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Die Krise des Imperialismus und das Gespenst eines Faschismus des 21. Jahrhunderts

Eingereicht on 25. Februar 2016 – 18:27

William I. Robinson. Die Krise des globalen Kapitalismus, des Imperialismus,  ist angesichts ihres Umfangs, ihrer globalen Tragweite, des Ausmasses der ökologischen Zerstörung und der sozialen Zerfallsprozesse und der Stufenleiter der eingesetzten Gewaltmittel einmalig. Wir stehen einer wirklichen Krise der Menschheit gegenüber. Es stand kaum je soviel auf dem Spiel: Es geht um unser aller Überleben. Wir befinden uns in einer Periode grosser Aufstände und Ungewissheiten, von plötzlichen Änderungen, voll von Gefahren aber auch voller Chancen. Ich möchte hier auf die Krise des globalen Kapitalismus und auf die Vorstellungen verschiedener politischer Lösungen eingehen, mit einem Hauptaugenmerk auf die Antworten der radikalen Rechten und auf die Gefahr eines – wie ich es nenne – Faschismus des 21. Jahrhunderts, insbesondere in den Vereinigten Staaten.

Die Krise ruft nach einer Analyse des kapitalistischen Systems [des Imperialismus], das im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte eine grundsätzliche Restrukturierung und eine tiefgehende Umwandlung erfahren hat. Wir leben nun in einer neuen, transnationalen oder globalen Periode des Kapitalismus, die ihre Anfänge in den 1970er Jahren hatte, die durch die Herausbildung eines wirklich transnationalen Kapitals und einer wirklich transnationalen Kapitalistenklasse, oder TKK, gekennzeichnet ist. Das transnationale Kapital konnte sich aus den nationalstaatlichen Schranken der Akkumulation der vorhergehenden Periode lösen. Es konnte dadurch die Beziehungen der Klassen und die Kräfteverhältnisse im Klassenkonflikt im Weltmassstab zu seinen Gunsten verschieben und die Stärke der Arbeiterklasse und der breiten Bevölkerung auf der ganzen Welt nach den Aufständen der 1960er und 1970er Jahren untergraben.

Das hervortretende transnationale Kapital weitete sich in den 1980er und 1990er Jahren massiv aus, wobei es zu einer Hyper-Akkumulation kam, dank den neuen Technologien wie den Computern und der Informatik, den neoliberalen Offensiven in der Politik und einer neuer Arten der Mobilisierung und Ausbeutung der globalen Arbeitskräfte – einschliesslich einer neuen massiven Runde von ursprünglicher Akkumulation, einer Entwurzelung und Verpflanzung von Hunderten Millionen von Menschen, gerade in den ländlichen Gebieten der Dritten Welt, die damit zu internen und transnationalen Migranten und Migrantinnen wurden.

Heute stehen wir einem System gegenüber, das viel integrierter ist, in dem die herrschenden Gruppen ein aussergewöhnliches Mass an transantionaler Macht und Kontrolle über globale Ressourcen und Institutionen verfügen.

Militaristische Akkumulation, Finanzspekulation und die Plünderung der Staatskassen

Das System geriet jedoch Ende der 1990er Jahre in eine anhaltende Krise. Eine scharfe soziale Polarisierung und eine um sich greifende Ungleichheit führten neben anderen Faktoren zu einer tiefen Überakkumulationskrise. Die extreme Konzentration des Reichtums der Erde in den Händen von Wenigen und die beschleunigte Verarmung und Enteignung der Mehrheit sorgten dafür, dass sogar die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des World Economic Forums in Davos im Jahre  2011 eingestehen mussten, dass die weltweite Kluft zwischen Arm und Reich “die ernsthafteste weltweite Herausforderung” darstellt und das Gespenst weltweiter Instabilität und von Bürgerkriegen aufsteigen lässt. Weltweite Ungleichheit und die Verarmung einer breiten Bevölkerungsmehrheit bedeuten, dass das transnationale Kapital nicht genügend Anlagemöglichkeiten findet, um die ungeheuren Mengen des akkumulierten Mehrwertes produktiv einzusetzen. Im 21. Jahrhundert wendet sich die TKK verstärkt hin zu Mechanismen der Aufrechterhaltung der globalen Akkumulation, der Profitschöpfung, angesichts dieser Krise.

