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Erklärung gegen russische Invasion in der Ukraine und die NATO in Osteuropa
Eingereicht admin
on 3. März 2022 – 11:05
Nein zum Krieg! Russische Truppen raus aus der Ukraine! NATO raus aus Osteuropa! Nein zur imperialistischen Aufrüstung! Für die internationale Einheit der Arbeiter:innenklasse! Für eine unabhängige Politik in der Ukraine gegen die russische Besatzung und die imperialistische Vorherrschaft! Erklärung der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale (FT-CI), Herausgeberin des Internationalen Zeitungsnetzwerk La Izquierda Diario, zur russischen Invasion in der Ukraine.
- Die militärische Besetzung der Ukraine durch Russland, die wir strikt ablehnen, hat Auswirkungen auf die gesamte internationale Situation: Es gibt bereits fast 700.000 ukrainische Geflüchtete in den angrenzenden europäischen Ländern, die Großmächte verschärfen ihren Militarismus und rüsten auf. Während Russland 190.000 Soldaten in der Ukraine einsetzt und die Belagerung der wichtigsten Städte des Landes verstärkt (Bombardierung der politischen Machtzentren und nicht nur der Militäreinrichtungen), haben die NATO-Mächte harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt (z. B. Abtrennung eines großen Teils seiner Geschäfte vom SWIFT-System und Einfrieren der Reserven der russischen Zentralbank) und der ukrainischen Regierung Waffen und logistische Unterstützung geschickt. Gleichzeitig haben Deutschland und die EU als Ganzes eine Kehrtwende vollzogen und gehören nun zu den enthusiastischsten Befürwortern von Maßnahmen gegen Russland, nachdem sie sich zuvor am meisten gegen Sanktionen gesträubt hatten. Deutschland hat unter der von der sozialliberalen SPD geführten Koalitionsregierung eine wahrhaft historische Kehrtwende vollzogen: Sie genehmigte die Lieferung tödlicher Waffen an Konfliktländer und bewilligte zusätzliche 100 Milliarden Euro für seinen Militärhaushalt, der auf mehr als zwei Prozent seines BIP steigt. Außerdem hat die Ampelregierung Bundeswehrtruppen in Litauen, Rumänien und der Slowakei stationiert. Das Europäische Parlament hat seinerseits dafür gestimmt, Schritte für einen EU-Beitritt der Ukraine zu unternehmen. Als Teil der imperialistischen Politik der Aufrüstung und der Stärkung des Militärinterventionismus, die sich in Deutschland am stärksten ausdrückt, kündigte auch Schweden die Lieferung von Panzerabwehrwaffen an die Ukraine an (die schwedischen Vorschriften verbieten den Export von Waffen in Länder, die sich im Krieg befinden, von Ausnahmen abgesehen). Die Schweiz kündigte an, die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen zu übernehmen (und damit mit ihrer seit 1815 aufrechterhaltenen Neutralität zu brechen). Und die EU beschloss gemeinsam, in einem beispiellosen Schritt Waffen im Wert von 500 Millionen Dollar zu kaufen und an die Ukraine zu liefern. Auch wenn die NATO-Mächte derzeit nicht in eine direkte militärische Konfrontation mit Russland eintreten wollen, könnten alle Unwägbarkeiten, insbesondere wenn der Konflikt länger andauert, zu einer Eskalation und einer Ausweitung des militärischen Einsatzgebietes führen.
