Milliardengewinne für die Reichen, Hunger für die Armen
John Malvar. Der am Donnerstag veröffentlichte Welthunger-Index (GHI) für das Jahr 2021 zeigt, dass die Zahl der Hungernden unter der armen und arbeitenden Bevölkerung rund um den Globus stark zunimmt.
Im Vorwort, das von den Leitern der Welthungerhilfe und von Concern Worldwide, den für das GHI verantwortlichen Organisationen, verfasst wurde, heißt es, der Bericht zeige „eine besorgniserregende Hungersituation auf, die aus dem verheerenden Wirkungsgefüge von Klimakrise, Covid-19-Pandemie und immer schwereren und langwierigeren Konflikten entsteht.“
Steigende Lebensmittelpreise sind ein entscheidender Faktor für die Zunahme des Hungers auf der Welt im vergangenen Jahr. Die rasch ansteigende Inflation und die Unterbrechung der Lieferketten des globalen Kapitalismus treiben die Preise für alle grundlegenden Konsumgüter in die Höhe. Die U.S. Energy Information Authority berichtete, dass fast die Hälfte aller US-Haushalte, die mit Erdgas heizen, in diesem Winter durchschnittlich 30 bis 50 Prozent mehr für das Heizen bezahlen werden als im letzten Jahr.
Der reale Stundenlohn amerikanischer Arbeiter ist seit Januar um 1,9 Prozent gesunken. Arbeiter in Ländern rund um den Globus sind mit einer ähnlichen Situation konfrontiert, einer Situation, die unerträglich geworden ist. Außerstande ihre Miete zu zahlen, angemessene Lebensmittel zu kaufen oder sich mit Treibstoff zu versorgen, werden sie in den Kampf getrieben.
Sie sind mit einem Gesellschaftssystem, dem Kapitalismus, konfrontiert, das sie ausbeutet, überarbeitet und dann ohne das Lebensnotwendige zurück lässt. Die Produzenten der Güter der Welt stehen ohne Mittel zum Überleben da. Nirgendwo wird dies deutlicher als bei der explosionsartigen Zunahme des Hungers in der Welt.
Der GHI-Bericht über den Hunger erscheint eine Woche nach der hochrangigen Veranstaltung der Vereinten Nationen „Action in Support of Preventing and Ending Famine Now“. Der Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), Qu Dongyu, sagte vor der Versammlung: „Wir sehen uns heute an mehreren Fronten mit einer beispiellosen Nahrungsmittelkrise konfrontiert. Hungersnot und hungerbedingte Todesfälle sind eine Realität. […] Gegen Ende des Jahres 2021 hat sich die Situation weiter verschlechtert.“
Der Bericht stellt fest, dass der Hunger in fast 50 Ländern weiterhin ein „ernstes, sehr ernstes oder gravierendes Ausmaß“ hat. „Nach Jahrzehnten des Rückgangs steigt die weltweite Verbreitung von Unterernährung“, heißt es weiter.
Dem GHI zufolge sind drei Faktoren für den Anstieg des Welthungers verantwortlich, der 41 Millionen Menschen an den Rand einer Hungersnot getrieben hat: „Konflikte, Klimawandel und die Covid-19-Pandemie.“
Angetrieben durch die Inflation und die durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Verwerfungen steigen die Weltmarktpreise für Lebensmittel rapide an. Der FAO-Lebensmittelpreisindex (FFPI), der die Veränderung der internationalen Preise eines Warenkorbs von Nahrungsmitteln misst, meldete im September, dass die Preise um 32,8 Prozent höher waren als ein Jahr zuvor. Die Preise für die wichtigsten Grundnahrungsmittel stiegen sogar noch stärker: Der Preis für Weizen stieg um 41 Prozent und für Mais um 38 Prozent gegenüber September 2020.
In diesen Zahlen steckt unermessliches Elend. Einem Artikel zufolge, der im Juli in Nature Food veröffentlicht wurde, konnten sich drei Milliarden Menschen vor der Pandemie keine gesunde Ernährung leisten. Steigende Lebensmittelpreise und allgemein steigende Preise für Konsumgüter haben die Situation deutlich verschlechtert. Während sich vor Covid-19 43 Prozent der Weltbevölkerung keine gesunde Ernährung leisten konnten, waren es Ende 2020 bereits 50 Prozent.
Ein Anstieg der Lebensmittelpreise um 32 Prozent hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Armen. In unterentwickelten Ländern gibt die Mehrheit der Bevölkerung zwischen 40 und 60 Prozent des Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus. Die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten geben zwischen 30 und 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus. Steigende Preise bedeuten entweder, dass die Miete und andere Ausgaben nicht mehr bezahlt werden können, oder dass die Qualität und der Gesamtkaloriengehalt der verzehrten Lebensmittel reduziert werden müssen.