Eine davon ist die militarisierte Akkumulation; mit einer Kriegsführung und mit Interventionen werden Zyklen von Zerstörung und Wiederaufbau in Gang gesetzt, die hohe Profite für den fortwährend expandierenden Militär-, Gefängnis-, Industrie-, Sicherheits- und Finanzkomplex generiert. Wir leben nun in einer globalen Kriegswirtschaft, die weit über solche “heissen” Kriege wie in Iraq oder Afghanistan hinausgeht.

Beispielsweise ist der Krieg gegen die Immigrantinnen und Immigranten in den Vereinigten Staaten und sonstwo und, allgemeiner noch, die Repression gegen soziale Bewegungen und gegen verletzliche Bevölkerungsgruppen eine Akkumulationsstrategie, unabhängig von irgendwelchen politischen Zielen. Dieser Krieg gegen die Immigrantinnen und Immigranten ist für die transnaitonalen Unternehmen äussert profitabel. In den Vereinigten Staaten ist der private Immigrations-Gefängnis-Insdustriekomplex eine wahre Boom-Industrie. Dokumentenlose Immigrantinnen und Immigranten stellen die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in den US-Gefängnissen dar; sie werden in privaten Haftanstalten inhaftiert und durch private Unternehmen deportiert, die durch den US-Staat unter Vertrag stehen.

So überrascht nicht, dass William Andrews, CEO der Corrections Corporation of America (CCA), dem grössten privaten US Vertragspartner für Haftanstalten für Immigrantinnen und Immigranten 2008 erklärte, dass “ die Nachfrage nach unseren Einrichtungen und Dienstleistungen ernsthaft gefährdet werden könnte durch eine Lockerung der Einwanderungsbestimmungen… oder durch eine Entkriminalisierung [der Immigrantinnen und Immigranten]”. Es ist auch keine Überraschung, dass die CCA und andere Unternehmen die Flut einer neo-faschistischen ausländerfeindlichen Gesetzgebung in Arizona und anderen US-Bundesstaaten finanziert haben.

Eine zweite Strategie besteht in der Erstürmung und der Plünderung der öffentlichen Gelder. Das transnationale Kapital nutzt seine finanzielle Macht, um die Staatsfinanzen zu kontrollieren und der arbeitenden Bevölkerungsmehrheit  weitere Austeritätsmassnahmen aufzubürden, was zu noch grösserer sozialen Ungleichheit und Not führt. Die TKK hat ihre strukturelle Macht benutzt, um die Zerschlagung der verbliebenen Überreste des Soziallohns und des Wohlfahrtstaates voranzutreiben.

Eine dritte Strategie besteht in der ausser Rand und Band geratenen Finanzspekulation, die die globale Ökonomie in ein riesiges Kasino verwandelt. Die TKK hat Billionen von Dollars in die Spekulation in den Märkten für Grundstücke, für Nahrungsmittel, für Energie und andere Märkte, in die weltweiten Märkte mit Staatspapieren und in jede vorstellbare Form von Derivativen, die von Hedgefunds zu Swaps, den Handel mit Futures, seitlich abgesicherten Schuldpapieren, Vermögenspyramiden und Ponzi-Plänen gesteckt. Der Zusammenbruch von 2008 war lediglich der Strohhalm, der den Rücken des Kamels zum Einbrechen brachte.

