für die wir uns nicht schämen müssen. Wir wollen, dass der Patriotismus zu einem gesellschaftlichen Leitwert wird und eine echte Meinungsfreiheit, die auch unseren inhaltlichen Positionen einen legitimen Artikulationsraum ermöglicht. Dies fordern wir ein und dafür gehen wir jeden Tag auf die Straße und bilden die Phalanx für die Reconquista.“ [5]
Sicherlich werden den LeserInnen die „gramscianisch“ anmutenden Formulierungen von „Hegemonie“ und „Diskurs“ auffallen. Diese – vor allem das Konzept des „Kampfes um Hegemonie“ – sind wichtige Bestandteile der neu-rechten Ideologie und jener, die sich auch in den rechtspopulistischen Parteien tummeln. Sie setzen sich das Ziel, ihre Themen, ihre Strategie in das 21. Jahrhundert zu „übersetzen“. Um für diese Ideen breitere Schichten zu gewinnen, müssen sie auch in die rechtspopulistischen Parteien getragen werden.
Beim Zitat zur Reconquista müssen wir uns folgendes vor Augen führen: Neben viel „Volkstümelei“ und netten Heimatbejubelungen (Webauftritt vor deutscher Natur im Sonnenschein) wird letztendlich der militante Selbstzweck deutlich benannt, nämlich die Bildung der „Phalanx für die Reconquista“. Die zurückgewonnenen „Diskursräume“ wie auch die „Hegemonie“ sollen dazu dienen, die Speerspitze der Rückeroberung des Kontinents gegen die inneren und äußeren Bedrohungen herauszubilden. Diese Ideologie ist bei vielen der rechtspopulistischen Parteien vorhanden: Gerade diejenigen, die einen Schwerpunkt auf „modernen“ Rassismus legen (FPÖ, AfD, FN, Lega, DF, Freiheitspartei), geben sich nicht nur gerne als KritikerInnen der EU, sondern auch als VerteidigerInnen Europas gegen die äußeren FeindInnen. Dafür wird in verschiedenen Facetten die Ideologie der Reconquista benutzt, als „moderner“ anti-muslimischer Rassismus.
Auch der Nationalismus, die abartige Erhöhung des einen oder auch anderen Volksbestandes wird neu erdacht. Der klassische Nationalismus Europas, der sich noch deutlich während der „Schuldenkrise“ gezeigt hat (faule Südländer-/EuropäerInnen), wird ideologisch scheinbar ersetzt durch den „Ethnopluralismus“. Damit wollen die neu-rechten IdeologInnen gelungen den Blut-und-Boden-Nationalismus als etwas Pluralistisches verkaufen.
De facto akzeptiert der Ethnopluralismus den Nationalismus eines jeden Volkes (besonders, wenn es ein europäisches Volk ist), solange sich diese Völker nicht „vermischen“, also die Ethno-Identität erhalten bleibt, „Blut und Boden“ die Grundlage der Identität bilde. Die neu-rechte Konzeption richtet sich gegen die sogenannte „One World“-Propaganda, gegen die „Heimat“, „Kultur“ und Volk bedrohenden Auswirkungen der Globalisierung. In seiner weiterführenden Definition ist der Ethnopluralismus die Verteidigung der „traditionellen“ Werte, der Heimat, der christlichen Familie, der dazu gehörigen Geschlechterrollen – ein Rollback auf verschiedenen Ebenen. Tatsächlich handelt es sich nur um eine Umdeutung des klassischen Rassismus. Immerhin hat Gobineau in seinem Klassiker des Rassismus („Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“) auch die Pluralität der „Rassen“ gewürdigt und die geschichtliche „Degeneration“ in der „Rassenmischung“ gesehen. Der Ethnopluralismus ist daher eine rein kulturalistische Umfirmierung, nachdem der biologistische Rassenbegriff diskreditiert ist.
Auf Grundlage dieser Neuauflage des Rassismus erfolgt auch die Kampfebene gegen den „Multikulturalismus“ und gegen jegliche Migrationspolitik. Er ist ebenfalls anschlussfähig an die faschistischen „Umvolkungstheorien“, welche der jeweiligen aktuellen bürgerlichen Elite einen „Plan“ zur Abschaffung des jeweiligen Staatsvolkes unterstellen. Deutsche FaschistInnen hatten z. B. den „Volkstod“ der Deutschen auf das Jahr 2040 prognostiziert und Merkel aufgrund der Öffnung der Grenzen 2015 der Einleitung der „Umvolkung“ beschuldigt. Diese Theorien fanden ihren Weg sogar in die CDU-Bundestagsfraktion, zumindest in Gestalt von Erika Steinbach, die das Ende des deutschen Volkes kommen sah.
Elemente davon sind bei allen rechtspopulistischen Parteien in verschiedener Stärke vorhanden. Da dieser Neorassismus auch eine Schnittmenge zur faschistischen Rechten Europas darstellt, werden diese Gruppierungen dann auch integrierbar bzw. Partner der etablierten rechtspopulistischen und nationalistischen Organisationen. Diese „Neuauflage“ von Nationalismus und Rassismus schafft somit eine europäische Klammer um diese neuen Rechten.
Allerdings werden die Brüche und Widersprüche der ideologischen Konstruktion in der Praxis schnell deutlich. So zählt die rechtspopulistische Regierung Österreichs zu den größten Scharfmacherinnen gegen die Finanzpolitik der rechtspopulistischen italienischen Regierung, mit der man natürlich auch wieder mal in der Südtirolfrage in Konflikt gerät. Ähnliches kann man natürlich zwischen ungarischen und ukrainischen NationalistInnen beobachten, usw. usf. Anders als es die neu-rechte Ideologie behauptet, ist der „Ethnopluralismus“ wie jeder Rassismus und Nationalismus unfähig, tatsächlich in irgendeiner Weise ein friedlich vereintes Europa „der Völker“ auch nur im Ansatz zu verwirklichen.
Unterschiede zwischen Rechtspopulismus und Faschismus
Die Scheidung zwischen Rechtspopulismus und Faschismus erfordert zunächst eine Bestimmung, was eigentlich den „Faschismus“ ausmacht, zumal die Vorstellungen darüber auch in der „Linken“ weit auseinander und am Wesen des Phänomens oft vorbeigehen. Entweder sind sie noch immer durchdrungen von der stalinistischen Analyse Dimitroffs, der zufolge der Faschismus einfach politischer Ausdruck der Finanzkapitals wäre und die die zentrale Bedeutung des klein-bürgerlichen Charakters der faschistischen Massenbewegung verkennt. Oder das Verständnis ist von sozialdemokratischen und links-bürgerlichen Vorstellungen geprägt, die ihn als Zusammenfassung „antidemokratischer Extreme“ verstehen. Alle genannten Ideen treffen sich bei der Konzeption der „Volksfront“ aller DemokratInnen. Was vollständig fehlt, ist das „Binnenverhältnis“ der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten, die sich als Opfer der kapitalistischen Entwicklung sehen und in bestimmten geschichtlichen Momenten für eine faschistische (Schein-)Lösung ihrer Probleme gewonnen werden können. Dieses Moment muss heute in der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 gesehen werden – seitdem kam Bewegung in das bürgerlich-kapitalistische Kartenhaus.
Dies wird bei den Erklärungsansätzen der „linken“ Politikwissenschaft oder beispielsweise der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) gerne außer Acht gelassen bzw. als „ökonomistischer“ Ansatz abgetan. Dabei wird die Ebene der globalen Konkurrenz innerhalb der herrschenden Klasse gleich überhaupt abgetan (und die Imperialismustheorie ausgeblendet). Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Krise auf die Kräfteverhältnisse und das politische Bewusstsein der Klassen und Schichten sind unserer Ansicht nach dagegen wichtige Bestandteile einer Analyse, die aber stets auch die Reaktion der bürgerlichen Klasse zum Angelpunkt nehmen muss, wenn der Aufstieg rechter Bewegungen erklärt werden soll. Ebenfalls als „ökonomistisch“ verkürzt gilt für die „modernen Linken“, wenn man eine bestimmte Funktion des Faschismus für das Großkapital aufzeigt. Bei der RLS beispielsweise werden die Erklärungsansätze der „alten“ kommunistischen Bewegung als nicht zeitgemäß dargestellt: schließlich bräuchte das Großkapital derzeit keine faschistische Massenkraft zur Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung, da diese derzeit keine Bedrohung darstelle.
Dabei handelt es sich um eine weitere ökonomistische Lesart des Problems, das die Autonomie politischer Phänomene unberücksichtigt lasst. Die WählerInnen können sehr wohl eine Partei unterstützen, auch wenn diese nicht den Rückhalt der Großbourgeoisie genießt.
Zudem wird hiermit außer Acht gelassen, dass sich das Großkapital ohne besondere Gewissensbisse mit allen möglichen politischen Regimes arrangieren kann.
Dies ist eine methodisch verkürzte Darstellung der Rolle, die der Faschismus im Verhältnis zum Großkapital einnimmt bzw. einnehmen kann. In der Faschismusanalyse Trotzkis wird der Faschismus als letzte Option für das Großkapital beschrieben, nicht als dessen erste und „beliebteste“. Es ist daher auch nicht die Hauptfrage, ob aktuell der Faschismus gebraucht wird, um eine aufstrebende ArbeiterInnenbewegung zu zerschlagen, sondern ob sich die politisch-ökonomische Krise aktuell soweit zuspitzt, dass wiederum der Faschismus für es zur letzten Option werden kann. Schließlich war für das Großkapital in den 1930er Jahren selbst die sicher gar nicht „bedrohliche“ Sozialdemokratie ein Hindernis für ihre Krisenpolitik.
Wir dürfen das Verhältnis dieser AkteurInnen untereinander nicht allein als ein instrumentelles bewerten, sondern müssen vielmehr die Dialektik zwischen Krise, bürgerlichen Parteien und kleinbürgerlichen Schichten als Ausgangspunkt des „Rechtsrucks“ nehmen. Das gesamte Kartenhaus der bürgerlichen Versprechungen ist durch die Wirtschafts- und Finanzkrise ins Wanken geraten und somit auch deren vereinender ideologischer Kitt. In vielen kleinbürgerlichen und sog. Mittelschichten sind soziale Abstiegsängste eingezogen, wie auch ganze Berufsgruppen einen sozialen Abstieg erlebt haben – dies ist der Wendepunkt der bürgerlichen Politik, die objektiv, ganz unabhängig vom ideologischen Schein, das Klassenkräfteverhältnis radikal zu ihren Gunsten verändern muss. Die Krise hat somit nicht allein die kapitalistische Stabilität erschüttert, sondern sowohl das Verhältnis zwischen Kleinbürgertum und Bourgeoisie ins Wanken gebracht wie auch nationale Bourgeoisien international neu in Konkurrenz gesetzt.
Zum Faschismus, speziell zum Faschismus an der Regierung, zitieren wir hier Trotzki, zum Verhältnis der Klassen:
„Der deutsche wie der italienische Faschismus stiegen zur Macht über den Rücken des Kleinbürgertums, das sie zu einem Rammbock gegen die Arbeiterklasse und die Einrichtungen der Demokratie zusammenpreßten. Aber der Faschismus, einmal an der Macht, ist alles andere als eine Regierung des Kleinbürgertums. Mussolini hat recht, die Mittelklassen sind nicht fähig zu selbständiger Politik. In Perioden großer Krisen sind sie berufen, die Politik einer der beiden Hauptklassen bis zur Absurdität zu treiben. Dem Faschismus gelang es, sie in den Dienst des Kapitals zu stellen. Solche Lösungen wie die Verstaatlichung der Trusts und die Abschaffung des »arbeits- und mühelosen Einkommens« waren nach Übernahme der Macht mit einem Mal über Bord geworfen. Der Partikularismus der deutschen Länder, der sich auf die Eigenarten des Kleinbürgertums stützte, hat dem polizeilichen Zentralismus Platz gemacht, den der moderne Kapitalismus braucht. Jeder Erfolg der nationalsozialistischen Innen- und Außenpolitik wird unvermeidlich Erdrückung des kleinen Kapitals durch das große bedeuten.
Das Programm der kleinbürgerlichen Illusionen wird dabei nicht abgeschafft, es wird einfach von der Wirklichkeit abgetrennt und in Ritualhandlungen aufgelöst. Die Vereinigung aller Klassen läuft hinaus auf die Halbsymbolik der Arbeitsdienstpflicht und die Beschlagnahme des Arbeiterfeiertags »zugunsten des Volkes«. Die Beibehaltung der gotischen Schrift im Gegensatz zur lateinischen ist eine symbolische Vergeltung für das Joch des Weltmarkts. Die Abhängigkeit von den internationalen – darunter auch jüdischen – Bankiers ist nicht um ein Jota gemildert, dafür ist es verboten, Tiere nach dem Talmudritual zu schlachten. Ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert, so sind die Straßen des Dritten Reiches mit Symbolen ausgelegt.“ [6]
Der Faschismus an der Macht ist also alles andere als „das wildgewordene Kleinbürgertum“ an der Macht. Sobald die radikalisierten kleinbürgerlichen faschistischen Massen ihren Dienst bei der Zerschlagung von Demokratie und ArbeiterInnenbewegung getan haben, ist der faschistische Führerstaat eine Form des Bonapartismus als Herrschaftsabsicherung im Interesse des Großkapitals. Die kleinbürgerlichen Lakaien werden abgefunden, oder, wenn sie sich nicht fügen, liquidiert (wie das Beispiel der Röhm-SA zeigt).
