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Zwei Tage Generalstreik in Indien: Gegen 200 Millionen beteiligt!

Eingereicht on 9. Januar 2019 – 15:48

Der erneute Generalstreik, zu dem 10 Gewerkschaftsverbände in Indien für den 8. und 9. Januar 2019 aufgerufen haben, hat am ersten Tag – wie immer in Indien – in verschiedenen Bundesstaaten unterschiedliche Auswirkungen gehabt. Durchgehend aber ist eine massive Beteiligung, sowohl in den verschiedenen Branchen des öffentlichen Dienstes (obwohl es mehrere Regierungen verschiedener Bundesstaaten gab – wie etwa Westbengalen oder Tamil Nadu – die offene Drohungen äußerten und konkrete Maßnahmen gegen eine Streikbeteiligung organisierten), als auch in der Privatindustrie und im informellen Sektor. Wie schon beim letzten Generalstreik gegen die Modi-Regierung war auch dieses Mal eine öffentlich sichtbare Beteiligung der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten müssen, ein wesentlicher Grund für die erfolgreiche Mobilisierung, sollen sich doch nach verschiedenen Angaben bis zu 200 Millionen Menschen am Streik beteiligt haben und noch beteiligen. Der Katalog von 12 Forderungen, auf den sich die Verbände geeinigt haben, umfasst den Verzicht auf die aktuell anstehende erneute antigewerkschaftliche Gesetzgebung ebenso, wie etwa Mindestlohn und Mindestrente für Alle, sowie eine Begrenzung der Leiharbeit auf maximal 12 Monate. Solche Forderungen führten dazu, dass sich diesmal auch verschiedene bäuerliche Organisationen dem Streik anschlossen, die bereits im Verlauf des Jahres 2018 verschiedentlich große Proteste organisiert hatten. Siehe zum Generalstreik in Indien drei aktuelle Beiträge, drei chronologische Berichtsseiten und zwei Dokumente globaler Verbände:

„Zweitägiger Generalstreik in Indien“ von Thomas Berger am 08. Januar 2019 in neues deutschland gibt einen ersten Überblick über die Streikauswirkungen: „Wenige Tage erst ist das neue Jahr alt, da setzt Indiens traditionell starke Gewerkschaftsbewegung ein weiteres deutliches Zeichen des Protestes insbesondere gegen Gesetzesänderungen, die die gewerkschaftliche Organisation und Interessenvertretung der Beschäftigten in den Betrieben zukünftig erschweren soll. Der Unmut ist groß, immer wieder in den gut viereinhalb Regierungsjahren haben sich die Gewerkschaftsdachverbände zu gemeinsamen Großaktionen gegen die mit der seit 30 Jahren größten Mehrheit im Parlament ausgestatteten hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) bereitgefunden. Zahlreiche Bankfilialen bleiben die beiden Tage geschlossen, weil sich auch deren Gewerkschaften dem Streikaufruf angeschlossen haben, der von Kommunisten, Reformisten, Frauengewerkschaften, dem Verband, der der Oppositionspartei des Nationalen Kongresses nahesteht und selbst von einem Gewerkschaftsverband, der der BJP nahesteht, breite Unterstützung erfährt. Selbst die Beschäftigten in den Atomkraftwerken, organisiert in Einzelgewerkschaften, beteiligen sich an dem Ausstand, lassen teilweise nur eine Notbesatzung Dienst schieben. Ihnen geht es vor allem darum, dass ein neues Rentensystem für ihre Branche zurückgenommen wird. Ebenso streiken Dockarbeiter oder die Beschäftigten der Versicherungsbranche. Da auch die Gewerkschaften im Transportsektor mit von der Partie sind, sowohl aus dem organisierten wie dem unorganisierten Bereich, leidet der Verkehr. Zumal der der Marxistischen Kommunistischen Partei Indiens nahestehende Bauernverband angekündigt hat, sich ebenfalls zu beteiligen und stellenweise Bahngleise zu blockieren – in Indien ein durchaus übliches Mittel bei solchen Protestaktionen. Da alle ihre Dachorganisationen sich dem Streikaufruf der nationalen Gewerkschaftsbünde angeschlossen haben, erscheinen auch viele Beschäftigte von regierungsamtlichen Stellen und Behörden auf nationaler wie regionaler Ebene die beiden Tage nicht zur Arbeit. Im südindischen Tamil Nadu hat die dortige Regionalregierung bereits im Vorfeld mit disziplinarischen Maßnahmen gedroht. Fest angestellte Mitarbeiter könnten mit Gehaltsverlusten und einer Verwarnung davonkommen, Teilzeit-Beschäftigte und Tagelöhner allerdings müssten sich auf den Verlust ihres Jobs einstellen, wenn sie mitstreiken, so Girija Vaidyanathan, oberste Vertreterin der Verwaltung im Bundesstaat…“