Dies ist keine zyklische sondern eine strukturelle Krise – eine Restrukturierungskrise, wie wir sie in den 1970er Jahren und früher in den 1930er Jahren hatten – die das Potenzial hat, zu einer systemischen Krise zu werden, je nachdem, wie die sozialen Akteure eingreifen. Eine Restrukturierungskrise bedeutet, dass der einzige Weg aus der Krise in einem Umbau des Systems besteht, während eine systemische Krise nur durch eine Änderung des Systems gelöst werden kann. Perioden der Krise sind Perioden rascher sozialer Verwerfungen, wo kollektive Akteuere und Zufälle eine viel grössere Rolle spielen als in Zeiten des Gleichgewichtes.

Antworten auf die Krise und Obamas Weimarer Republik

Angesichts der Krise scheinen seitens der Staaten, der gesellschaftlichen und der politischen Kräfte verschiedene Antworten möglich zu sein. Drei stechen besonders hervor: Globaler Reformismus; andauernde breite und linke Kämpfe von unten; radikal-rechte Antworten mit einem Faschismus des 21. Jahrhunderts. Allem Anschein nach entwickelt sich eine weltweite politische Polarisierung zwischen der Rechten und der Linken, alle beide aufständische Kräfte.

In den Vereinigten Staaten ist ein neo-faschistischer Aufstand gut erkennbar. Der Aufstand hat bereits vor einigen Jahrzehnten eingesetzt, anlässlich der Mobilisierungen der radikalen Rechten im Gefolge der Hegemoniekrise , die durch die Massenkämpfe der 1960er und 1970er Jahre ausgelöst wurde, insbesondere durch die Befreiungskämpfe der Schwarzen und der Chicanos und von Kämpfen der Völker der Dritten Welt, Strömungen der Gegenkultur und von militanten Kämpfen der Arbeiterklasse. Die neo-faschistischen Kräfte reorganisierten sich vor allem während der Regierungszeit von George W. Bush. Meine Erzählung setzt jedoch erst mit der Wahl von Obama ein.

Das Obama-Projekt war von Anbeginn an ein Versuch der herrschenden Gruppen, ihre Hegemonie nach deren Schwächung in der Periode von George W. Bush wiederherzustellen; dies ging einher mit einer Stärkung einer Massenbewegung für die Rechte der Immigrantinnen und Immigranten. Die Wahl Obamas bedeutete für das System auf kultureller und ideologischer Ebene eine Herausforderung und die ethnischen Grundlagen durcheinandergebracht, auf denen die US-Republik bislang gründete. Das Obama-Projekt hatte jedoch nie die leiseste Absicht, die sozio-ökonomische Ordnung herauszufordern. Ganz im Gegenteil war es so angelegt, dass die herrschende Ordnung mittels einer Wiederherstellung der Hegemonie aufrechterhalten und gestärkt werden konnte; dies sollte durch eine passive Revolution zur Eindämmung der Unzufriedenheit der breiten Bevölkerung und des sich ausbreitenden Widerstandes bewerkstelligt werden, der sich gegen Ende der Präsidentschaft von George W. Bush zusammenbraute.

Der italienische Marxist Antonio Gramsci formulierte das Konzept der passiven Revolution zur Beschreibung der Anstrengungen der herrschenden Gruppen, von oben sehr begrenzte Änderungen einzuführen, um den Druck von unten für viel weitergehende Änderungen zu untergraben.  Ein integraler Bestandteil der passiven Revolution ist die Kooptation der Führung von unten und ihre Integration in das Projekt der Herrschenden. Die herrschenden Kräfte in Ägypten, Tunesien und sonstwo im Mittleren Osten, in Europa und in Nordamerika versuchen, solche passive Revolutionen durchzuführen. Hinsichtlich der Bewegung für die Rechte der Immigrantinnen und Immigranten in den Vereinigten Staaten – einer der vitalsten Bewegungen in diesem Lande –  wurden Leute aus dem moderaten Flügel der Latino-Oberschicht in die Führungsschicht der Obama-Administration und der Demokratischen Partei gebracht: Ein klassischer Fall einer passiven Revolution also, wobei die breiten Massen der Immigrantinnen und Immigranten einer verschärften staatlichen Repression unterworfen worden.