- Die russische Invasion in der Ukraine ist eine eindeutig reaktionäre Aktion, bei der eine Macht mit der drittgrößten Armee der Welt und Atomwaffen militärisch in einen angrenzenden Staat eindringt, um ihre eigenen Bedingungen und Interessen durchzusetzen. Das Ziel der Besetzung scheint darin zu bestehen, einen „Regimewechsel“ in der Ukraine herbeizuführen, indem eine mehr oder weniger Putin-freundliche Regierung eingesetzt wird, sei es mit oder ohne Abtrennung eines Teils des derzeitigen ukrainischen Territoriums. Oder zumindest die Akzeptanz russischer Forderungen durch eine von der militärischen Besetzung getriebenen ukrainischen Regierung durchzusetzen. Jede linke oder antiimperialistische Position muss diese von Putins autokratischer Regierung beschlossene Besetzung offen und nachdrücklich ablehnen und den sofortigen Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem gesamten ukrainischen Hoheitsgebiet fordern. Gleichzeitig muss sie die ukrainische Bevölkerung, die mit der Besatzung konfrontiert ist, ermutigen, eine von der pro-imperialistischen Selenskyj-Regierung und den verschiedenen reaktionären nationalistischen Kräften, die den NATO-Mächten untergeordnet sind, unabhängige Position einzunehmen. Eine solche Position muss das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung von Donezk und Luhansk einschließen. Ohne dieses Recht ist die Überwindung der derzeitigen Spaltung der Bevölkerung zwischen konkurrierenden Führungen in der Frage, ob sie sich Putin oder dem westlichen Imperialismus unterordnen sollen, unmöglich. Auch in den separatistischen Republiken der Ostukraine ist es notwendig, sich der russischen Besatzung zu widersetzen und der Demagogie Putins entgegenzutreten, der die berechtigten Forderungen der russischstämmigen Bevölkerung für seine eigenen Interessen ausnutzt. In Russland organisieren sich bereits Tausende, gehen gegen den Krieg auf die Straße und leiden unter Massenverhaftungen, während die Bevölkerung die Auswirkungen der Sanktionen durch die Abwertung des Rubels und die steigende Inflation zu spüren bekommt. Verschiedene Analyst:innen sind der Meinung, dass Putins Militäraktion zu einem Abenteuer werden könnte, da er beabsichtigt, ein Land mit 44 Millionen Einwohner:innen mit einer ihm größtenteils feindseligen Bevölkerung und einem Gebiet, das dreimal so groß ist wie Großbritannien, zu besetzen. Eine politische Entscheidung, die in Russland selbst nicht populär ist und von den USA und den europäischen Imperialismen abgelehnt wird. Gegen die verschiedenen reaktionären Nationalismen und gegen den Imperialismus, zur Verteidigung aller unterdrückten Völker und ihrer nationalen Rechte ist die Entwicklung der internationalen Einheit der Arbeiter:innenklasse unerlässlich.
- Wie er selbst klarstellt, hat Putin nichts mit dem Kommunismus oder der Linken zu tun, wie es Nostalgiker:innen des Kalten Krieges lächerlicherweise darstellen. Vielmehr vertritt er Teile der Cliquen, die die Restauration des Kapitalismus in der ehemaligen Sowjetunion gefördert und davon profitiert haben. Ihre Politik gegenüber den Nachbarländern baut auf der nationalen Unterdrückung durch den Zarismus oder den Stalinismus auf und ist Ausdruck des schlimmsten reaktionären russischen Nationalismus. Es verkörpert ein autokratisches Regime, das die politische Opposition verfolgt und kriminalisiert, die Rechte von Minderheiten, Frauen und der LGBT-Gemeinschaft angreift und derzeit schon mehr als 3000 Menschen bei Antikriegsdemonstrationen hat verhaften lassen. Putin hat die Forderungen des tschetschenischen Volkes mit Blut und Feuer niedergeschlagen und hat vor Kurzem in Belarus und Kasachstan interveniert, um reaktionäre Regierungen zu unterstützen, die von Massenmobilisierungen herausgefordert wurden. Auf internationaler Ebene war sein Eingreifen der Schlüssel zur Aufrechterhaltung des blutrünstigen Assad-Regimes in Syrien, was in einem reaktionären Krieg ohne progressive Lager gipfelte. Ihre Politik der Verweigerung nationaler Rechte für das ukrainische Volk steht in klarem Gegensatz zum Bolschewismus der Zeiten Lenins und Trotzkis, der in der aus der Oktoberrevolution hervorgegangenen Sowjetunion das Recht der Ukraine und aller unter dem Zarismus unterdrückten Nationen auf nationale Selbstbestimmung, ja sogar auf Abspaltung verteidigte. Dieses Recht hielten sie für unverzichtbar, um die Einheit der Arbeiter:innenklasse zu erreichen.