Während die faschistischen AkteurInnen die bürgerliche Demokratie abschaffen wollen, um auf deren Trümmern den Führerstaat zu errichten, sind die meisten rechtspopulistischen Parteien eher auf eine „Reform“ der bürgerlichen Demokratie ausgerichtet:
„Als Grenze zum Rechtsextremismus erscheint der Glaube an die Notwendigkeit, ,das System’ abschaffen oder wenigstens radikal ändern zu müssen. RechtsextremistInnen nehmen es meist nicht so genau mit den Verfassungsregeln, die von den meisten populistischen Bewegungen, wenn auch grollend, akzeptiert werden. Der geforderte Wandel bei populistischen Bewegungen ist meist begrenzt: Minimalforderungen sind die Volkswahl des Staatsoberhauptes und die Einführung von Referenden, sowie Änderungen des repräsentativen Wahlrechts (…)
Populistische Bewegungen treten in der nordatlantischen Welt selten revolutionär auf, im Gegensatz zur Dritten Welt. Sie üben Druck aus, um ,das Establishmen’ zurück auf den ,Pfad der demokratischen Tugend zu führen’.“ [7]
So müssen wir auch den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in der letzten Zeit verstehen. Sie sind Ausdruck der Krise des Bürgertums und seiner bisherigen hauptsächlichen VertreterInnen wie auch der der bürgerlichen Demokratie selbst. Diese neuen Formationen versuchen, ein neues bürgerlich-kapitalistisches Kräfteverhältnis herzustellen zwischen den bürgerlichen Schichten, aber vor allem auch dem Kleinbürgertum und der ArbeiterInnenklasse. Der Faschismus ist dabei die „Endstufe“ eines radikalisierten, eines „wild gewordenen“ Kleinbürgertums, welches sich als „Rammbock“ gegenüber der ArbeiterInnenbewegung beweist.
Die rechtspopulistischen AkteurInnen hingegen wollen die bürgerliche Demokratie zu ihrem Nutzen umbauen – einschließlich einer massiven Stärkung ihrer repressiven, autoritären und bonapartistischen Elemente. Dabei kann ganz praktische neoliberale Gesetzgebung nach „innen“ herauskommen wie zur Zeit in den USA und Österreich oder auch ein autoritärer Staatsumbau wie in Polen und Ungarn das Ziel sein. Dies muss aber klar vom Faschismus unterschieden werden.
Das Hauptziel des Rechtspopulismus, so sehr es sich auch nicht verallgemeinern lässt, liegt darin, die Hand an den existierenden Staat zu bekommen, dort als „national-bürgerliche“ Fraktion endlich die Politik „vor sich herzutreiben“ und gewissermaßen selbst den vordersten Platz an den Trögen der „Marionettendemokratie“ einzunehmen. Dabei treten sie auch für mehr plebiszitäre Elemente ein, die sie zur Mobilisierung ihrer AnhängerInnen brauchen und quasi auch zum „Beweis“, dass ihre Politik mehrheitsfähig und auch regierungstauglich ist. Gegenüber den etablierten konservativen Parteien sehen die RechtspopulistInnen hier ihre Chance zum Durchbruch ins Politikgeschäft.
Neoliberalismus, Rassismus und Nationalismus
Ein größeres Segment der heutigen rechtspopulistischen Parteien hat seinen Ursprung in neoliberalen Parteien bzw. daraus hervorgegangenen Neugründungen. Dazu zählen z. B. die Dänische Volkspartei, die norwegische Fortschrittspartei, die niederländische Freiheitspartei aber auch die AfD. Dies kann sich in der Entwicklung der Parteien auch ändern oder zumindest in Frage gestellt werden. Die Parteigründer Lucke und Henkel wollten ursprünglich mit „ihrer“ AfD vor allem eine neue „Agenda 2010“ entwickeln, wollten EU und Euro auf die Verwertbarkeit für den deutschen Kapitalismus hin überprüfen – kurz, ihr Ursprung war eindeutig im neoliberalen Spektrum verortet.
Dieser Gründungszweck tritt heute in der öffentlichen Darstellung in den Hintergrund. Insgesamt entwickelten sich Rassismus und Nationalismus zu den alles bestimmenden „Kernthemen“ der Partei, der „Neoliberalismus“ tritt nur noch selten an die Oberfläche. Dann zeigt er sich wie z. B. bei Auseinandersetzungen zu Miet- oder Arbeitsrecht in überaus aggressiver Form der Verteidigung des Privateigentums gegen die „Eingriffe“ des Staats. Selbstredend bildet er auch weiter einen wichtigen Bestandteil der Programmatik.
Beim französischen FN und der italienischen Lega finden wir eine schärfere Rhetorik gegen die „Globalisierung“ oder auch den „Globalismus“, wie es bei Präsident Trump heißt. Der Neoliberalismus selbst wird jedoch keineswegs explizit kritisiert. Im Gegenteil: Die Forderungen nach weiteren Privatisierungen öffentlicher Unternehmen und Dienste sowie nach Steuererleichterungen für „die BürgerInnen“, also vor allem die Reichen, finden sich bei den meisten populistischen Parteien. Der bestehende Staat – insbesondere auch der sog. Sozialstaat – wird als Selbstbedienungsladen der Elite, der Regierenden, der NichtstuerInnen und – im rassistischen Diskurs – auch der Geflüchteten dargestellt. Die UnternehmerInnen hätten unter ihm, als wirtschaftlich angeblich aktivster Teil des Volkes, besonders zu leiden.
Der sog. „Neoliberalismus“ hatte zwei wesentliche Aufgaben: Steuererleichterungen und Förderung der Wirtschaft beziehungsweise der sogenannten „LeistungsträgerInnen“, selbstverständlich auf Kosten der Sozialleistungen und des Sozialsystems. Zweiter wichtiger Punkt ist der Angriff auf die öffentlichen Güter insgesamt, die angestrebte Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Leistungen.
Diese bürgerliche Wirtschaftspolitik war Triebfeder der Globalisierungsperiode. Die imperialistischen Märkte erzwangen Privatisierung und Marktöffnung im Inneren wie in anderen Ländern und schufen dadurch neue Anlagesphären für das private Kapital. Dadurch konnten die Auswirkungen der strukturellen Überakkumulation zeitweilig abgemildert werden, da die spekulativen Anlagen sowohl eine Ausweitung des fiktiven Kapitals ermöglichten wie auch in einigen Bereichen reale Produktion ankurbelten.
Diese Form der bürgerlichen Politik, die in Deutschland durch die FDP am entschiedensten vertreten wird, steht ebenfalls für einen gezielten Angriff auf die Errungenschaften und sozialen Rechte der ArbeiterInnenklasse.
Die Angriffe auf die Sozialsysteme wurden in allen europäischen Staaten mit einer massiven Hetze gegen Arbeitslose und SozialleistungsempfängerInnen durchgezogen, was auch die Spaltung innerhalb der ArbeiterInnenklasse vertieft hat. Neue Niedriglohnbereiche sind in vielen Staaten die Folge, befristete und entrechtete Beschäftigungsform ist als „Prekariat“ heute ein Massenphänomen. Allerdings konnte der Neoliberalismus, wie alle anderen bürgerlichen Heilslehren auch, seine Versprechen nicht einlösen, sondern musste letztlich zu einer Verschärfung der Krisenhaftigkeit des Gesamtsystems führen. Erst recht wurde durch Privatisierung und Prekarisierung kein/e Beschäftigte/r „reicher“, geschweige denn gab es mehr zu verteilen.
Endvorstellung aller neoliberalen Ziele ist das, was US-amerikanische „Libertäre“ wie der ehemalige Präsidentschaftskandidat Ron Paul vertreten: Eine komplette Ausschlachtung und Aushöhlung aller staatlichen Leistungen, die in die Hand des privaten Kapitals übergehen sollen. Schule, Bildung, Gesundheit und Krankenhäuser, Verwaltung, sämtliche Infrastruktur wird als öffentlicher Besitz in Frage gestellt, nur zwei Institutionen bleiben erhalten: die Polizei und die Armee. Diese klassisch liberale Vorstellung des „Nachtwächterstaats“ ist in Zeiten der aktuellen imperialistischen Krise ein Modell zur „Krisenlösung“ der nationalen Kapitalinteressen – umgekehrt bringt diese aber auch Alternativen hervor, die von Aspekten des neoliberalen Modells abrücken, den Staat zu einem Instrument der Organisierung der nationalen Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit machen wollen. Der Protektionismus wie auch die staatliche Begünstigung des nationalen Kapitals oder korporatistische Formen der Regulierung widersprechen zwar der neoliberalen Doktrin – können aber sehr wohl im Interesse des nationalen Gesamtkapitals liegen.
Der Populismus an sich vertritt kein gefestigtes Wirtschaftsprogramm, wie auch seine gesamte übrige Politik extrem „konjunkturabhängig“ ist. So will natürlich auch eine rechtspopulistische Regierung, die gegen die Auswirkungen der Globalisierung wettert, gleichzeitig gute bilaterale Außenhandelsverträge abschließen oder die Vorteile bestimmter Monopole auf dem Weltmarkt gesichert wissen. Die aktuelle US-Regierung ist hierfür ein Paradebeispiel. So können sich Freihandelspolitik und protektionistische Elemente durchaus abwechseln und pragmatisch kombiniert werden. Dies muss nicht immer in einem Widerspruch stehen, ist aber auch Merkmal der rechtspopulistischen Dynamik mit schwankenden und sich verändernden politischen Rahmenbedingungen.
Dass einige Parteien des Rechtspopulismus einen neoliberalen Hintergrund haben, verdeutlicht die vorangegangene Krise der etablierten bürgerlichen Parteien. Wenn sich Teile des Kleinbürgertums nicht mehr vertreten sehen bzw. hinter den Interessen des Großkapitals zurückstehen müssen, sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften fast nur noch Interessen der ArbeiterInnenaristokratie verteidigen (wenn überhaupt), dann öffnet der Neoliberalismus gewissermaßen einen Korridor nach „rechts“. Umverteilung zum Wohle der bislang Besitzenden. Spezielle Förderung der „Selbstständigen“, Steuererleichterungen auf Kosten der Sozialsysteme und der EmpfängerInnen staatlicher Transferleistungen – allein schon dies sind Elemente einer bürgerlichen Offensive gegen die ArbeiterInnenklasse. Daher ist es auch „einfach“ für RechtspopulistInnen, NationalistInnen bis hin zu FaschistInnen, auf solche Bewegungen und Parteien aufzuspringen, um die Absetzbewegung von den etablierten bürgerlichen Parteien in ihre Richtung zu lenken. Dies kann auch ein „Seismograph“ für die Lage des Kleinbürgertums sein: Je mehr dessen Vorstellungen vertreten werden, desto mehr ist diese Schicht insgesamt nach rechts gekippt – das haben die rechtspopulistischen Parteien in unterschiedlicher Weise gezeigt.
Rassismus und Nationalismus als Sozialprogramm?
Der Rechtspopulismus greift das Konzept des sozialen Angriffs auf, hier zuallererst auf die sozialen Rechte von MigrantInnen, Asylsuchenden, Geflüchteten. Er lanciert ihn zunächst also in rassistischer Manier.
Ähnliche Pläne sind zwar meist auch für die „heimische“ Bevölkerung vorhanden, diese werden vorerst aber verschwiegen oder gar bestritten. Praktisch führt das derzeit die österreichische Regierung vor. In „konzentrierten Räumen“ werden den Asylsuchenden sämtliche Geldmittel abgenommen, sie haben nur noch Zugang zu Lebensmitteln und „Sachleistungen“. Gleichzeitig wird medial gerechtfertigt, dass diese Maßnahmen zum „Schutz“ der leistungswilligen, hart arbeitenden Einheimischen notwendig wären, dass mit den „Vorteilen“ für Geflüchtete Schluss gemacht werden müsse – und dies auch im Interesse der Armen und Arbeitenden liegen würde.
Gerade jenen, die durch die Angriffe der letzten Jahrzehnte aus unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen gedrängt wurden, die arbeitslos, zu BilligjobberInnen wurden oder verarmt sind, soll rassistisch vermittelt werden, dass ihre Not gelindert würde, wenn weniger für „AusländerInnen“, Geflüchtete und MigrantInnen aufgewendet werden müsste – und damit „mehr“ für die Einheimischen übrig bliebe. Gemäß dieser reaktionären Logik, die die Lohnabhängigen entlang ihre nationalen und ethnischen Herkunft spaltet, werde die Lohnarbeit nicht vom Kapital ausgebeutet, sondern von den „Fremden“ beraubt. Der Rassismus präsentiert sich perfide als Anwalt der „kleinen Leute“, der „deutschen“ ArbeiterInnen.
Diese Demagogie, die im Interesse der großen wie kleinen UnternehmerInnen liegt, bringt die LohnarbeiterInnen gegeneinander in Stellung. Sie könnte freilich nicht verfangen ohne das vorhergehende Versagen der Parteien und Organisationen der ArbeiterInnenbewegung. Gerade die Sozialdemokratie hat selbst mitgeholfen, europaweit Austeritätsprogramme durchzusetzen und unter Blair, Schröder und Co. auch im „eigenen“ Land die Ausbeutung der unteren Schichten, ja der Masse des Proletariats vorangetrieben. Kein Wunder also, dass sie keine glaubwürdige Alternative bieten kann, zumal wenn sie an Regierungen selbst die Angriffe auf die Lohnabhängigen mitträgt. Hinzu kommt, dass diese Politik der Sozialdemokratie, oft genug auch der Linksparteien, sowie die Klassenkollaboration der Gewerkschaften selbst mit der Ideologie begründet wurden, dass der Abbau sozialer Rechte, Flexibilisierung, Intensivierung der Arbeit und Erhöhung der Produktivität nötig wären, um den nationalen Standort zu retten und „unsere Wirtschaft“ wettbewerbsfähig zu halten. D. h. auch die Politik des Reformismus und der Gewerkschaften beinhaltet schon eine Beschwörung angeblich gemeinschaftlicher Interessen des „Volkes“, von Kapital und Arbeit – und hat damit dem Rechtspopulismus ideologisch vorgearbeitet.