Obamas Kampagne knüpfte da an und half, die Massenmobilisierungen und die breiten Erwartungen auf Veränderungen auszuweiten, in einem Masse, wie es in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Das Obama-Projekt kooptitierte diesen sich von unten zusammenbrauenden Sturm, kanalisierte ihn in die Wahlkampagne und verriet alsdann jene Erwartungen, als die Demokratische Partei den Aufstand von unten wirksam mit einem Mehr an passiver Revolution demobilisierte.

In iesem Sinne schwächte das Obama-Projekt die Antwort der breiten Bevölkerung und der Linken auf die Krise, was wiederum der Rechten einen Raum für ihre Antwort eröffnete – für ein Projekt eines Faschismus des 21. Jahrhunderts – , einem Projekt des Aufstandes der radikalen Rechten. In diesem Sinne erscheint die Obama-Administration wie die Weimarer Republik. Obschon die Sozialdemokraten während der Weimarer Republik in Deutschland in den 1920er und frühen 1930er Jahren an der Macht waren, verfolgten sie keine linke Antwort auf die Krise, sondern schoben die kämpferischen Gewerkschaften, die Kommunisten und die kämpferischen Sozialisten beiseite und strichen dem Kapital und der Rechten um den Bart, bevor sie die Macht dann 1933 den Nazis überliessen.

Der Faschismus des 21. Jahrhunderts in den USA

Ich verwende den Begriff des Faschismus nicht leichtfertig und unüberlegt. So gibt es in der politischen und sozialen Wirklichkeit zentrale Merkmale des Faschismus des 21. Jahrhunderts, die ich folgendermassen definiere:

1)      Die Verschmelzung des transnationalen Kapitals mit der reaktionären politischen Macht

Diese Verschmelzung entwickelte sich vor allem während der Zeit der Bush-Regierung und hätte sich unter einer Regentschaft von McCain-Palin vertieft. In der Zwischenzeit wurden solch neo-faschistischen Bewegungen wie die Tea-Party Bewegung und die neo-faschistische Gesetzgebung wie das Anti-Einwanderungsgesetz in Arizona, SB1070, durch das Grosskapital breit finanziert. Vor allem drei Sektoren des transnationalen Kapitals traten hervor in der Suche nach faschistischen politischen Arrangements zur Schaffung von günstigen Akkumulationsbedingungen: Das speculative Finanzkapital, der militärische-industrielle- Sicherheits-Komplex und der Bergbau und der Energiesektor, insbesondere der Erdölsektor.

  • 2) Die Militarisierung und die extreme Maskulinisierung

Mit der Intensifierung der militarisierten Akkumulation hat sich das Budget des Pentagons in den 12 Jahren [bis 2011] real um 91 % erhöht, während sich der Einfluss der obersten Militärs auf die politischen Entscheidungen ständig ausgeweitet hat.

3)      Sündenböcke zur Ablenkung sozialer Spannungen und Widersprüche

Dabei handelt es sich vor allem um Muslime, Immigrantinnen und Immigranten. Kürzlich berichtete das Southern Poverty Law Center, dass die “drei Strömungen der radikalen Rechten – Hassgruppen, extremistische Heimatgruppen und patriotische Organisationen – von 2009 bis 2010 von 1’793 auf 2´145 um 20 % zugelegt haben, nachdem sie von 2008 bis 2009 um 40 % gewachsen waren”.

