Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » Debatte

Zur Lohnfrage in Italien

Eingereicht on 13. November 2020 – 9:01

Eine kürzlich erschienene Studie der Fondazione Di Vittorio – ein nationales Forschungsinstitut der Gewerkschaft CGIL – vergleicht die Lohnentwicklung in sechs der grössten Wirtschaften der Eurozone (Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien). Der italienische Durchschnittslohn lag im Jahr 2019 bei 30.028 Euro (brutto), was eine leichte Erhöhung im Vergleich zum Jahr 2000 (29.124), aber eine Abnahme im Vergleich zu 2007 (30.172) bedetuet. In Belgien liegt der Durchschnittslohn bei 47.244 Euro, in Spanien bei 27.468 Euro.

Medialer jährlicher Bruttolohn für eine/n Vollzeit-Beschäftigte/n zu konstanten Preisen (2019) in den sechs grössten Ländern der EURO-Zone (2000 – 2019)

Die europäischen Lohnungleichheiten werden laut der Studie nicht durch steuerliche und sozialstaatliche Massnahmen ausgeglichen. Auch können sie nicht auf Unterschiede bezüglich Arbeitszeit zurückgeführt werden, Italien gehört sogar zu den Ländern mit der höchsten Arbeitszeit europaweit. Folgende Faktoren erklären laut der Stiftung hingegen die tiefen Durchschnittslöhne in Italien:

– Die Zusammensetzung des Arbeitsmarktes: In Italien gibt es im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele Jobs mit mittleren und tiefen Qualifikationen, Tendenz steigend.

– Eine weit verbreitete Prekarität: Diskontinuierlich befristete Anstellungen und die unfreiwillige Teilzeitarbeit sind in den letzten Jahren angestiegen, was sich auf die Löhne auswirkt.

– Ein grosser Bestandteil von working poor: rund 1,7 Millionen Arbeiter*innenhaben im 2018 ein steuerbares Einkommen von weniger als 6.000 Euro deklariert, über 5 Millionen erreichen nur knapp 10.000 Euro jährlich.

Diese Entwicklungen können nicht einfach auf die „unsichtbare Hand des Marktes“ zurückgeführt werden, sie sind vielmehr das Resultat von politischen Entscheidungen: Die unterschiedlichen Regierungen und Unternehmen haben auf die mangelnde „Wettbewerbsfähigkeit“ der italienischen Wirtschaft mit einer nur moderaten Entwicklung der Löhne geantwortet, was wiederum aber kleineres Wachstum und stagnierende Produktivität und Beschäftigung mit sich bringt.

Quelle: Telegram Chat „Italien News“ vom 11. November 2020; dies als Zusammenfassung der  erwähnten Studie unter https://www.fondazionedivittorio.it/sites/default/files/content-attachment/Questione_salariale_2020.pdf

Tags: , , ,