Dieser radikalisiert gewissermaßen die „Wettbewerbspartnerschaft“. Wenn es recht ist, den konkurrierenden Betrieb im Ausland (samt dessen Beschäftigten) niederzuringen und dafür Opfer zu bringen, liegt es durchaus nahe, MigrantInnen und Geflüchtete als zusätzliche Konkurrenz um den „eigenen“ Arbeitsplatz im „eigenen“ Land zu betrachten.
Diese Logik der Konkurrenz wurde und wird von der bürokratisierten ArbeiterInnenbewegung nicht in Frage gestellt. Jetzt droht sie ihr um die eigenen Ohren zu fliegen. Der Rechtspopulismus greift auf sie zurück und spitzt sie demagogisch zu. Die Anerkennung dieser Konkurrenz als „naturgegeben“ immunisiert seine AnhängerInnen scheinbar auch gegen jedes rationale Argument – insbesondere eines, das selbst noch auf dem Boden des „wirtschaftlichen Gesamtinteresses“ steht.
So rechnen bürgerliche Institutionen seit Jahren vor, dass die migrantischen ArbeiterInnen „unsere“ Sozialkassen nicht plündern, sondern stützen, dass sie ebenso wie ihre inländischen KollegInnen zu immer neuen Spitzen des Exportes beitragen und die Steuereinnahmen und damit der „Umverteilungsspielraum“ ohne MigrantInnen sinken und nicht steigen würde. Diese Hinweise auf Fakten können die irrationalen Vorstellungen, die mit der Verknüpfung von Rassismus und Konkurrenz einhergehen, zwar erschüttern – gebrochen werden können sie allerdings nur, wenn das In-Konkurrenz-Setzen von einheimischen und ausländischen ArbeiterInnen insgesamt in Frage gestellt, wenn mit der Politik der „Standortsicherung“ und Klassenkollaboration gebrochen wird.
Imperialismus und Halbkolonien
Neben der oben angeführten rassistischen Argumentation wird vielerorts eine nationalistische Wirtschaftspolitik als Mittel gegen die Globalisierung angepriesen, hier und da auch mit protektionistischen Forderungen der Eindruck erweckt, dass die nationale Wirtschaft auf Basis dieser Abschottung zu neuen Höhenflügen ansetzen würde.
Zweifellos gibt es in der EU wie auf allen Kontinenten halbkoloniale oder schwächere imperialistische Staaten, die in der Konkurrenz mit den großen Monopolen der führenden kapitalistischen Staaten immer weniger bestehen können. Daher werden protektionistische Forderungen auch von kleineren oder größeren Teilen des nationalen Kapitals erhoben.
Aber es darf dabei nicht übersehen werden, dass die internationale Arbeitsteilung gerade populistischen Parteien und Regierungen der halbkolonialen Länder, allen voran Osteuropas, einen sehr engen Rahmen für ihre Wirtschaftspolitik aufzwingt. Für sie geht es im Grunde nicht darum, dass das nationale Kapital als eigenständiger Faktor auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig wird. Dazu sind Länder wie Ungarn, die Slowakei, Polen, die Tschechische Republik oder die baltischen Staaten längst viel zu eng als Produktions- und Zulieferketten der Großkonzerne aus der EU, vorzugsweise aus Deutschland, und in die Dynamik der Akkumulation des imperialistischen Finanzkapitals eingebunden. So sehr diese Regierungen auf ihre „Unabhängigkeit“ drängen, so bildet die Sicherung möglichst günstiger und profitabler Investitionsbedingungen vor allem für deutsche Konzerne eine Konstante ihrer Wirtschaftspolitik. Die Steuersätze werden bis zur „Flat-Rate-Tax“ zum Wohle ausländischer InvestorInnen auf das größtmögliche Minimum heruntergefahren. Austeritätspolitik und die Erfüllung der Haushaltskriterien der EU stehen – aller nationalistischen Rhetorik zum Trotz – nicht in Frage. Im Gegenteil, auch die populistischen Regime Osteuropas erwiesen sich als treue UnterstützerInnen der Diktate gegenüber Griechenland.
Während der verarmte und entrechtete Flüchtling an der EU-Außengrenze oder am Grenzzaun Ungarn auf möglichst abschreckende und barbarische Weise krepieren soll, wird der westeuropäischen Autoindustrie, dem Agrobusiness oder dem Großhandel jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Schließlich sollen sich diese in Osteuropa „heimisch“ fühlen und nicht in andere halbkoloniale Standorte abwandern. Die Hetze gegen die Soros-Stiftung, deren „Kosmopolitismus“ und „bösartige Finanzpolitik“ bildet die demagogische, antisemitische Begleitmusik zur Unterwerfung des reaktionären Rechtspopulismus unter die wirklich dominierenden Fraktionen des globalen Finanzkapitals.
Anders verhält es sich im Fall eines etablierten imperialistischen Landes wie Italien. Die italienische Regierung hat – mit aller aufbringbaren populistischen Demagogie – auch die Interessen „ihres“ Finanzkapitals, ihres nationalen Gesamtinteresses durchzusetzen versucht. Zweifellos wettert Salvini im Namen der italienischen Regierung gegen die Vorgaben der EU-Kommission in erz-chauvinistischer Manier. Doch nicht minder verlogen sind die Behauptungen der EU-Kommission, der deutschen und französischen Finanzminister, dass es ihnen mit dem Einfordern von Sparmaßnahmen nur um das höhere Wohl der EU oder gar um die langfristige Genesung Italiens ginge. Ihr Ziel besteht vielmehr darin, dem italienischen Finanzkapital die eigenen Bedingungen im Namen Europas zu diktieren und ein imperialistisches Land in der EU-Hierarchie auf „seinen“, von Deutschland und Frankreich bestimmten Platz zu verweisen.
Die AnhängerInnen des freien Marktes und der kapitalistischen Vereinigung Europas präsentieren ihr Projekt als einen Segen für die Menschheit. Sie unterschlagen freilich, dass die kapitalistische Einigung nur auf Basis einer Vorherrschaft des stärksten nationalen Kapitals – des deutschen – und allenfalls in Rahmen einer engeren Kooperation mit Frankreich möglich ist. Andere, schwächere imperialistische Länder müssten sich diesen als JuniorpartnerInnen unterordnen. Für Italien (wie auch zuvor für Britannien) war das aber besonders schwierig, weil dieser Imperialismus selbst beansprucht, mit Deutschland und Frankreich auf gleicher Augenhöhe zu agieren – mag er diesen auch längst nicht einlösen können. Für Deutschland und Frankreich wiederum geht es nicht bloß um irgendwelche „Prinzipien“, sondern auch darum, dem italienischen Imperialismus seinen Platz zuzuweisen. In der Demokratischen Partei, dieser Allianz aus einem Teil der alten Christdemokratie und der ehemaligen KP, schien er ein Werkzeug für die schrittweise Herabstufung Italiens gefunden zu haben. Die Koalition der PopulistInnen in Italien spiegelt auch wider, dass sich ein Teil des Großkapitals des Landes damit nicht abfinden mag, dass sich die „Elite“ des Landes gezwungen sieht, zu anderen, populistischen und demagogischen Mitteln zu greifen.
Hierin liegt – allen rhetorischen Gemeinsamkeiten zum Trotz – ein längerfristiger Unterschied zwischen der populistischen Regierung in Rom einerseits und jenen in Wien oder Budapest andererseits. Mögen diese auch mit dem „Merkel-Regime“ hadern, so sind ihre Länder längst, wenn auch auf unterschiedliche Weise, an Gedeih und Verderb der deutschen Ökonomie gebunden.
Zweitens bringt das Wachstum des Populismus auch zum Ausdruck, dass die Bourgeoisien der großen Länder des Kontinents aufgrund ihrer historisch gewachsenen Gegensätze unfähig sind, den Kontinent wirtschaftlich und sozial zu vereinen. Die Krise der EU ist in letzter Instanz selbst Ausdruck eines grundlegenden Widerspruchs der imperialistischen Epoche. Einerseits bildet der Nationalstaat die Basis der Akkumulation, andererseits sind dem Kapital und den von ihm entwickelten Produktivkräften längst die nationalstaatlichen Grenzen zu eng geworden. Der Nationalstaat ist zu einer Schranke, zu einem Hindernis der Entwicklung geraten. Die „nationale“ wirtschaftliche Autonomie ist eine reaktionäre Utopie.
Zugleich vermag die imperialistische Bourgeoisie selbst in ihrem Kampf um die Neuaufteilung der Welt und im Interesse der Sicherung ihre jeweiligen Einflusssphären selbst auf den Nationalstaat nicht zu verzichten.
Heute ist die Weltwirtschaft zwar eng miteinander verzahnt, das Monopolkapital organisiert internationale Produktionsketten. Von den Rohstoffen bis zur Endverarbeitung haben wir es mit einer internationalen Arbeitsteilung zu tun – jeder Rückzug, jede versuchte Abschottung führt nicht zu mehr ökonomischer Leistung, sondern zu weniger.
Die nationalen Bourgeoisien sind freilich keine selbstlosen Vereinigungen. Die Expansion des Weltmarktes, von Handel und Kapitalverkehr stellt für keine nationale, zumal für keine imperialistische Bourgeoisie einen Wert an sich dar. Es geht für sie immer darum, in dieser Konkurrenz auch erfolgreich zu sein (oder zu bleiben). Das drohende Zurückbleiben in der Konkurrenz kann daher früher oder später dazu führen, die eigene Rettung in der Abschottung, im Protektionismus zu suchen. Der Kampf um die Vorherrschaft treibt daher auch Freihandelsleute zur Errichtung von Schutzzöllen und zum Nationalismus.
Der Aufstieg des Populismus – ob an der Regierung oder als „alternative Option“ – ist auch ein Ausdruck dieses inneren Widerspruchs der gegenwärtigen weltgeschichtlichen Periode.
Im Rechtspopulismus werden die Widersprüche des Kapitalismus freilich verklärt. „Unlauter“, „unfair“ seien die Kapitale und Regierungen anderer Länder, während das eigene Land, die eigene Wirtschaft, die eigenen Unternehmen, Banken wie Produktion um ihren „gerechten Anteil“ gebracht würden. Solcherart rechtfertigt Trump noch „America First“ als Ruf nach Gerechtigkeit, nach der Vorrangstellung, die den USA einfach zustünde und ihr unfaire WettbewerberInnen aus China, Deutschland oder Russland streitig machen wollten.
Diese Rhetorik, die sich auf die eine oder andere Weise bei allen Großmächten finden lässt, bildet einen notwendigen Bestandteil des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt. Der Rechtspopulismus spitzt sie nur zu – mit schwer kalkulierbaren destabilisierenden Folgen.
Während in der Phase der Globalisierung das eigene imperialistische Interesse von den meisten Großmächten und insbesondere von den USA in der Regel damit gerechtfertigt wurde, dass es im „höheren“ Interesse der „Weltgemeinschaft“ stünde, erleben wir heute eine Wende zum Unilateralismus. Diesem entspricht ein zunehmender Nationalismus. Der Rechtspopulismus greift diesen auf und richtet ihn auch gegen alle inneren Feinde, die einer aggressiveren Außenpolitik und konsequenteren Durchsetzung des eigenen Interesses im Wege stehen. So wie er die Unzufriedenheit des Volkes gegen „volksfeindliche“ Elemente, MigrantInnen, Flüchtlinge usw. zu richten versucht, mobilisiert er die Nation auch gegen den äußeren Feind. Dies geht Hand in Hand mit militärischer Aufrüstung, Drohungen, Interventionen und politischen Abenteuern.
Kernelemente des aktuellen Rechtsrucks und des Rechtspopulismus
Bevor wir die Regierungspolitik und die bonapartischen Tendenzen untersuchen, wollen wir einige ihrer Hauptmerkmale zusammenfassen.
Im Artikel „Rechtspopulismus in der ‚Berliner Republik’ und Europa – Ursachen und Hintergründe“ [8] tragen Bischoff/Müller folgende Ursachen seines Aufstiegs zusammen:
- eine teils tiefsitzende Verachtung gegenüber den bisherigen politischen Klassen oder der wirtschaftlich-politischen Eliten;
- die Ablehnung der Europäischen Union und der bisher verfolgten Austeritätspolitik;
- die Forderung, die nationalen Sozialsysteme gegenüber MigrantInnen, Flüchtlingen sowie „Arbeitsunwilligen“ abzuschotten.
Merkmal Systemopposition
Trotz aller bewiesenen Systemnähe bzw. Hörigkeit gegenüber der kapitalistischen Ordnung versuchen alle rechtspopulistischen Parteien, sich als größte Gegnerinnen der etablierten Politik darzustellen. Oftmals reicht es, dass sie zuvor eben nicht Teil der etablierten Politik waren, um sich nun als die wahren VerteidigerInnen und VersteherInnen des Staatsvolks zu verkaufen.
Dabei nehmen sie alle sozialen und politischen Verwerfungen der Regierung zur Vorlage, wettern gegen den Verrat am Volk. Reale Alternativen haben sie meist wenige bis keine zu bieten, aber in ihrer Feindschaft zur etablierten Politik sind sie kaum zu übertreffen. Es ist aber auch bezeichnend, dass sie hinsichtlich „Feindschaft“ und „Fundamentalkritik“ gegenüber dem bestehenden System die meisten linken und reformistischen Parteien locker übertreffen. Letztere verkaufen sich oftmals selbst als staatstragend und regierungstauglich, während sich der Rechtspopulismus als Vertreter der „Geächteten“ präsentiert. Das hat ihm bei jeder Wahl geholfen, vermag er sich doch aufgrund der biederen, angepassten und kapitaltreuen Politik des Gros der Sozialdemokratie, aber auch zahlreicher Linksparteien als „einzige Alternative“ zum System zu präsentieren.
