Immer schärferer Klassenkampf um die Reaktion auf Corona in den USA
„… In dem Amazon-Lager im New Yorker Stadtteil Staten Island hatte der Management-Assistent Chris Smalls einen Streik organisiert, dem sich rund 50 Mitarbeiter angeschlossen hatten. Die Protestierenden kritisierten die bestehenden Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus. Derartige Proteste wurden auch schon in anderen Lagern, unter anderem in Deutschland und Spanien, laut. Die Arbeiter in Staten Island fordern außerdem die Schließung des Amazon-Lagers, weil es bereits einen Coronafall vor Ort gegeben habe. Amazon hat den Streikführer daraufhin gefeuert – kurioserweise, weil er die Schutzmaßnahmen des Unternehmens nicht eingehalten habe. Smalls habe „mehrere Verwarnungen wegen Verletzung der Richtlinien zur sozialen Distanzierung erhalten“, heißt es von Amazon. Er habe sich sich geweigert, in Quarantäne zu bleiben, nachdem er engen Kontakt mit einem infizierten Mitarbeiter hatte. „Ich bin empört und enttäuscht, aber ich bin nicht schockiert. Wie üblich würde Amazon ein Problem lieber unter den Teppich kehren, als für die Sicherheit der Arbeiter und der Teams zu sorgen“, sagt Smalls selbst. Amazon würde lieber Arbeiter entlassen als sich dem völligen Versagen zu stellen. Selbst Letitia James, die Generalstaatsanwältin des Staates New York, schaltete sich ein und bezeichnet die Entlassung von Smalls als „eine Schande“. Sie will rechtliche Schritte prüfen, auch das National Labor Relations Board will den Vorfall untersuchen...“ – aus dem Bericht „Protest wegen Corona: Amazon schmeißt Streikführer raus“ von Markus Gärtner am 31. März 2020 im Amazon-Watchblog aus dem ja bereits die sich anbahnende „juristische Aufarbeitung“ von Amazons ach so altmodischem Vorgehen hervorgeht. Siehe dazu einige weitere aktuelle Beiträge zur aktuellen Streikbewegung in den USA, ein beispielhaftes Dokument der Forderungen zahlreicher Basis-GewerkschaftsaktivistInnen und einen Bericht über die Entlassungswelle der Unternehmen:
„Corona-Protest bei Amazon & Co“ von Dorothea Hahn am 31. März 2020 in der taz online berichtet über den Amazon-Streik und darüber hinaus gehend: „… In der Lagerhalle im New Yorker Bezirk Staten Island sind beinahe 5.000 Menschen mit dem Verpacken und Verschicken von Waren für Amazon beschäftigt. Seit dem Ausbruch der Coronaepidemie in den USA explodieren ihr Arbeitsvolumen und -rhythmus. Zugleich wächst in der Halle die Angst vor Ansteckung. Der Konzern gibt zu, dass zwei Beschäftigte aus der Lagerhalle das Virus haben. Doch die Beschäftigten in Staten Island wissen von zehn Infizierten in ihren Reihen. Und sie befürchten, dass es zahlreiche weitere und bislang unerkannte Infizierte gibt. Sie alle berühren dieselben Türklinken, Wasserhähne und Geländer. Seit Tagen sprechen sie über unzureichende Sicherheitsvorkehrungen und mangelnde Transparenz. „Ich berühre mindestens 2.000 Dinge pro Stunde, und ich habe keinen Schutz“, sagt der Beschäftigte Terrell Worm bei dem Protest am Montag, zu dem sich nur knapp 50 Beschäftigte trauten. „Das hat keinen Einfluss auf die Produktion“, verlautete aus dem Unternehmen. Amazon beschäftigt rund 800.000 Menschen in den USA. Nach dem Beginn der Epidemie hat der Konzern angekündigt, mehrere Hunderttausend weitere anzuheuern. Mindestens eine seiner Lagerhallen in Kentucky musste bereits wegen des Virus geschlossen werden. Auch bei Instacart streikten Beschäftigte am Montag wegen der Arbeitsbedingungen und der Ansteckungsgefahr. Das Unternehmen lässt seine Mitarbeiter bei verschiedenen Supermärkten einkaufen, die Waren werden den KundInnen an die Haustür geliefert. Weil sie potenziell infizierte Einkaufswagen und Lebensmittel berühren müssen, verlangen die Beschäftigten Desinfektionsmittel und Handschuhe, wollen eine Gefahrenzulage und ein Mindesttrinkgeld von 5 Dollar pro Auftrag. Auch das Geschäftsvolumen von Instacart ist seit dem Ausbruch der Epidemie explodiert. Der Konzern spricht von 250.000 Menschen, die sich gemeldet haben, um für ihn zu arbeiten. Auch in anderen Bereichen der krisengeplagten Wirtschaft rumort es. In einem Call-Center in Arizona, wo Menschen in 15-Personen-Gruppen zusammensitzen, obwohl selbst das Weiße Haus 10 Leute für die maximal vertretbare Größe hält, sprechen Beschäftigte von einem „großen Viruspool“. Und bei der Fastfood-Kette Chipotle skandierten Beschäftigte auf der 6th Avenue in New York: „Wenn wir krank sind und arbeiten, werdet ihr krank.“ Bei General Electrics, das Tausende entlassen will, weil die Düsentriebwerksproduktion gegenwärtig nicht funktioniert, sind Beschäftigte in Massachusetts am Montag mit einem anderen Slogan auf die Straße gegangen. Sie verlangen, die Produktion auf die Herstellung von dringend benötigten Beatmungsgeräten umzustellen...“