- Die Vereinigten Staaten und die europäischen imperialistischen Mächte, die die NATO kontrollieren und für zahlreiche Interventionen und militärische Besetzungen in der ganzen Welt verantwortlich sind (u.a. Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und das ehemalige Jugoslawien), haben ihrerseits harte Wirtschaftssanktionen verhängt, die in erster Linie die Zivilbevölkerung treffen. Sie haben einige russische Banken und Handelsunternehmen vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen, Russland die Nutzung ihres Luftraums untersagt und der ukrainischen Selenskyj-Regierung Waffen, Finanzmittel und logistische Unterstützung zukommen lassen. Die USA haben russische Diplomat:innen, die der Spionage beschuldigt werden, des Landes verwiesen. In der Europäischen Union wurden auch Zensurmaßnahmen gegen russische Medien wie Russia Today und Sputnik ergriffen und andere Einschränkungen demokratischer Freiheiten vorgenommen. Auf diese Weise versuchen sie, ein Pressemonopol für diejenigen zu errichten, die die Versionen der NATO-Staaten über das Geschehen verbreiten: Sie tun in ihren Ländern das, was sie Putin in Russland vorwerfen. Die imperialistischen Nationen sind nicht an „Unabhängigkeit und Demokratie“ in der Ukraine interessiert, wie sie zynisch behaupten. Auch wenn sie sich im Moment nicht auf eine direkte militärische Konfrontation mit den russischen Streitkräften einlassen, nutzen sie die derzeitige Besetzung für ihre eigene militärische Aufrüstung. Sie versuchen, sich für eine Halbkolonisierung nicht nur der Ukraine (die unter dem Stiefel des IWF und des „westlichen“ Imperialismus eines der ärmsten Länder Osteuropas ist), sondern Russlands selbst in Stellung zu bringen, falls sich Putins politisches und militärisches Kalkül als falsch erweist und er von der Gewalt der Ereignisse hinweggefegt wird. Seit der Auflösung der Sowjetunion hat die NATO in ihrer Osterweiterung ihre Mitgliederzahl verdoppelt und Truppen und Raketen gegen Russland stationiert. Dies, obwohl US-Außenminister James Baker Gorbatschow versprochen hatte, das Atlantische Bündnis nicht zu erweitern, damit dieser die deutsche Wiedervereinigung akzeptiert. Dieselben Mächte haben die Politik des „Regimewechsels“ in der Ukraine vorangetrieben, um die Macht von prorussischen Oligarch:innen auf westliche Pro-Imperialist:innen zu übertragen. Die Geschichte der formell unabhängigen Ukraine, die zwischen der Vasallenschaft Russlands und der der imperialistischen NATO-Mächte hin- und herschwankte, zeigt, dass Trotzki 1939 damit Recht hatte, dass die Unabhängigkeit der Ukraine untrennbar mit dem Kampf um die Arbeiter:innenmacht verbunden sei – eine Schlussfolgerung, die durch die russische Besatzung aktualisiert wurde. Der Kampf für eine unabhängige sozialistische Ukraine der Arbeiter:innen impliziert selbstverständlich die Verteidigung des nationalen Selbstbestimmungsrechts des ukrainischen Volkes, wobei wir darauf hinweisen müssen, dass eine wirkliche Unabhängigkeit weder von den „prowestlichen“ ukrainischen Nationalist:innen noch von den „prorussischen“ Kräften, sondern nur von einer Regierung der Arbeiter:innenklasse errungen werden wird.
- Die imperialistischen NATO-Mächte benutzen die russische Besatzung, die von einem großen Teil der Bevölkerung dieser Länder zu Recht abgelehnt wird, um einen erneuten Anstieg des Militarismus zu rechtfertigen. Im Falle Deutschlands handelt es sich um eine „Zeitenwende“, wie der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz es nannte, im militärischen Interventionismus dieser imperialistischen Macht. Die „progressive“ spanische Regierung mobilisiert Truppen in Osteuropa und konkurriert mit ihren konservativen Verbündeten in ihrer Pro-NATO-Rhetorik. In Frankreich ist die Presse begeistert von der Existenz einer gemeinsamen europäischen imperialistischen Politik. Einige Analyst:innen haben darauf hingewiesen, dass die russische Besetzung dazu beigetragen hat, die krisengeschüttelte NATO zu einen. Dies war zwar die unmittelbare Folge. Die europäischen Mächte sind jedoch zu einem größeren Protagonisten geworden, der heute nicht im Widerspruch zur US-Politik gegenüber der russischen Besatzung der Ukraine steht, es aber morgen tun könnte. Gleichzeitig tobt sich die gesamte Rüstungsindustrie in der Hitze der von der europäischen Presse gefeierten Aufrüstung der verschiedenen Staaten aus. Wir stellen uns unsererseits offen gegen diese reaktionäre Politik und schlagen eine Bewegung gegen den imperialistischen Militarismus in diesen Ländern vor. Dabei knüpfen dabei an die beste Tradition der deutschen Arbeiter:innenbewegung („Dem Militarismus keinen Mann und keinen Groschen“, wie Wilhelm Liebknecht sagte) vor dem Verrat der Sozialdemokratie durch die Unterstützung ihrer eigenen Bourgeoisie im Ersten Weltkrieg an. Wir sagen klar: Nieder mit der NATO und jeder imperialistischen Aufrüstungspolitik!