Dieses Merkmal kann an der Regierung, insbesondere angesichts von krisenhaften Entwicklungen, verloren gehen, insbesondere wenn diese Parteien in Koalition mit etablierten konservativen Parteien den „Sachzwängen“ folgen müssen und somit notwendigerweise auch ihre kleinbürgerlichen, subproletarischen oder proletarischen WählerInnenschichten angreifen müssen.
Dem versuchen sie auch an der Regierung mit populistischer Dauerdemagogie und „Mobilisierung“ gegen die feindlich gesinnte internationale oder nationale „Elite“ zu begegnen. So ist es kein Wunder, dass sich Trump, Salvini, Strache, Orbán, Kaczynski oder auch Erdogan allesamt als „Opfer“ liberaler oder kosmopolitischer Seilschaften aufführen – ob nun des „demokratischen Pöbels“ oder der EU, ob nun der Soros-Stiftung oder der Gülen-Bewegung. Diese Spannung muss aufrechterhalten werden, um vom Klassencharakter des eigenen Regimes, der fortgesetzten oder verschärften Ausbeutung der „Volksmassen“, also vor allem der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen, abzulenken.
Abgesichert wird die fortgesetzte „Opposition“ zu den „alten Eliten“ durch den mehr oder minder gezielten Umbau des Staates, die Neubesetzung von Ämtern oder die Schaffung bonapartistischer oder autoritärer „Sonderbefugnisse“ an der Regierung. Die Ersetzung repräsentativ-demokratischer durch plebiszitäre Elemente und die Aushebelung demokratischer Rechte bilden den realen Gehalt des „Rufs nach mehr Rechten für das Volk“.
Merkmal Rassismus und antiislamischer Rassismus
Der europäische Rechtsruck baut auf Rassismus, speziell den anti-muslimischen. Diese Melange wurde nicht erst seit 2014/15 in die Welt gesetzt, sondern baut in der neueren Vergangenheit besonders auf dem „Krieg gegen den Terrorismus“ auf. Die Religion Islam, inklusive ihrer Gläubigen, wird als Bedrohung für die westliche Kultur dargestellt. „TerroristIn, SalafistIn oder DschihadistIn“ wechseln sich als Feindbilder und rassistisch motivierte Stigmata ab. Damit werden der staatliche „Antiterror-Kampf“ und die mediale Hetze seit gut 20 Jahren befeuert, insbesondere seit der Besetzung Afghanistans. Der Rechtspopulismus brauchte daran nur anzudocken. Viele seiner AnhängerInnen betrachten sich als die westlichen VorkämpferInnen im „Kampf der Kulturen“, die wahren VerteidigerInnen des christlichen Abendlandes.
Den etablierten politischen Kräften wird unterstellt, nicht nur den Kampf gegen Terrorismus und Islamisierung nicht richtig zu führen, sondern gar ihn bewusst zu hintertreiben. An dieser Stelle docken neo-faschistische und „neu rechte“ Ideologie und Propaganda an, die eine „Umvolkung“ und den „Großen Austausch“ als Projekt der kosmopolitisch und multikulturell verseuchten „Elite“ betrachten, gegen die eine „nationale/konservative“ Revolution organisiert werden müsse.
Gleichzeitig greift der Rechtspopulismus je nach bürgerlich-nationaler Prägung auch auf alle anderen rassistischen Diskriminierungen zurück. In Europa trifft dies besonders die Roma und Sinti, die wieder überall dort durch staatliche Diskriminierung, Massenabschiebungen wie in Frankreich und Deutschland oder direkt durch rassistische Gewalttaten wie in Ungarn, Bulgarien und der Slowakei bedroht werden. Diese gelten als Bedrohung des Sozialstaates in den „Einwanderungsländern“, ähnlich den afro-afrikanischen MigrantInnen, die neben der Armutseinwanderung auch speziell „gefährlich“ für die „weiße“ europäische Frau sein sollen. Dies alles paart sich in den unterschiedlichen Staaten mit regionalen und lokalen Ressentiments und einer Wiederbelebung aller rassistischer, in ihrer Konsequenz spalterischen Hetze, die bis zur physischen Vernichtung gehen kann.
Merkmal nationalistische Überhöhung
Dem Rassismus ähnlich, erfindet auch der Nationalismus der rechtspopulistischen AkteurInnen nichts neu. Der Präsident der „Führungsmacht“ USA symbolisiert dies bis heute mit „America first“. Ähnlich dem Merkmal der Systemopposition nehmen die neuen/alten Rechten den Standpunkt der „einzig wahren“ PatriotInnen ein, diejenigen, die eben nicht Nation und Volk an „fremde“ Mächte verraten hätten. Meistens haben auch nur sie erkannt, welche finsteren Mächte sich gegen die Nation verschworen hätten – und natürlich würden nur sie den Ausweg kennen.
Auch wenn der gegen die MigrantInnen und Geflüchteten gerichtete und ausgeübte Rassismus als „übernationales“ Bindeglied dient, das z. B. auch in Form des Ethnopluralismus ideologisiert wird, wenn ein gemeinsames „christliches Europa“ beschworen wird, so vermögen diese Ideologien nur gegenüber einem gemeinsamen Dritten, einem/r „unzivilisierten“, barbarischen FeindIn der „europäischen“ oder sonstiger Völker vereinheitlichend wirken. Eine Überwindung der nationalen Gegensätze kann grundsätzlich jeder, wie auch immer verbrämte Nationalismus nicht mit sich bringen. Allenfalls können diese Ideologien neben einer Vereinheitlichung gegen eine/n gemeinsame/n, rassistisch als minderwertig definierte/n FeindIn auch dazu dienen, die reale Dominanz der vorherrschenden „weißen Völker“ auch gegenüber ihren schwächeren VasallInnen zu legitimieren.
Bei allem „Europa der Völker“-Gedöns unterstellen z. B. die VertreterInnen des deutschen oder französischen Populismus (und auch des Rechtsextremismus und Faschismus) die Führungsrolle „ihres“ Volkes. Bei allem Beschwören des „Europas der Völker“ wollen weder AfD noch FN den kleineren Nationen etwas schenken. Sie würden vielmehr der angeblichen Freizügigkeit des „Euro-Regimes“ und der EZB, der angeblichen Bevorzugung der „faulen“ gegenüber den „tüchtigen“ Nationen ein Ende zu bereiten trachten.
Merkmal gute Führung
Ähnlich dem Faschismus versucht sich der Rechtspopulismus über „richtige“ Führung zu definieren. Diese Führung solle den „echten Volkswillen“ verstehen und die Nation in schwierigen Zeiten zu „alter“ Größe führen. Im Gegensatz zum Faschismus will der Rechtspopulismus zunächst keinen „Führerstaat“. Ihm reicht es, wenn die bisherige Staatsform getreu den Erwägungen der neuen Führenden umgebaut wird. Autoritäre und bonapartistische Elemente sollen gestärkt werden.
Dazu gehört der Ausbau der exekutiven Gewalt, der präsidialen Vollmachten, damit die Staatsführung sich nicht mit den lästigen parlamentarischen Hürden beschäftigen muss. Oft wird dann folgendes Bild gezeichnet: wenn die neue, rechte Führung doch tun könne, was sie wolle, dann würde alles schneller und besser für das Volk werden. Nur stehen dem das „abgehobene“ parlamentarische System, zu komplizierte rechtliche Regelungen oder die „Volksferne“ des Apparates entgegen. Daher werden im Extremfall Verfassungen wie beispielsweise in der Türkei geändert oder wird per Dekret und Ausnahmezustand regiert. Die erhaltenen Elemente der „Demokratie“ dienen zugleich der Organisierung plebiszitärer Zustimmung zur Staatsführung – beispielsweise über „Volksabstimmungen“, die der autoritären Herrschaft pseudo-demokratische Legitimation verleihen sollen und/oder parlamentarische Institutionen an den Rande drängen.
Da der Populismus immer eine klassenübergreifende AnhängerInnenschaft bei der Stange halten muss und zugleich die Interessen des Kapitals (resp. in Halbkolonien auch des Imperialismus) bedienen muss, tendiert er notwendigerweise zu autoritären, plebiszitären und bonapartistischen Formen der Herrschaft. In der „guten Führung“ sollen die gegensätzlichen Interessen der verschiedenen Klassen, die das Volk bilden, symbolisch „versöhnt“, während in der Realität jene des Kapitals bedient werden.
Bonapartismus, Autoritarismus und die Zukunft der kapitalistischen Demokratie
Der Rechtspopulismus beansprucht ideologisch, die „echte Demokratie“ als wahrer Sachwalter der Volksinteressen zu verwirklichen.
Die Staatselite der „etablierten“ Parteien wird als das eigentliche Problem der Gesellschaft angesehen, die Klassengesellschaft wird hierbei in den Hintergrund gerückt. Die Lösung aller Probleme wird in einer Übernahme der Exekutivgewalt durch die populistischen AkteurInnen gesehen. Dann ist die Möglichkeit da, „für“ das Volk zu regieren.
Spätestens dann tritt aber ein wesentliches, widersprüchliches Element der populistischen Bewegungen und Parteien offen hervor. Als einigender Startpunkt galt der Kampf gegen die bisherigen Eliten in Staat und Verwaltung, die vom Rechtspopulismus als „volksschädigend“ angesehen werden. Die Kritik an der Kaste der Berufspolitik wird rein subjektiv und moralisch vorgetragen. Hier befindet sich der Populismus in „seinem“ Element. Die persönliche Entgleisung gegenüber der Staatselite gilt als populistische Feuertaufe, nur um sich selbst als moralisch höherstehend darzustellen.
Sobald die „richtige“ Führung die Exekutivgewalt übernimmt, fallen anscheinend alle Mängel des bestehenden Staatswesens weg. Der Populismus versucht, die bürgerlich-kapitalistische Staatsmaschinerie für seine Zwecke in Besitz zu nehmen. Das mag Säuberungen, Umbau der Institutionen, mehr oder minder offen vorgetragen Begünstigung der eigenen AnhängerInnen einschließen.
In jedem Fall tendiert der Rechtspopulismus dazu, den Staat noch mehr gegenüber der Bevölkerung zu verselbstständigen, besonders dessen Exekutivorgane. Hier kann auch der Übergang zu bonapartistischen Entwicklungen fließend sein. Den Zusammenhang zwischen ökonomischer, parlamentarischer Krise, Aufstieg des Rechtspopulismus bis hin zu bonapartistischen Regierungsmodellen herzustellen, heißt: Der Populismus (sowohl linker wie rechter) will den Staat weder abschaffen noch zerschlagen, sondern diesen nur inhaltlich und personell erneuern.
Da der Rechtspopulismus nicht den Kapitalismus als Ursache der staatlichen, exekutiven Politik und die „Entfremdung“ des politischen Personals von der Bevölkerung benennt, sondern verschleiert, legt er zugleich eine „ungehinderte“ Regierungs- und Entscheidungsfähigkeit des Staates als Lösung aller Probleme des Volkes nah. Die Aussöhnung des „Volkes“ mit dem Staat und seinen Exekutivorganen wird zwar als wesentliches Ziel proklamiert, in der Realität muss er sich aber von der Masse des Volkes, vor allem von der ArbeiterInnenklasse und den unteren Schichten des KleinbürgerInnentums entfernen.
Dieser Widerspruch wird vom Rechtspopulismus in seinen verschiedenen Facetten über plebiszitäre Formen und scheinbar über den gesellschaftlichen Interessen stehende „starke“ Führungsfiguren kaschiert, die subjektiv und moralisch aufgewertet werden und als dem „Gemeinwohl“ verpflichtet erscheinen.
Das Hervortreten populistischer, autoritärer und tendenziell anti-demokratischer Kräfte im Spektrum der bürgerlichen Politik ist in Zeiten der kapitalistischen Krise keine zufällige, sondern eine gesetzmäßige Erscheinung. Eine stabile bürgerlich-parlamentarische Herrschaftsform setzt immer auch eine relative Stabilität des ökonomischen Fundaments des Kapitalismus voraus. Daher wurde sie während des „langen Booms“ zur vorherrschenden Form. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatten bürgerliche Wirtschafts- und GeisteswissenschaftlerInnen wie Fukuyama „Das Ende der Geschichte“ proklamiert und meinten damit einen langfristigen Siegeszug von freier Marktwirtschaft und liberaler Demokratie. Die Weltwirtschaftskrise 2007/2008 verdeutlichte für Millionen und Abermillionen, dass der globale Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte bedeutet, sondern wir am Beginn einer Periode von Krisen, Zusammenbrüchen und Katastrophen stehen.
Mit der Krise wurden nicht nur die Heilsversprechen des Neoliberalismus, sondern auch der sog. „westlichen“ Demokratie erschüttert, unglaubwürdig. Sie entpuppten sich für Millionen nicht nur in den vom Imperialismus unterdrückten Staaten als leeres Versprechen, als Herrschaftsform einer „Elite“, nämlich der des Kapitals. In den Halbkolonien war die bürgerliche Demokratie notwendigerweise immer schon fragiler. Dort musste immer wieder auf autoritäre, diktatorische Formen der Herrschaft zurückgegriffen werden, um die Interessen der nationalen Elite und des Imperialismus zu verteidigen. Spätestens seit der globalen Krise liefert „die Demokratie“ auch für die Massen in Europa oder den USA immer weniger.