„Unterstützt die streikenden Arbeiter von Instacart, Amazon und Whole Foods!“ am 01. April 2020 bei wsws ist ein Aufruf der SEP, aus dem unter anderem auch einiges über das hierzulande wohl weitgehend unbekannte Instacart hervor geht: „… Am Montag begannen die Beschäftigten bei Instacart einen Streik, weil sie gezwungen sind, ohne angemessene Schutzkleidung wie Masken und Handschuhe sowie Handdesinfektionsmittel zu arbeiten. Die Coronavirus-Pandemie breitet sich aus und derweil gefährden die unsicheren Arbeitsbedingungen nicht nur das Leben der Beschäftigten, sondern auch das der Kunden, die sie bedienen. Diese Arbeiterinnen und Arbeiter leisten einen höchst wichtigen Dienst an der Gesellschaft. Die USA sind jetzt ein Epizentrum der Krise, mit 180.000 Infizierten und mehr als 3.500 Todesfällen. Unter Bedingungen der Ausgangssperre, der fast 250 Millionen Menschen in den USA unterliegen, ist die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebensnotwendigen Gütern für Menschen, die ihre Wohnung nicht verlassen können oder sollen, wichtiger denn je. Die 150.000 Mitarbeiter von Instacart, die „shoppers“ heißen, holen und liefern Lebensmittel bei Kroger, Aldi, Sam’s Club und anderen großen Lebensmitteleinzelhändlern. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach Hauslieferungen plant das Unternehmen mit Sitz in San Francisco die Einstellung von weiteren 300.000 Mitarbeitern. Aber das Unternehmen widersetzt sich Forderungen, den Arbeitnehmern die einfachsten Schutzvorkehrungen zu bieten. Während Instacart-CEO Apoorva Mehta, ein 34-jähriger ehemaliger Lieferkettenoptimierer bei Amazon, auf einem Privatvermögen von 400 Millionen Dollar sitzt, verdienen die Mitarbeiter von Instacart durchschnittlich sieben Dollar pro Lieferung. Wie andere Beschäftigte in der Gig-Economy werden sie als „selbstständige“ Auftragnehmer eingestuft, damit das Unternehmen ihnen nicht den Mindestlohn, Urlaub und Arbeitslosengeld zahlen muss. Die Arbeiter wollen ihr Möglichstes tun, um die Coronavirus-Pandemie zu bekämpfen. Beschäftigte bei General Electric haben gestern Proteste begonnen und fordern, dass das Unternehmen endlich mit der Produktion dringend benötigter Beatmungsgeräte beginnt. Aber die Beschäftigten wollen nicht sich und andere gefährden, damit die Konzernchefs ihre Milliarden einstreichen…“
„’The Strike Wave Is in Full Swing’: Amazon, Whole Foods Workers Walk Off Job to Protest Unjust and Unsafe Labor Practices“ von Julia Conley am 30. März 2020 bei Common Dreams berichtet zudem auch über den begonnenen Streik bei Amazons (Bio)Tochterunternehmen Whole Foods, der seinen Anfang von einer spontanen Krankmeldungsaktion nahm.
„Detroit Bus Drivers Win Protections Against Virus Through Strike“ von Jane Slaughter am 18. März 2020 bei den Labornotes war einer der ersten Berichte über die beginnende Streikwelle – über den (erfolgreichen) Streik der Detroiter Busfahrer für bessere Sicherheitsvorkehrungen.
„Memphis Teamsters Wildcat Strike at Kroger’s Crucial Southern Warehouse“ von Mike Elk am 27. März 2020 beim Payday Report berichtet vom (ebenfalls erfolgreichen) spontanen Streik der (meist afroamerikanischen) Belegschaft eines Lagerhauses der Kroger-Kette in Memphis, die ebenfalls bessere Arbeitsbedingungen forderten – nachdem die ersten Infizierten unter der Belegschaft festgestellt wurden verließ weit über die Hälfte der Belegschaft schlichtweg ihren Arbeitsplatz.
„RWU Resolution on Coronavirus and the Railroad“ am 19. März 2020 bei den Railway Workers United ist die Resolution des gewerkschaftsübergreifenden Basis-Netzwerks der EisenbahnerInnen mit der sie unter anderem volle Bezahlung von Ausfallstunden und Krankengeld für unter Quarantäne stehende fordern – und steht damit auch als Beispiel für eine ganze Reihe gleicher Forderungen von anderen gewerkschaftlichen Basis-Zusammenschlüssen in den USA.
„Major companies signaled a new wave of economic distress“ von Abha Bhattarai, Rachel Siegel und Jeff Stein am 30. März 2020 bei Global Workers Solidarity (Facebook) dokumentiert, ist ein Beitrag, der einen Überblick über die Aktivitäten der anderen Seite gibt: Eine Entlassungswelle…
- Siehe bei Twitter #AmazonStrike und #ProtectAmazonWorkers
- Siehe auch unser Dossier: „Haltet das Maul und arbeitet mehr“ – die rücksichtslose Politik von Amazon ruft immer mehr Widerstand hervor: Weltweit
Quelle: labournet.de… vom 1. April 2020
Tags: Arbeiterbewegung, Arbeitskämpfe, Arbeitswelt, Covid-19, Gewerkschaften, USA
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