Ein Bericht des Department of Homeland Security aus dem Jahre 2010 hält fest, dass “die Extremisten der radikalen Rechten neue Anhänger finden könnten, indem sie mit den Ängsten um neue Katastrophen spielen. Die wirtschaftliche Krise und die Wahl des ersten Präsidenten mit afro-amerikanischen Wurzeln stellen einzigartige Motive für eine Radikalisierung nach rechts dar”. Der Bericht schliesst daraus, dass “während der vergangenen fünf Jahre verschiedene rechtsradikale Gruppierungen, einschliesslich von bewaffneten Gruppen und Gruppen, die auf die Überlegenheit der weissen Rasse setzen, die Frage der Einwanderung benutzt haben, um zum Handeln aufzurufen und sich als Sammelort all jener profiliert haben, die endlich zur Tat schreiten wollen”.

4)      Eine Massenbasis

Eine solche Massenbasis wurde unter Teilen der weissen Arbeiterklasse organisiert, die sich historisch rassischer Kastenprivilegien erfreute und mittlerweile, mit der Durchsetzung des neoliberalen Akkumulationsmodells, sozial herabgestuft und deklassiert wurden und die Sicherheiten und die Stabilitäten verloren, die sie in der vorhergehenden Periode des Fordismus-Keynesianismus eines eher national orientierten Akkumulationsmodells genossen haben.

5)      Eine fanatische millenaristische Ideologie einer kulturellen und rassistischen Überlegenheit, die eine idealiserte mythologische Vergangenheit und eine rassistische Mobilisierung gegen Sündenböcke umfasst.

Die Ideologie des Faschismus des 21. Jahrhunderts beruht – wie jede reaktionäre Ideologie – auf irrationalen Mustern: Das Versprechen der Schaffung von Sicherheit und der Wiederherstellung von Stabilität beruht auf Gefühlsregungen und ist nicht rational. Der Faschismus des 21. Jahrhunderts ist ein Projekt, das nicht zwischen Wahrheit und Lüge unterscheidet – und dies auch nicht tun muss.

6)      Eine charismatische Führungsfigur

So eine Führungsfigur fehlt vorderhand in den USA, obwohl Leute wie Sarah Palin und Glen Beck archetypisch dafür stehen.

Der tödliche Kreislauf von Akkumulation-Ausbeutung-Ausschluss

Eine strukturelle Dimension des globalen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts besteht in der dramatischen Ausweitung der globalen Überflussbevölkerung – dem marginalisierten Teil, der aus dem kapitalistischen Produktionsprozess ausgesperrt ist. Dieser Teil umfasst heute um einen Drittel der Menschheit. Die Notwendigkeit, diese Masse der Menscheit, die in den sich ausdehnenden Slums leben oder als Flüchtlinge unterwegs sind, unter Kontrolle zu halten, verleiht den neo-faschistischen Projekten einen mächtigen Impuls und erleichtert so den Übergang vom Wohlfahrtsstaat zu Staaten, die auf sozialer Kontrolle basieren, eigentlichen Polizeistaaten. Das System wird somit immer gewalttätiger.

Theoretisch können – unter den Bedingungen der kapitalistischen Globalisierung – die beiden widersprüchlichen Funktionen der Staaten von Akkumulation und Legitimation nicht gleichzeitig erfüllt werden. Die wirtschaftliche Krise verschärft für die herrschenden Gruppen das Problem der Legitimation. Akkumulationskrisen wie die gegenwärtige generiern soziale Konflikte und scheinen politische Krisen in die Höhe zu treiben. Im Wesentlichen bricht die Fähigkeit des Staates als “Kohäsionsfaktor” innerhalb einer sozialen Ordnung zusammen, und zwar in dem Ausmass, wie die kapitalistische Globalisierung , die Logik der Akkumulation und die Warenform in alle Lebensbereiche vordringen, so dass die Herstellung von “sozialer Kohärenz” einen immer grösseren Aufwand an Kontrolle erfordert.