Dies führt einerseits zum kleinbürgerlich-utopischen Ruf nach „echter“, also echter bürgerlicher Demokratie bei gleichzeitiger Beibehaltung des Kapitalismus. Andere wiederum macht es auch für einen „stärkeren“, lenkenden Staat empfänglich. Wenigstens einige zentralisierenden, autoritäre Elemente des chinesischen oder russischen Staates erscheinen im Populismus durchaus als vorbildlich – insbesondere seine gleichzeitige nationalistische Ausrichtung und scheinbare Begünstigung des „eigenen Volkes“.
Solcherart versucht der Populismus, einen autoritären Staatsumbau als notwendig für die nationale „Gesundung“ hinzustellen. Dabei müssen notwendigerweise erkämpfte demokratische Rechte auf der Strecke bleiben – was sowohl eine bonapartistische oder autoritäre Herrschaft offen bürgerlicher oder populistischer Parteien oder, im Falle ihres Scheiterns, auch den Faschismus vorbereiten kann.
Verschärfung der Repression
Rechte nationalistische Regierungen stärken die autoritären Züge des Staates. Das ist nicht neu und Bestandteil vieler etablierter konservativer Regierungen. In Ungarn und Polen sehen wir gewissermaßen eine Nachahmung des „russischen Demokratiemodells“. Der konkurrierende bürgerliche „Block“ wird marginalisiert, aus der Bürokratie, den Staatsunternehmen, den Medien und der Justiz entfernt, wie auch jegliche Kritik an der Regierung nicht mehr unter Meinungsfreiheit fällt, sondern eher unter die Kategorie „Landesverrat“. Diese vom Westen immer gern an Russland kritisierten Züge finden wir zum Teil auch bei der Trump-Administration, die auf Bundes -und Landesebene für ausschließlich politisch gefällige RichterInnen sorgt.
Überwachung, Polizeiaufgabengesetze, der Aufbau neuer innerer Dienste sind Folge einer neuen bürgerlichen „Staatsbildung“ von rechts – schließlich sollen alle potenziellen GegnerInnen schon eingeschüchtert, drangsaliert und am besten gleich kriminalisiert werden. Dies sollte die Linke nicht überraschen. Krisenperioden erfordern geradezu eine (präventive) Einschränkung der „Demokratie“ für die ArbeiterInnenklasse und Unterdrückten.
Dies wird derzeit bei den Geflüchteten, den MigrantInnen auf die Spitze getrieben. Ihre ohnedies eng beschränkten Rechte werden weiter abgebaut. Das Recht auf Asyl ist in den meisten Ländern der Welt längst zur Farce geworden. MigrantInnen und Flüchtlinge werden an den Außengrenzen der EU und USA regelrecht militärisch und polizeilich bekämpft und als „Asyltourismus“ und „Kriminelle“ rassistisch diffamiert.
Das kann auch zur Übernahme von repressiven Aufgaben des Staates durch Rechtsextreme führen, wie die Wahren Finnen an der Regierungsverantwortung zeigten: „Beträchtlich Aufmerksamkeit erhielten Anfang 2016 als ‚Bürgerwehr’ auftretende neonazistische Gruppen wie die ‚Soldiers of Odin’. Der ebenfalls Perussuomalaiset (Wahre Finnen) angehörende Justizminister Jari Lindström hieß die Straßenpatrouillen zum Schutz ‚weißer Frauen vor Zugewanderten’ legal; man müsse die Ängste der Bevölkerung jetzt ernstnehmen.“ [9]
Diese Einbindung faschistischer Milizen in den bürgerlichen Staat macht diesen bzw. dessen Regierung zwar noch nicht zu einem faschistischen, sie stellt aber einen möglichen, extremen Weg der Integration dieser Kräfte in den „neuen“, autoritären Staat dar.
Eine andere Möglichkeit des „Staatsumbaus“ verkörpert die Regierung per Dekret oder Ausnahmegesetzen, wie sie von Erdogan, von Trump, aber auch von Macron eingesetzt wurden und werden. Dadurch lässt sich die Legislative ganz bewusst umgehen. In der Türkei und Frankreich gab es zum einen „lange“ Phasen des Ausnahmezustandes (in der Türkei bis Mitte 2018, Frankreich bis Ende 2017), in denen Gesetze nur vom Präsidenten verabschiedet werden mussten. Die Maßnahmen wurden als Mittel zur Abwehr des „Terrorismus“ und zum „Schutz der öffentlichen Ordnung“ gerechtfertigt.
Diese kleine Auswahl zeigt, dass in der Krise die kapitalistische Demokratie einem Wandlungsprozess unterzogen ist, die demokratischen Rechte nicht nur vom Populismus, sondern auch von anderen Fraktionen der Bourgeoisie in Frage gestellt und eingeschränkt werden.
Neuausrichtung des Staates und der Bonapartismus
Mit dem lesenswerten Buch „Die neuen Bonapartisten: Mit Marx den Aufstieg von Trump und Co. verstehen“ [10] versuchen die AutorInnen, den Aufstieg des Rechtspopulismus mit der Marx’schen Bonapartismus-Theorie zu erklären. Auch wenn die politischen Schlussfolgerungen recht kurz greifen, wird der Zusammenhang zwischen Kapitalismus in der Krise, den politischen Niederlagen der ArbeiterInnenbewegung und der autoritären „Neujustierung“ des Staates durch diese politischen AkteurInnen beleuchtet.
Wie bei vielen historischen Vergleichen können wir kein abstraktes Schema über die Vorgänge in Frankreich zwischen 1848 und 1851 und die heutigen kapitalistischen Staaten legen. Wir können aber sehr wohl versuchen, die Zwänge und Konflikte für die Bourgeoisie nachzuvollziehen, um so ihren Umgang mit „ihrer“ Demokratie besser zu verstehen.
Nachdem die bürgerliche Revolution 1848 zunächst die Monarchie unter Louis Philippe beendete, die Rechte der Nationalversammlung wiederherstellte, die Gewaltenteilung und das allgemeine Wahlrecht für Männer verkündete, begrub der zwischenzeitlich gewählte Präsident Louis Bonaparte diese Republik im Dezember 1851, rief sich zum Kaiser Napoleon III. aus und Frankreich zum „zweiten Kaiserreich“. In der ersten Phase der Revolution wurde 1848 der „Juni-Aufstand“ des Pariser Proletariats niedergeschlagen, Tausende getötet, Zehntausende inhaftiert und deportiert. Marx spricht von einer strategischen Niederlage des Proletariats, das nunmehr im „Hintergrund“ verweilen musste, weil es seine Kampfkraft verbraucht hatte. Wie in vielen bürgerlichen Revolutionen versprach zunächst auch das französische Bürgertum den Lohnabhängigen vieles. Nach der Wahl der Nationalversammlung muss das Pariser Proletariat jedoch erkennen, dass davon nur Schall und Rauch übrigbleiben würden, und probt den Aufstand. Die „Einigkeit“ der verschiedenen bürgerlichen und monarchistischen Fraktionen und Parteien endet aber mit der Niederschlagung des „Juni-Aufstandes“, danach beginnt eine Phase, die sehr gut die Probleme des Bürgertums mit Staat und Demokratie aufzeigt.
„Der umfassende Widerspruch aber dieser Konstitution besteht darin: Die Klassen, deren gesellschaftliche Sklaverei sie verewigen soll, Proletariat, Bauern, Kleinbürger, setzte sie durch das allgemeine Stimmrecht in den Besitz der politischen Macht. Und der Klasse, deren alte gesellschaftliche Macht sie sanktionierte, der Bourgeoisie, entzieht sie die politischen Garantien dieser Macht. Sie zwängt ihre politische Herrschaft in demokratische Bedingungen, die jeden Augenblick den feindlichen Klassen zum Sieg verhelfen und die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft selbst in Frage stellen. Von den einen verlangt sie, daß sie von der politischen Emanzipation nicht zur sozialen fort-, von den anderen, daß sie von der sozialen Restauration nicht zur politischen zurückgehen.“ [11]
Diese Widersprüche erledigt das französische Bürgertum dann im Fortgang der Ereignisse selbst. Verschiedenste Parteien, Fraktionen und Klüngel der Bourgeoisie versuchen, sich des Staatsapparates zu bemächtigen, diesen für ihre Zwecke zu gebrauchen.
Dabei kommt es immer wieder zu neuen zeitweiligen Bündnissen: Die Finanzaristokratie, die industrielle Bourgeoisie, die Ordnungspartei „des“ Präsidenten (welche bis zuletzt mitwirken darf), die VertreterInnen der Bourbonen als nicht gestürztes Adelsgeschlecht, das Kleinbürgertum, die „aufrechten“ Republikaner – alle versuchen, Legislative und Exekutive für sich zu nutzen.
Währenddessen wird mit Louis Bonaparte ein „populärer“ Präsident gewählt, erhält 5 von 7 Millionen Stimmen – auch, da an den Händen seines Amtsvorgänger Cavaignac noch das Blut des „Juni-Aufstandes“ klebt, vor allem aber, weil Bonaparte dem gesamten Volk Wohlstand, Fortschritt und Freiheit verspricht und sich bewusst auch als Präsident der „kleinen Leute“ präsentiert.
Die „Verselbstständigung“ der Exekutivgewalt schreitet nun immer mehr voran. Diese geht aber nicht ausschließlich vom Präsidenten aus, sondern vor allem von den mit ihm verbündeten bürgerlichen Parteien. Diese hoffen so, ihre Bedürfnisse „schneller“ befriedigen zu können, indem die Legislative Schritt für Schritt entmachtet wird.
Die Stärkung der Exekutivgewalt, die schrittweise Entmachtung der Nationalversammlung führt dann zur „Verselbstständigung“ des Präsidenten, der im Bündnis mit der Armee, den sog. „Dezember-Milizen“, einer kleinbürgerlichen und lumpenproletarischen Ansammlung von Freischärlern, die Republik abberuft und sich zum Kaiser krönt.
In diesem bürgerlich-parlamentarischen Spektakel war die französische Bourgeoisie die Kraft, welche den Präsidenten, sein Amt und seine Verselbstständigung befeuerte, um am Ende selbst die direkte politische Macht zu verlieren. Ihre ökonomische Herrschaft blieb unangetastet. Marx beschrieb das Verhältnis der bürgerlichen Schichten zum Bonaparte wie folgt:
„Die Bourgeoisie hatte jetzt offenbar keine andere Wahl, als Bonaparte zu wählen. Als die Puritaner auf dem Konzile von Konstanz über das lasterhafte Leben der Päpste klagten und über die Notwendigkeit der Sittenreform jammerten, donnerte der Kardinal Pierre d’Ailly ihnen zu: ‚Nur noch der Teufel in eigner Person kann die katholische Kirche retten, und ihr verlangt Engel.’
So rief die französische Bourgeoisie nach dem coup d’état: Nur noch der Chef der Gesellschaft vom 10. Dezember kann die bürgerliche Gesellschaft retten! Nur noch der Diebstahl das Eigentum, der Meineid die Religion, das Bastardtum die Familie, die Unordnung die Ordnung!
Bonaparte als die verselbständigte Macht der Exekutivgewalt fühlt seinen Beruf, die ‚bürgerliche Ordnung’ sicherzustellen. Aber die Stärke dieser bürgerlichen Ordnung ist die Mittelklasse. Er weiß sich daher als Repräsentant der Mittelklasse und erläßt Dekrete in diesem Sinne. Er ist jedoch nur dadurch etwas, daß er die politische Macht dieser Mittelschicht gebrochen hat und täglich von neuem bricht. Er weiß sich daher als Gegner der politischen und literarischen Macht der Mittelklasse. Aber indem er ihre materielle Macht beschützt, erzeugt er von neuem ihre politische Macht. Die Ursache muß daher am Leben erhalten, aber die Wirkung, wo sie sich zeigt, aus der Welt geschafft werden. Aber ohne kleine Verwechslungen von Ursache und Wirkung kann dies nicht abgehn, da beide in der Wechselwirkung ihre Unterscheidungsmerkmale verlieren.“ [12]
Hier haben wir ein sehr anschauliches Beispiel für die Perspektive der damals genannten „Mittelklassen“, des heutigen Kleinbürgertums, wenn es denn hofft, durch rechtspopulistische Parteien und deren Führung einen besseren kapitalistischen Deal zu bekommen. Bonaparte hielt diese Schichten durch Erlasse/Dekrete bei „Laune“, während aber gleichzeitig die Macht der Finanzaristokratie und/oder des industriellen Kapitals nicht angetastet wurde und im Gegenteil eine neue kriegerische Expansion der „Kaiserrepublik“ vonstattenging. Gewissermaßen zeigt dieser Umgang der Bourgeoisie und der Mittelklassen mit dem Populisten Bonaparte (aus heutiger Sicht sicher Populist, wenn auch kein „rechter“) die ganze schwierige Situation der aktuellen Lage.
Wenn die stabile bürgerliche Herrschaft Risse bekommt, international gar die aktuelle imperialistische Ordnung ins Wanken gerät, dann ist die Bourgeoisie auf jeden Fall die letzte Kraft, die eine „Demokratie“ oder „Republik“ garantieren kann. Sie hat gar kein „besonderes“ Interesse daran. Ihr besonderes Interesse ist ihre ökonomische Verfügungsmacht, nicht die politische Hülle, auch wenn eine Demokratie manches „einfacher“ und „friedlicher“ machen kann. Wenn die Frage der künftigen Weltordnung auf der Tagesordnung steht, wenn die ambitionierten Bourgeoisien der Welt ihre Stellung erhöhen wollen, dann geht es eben nicht um „friedlicher/demokratischer“, sondern darum, wie effizient dieser Weg beschritten werden kann. In diesem Interesse wird auch der Staat neu ausgerichtet, in seinen administrativen Möglichkeiten mit gleichzeitigem Abbau der legislativen „Einschränkungen“ – die Unabhängigkeit der Judikative war immer ein historischer Scherz – zum Wohle der aktuellen Interessen des Kapitals. Dabei kann es dann vorkommen, dass nicht ausschließlich die Interessen des „objektiven Gesamtkapitalisten“ führend sind, aber dann über den Bonaparte, den autoritären/faschistischen Führer Teil der Regierungspolitik werden.