Der Massenhunger und die Unterernährung, mit denen ein großer Teil der Arbeiterklasse der Welt konfrontiert ist, ist eine soziale Katastrophe, keine natürliche. Es handelt sich um ein ungeheures Verbrechen, das von der Kapitalistenklasse auf der ganzen Welt begangen wird.
Die drei vom GHI identifizierten Faktoren, die den Hunger in der Welt anheizen – Konflikte, die wirtschaftlichen Verwerfungen der Pandemie und der Klimawandel – sind alle das Ergebnis des irrationalen und räuberischen Charakters des Kapitalismus.
Der starke Anstieg des Welthungers im vergangenen Jahr ist vor allem eine Folge des kriminellen Umgangs der kapitalistischen Regierungen rund um den Globus mit der Covid-19-Pandemie. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf den weltweiten Nahrungsmittelverbrauch zählte die FAO „Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln, Bewegungseinschränkungen, die die Aktivitäten auf dem Markt und bei den Viehzüchtern gleichermaßen einschränken, steigende Inflation und sinkende Kaufkraft.“
Derzeit fallen 2,37 Milliarden Menschen in die Kategorie der „Ernährungsunsicherheit.“ Die meisten ernähren sich von einer oder zwei kleinen Mahlzeiten am Tag, die oft nur aus Getreide, einer mageren Fettquelle und etwas Gemüse bestehen.
Überall auf der Welt müssen berufstätige Eltern hungern, damit ihre Kinder etwas zu essen haben. Sie erfinden Wege, um ihre Nahrung zu erweitern. Sie finden Wege, um Reste zu kochen. Sie betäuben Hungergefühle mit Instant-Kaffee. Sie essen Reis mit ein bisschen Fischpaste und einem Klecks Pflanzenöl.
In weiten Teilen der Welt werden lebensnotwendige Güter in kleinen Einheiten verkauft, da sich die meisten Menschen nicht mehr als das leisten können. Reis wird tassenweise gekauft, Öl in einem kleinen verschlossenen Plastikbeutel.
Das Problem der Unterernährung und des Hungers stellt die Arbeiterklasse selbst im reichsten Land der Welt vor Probleme. Amerikanische Innenstädte sind Lebensmittelwüsten, in denen die nächstgelegene Quelle für gesunde Lebensmittel oft meilenweit entfernt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar ist. Im nächstgelegenen Spirituosengeschäft gibt es höchstens Dosenfleisch und Cornflakes. Vor den Lebensmitteltafeln bilden sich Schlangen, die sich oft über einen ganzen Häuserblock erstrecken. Jeder fünfte Amerikaner war im Jahr 2020 auf die Hilfe von Lebensmitteltafeln angewiesen.
Jeden Tag gehen nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) mehr als 700 Millionen Menschen, d. h. 8,8 % der Weltbevölkerung, mit leerem Magen zu Bett. Hunger und Unterernährung bedeuten eine verkürzte Lebenserwartung, eine verkümmerte geistige Entwicklung, den vorzeitigen Tod geliebter Menschen, sie bedeuten Witwen und Waisen und kinderlose Eltern.
Die Krise der Pandemie, das Bestreben der Kapitalistenklasse, die Arbeiter zurück in die Fabriken zu zwingen, und die steigenden Kosten für Lebensmittel und andere Grundgüter führen zu einem explosiven Anwachsen des weltweiten Klassenkampfes. Die Arbeiter auf der ganzen Welt kommen in Bewegung, gegen die Kapitalistenklasse und gegen die korporatistischen Gewerkschaften, die jahrzehntelang ihre Kämpfe im Keim erstickt haben. Sie sind in einen Kampf um ihr Leben verwickelt, in dem es darum geht, wie die Ressourcen der Gesellschaft verteilt werden.
Der enorme Reichtum der Menschheit, das Produkt unserer gemeinsamen Arbeit, reicht aus, um jeden Menschen auf diesem Planeten zu ernähren, zu kleiden, zu beherbergen und ihm ein reiches und sinnvolles Leben zu ermöglichen.
Diese immensen Ressourcen werden jedoch von einer Handvoll Milliardäre und Superreicher kontrolliert, die parasitär von der Ausbeutung der Arbeiterklasse der Welt profitiert haben und diesen Reichtum verschleudern. Sie sind durch die Pandemie noch reicher geworden. Im Laufe des Jahres 2020 haben die Milliardäre der Welt ein zusätzliches Privatvermögen von 1,9 Billionen Dollar erscheffelt.
Elon Musk, Richard Branson und Jeff Bezos konkurrieren miteinander um selbstgefällige Weltraumflüge, während sich ein Großteil der Weltbevölkerung keine gesunde Ernährung leisten kann. Alle Menschen auf der Welt zu ernähren, kann sich die Gesellschaft leisten – Milliardäre nicht.
#Titelbild: Autoschlange an der mobilen Tafel der Utah Food Bank im Maverik Center am Freitag, 24. April 2020, in West Valley City, Utah [Credit: AP Photo/Rick Bowmer]
Quelle: wsws.org… vom 16. Oktober 2021
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