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Massenproteste in Elektronikfabriken in China und Indien

Eingereicht on 5. Januar 2021 – 10:16

Tausende von Leiharbeitern und -arbeiterinnen beteiligten sich am 19. Dezember an einem Massenprotest vor der Pegatron-Fabrik in Shanghai, nachdem Manager des in taiwanesischem Besitz befindlichen Elektronikunternehmens angeordnet hatten, dass sie fortan in einem anderen Werk in Kunshan arbeiten müssten.

Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich wegen ihren familiären Verpflichtungen in Shanghai weigerten, umzuziehen, würden entlassen werden und ihre Prämien einbüssen, die sich auf mehr als 10.000 Yuan belaufen könnten, was einen erheblichen Teil ihrer Gesamtlohnsumme ausmacht.

Die Polizei wurde zum Ort des Geschehens gerufen und es kam zu Handgreiflichkeiten, bevor sich die Manager bereit erklärten, die Versetzungspolitik zu überarbeiten und den Arbeitern und Arbeiterinnen die versprochenen Leistungen zuzugestehen.

Wie das China Labour Bulletin (CLB) in seiner Analyse die Herausforderungen aufgezeigt hat, mit denen Arbeiter und Arbeiterinnen im Globalen Süden während der Covid-19-Pandemie konfrontiert sind, haben Arbeiter und Arbeiterinnen in China und Indien mit sehr ähnlichen ausbeuterischen Praktiken in einem breiten Spektrum von Branchen zu kämpfen, wie z. B. in der Bekleidungs- und der Transportbranche. Die Elektronikindustrie kann zu dieser Liste hinzugefügt werden.

Der Pegatron-Protest in Shanghai kam nur eine Woche, nachdem ein Protest von Tausenden von Werktätigen in der Elektronikfabrik Wistron in Bangalore am 12. Dezember gewalttätig wurde und einen geschätzten Schaden von 7 Millionen US-Dollar verursachte.

Etwa 8.500 Leiharbeiterinnen und -arbeiter, darunter auch Studenten und Studentinnen, waren von sechs Arbeitsvermittlern angeheuert worden, um den Bedarf an Arbeitskräften bei Wistron während der Hauptproduktionszeit zu decken. Sie waren gezwungen worden, übermässig lange zu arbeiten und wurden dann um ihren Lohn betrogen, wie Untersuchungen der Landesregierung und der Gewerkschaften ergaben.

Die meisten der Leiharbeiter und -arbeiterinnen stammten aus verarmten Haushalten am Stadtrand von Bangalore und waren auf das zusätzliche Einkommen angewiesen, um Schulgebühren und andere Ausgaben zu bezahlen.

In Chinas Elektroniksektor überborden die Probleme regelmässig während der Spitzenproduktionszeiten, sind aber das ganze Jahr über in der Branche anzutreffen. Kürzlich, am 14. November, haben Arbeiter und Arbeiterinnen, die von einer Arbeitsagentur angeworben wurden, um in der Foxconn-Anlage in Chengdu zu arbeiten, einen Protest wegen ausstehender Löhne organisiert.

Die Streikkarte des China Labour Bulletin hat in den letzten drei Jahren 114 kollektive Proteste von Werktätigen in Elektronikfabriken in China aufgezeichnet, die etwa ein Drittel aller Proteste im verarbeitenden Gewerbe in diesem Zeitraum ausmachen. Die meisten Proteste fanden in den Küstenprovinzen Guangdong und Jiangsu statt.

Einer der grössten Proteste fand im April 2018 statt, als etwa 6.000 Werktätige bei Flex Electronics in Zhuhai drei Wochen lang streikten. Die Arbeiterinnen und Arbeiter forderten, dass Abfindungen im Voraus gezahlt werden, bevor Flex das Unternehmen an einen anderen Investor verkaufen sollte.

Den Arbeitern und Arbeiterinnen verweigerte die örtliche Gewerkschaft jede Hilfe; sie stellte sich in dem Streit vielmehr auf die Seite der Geschäftsführung. So blieb den Arbeiterinnen und Arbeitern schliesslich keine andere Wahl, als zur Arbeit zurückzukehren.

Ein Gewerkschaftsfunktionär aus Zhuhai rechtfertigte sein Vorgehen damals gegenüber dem CLB-Geschäftsführer Han Dongfang: «Das örtliche Parteikomitee hat uns angewiesen, für die soziale Stabilität zu sorgen. Es ist unsere administrative Verantwortung, in der Stabilitäts-Task-Force mitzuarbeiten.»

Der Beamte deutete an, dass der Streik von Agitatoren angezettelt worden sei, und dass «das Unternehmen bei der Eigentumsübertragung keine Gesetze verletzt hat».

Drei Jahre später gibt es immer noch wenig Anzeichen dafür, dass die Gewerkschaftsfunktionäre in Shanghai und anderswo viel tun, um die Interessen und den Lebensunterhalt der Werktätigen in Chinas Elektroniksektor zu schützen, insbesondere der Leiharbeiter und -arbeiterinnen, die keine formellen Arbeitsverträge haben.

Quelle: clb.org… vom 5. Januar 2021; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

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