In seiner Funktion kann der Bonaparte etwas „Unabhängiges“ vortäuschen, eine Rolle einnehmen, die über den Klassen steht, sich als „Vermittler“ gerieren. Diese ist sehr hilfreich, um sich als den „wahren Volksanführer“ darzustellen. Real ist dieser Bonaparte nie „unabhängig“, er/sie muss sich immer auf Fraktionen der Bourgeoisie und/oder des bewaffneten Staatsapparates stützen – soviel „Abhängigkeit“ ist immer gegeben.
Insoweit kann die Bonapartismus-Theorie viel über die bürgerliche Demokratie erklären, auch wenn z. B. die AutorInnen des eingangs genannten Buches in ihrer Schlussfolgerung inkonsequent bleiben:
„Die bonapartistischen Tendenzen und die damit verbundenen Tendenzen zur Barbarei sind überall in der Welt mit demokratischen Gegenbewegungen – mit unterschiedlicher Reichweite und Macht – konfrontiert, die auch von relevanten Teilen der subalternen Klassen getragen werden. In der Abwehr der autoritären Tendenzen kann sich das Programm der Demokratie keineswegs auf rein politische Forderungen – z. B. Schutz der Grundrechte und internationaler Vereinbarungen – und die Verteidigung einer unabhängigen Justiz sowie der Freiheit der Wissenschaft beschränken. Demokratischer Kampf ist heute mehr denn je auf das Ziel der sozialen Gerechtigkeit, des Schutzes der Natur und der Umwelt sowie der Gleichheit (der Lebenschancen) ausgerichtet, worin auch die Erfahrungen der sozialistischen Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts aufgehoben sind. Eingriffe in die Eigentumsrechte, die Vermögensverteilung und in die Freiheit der Märkte sind zur Erreichung solcher Ziele unabdingbar. Gerade in der angelsächsischen Welt – in den USA und in Großbritannien – haben die Krisen des Kapitalismus, die Folgen der neoliberalen Politik und eine imperiale Außenpolitik schon Bewegungen für eine demokratische Alternative gestärkt, für die heute Namen wie Bernie Sanders und Jeremy Corbyn stehen.“ [13]
Im Grunde liefert Deppe hier eine Neuauflage des radikaleren Reformismus der Nachkriegsperiode. Die bürgerliche Demokratie soll schrittweise zur „sozialen“ ausgebaut, der bürgerliche Staat den „subalternen“ Klassen dienstbar gemacht werden. Statt den bürgerlichen Staatsapparat, wie Marx aus dem Scheitern der 1848er-Revolution schließt, zu zerbrechen, sollen die Unterdrückten und Ausgebeuteten darum kämpfen, ihn doch für ihre Zwecke dienstbar zu machen.
Corbyn und Sanders repräsentieren zwar Bewegungen, die sich gegen den Neoliberalismus richten. Aber Sanders selbst bleibt sogar nur im Rahmen der Demokratischen Partei und weigert sich, die Subalternen überhaupt zum Bruch mit einer Partei des bürgerlichen Establishments zu führen. Corbyn stellt zweifellos eine linkere Variante dar, weil er eine Linksentwicklung in der ArbeiterInnenbewegung repräsentiert. Aber auch seine Politik ist auf den linken Reformismus, auf bürgerliche ArbeiterInnenpolitik beschränkt.
Wenn auch richtig erkannt wird, dass der autoritäre Staatsumbau die Tendenz zur Barbarei in sich trägt, so sollten wir uns daran erinnern, dass die von Rosa Luxemburg so trefflich benannte Alternative nicht „Demokratie oder Barbarei“, sondern „Sozialismus oder Barbarei“ heißt. Es muss darum gehen, den aktuellen Abwehrkampf zu einem antikapitalistischen, revolutionären weiterzutreiben, dann können die Gegenbewegungen auch ihre längerfristigen Ziele erreichen. Dieses strategische Ziel kann nicht die „Demokratie“ der 1970er Jahre sein oder der „Sozialismus“ wie in Skandinavien, sondern der Kampf gegen Rassismus, Sozialkürzungen, Umweltvernichtung und den Abbau demokratischer Rechte muss den für eine nicht-kapitalistische, sozialistische Gesellschaftsordnung beinhalten. Sonst bleiben wir in den leeren Hülsen der bürgerlichen „Demokratie“.
Wir müssen uns daher bewusst machen, wie schnell die bürgerliche Demokratie untergehen, wie schnell autoritäre und gar faschistische Politik im Kapitalismus wirksam werden können. Das zeigt eine nähere Betrachtung aller historischen Krisen- und Umbruchphasen des 20. Jahrhunderts. Der Bonaparte des 19. Jahrhunderts stellte jedoch nicht nur eine grundsätzliche Warnung für die ArbeiterInnenklasse und die unteren Schichten des Kleinbürgertums dar, sondern auch ein Beispiel für die Entwicklung von einer revolutionären Situation zu einer konterrevolutionären, bonapartistischen Herrschaft.
Die Verteidigung von demokratischen Rechten, die die ArbeiterInnenbewegung errungen hat, bildet daher auch heute eine entscheidende Aufgabe, gerade wenn wir die Angriffe rechtspopulistischer Bewegungen und Regierungen betrachten. Das Versammlungsrecht, die Presse- und Meinungsfreiheit, die Koalitionsfreiheit oder „nur“ die „Freiheit“, nicht ohne Anklage eingesperrt zu werden, werden von den autoritären nationalistischen Regierungen in Frage gestellt. Aber auch die bestehenden bürgerlichen Regierungen, wie z. B. die Große Koalition, führen ähnliche Angriffe durch.
Die Verteidigung von demokratischen Rechten darf jedoch nicht mit der Verteidigung der kapitalistischen Demokratie an sich verwechselt werden. Der ArbeiterInnenklasse muss vielmehr im Zuge der Verteidigung ihrer Rechte die Notwendigkeit vermittelt werden, die bürgerliche Herrschaft und ihren Staat zu zerschlagen, zu zerbrechen und durch eine Räterepublik, eine ArbeiterInnendemokratie zu ersetzen.
Wie kann der Rechtspopulismus geschlagen werden?
Der Vormarsch des Populismus scheint in den letzten Jahren nahezu ungebrochen. Ob in den USA, in Europa oder einer Reihe von Halbkolonien – der Aufstieg rechter DemagogInnen ist beängstigend.
Grundsätzlich bilden in praktisch allen Ländern wichtige Teile des KleinbürgerInnentums und der lohnabhängigen Mittelschichten den Kern der Massenbasis des Rechtspopulismus. Diese Erschütterungen des Kapitalismus haben auch das Zutrauen dieser Schichten und Klassenfraktionen in die bürgerliche Demokratie, in den Parlamentarismus und die vorherrschenden Formen des „Klassenkompromisses“ unterhöhlt.
Die Niederlagen in Griechenland und anderen Kämpfen gegen die Austerität, das Scheitern der Arabischen Revolution, die bürgerliche Koalitionspolitik der Sozialdemokratie und der sozialpartnerschaftliche Kurs der Gewerkschaften bedeuten zugleich, dass die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten für die große Masse der „Zwischenschichten“ und „Zwischenklassen“ nicht als gesellschaftliche Alternative in Erscheinung treten.
Zugleich hat die Krise auch wirklich viele KleinbürgerInnen und Angehörige der lohnabhängigen Mittelschichten nach unten gedrückt, an den Rand des Abgrunds oder sogar in den Ruin getrieben – insbesondere in den Ländern Süd- und Osteuropas. In anderen fürchten sie, ob nun zu Recht oder zu Unrecht, abzusteigen, um die Früchte ihrer „harten Arbeit“ betrogen zu werden, in die ArbeiterInnenklasse oder gar ins Prekariat abzusinken. Selbst wenn diese Ängste bei ganzen Schichten übertrieben sein mögen, so fassen sich darin keineswegs nur die eigenen gefühlten Zukunftsängste zusammen, sondern auch die reale Erfahrung einer zunehmend krisengeschütteten Welt, in der die traditionellen liberalen, konservativen oder auch sozialdemokratischen Parteien wie hilflose SchönrednerInnen erscheinen.
Es sind die akkumulierten Niederlagen der letzten Jahre, die Krise der ArbeiterInnenbewegung und ihrer politischen Führung, die auch verschiedene Schichten der Lohnabhängigen für den Populismus empfänglich machen.
Bei praktisch allen Wahlerfolgen gelang es diesen Parteien, bedeutende Schichten der Lohnabhängigen für sich zu gewinnen, teilweise sogar in einem beängstigenden Ausmaß. So stimmten große Teil der weißen Lohnabhängigen in den „Rust Belts“ für Trump. Der FPÖ, der AfD, dem FN, aber auch der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung gelangen massive Einbrüche in die ArbeiterInnenklasse.
Das kann sowohl die industriellen Kernschichten, Angestellte oder Beschäftige im öffentlichen Dienst, Sektoren der „ArbeiterInnenaristokratie wie auch prekär Beschäftigte oder Erwerbslose betreffen. Zahlreiche Untersuchungen und die Erfahrung vieler linker AktivistInnen zeigen auch, dass gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen keineswegs immun gegen Rechtsruck und Rechtspopulismus sind.
Bemerkenswert ist freilich, dass der Anteil von rechtspopulistischen Parteien unter Frauen geringer ist als unter Männern. Zweitens ist er in den städtischen Zentren in der Regel geringer als in kleineren Städten oder auf dem Land. Das reflektiert zweifellos die üblicherweise größere soziale Dominanz kleinbürgerlicher Schichten außerhalb der Großstädte. Hinzu kommt, dass dort in der Regel die politische Linke wie auch die gewerkschaftlichen und reformistischen Organisationen stärker vertreten sind. Ergänzend leben in den Ballungszentren oft mehr MigrantInnen – also ist auch ihr Anteil an der ArbeiterInnenklasse dort stärker – und die großstädtische Bevölkerung weist oft schwächere Bindungen an kulturelle und nationalen „Traditionen“ auf.
Auch wenn selbst das nur Trends sind, so reflektiert sich darin das Gewicht kleinbürgerlicher Vorstellungen in den populistischen Parteien und Bewegungen.
Doch es wäre zu kurz gegriffen, den Populismus als rein kleinbürgerliche Bewegung zu definieren. Vor dem Hintergrund der Krise bringt er nicht nur die Unzufriedenheit und den Pessimismus des KleinbürgerInnentums zum Ausdruck, sondern reflektiert auch die inneren Konflikte in der herrschenden Klasse. Populistische FührerInnen wie Trump, Salvini, Orbán, … artikulieren auch, ja vor allem diese bürgerlichen Klasseninteressen, selbst wenn sie sich noch so sehr als VertreterInnen der „einfachen Leute“ hinstellen.
Sie nutzen die Desillusionierung, die Unzufriedenheit, Frustration im KleinbürgerInnentum wie auch unter Teilen der Lohnabhängigen, um diese vor den Karren eines bestimmten, nach einer Veränderung des institutionellen Systems und einer anderen strategischen Ausrichtung drängenden Teils der herrschenden Klasse zu spannen.
Rassismus, Nationalismus, kulturalistischer Plunder, alle möglichen reaktionären, patriarchalen, sexistischen Ideen dienen im Populismus dazu, den KleinbürgerInnen, Mittelschichten, rückständigen ArbeiterInnen ein Gefühl der Überlegenheit zu vermitteln. Sie müssen aber auch als Surrogat, als Ersatz für die Umsetzung realer Verbesserungen, vor allem für die lohnabhängigen und prekarisierten WählerInnen und AnhängerInnen herhalten. Für diese hält auch Trump eine Krankenversicherung vor. Diese müssen sich bei der FPÖ länger für weniger Geld abrackern und bei den Fünf-Sternen erhalten sie ein „Grundeinkommen“, das mit Arbeitszwang kombiniert wird.
Anders als der bürgerliche Journalismus mitunter suggeriert, stellt der Populismus nicht einfach eine Ideologie des „Volkes“ dar, sondern eine klassenübergreifenden Bewegung oder Partei, die die Interessen eines Teils der Bourgeoisie zum Ausdruck bringt, der sich der Unzufriedenheit der Massen auf reaktionäre Weise zu bedienen hofft.
Was die Linke nicht machen darf
Erst mal ist es wichtig, auf die Radikalisierung des Kleinbürgertums und die populistische Verhetzung von ArbeiterInnen nicht mit den „gleichen“ Mitteln zu reagieren, also mit Linkspopulismus. Diese Politik, dem „rechten Volk“ ein „linkes“ entgegenzustellen, kann nur zur Stärkung klassenübergreifender Ideen führen und zu einer Unterordnung der Klasseninteressen des Proletariats unter die imaginären „Volksinteressen“.
Sowohl bei Teilen des Linkspopulismus und der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung wird wiederum eine Neuauflage keynesianischer Politik gefordert, teilweise auch nur die Rückkehr zur sog. „sozialen Marktwirtschaft“ der Nachkriegsperiode. Dies wird meistens damit begründet, dass große Teile der ArbeiterInnenklasse und des Kleinbürgertums praktisch ohne „sozialen Schutz“ der Globalisierung, der EU und dem Neoliberalismus ausgesetzt wären.