„Streik gegen Modi“ von Aditi Dixit und Silva Lieberherr am 08. Januar 2019 in der jungen welt hebt zu den Streikgründen und Streikforderungen  hervor: „Das Wahljahr 2019 wird in Indien mit einem landesweiten Streik eingeläutet. Am heutigen Dienstag beginnt der zweitägige Ausstand, zu dem nach den Gewerkschaften nun auch Bauernorganisationen mobilisieren. Diese Demonstration der Stärke und Solidarität zeigt die Wut und Empörung über die konzernfreundliche, menschenfeindliche Politik der Regierung von Premierminister Narendra Modi. Bei seinem Amtsantritt betonte Modi, dass er sich für die Beschäftigten einsetzen wolle. Die Politik der regierenden hindunationalistischen Bharatiya Janata Partei (BJP) untergräbt indes die Rechte der Arbeiter und richtet sich gegen die Interessen der Beschäftigten. (…)Mit dem Streik münden die Proteste in ihren ersten Höhepunkt. Zehn der zwölf großen Gewerkschaften unterstützen den Ausstand, zwei regierungsnahe Organisationen haben sich dem verweigert. Auch fast alle unabhängigen Vereinigungen der Angestellten mobilisieren zu der Arbeitsniederlegung. Zusammen repräsentieren die Verbände die Beschäftigten in allen Industrie- und Dienstleistungszweige im formellen und informellen Sektor. Die Gewerkschaften haben zwölf Hauptforderungen ausgearbeitet, die von einer strengeren Durchsetzung des Arbeitsrechts über die Erhöhung der Mindestlöhne bis hin zu Maßnahmen für allgemeine soziale und Ernährungssicherheit reichen…

Labour News India“ (Facebook) ist eine Seite, die die Meldungen und Berichte verschiedener Verbände „vor Ort“ verbreitet, inklusive zahlreicher Fotos und Videoberichten. Auch die verschiedenen Angriffe auf Streikende sind hier laufend Thema. Ebenso werden auch Beiträge verschiedener gewerkschaftsnaher politischer Organisationen und Gruppierungen dokumentiert, wie auch Veröffentlichungen selbstorganisierter Basisgruppen aus verschiedenen indischen Bundesstaaten…

„Bharat Bandh enters second day, two students injured in stone pelting in Howrah“ am 09. Januar 2019 bei Scroll.India ist eine kontinuierlich aktualisierte Tageschronologie (hier von Tag 2 des Streiks), worin auch von den Auseinandersetzungen am ersten Streiktag berichtet wird, die im Bundesstaat Rajasthan zu 50 Verletzten geführt haben, als sich Streikende und ihre Unterstützungsgruppen gegen einen weiteren Polizeiangriff zur Wehr setzten. Wie in anderen Chronologien auch ist der Streik im öffentlichen Nahverkehr Bombays ein zentrales Thema, wo sich 32.000 Beschäftigte beteiligen.

„#Workers Strike back“ am 08. und 09. Januar 2019 bei Labourstart ist die aktuelle „India Edition“ des Portals offizieller Gewerkschaften,  die am ersten Streiktag knapp 40 Einzelmeldungen über den Streikverlauf in verschiedenen Bundesstaaten veröffentlichte.

„India: mass worker protests against government ahead of elections“ am 07. Januar 2019 beim Internationalen Gewerkschaftsbund ITUC ist die Solidaritätserklärung der Föderation mit dem Streik in Indien, aus der auch die Problematik indirekt deutlich wird, die viele gewerkschaftliche Aktionen in Indien haben: Die Orientierung auf kommende Wahlen macht deutlich, dass eben indische Gewerkschaften in aller Regel – und bis auf wenige, eher neuere Ausnahmen – parteipolitisch geführt werden…

„WFTU solidarity statement with All India general strike“ am 04. Januar 2019 ist die Solidaritätserklärung des Weltgewerkschaftsbundes mit dem indischen Generalstreik, die einer ähnlichen Logik folgt, wie die des IGB, vor allem die jeweils eigenen angeschossenen Verbände besonders hervor zu heben…

Quelle: labournet.de… vom 9. Januar 2019

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