- Dieser Anstieg des Militarismus und der Ausbruch des Krieges im Herzen Osteuropas zeigen, wie falsch die Vorstellung ist, dass die neoliberale „Globalisierung“ und das Ende des Kalten Krieges eine neue Ära eingeleitet hätten, in der die Macht der Staaten verflüssigt worden sei und Kriege der Vergangenheit angehörten. Nachdem die Illusion einer kapitalistischen Welt, die von einer einzigen „Hypermacht“ beherrscht wird, verblasst ist, ist der Niedergang der US-Macht nun für alle sichtbar. Die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft durch Wertschöpfungsketten für Industrieproduktion und Dienstleistungen sowie durch das Finanzsystem und die Telekommunikation hat den Wettbewerb zwischen Monopolen und Staaten keineswegs verringert, sondern vielmehr verstärkt. Der Kampf um einen Anteil an der globalen Macht – zwischen den USA und China und Russland, aber auch sichtbar in den Versuchen Deutschlands und Frankreichs sowie Japans, mit einer unabhängigeren imperialistischen Politik in ihrem Einflussbereich Fuß zu fassen – macht die gesamte internationale Lage instabiler. Ein Ausdruck dieser Tendenzen ist der derzeitige Krieg in der Ukraine, der sich aufgrund der Vielzahl von Widersprüchen, die er bündelt, zu einer größeren Konfrontation ausweiten kann. So wie vor zwei Jahren die Coronavirus-Pandemie die gesamte internationale Lage erschütterte, kann heute die Besetzung der Ukraine latente Tendenzen beschleunigen und konvulsive Umwälzungen in der politischen Situation hervorrufen, einschließlich revolutionärer Aktionen der Massenbewegung oder konterrevolutionärer Kriege in größerem Maßstab. Lenins Definition, dass wir in einer Epoche der „Krisen, Kriege und Revolutionen“ leben, aktualisiert sich: Wir sehen wirtschaftliche, pandemische und klimatische Krisen (globale Erwärmung), Kriege, die nun auch europäische Länder einbeziehen, Klassenkämpfe und Massenaufstände, die mit den vorherigen Elementen zusammenwirken und den Boden für die Entstehung vorrevolutionärer oder revolutionärer Situationen in verschiedenen Ländern bereiten.
- Von der revolutionären Linken aus müssen wir weltweit Mobilisierungen gegen den Krieg vorantreiben, die den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine fordern und gleichzeitig die Rolle der NATO und die Aufrüstung der westlichen imperialistischen Mächte anprangern. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Ablehnung der russischen Besatzung, die von denjenigen zum Ausdruck gebracht wird, die weltweit und insbesondere in Europa gegen den Krieg demonstrieren, nicht dazu benutzt wird, den Militarismus und die Wiederaufrüstung der imperialistischen Mächte zu fördern. In der Ukraine selbst schlagen wir vor, dass der Widerstand gegen die russische Besatzung einen Weg einschlägt, der unabhängig von der von Selenskyj gepredigten Unterordnung unter die NATO ist. In Russland muss der Widerstand gegen den Krieg der Ausgangspunkt für ein revolutionäres Ende von Putins reaktionärer Regierung sein (etwas, das nicht vom bürgerlichen Oppositionssektor unter Führung von Nawalny kommen kann). Eine große Bewegung auf der ganzen Welt gegen den gegenwärtigen Krieg mit diesen Merkmalen wäre zweifellos ein bedeutender Ausgangspunkt für die Entwicklung revolutionärer Prozesse, um die gesamte imperialistische Ordnung in Frage zu stellen. Die internationale Einheit der Arbeiter:innenklasse, die notwendiger ist denn je, kann sich nur auf der Grundlage einer Intervention in die Prozesse des Kampfes entwickeln, die jetzt in vollem Gange sind. Die Zeiten beschleunigen sich.
Quelle: klassegegenklasse.org… vom 2. März 2022
Tags: Deutschland, Europa, Imperialismus, Russland, Strategie, Ukraine, Widerstand
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