„Darüber hinaus muss die Linke die Idee vermitteln, dass die Staaten Europas gemeinsam ihre Souveränität und Gestaltungskraft in einer globalisierten Welt wiederherstellen können. (…)
Notwendig wäre hierfür, eine europäische Wirtschaftspolitik zu definieren, die langfristig auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet ist. Eine solche Strategie fußt auf drei zentralen Elementen: auf einer Erhöhung der gemeinsamen Steuer und Finanzmittel, um große Investitionsprojekte zu finanzieren, auf einer Erweiterung des Lastenheftes der Europäischen Zentralbank mit dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und schließlich darauf, die europäische Wirtschaft durch eine Politik des fairen internationalen Handels noch besser zu schützen. Die soziale Frage muss wieder in das Zentrum der öffentlichen Debatte rücken. (…)
Gleichzeitig muss die Linke dafür sorgen, dass der Sozialstaat auch wieder besser für untere und mittlere Einkommen und Arbeitnehmer funktioniert, und nicht nur für die Menschen am alleruntersten Ende der sozialen Leiter.
Re-Regulierung der Wirtschaft, Umverteilung und soziale Gerechtigkeit sind die besten Mittel, um den Rechtspopulismus zu bekämpfen und die Wählermilieus der einfachen Leute für die Linke zurückzugewinnen.“ [14]
Baumel präsentiert hier, ähnlich Teilen der akademisch abgesicherten Institute des deutschen Reformismus (z. B. Friedrich-Ebert-Stiftung und Rosa-Luxemburg-Stiftung) eine Neuauflage des Keynesianismus als das „Lösungsmittel“. Die Logik scheint auf den ersten Blick naheliegend. Wenn der Aufstieg des Rechtspopulismus selbst aus der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft infolge der Krise, veränderter Kapitalzusammensetzung und damit immer größere sozialer Ungleichheit, Verarmung und Unsicherheit herrührt, so bräuchte es eine Politik des „vernünftigen“ Teils der Gesellschaft, der diese durch einen „besseren Sozialstaat“ gemeinsam umsetzt.
Und genau hier liegt das Problem dieser Gesamtstrategie. Die proklamierten Reformen werden selbst erst gar nicht als Kampfziele vorgetragen, die gegen die Interessen aller europäischen Kapitale im Klassenkampf errungen werden müssen.
Dabei verweist gerade dieses Beispiel darauf, dass in der aktuellen Periode die Kapitalerfordernisse einem Keynesianismus auf europäischer Ebene entgegenstehen. Deren Drängen auf „Deregulierung“, Ausweitung des Niedriglohnsektors, Privatisierungen usw. geht zwar damit einher, den europäischen Block vor internationaler Konkurrenz zu schützen – aber die fallenden Profitraten und die strukturelle Überakkumulation des Kapitals bilden die Gründe, warum sich die herrschende Klasse allenfalls auf jene Elemente keynesianischer Politik einzulassen bereit ist, die ihre Monopole retten („Rüstungskeynesianismus“, Politik des billigen Geldes).
Für Umverteilung zugunsten der Massen, für einen europäischen Sozialstaat sind sie so wenig aufgeschlossen, weil das der weiteren Unterordnung des halbkolonialen Europas und der schwächeren imperialistischen Fraktionen zuwiderlaufen muss. Genau auf diese Extraprofite will das Finanzkapital der großen und kleineren imperialistischen Staaten nicht verzichten. Gerade weil die EU kein Staat, sondern ein Staatenbündnis ist, bei dem die „armen“ Länder auch arm bleiben müssen, damit die „reichen“ Zentren reich(er) werden, kann ein europäischer Keynesianismus, ein „soziales Europa“ auf Basis der bestehenden Ordnung nicht funktionieren. Damit schafft eine EU unter der Vorherrschaft Deutschlands, Frankreichs und ihrer engeren JuniorpartnerInnen notwendigerweise den Nährboden für den Rechtspopulismus.
Das Finanzkapital dieser dominierenden Nationen hat kein Interesse an einem Keynesianismus zur Sicherung der Beschäftigung. Diese bekommen seit der sog. Schuldenkrise per EZB einen „Kredit-Keynesianismus“ offeriert. Wenn in dem Zusammenhang gefordert wird, die europäische Wirtschaft „durch fairen internationalen Handel zu schützen“, so fällt dies sogar hinter die Erkenntnisse mancher bürgerlichen Medien zurück. Dort ist inzwischen bekannt, dass eher die „ausländischen“ Märkte vor der europäischen Wirtschaft „geschützt“ werden sollten, wenn es beispielsweise wirklich ein Interesse an einer „funktionierenden“ afrikanischen Landwirtschaft geben sollte. Politisch kommt der Ruf nach einer „geschützten“ europäischen Wirtschaft dem verzweifelten Versuch gleich, eine keynesianische Ausrichtung auch dem Kapital und den KleinunternehmerInnen schmackhaft zu machen. Die Umverteilung im Rahmen der Union könnte dann durch den Schutz der für den Binnenmarkt produzierenden Unternehmen vor Konkurrenz aus anderen Kontinenten bezahlt werden, während die EU für die ExporteurInnen noch „fairere“, also profitablere Handelsabkommen herausschlagen soll.
Diese Politik scheitert notwendigerweise gerade an der verschärften internationalen Konkurrenz. Für das Finanzkapital, für die großen Banken, Industrie- und Handelskonzerne stellt die Ausbeutung der Arbeitskraft in der EU, ein billiger Markt in Ost- und Südeuropa, vielmehr eine Basis für die erfolgreiche internationale Konkurrenz und einen Raum dar, in dem sie gegenüber China und den USA Vorteile genießen. Darauf zu verzichten, würde vom Standpunkt ihrer Klasseninteressen überhaupt keinen Sinn ergeben. Daher rührt auch die Abgeschmacktheit des „europäischen“ Keynesianismus, der von Teilen der Sozialdemokratie und der Linksparteien vertreten wird. Er wird als Appell an alle Klassen, an die „europäischen BürgerInnen“ verkauft – nicht als Reform, die die Lohnabhängigen gemeinsam zu erkämpfen hätten.
Auf diese Krise nicht nur Europas, sondern auch des „sozialen Europas“ regiert ein wachsender Teil der europäischen Linken mit Ruf nach einem Rückzug auf nationalstaatliches Terrain. Erst wenn eine „andere Politik“ im nationalen Rahmen durchgesetzt wäre, könnte auch Europa transformiert werden.
Daher haben in den letzten Jahren Losungen wie die „Wiedererlangung der nationalen Souveränität“ auch bei Linken Gehör gefunden. Sie proklamieren dabei jedoch nicht bloß eine Rückkehr zu einem „nationalen Reformismus“, sondern zum Links-Populismus, zu einem Bündnis von „patriotischen“ UnternehmerInnen, KleinbürgerInnen und ArbeiterInnenklasse, die als „fortschrittliches“ oder demokratisches „Volk“ dem „ausgrenzenden“ des Rechtspopulismus entgegengestellt werden. Mélenchon, Lafontaine, Wagenknecht und Co. fordern daher, dass der Nationalstaat nun mehr „Geltung“ bekommen müsse, damit es wieder gerechter zugehen könnte.
Nur zur Erinnerung: die „Agenda 2010“ in Deutschland, die „El Khomri“-„Reform“ in Frankreich oder die Angriffe auf das Arbeitsrecht in Italien unter Renzi waren eben nicht von der EU verordnet, sondern sind Resultate nationaler Politik, die eben auf Geheiß des Kapitals diese Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse durchführte. Dass dies dann auch oftmals „sozialdemokratische“ Regierungen waren, macht die Argumentation nur noch hohler.
Die Antwort von Seiten der Sozialdemokratie, aber auch des Linkspopulismus ist einfach. Es soll wieder „alte“ sozialdemokratische oder auf sozialen Ausgleich bedachte Regierungspolitik gemacht werden. Der Linksreformismus einer Luxemburg-Stiftung garniert diese „Reformregierungsperspektive“ mit Druck aus Reihen der „Zivilgesellschaft“, welche die „Subalternen“ umfasst und reale soziale Bewegungen anführt. Diese sollen dann die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ändern, den Diskurs durch die „Reformalternative“ ergänzen und somit den Rechtspopulismus zurückdrängen.
Die Idee, einen keynesianischen Kapitalismus wiederzubeleben, wurde zum Standardrepertoire fast jeder reformistischen Wirtschaftspolitik, nur wird der Ruf danach immer verzweifelter. Nach Jahrzehnten der neoliberalen Offensive soll eine Umverteilung von oben nach unten nicht nur im Interesse der Armen und Ausgebeuteten liegen, sondern auch für das Kapital dauernd schmackhaft gemacht werden können. Bei höheren Einkommen der RentnerInnen, der ArbeiterInnen, der Erwerbslosen, der ganzen „Unterschichten“ hätten auch die UnternehmerInnen den Vorteil, dass sich Kaufkraft und Binnenmarkt ausweiten würden, sie mehr absetzen können, wenn auch bei geringeren Profitmargen. Letztlich unterstellt diese Politik, dass die Entwicklung der Profitrate für das Kapital eine Nebenfrage wäre, dieses im Sinne einer „geordneten“ Marktwirtschaft mit etwas Staatsintervention in eine harmonische, nationale Ordnung eingebunden werden könne.
Der Klassenkampf bleibt hierbei notwendigerweise auf der Strecke. Dabei verkennen die ReformistInnen und LinkspopulistInnen, dass praktisch alle Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung gegen das Kapital erkämpft wurden – sei es als direktes Resultat von Massenaktionen, Streiks usw. oder als Zugeständnisse, um Kämpfe zu verhindern oder zu begrenzen.
Wenn der Rechtspopulismus bekämpft und der gesellschaftliche Rechtsruck gestoppt werden sollen, muss daher zuerst deutlich werden, dass dies nur auf Basis des Klassenkampfes möglich ist, dass sich die ArbeiterInnenklasse als eigenes Subjekt – im nationalen, europaweiten wie internationalen Rahmen – konstituieren muss. Kämpfe, Ansätze gibt es auch heute genug. Das reicht von bedeutenden Streikkämpfen, Ansätzen der Organisierung der Unorganisierten bis zu anti-rassistischen, antifaschistischen, ökologischen Initiativen.
Aber diesen fehlt eine gemeinsame Klammer und erst recht eine europäische und internationale Strategie. Daher bleiben z. B. die Streiks bei Ryanair und die meisten gewerkschaftlichen und betrieblichen Kämpfe ökonomisch beschränkt. Auch andere Aktionen (Umweltbewegung, MieterInnen, Antirassismus) starteten oft nicht nur als sektorale Bewegungen, sondern blieben oft auch solcherart beschränkt. Die Dominanz reformistischer oder kleinbürgerlicher Organisationen verfestigt dies.
Es geht, um nicht falsch verstanden zu werden, nicht darum, jeden Kampf mit einer Fülle weiterer Forderungen zu überfrachten. Es ist aber nur zu deutlich, dass in einer Periode der Krise, des Aufstiegs der Rechten eine politische, strategische Antwort notwendig ist, um deren Politik wirksam entgegentreten zu können.
Bei aller reaktionären Idiotie, Inkonsistenz usw. haben die RechtspopulistInnen einen Vorzug, der sie attraktiv macht. Sie verknüpfen ihre reaktionären Ziele, ihre rassistische und nationalistische Politik mit der Machtfrage. Auf ihre lahmere Art versuchen dies sogar die ReformistInnen und LinkspopulistInnen. Die revolutionäre, antikapitalistische Linke – oder jedenfalls jene, die solche Ziele proklamieren – tut das kaum. Sie weicht Strategie- und Programmfragen aus, statt sie zu lösen. Genau diese ist jedoch unabdingbar, um eine proletarische Antwort nicht nur auf den Rechtspopulismus, sondern auf die Krise der bürgerlichen Gesellschaft zu formulieren. Eine solche Strategie, ein solches Programm können wir in dieser Stelle nicht präsentieren, wohl aber Eckpunkte für den Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsruck – und wie diese mit dem europäischen Klassenkampf verbunden werden müssten.
Kampf gegen den Rechtspopulismus ist Teil des Klassenkampfes
Die wichtigste und erste These lautet dabei, dass der Kampf gegen den Rechtspopulismus Teil des Klassenkampfes ist, in eine Strategie und Programmatik im Kampf gegen die Krise, gegen die aktuellen Angriffe und für ein sozialistisches Europa eingebunden werden muss.
Die gegenwärtige Krise der EU bildet eigentlich ein günstiges Terrain für eine gemeinsame europäische Antwort der Klasse. Die reale Integration der europäischen Ökonomien bedeutet, dass die Forderung nach einer Rückkehr zur „nationalen Souveränität“ einen unmittelbar reaktionären Charakter erlangt hat – die Rückkehr zu „alten“ Währungen, die Errichtung neuer Grenzkontrollen, die weitere Zerstückelung eines Kontinents.
Diese Entwicklung ist keineswegs eine, die nur eine kleine privilegierte Minderheit betrifft. Die meisten Wirtschafts- und Arbeitsprozesse werden heute europaweit organisiert. Auf dieser Ebene stellen viele nationalstaatliche Sonderregelungen (z. B. verschiedene Verkehrssysteme …) selbst ein Hindernis dar.
Die Bourgeoisie hat sich als unfähig erwiesen, die Einigung Europas auf eine demokratische, fortschrittliche Weise zu erreichen – und dies ist auch auf kapitalistischer Basis unter der Kontrolle imperialistischer Bourgeoisien unmöglich. Es droht der Rückfall zu verstärkten nationalen Gegensätzen auf dem Kontinent.