Die soziale Abstiegsspirale und der Ausschluss haben sich seit 2008 beschleunigt. Das System hat breite Teile der Menschheit hinter sich gelassen, die nun an einen tödlichen Zusammenhang von Akkumulation-Ausbeutung-Ausschluss gefesselt sind. Das System versucht nicht einmal, diese Überfluss-Bevölkerung einzubeziehen. Vielmehr wird versucht, deren wirkliche oder mögliche Rebellion zu isolieren und zu neutralisieren, indem die Armen und die Besitzlosen kriminalisiert werden, in einzelnen Fällen bis hin zu Tendenzen des Genozides.

Da der Staat die Anstrengungen einstellt, seine Legitimität unter der breiten Bevölkerung zu sichern, die zu Mehrarbeit oder zu überausgebeuteter Arbeit gezwungen wird, greift er zu einer Unmenge von Mechanismen gewaltmässigen Ausschlusses: Massenhafte Einkerkerung und den industrialisierten Gefängniskomplex, die alles umfassende Überwachung, die Manipulation des Raumes mit neuen Mitteln, nach einer äusserst repressiven Anti-Einwanderungsgesetzgeung, ideologischen Kampagnen, die mittels armseligem Konsum und Phantasien die Leute zur Passivität verleiten sollen.

Ein Faschismus des 21. Jahrhunderts wird nicht gleich aussehen wie der Faschismus des 20. Jahrhunderts. Unter anderem haben die herrschenden Gruppen eine viel weiter reichende Fähigkeit der Kontrolle und der Manipulation des Raumes. Ihre Kontrolle über die Massenmedien, die Kommunikationsmittel und die Produktion von Symbolen, Bildern und Botschaften verleiht ihnen nie  dagewesenen Mittel, die Repression selektiver auszuüben (wie wir dies beispielsweise in Mexico und Kolumbien sehen können) und dabei auch juristisch besser organisert vorzugehen, so dass die massenhafte “legale” Einkerkerung an die Stelle von Konzentrationslagern tritt. Überdies erlaubt die Ausstattung mit wirtschaftlicher Macht weitgehend den Ausgang von Wahlen zu bestimmen. Damit könnte der Faschismus des 21. Jahrhunderts an die Macht gelangen, ohne notwendigerweise die Wahlzyklen zu unterbrechen und ohne die verfassungsmässige Ordnung aus den Angeln zu heben.

Die vereinigten Staaten können zur Zeit nicht als faschistisch charakterisiert werden. Nichtsdestotrotz sind alle Voraussetzungen und alle Prozesse dafür zumindest ansatzmässig vorhanden und dringen in die politischen und sozialen Zusammenhänge ein; die sozialen und politischen Kräfte hinter einem solchen Projekt mobilisieren schnell und gründlich. Im Allgemeinen haben uns viele Bilder über die vergangenen Jahre gezeigt, wie ein solches Projekt aussehen könnte, Bilder, die sich von der israelischen Invasion des Gaza-Streifens und der ethnischen Säuberung der Palästinenserinnen und Palästinenser über die Repression der Immigrantinnen und Immigranten, die Tea Party Bewegung in den Vereinigten Staaten, den Völkermord im Kongo, die Besetzung von Haiti durch die USA und die UN-Truppen, die Ausbreitung von Neo-Nazi Gruppen und Skinheads in Europa und bis zur verschärften indischen Unterdrückung im besetzten Kaschmir reicht.

Das Gegengewicht zum Faschismus des 21. Jahrhunderts muss in einem koordinierten Kampf der globalen Arbeiterklasse bestehen. Die einzige wirkliche Lösung der Krise des globalen Kapitalismus besteht in der massiven Neuverteilung des Reichtums und der Macht in Richtung der armen Mehrheit der Menschheit. Und der einzige Weg für eine solche Umverteilung führt über einen transnationalen Kampf von unten.

Quelle: Focus on the Global South vom 8. Mai 2011; Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche – mit leichten Änderungen – durch Redaktion maulwuerfe.ch

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