Eine europäische und fortschrittliche ArbeiterInnenpolitik muss daher die gemeinsamen Interessen der ArbeiterInnenklasse des Kontinents, ja der Welt zum Ausgangspunkt nehmen.
Auch in den letzten Jahrzehnten haben verschiedene Sparten der organisierten ArbeiterInnen wie die Hafen- und TransportarbeiterInnen ihre Aktionen koordiniert und z. B. den Kampf gegen die „Bolkestein-Richtlinie“, also die Liberalisierung der Arbeit in den Häfen, lange Zeit erfolgreich führen können. Im Kampf gegen die Schuldendiktate und Austeritätspolitik zeigten sich anfänglich durchaus Elemente einer europäischen Bewegung, der „Griechenlandsolidarität“, der Begeisterung für die „Indignados“ (Empörte) und andere aufständische Bewegungen.
Aber die großen Apparate der Gewerkschaften, die Sozialdemokratie, also ein national zentrierte ArbeiterInnenbürokratien, blockierten diese Aktionen nicht nur – in den schlimmsten Fällen stellten sie sich hinter ihre „eigene“ Bourgeoisie und verweigerten den Lohnabhängigen in Südeuropa ihre Solidarität. Daher wurden die Kämpfe in Griechenland, Spanien, Italien vor allem national geführt. Auch wenn Syriza vor der EU und dem IWF schändlich kapituliert hat, so trifft die reformistische ArbeiterInnenbewegung Europas selbst ein nicht minder großer Teil der politischen Verantwortung für diese Niederlage.
Die letzte Massenbewegung, die europaweit massenhaft Solidarität mit den Unterdrückten und damit das Potential eines gemeinsamen Kampfes zum Ausdruck brachte, war die Bewegung der Geflüchteten. Während Hunderttausend die Refugees willkommen hießen, versagte die ArbeiterInnenbewegung darin, für eine Perspektive zu kämpfen und vor allem darin, den Kampf gegen die Festung Europa als Teil des Klassenkampfes zu begreifen. Die Forderung nach „offenen“ Grenzen wurde und wird nicht als demokratische Forderung gegen die Entrechtung eines Teils der ArbeiterInnenklasse, von national oder rassistisch Unterdrückten begriffen, sondern entweder als rein humanitäre Geste, als „Utopie“ oder gar „Kapitalinteresse“.
Diese Niederlagen in Griechenland und der Geflüchteten bilden den Nährboden für die Ausweitung des Rassismus, den Rechtsruck und den Aufstieg des Populismus.
Um diese Entwicklung zu stoppen, braucht es die bewusste landesweite und europaweite Verbindung solcher Kämpfe:
- Für gleiche Rechte aller, die in Europa leben und arbeiten! Volle Bewegungsfreiheit aller, vor allem aller Lohnabhängigen! Recht auf Arbeit für alle MigrantInnen und Geflüchteten – und zwar zu den tariflichen Bedingungen der jeweiligen Branche und zum festgelegten Mindestlohn.
- Gleiche StaatsbürgerInnenrechte, offene Grenzen, keine Unterscheidung von politischen und sog. „Wirtschaftsflüchtlingen“! Wiederherstellung des Ayslrechts! Auflösung von Frontex und des „Grenzschutzes“ der EU!
- Für ein Wohnungsbauprogramm zur Lösung der Wohnungsnot! Entschädigungslose Enteignung von Grund und Boden, der Wohnungsspekulation, Rekommunalisierung privatisierten Wohnungsbestandes, Beschlagnahme von zu Spekulationszwecken leerstehenden Wohnraums! Programm zum Neubau nach Bedürfnissen der Masse der MieterInnen! Kontrolle der kommunalen oder staatlichen Wohnungsbaugesellschaften durch Komitees der MieterInnen, Öffnung ihrer Bücher und Festlegung der Mietpreise durch diese!
- Freier Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Kinderbetreuung für alle! Verallgemeinerungen der sozialen Leistungen auf das höchste Niveau in ganz Europa wie auch innerhalb der bestehenden Staaten!
- Umwandlung aller prekären Beschäftigungsverhältnisse in tarifliche! Wiedereingliederung der zur Leiharbeit und Scheinselbstständigkeit gezwungenen Lohnabhängigen in unbefristete Beschäftigung! Mindestlohn in allen Ländern, der die realen Lebenshaltungskosten deckt! Automatische Anpassung der Löhne, Renten, Sozialleistungen an steigende Lebenshaltungskosten der Lohnabhängigen – kontrolliert von den Gewerkschaften und Ausschüssen der ArbeiterInnenbewegung!
- 30-Stunden-Woche in ganz Europa bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
- Nein zur Einschränkung aller demokratischen Rechte! Weg mit allen Behinderungen politischer und gewerkschaftlicher Betätigung! Weg mit den Antiterror-Listen, Freilassung der politischen Gefangenen! Abschaffung aller gewerkschaftsfeindlichen Gesetze und Einschränkungen des Streikrechts und des Organisationsrechts in den Betrieben!
- Massenmobilisierungen gegen die populistischen Parteien und gegen die extreme Rechte! Verhinderung von faschistischen und rassistischen Aufmärschen
- Gegen den rechten Backlash auf allen Ebenen: Verteidigung der Rechte der Frauen, LGBTIA-Menschen und des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung!
Alle diese Maßnahmen sind nur möglich durch einen gemeinsamen Kampf gegen die pro-kapitalistische Politik in den Nationalstaaten und der EU. Die Kommunen, die Staaten müssen entschuldet, der Ausbau von Sozialleistungen, von Bildung, Gesundheitswesen, Freizeiteinrichtungen und Kultur muss durch die progressive Besteuerung der Reichen, von Kapitalgewinnen und Vermögen finanziert werden.
Damit die EU oder irgendein Staat „sozial“ agieren und Ungleichheit abgebaut werden kann, damit Infrastruktur und öffentliche Einrichtungen gemäß den Bedürfnissen der Masse und ökologischer Nachhaltigkeit umstrukturiert werden können, müssen die Kommandohöhen der Wirtschaft dem Kapital entrissen werden. Diese großen Banken, Industrien, Handelsketten und der Transportsektor müssen entschädigungslos enteignet und unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt werden. Nur so kann auch ein gesamtgesellschaftliches Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeit finanziert werden, das die Infrastruktur verbessert, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ausbaut, Schritte zur Vergesellschaftung der privaten Hausarbeit (Kantinen, kostenlose Kitas für alle, Kinderbetreuung Betreuung rund um die Uhr) usw. erlaubt. Nur so kann das Marktchaos durch eine planmäßige Reorganisation der Wirtschaft, des Verhältnisses von Stadt und Land herbeigeführt werden.
Auf dieser Basis könnten im Übrigen auch die kleinbürgerlichen Schichten in den einzelnen Ländern – seien es Bauern und Bäuerinnen, kleine HandwerkerInnen, FreiberuflerInnen usw. – in eine restrukturierte Ökonomie eingebunden werden. Eine unter ArbeiterInnenkontrolle stehende Zentralbank würde diesen Schichten (wie auch allen lohnabhängigen KundInnen) „faire“ Kredit- und Geschäftsbedingungen bieten und zugleich den freiwilligen genossenschaftlichen Zusammenschluss dieser Kleinbetriebe ermuntern.
Solche Ziele können aber nicht durch eine Reform des Kapitalismus, sondern nur durch Massenaktionen, durch Großdemonstrationen, Besetzungen und politische Massenstreiks erkämpft werden, die im Kampf um eine ArbeiterInnenregierung zusammengefasst werden müssen. Diese Forderung muss natürlich an die bestehenden Organisationen der Klasse gerichtet werden, im Zuge einer Umgruppierung und in den Massenaktionen mögen aber neue TrägerInnen eines solchen Kampfes entstehen.
In jedem Fall aber müsste eine solche Regierung auf Kampforganen der Klasse fußen (Räten oder räteähnlichen Strukturen sowie bewaffneten Milizen), die Konterrevolution, die Rechte entwaffnen und den bürgerlichen Repressionsapparat zerschlagen, das Großkapital enteignen und die Wirtschaft gemäß eines demokratischen gesellschaftlichen Plans unter ArbeiterInnenkontrolle reorganisieren. Damit wäre sie ein Schritt zu einer Umwandlung in eine sozialistische Richtung und zur Schaffung Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa.
Der gemeinsame Kampf, die Schaffung von Einheitsfronten, einer gemeinsamen Mobilisierung der Massenorganisationen gegen die Rechten, gegen Populismus, Faschismus, die Angriffe der nationalen Regierungen wie der EU-Behörden, sprich, der gemeinsame soziale, ökonomische und politische Kampf gegen das Kapital können so mit einer internationalen, europaweiten Perspektive verbunden werden.
Der „radikalen Linken“ kommt dabei insofern eine zentrale Aufgabe zu, als sie gemeinsam für den Aufbau eines koordinierten europaweiten Widerstandes kämpfen müsste – sowohl in der Öffentlichkeit wie auch in den Betrieben und Gewerkschaften, an Schulen und Universitäten.
Dazu sollte sie aktiv landes- wie europaweite Aktionskonferenzen bzw. Delegiertenversammlungen initiieren, die nicht nur über die schlechte Lage sprechen und diese analysieren, sondern auch verbindliche Absprachen zu gemeinsamen europaweiten Kampagnen und Aktionen treffen. Die „sozialen Bewegungen“ hatten am Beginn dieses Jahrhunderts mit den Sozialforen schon eine Struktur zur Koordinierung dieser Aktionen geschaffen, die jedoch an deren eigener Weigerung scheiterte, zu realen Kampf- und Aktionsversammlungen zu werden. Dort wo Beschlüsse gefasst wurden, fanden diese – insbesondere die Demonstrationen gegen den Irak-Krieg – einen enormen Zuspruch und konnten sogar Millionen Menschen mobilisieren. In der gegenwärtigen Periode stehen wir nicht nur einem europäischen Rechtsruck und dem Wachstum des Populismus gegenüber – auch die EU-Krise und der Kampf um die Neuaufteilung der Welt haben dramatisch an Schärfe gewonnen und werden sich weiter verschärfen. Umso dringender ist dieser internationale Zusammenschluss, umso dringlicher ist die gemeinsame koordinierte Aktion.
Diese könnten dazu führen, dass die ArbeiterInnenbewegung, die Unterdrückten, die Linke für Millionen als reale Kraft, als Gegenpol der Hoffnung und des Kampfes gegen den Rechtspopulismus in Erscheinung tritt. Sie würden zugleich auch politischen und gewerkschaftlichen Druck auf die konservativen, „sozialpartnerschaftlichen“, national, lokal oder betrieblich bornierten Strukturen der ArbeiterInnenbewegung ausüben.
Zweifellos würden selbst solche Bündnisse, Aktionseinheiten oder Einheitsfronten nicht die Fragen der Strategien und der Programms lösen – sie könnten aber den Raum schaffen, wo diese für bedeutende Teil der Lohnabhängigen und der Unterdrückten zu realen, weil auf ihre Mobilisierung bezogenen Fragen werden.
Der Aufbau einer Bewegung gegen den Rechtsruck und den Populismus darf daher der Schaffung einer revolutionären Partei und Internationale nicht schematisch entgegengestellt werden. Sie bildet vielmehr das Terrain, auf dem sich die konsequentesten, kämpferischsten, antikapitalistischen Teile bewähren und zugleich eine Diskussion um ein europäisches und internationales Aktionsprogramm gegen Krise, Imperialismus und Rechtsruck diskutieren müssen. Auf dieser Basis können dabei die Grundlagen für die Schaffung einer neuen Internationale und neuer revolutionärer Parteien gelegt werden.
Quelle: Revolutionärer Marxismus 50… vom 10. Dezember 2018
[1] PROKLA 190 Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Autoritärer Populismus – Strategie und politische Ökonomie rechter Politik. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster/W. 2018.
[2] Demirovic, Alex: Autoritärer Populismus als neoliberale Krisenbewältigungsstrategie, in: a. a. O.; S. 32. Online hier: https://maulwuerfe.ch/?p=3605
[3] a. a. O., S. 29.
[4] Ebenda.
[5] https://www.identitaere-bewegung.de/faq/was-bedeutet-der-begriff-reconquista/.
[6] Trotzki, Leo: Porträt des Nationalsozialismus (10. Juni1933), https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1933/06/natsoz.htm
[7] von Beyme, Klaus: Rechtspopulismus – ein Element der Neodemokratie? Springer VS, Wiesbaden 2018, S. 95/96.
[8] Bischoff, Joachim/Müller, Bernhard: Rechtspopulismus in der „Berliner Republik“ und Europa: Ursachen und Hintergründe, in: Häusler, Alexander/Virchow, Fabian (Hrsg.): Neue soziale Bewegungen von rechts? VSA Verlag, Hamburg 2016.
[9] Virchow, Fabian: Protest und soziale Bewegungen von rechts, a. a. O., S. 14.
[10] Beck, Martin/Stützle, Ingo (Hrsg.): Die neuen Bonapartisten. Mit Marx den Aufstieg von Trump & Co. verstehen. Dietz Verlag, Berlin 2018.
[11] Marx, Karl: Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, MEW Bd. 7. Dietz Verlag, Berlin/Ost 1960, S. 43.
[12] Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, MEW Band 8. Dietz Verlag, Berlin/Ost 1960, S. 204.
[13] Deppe, Frank: Bonapartismus reloaded? In: Beck/Stützle, Die neuen Bonapartisten…, a. a. O., S. 258/259.
[14] Baumel, Laurent: Populismus als politischer Hilferuf, in: Hillebrand, Ernst (Hrsg.): Rechtspopulismus in Europa. Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH, Bonn 2017, S. 119/120.
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