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Beschlüsse von Madrid – NATO auf Kriegskurs

Eingereicht on 6. Juli 2022 – 11:20

Susanne Kühn. Die Staats- und Regierungschef:innen der NATO feiern mitten im Krieg. Die Tagung vom 28./ 29. Juni inszenieren sie selbst als „historischen Gipfel“, von dem eine „unzweifelhafte Botschaft“ ausginge. Als ob jemand daran gezweifelt hätte, dass das militärische Bündnis der westlichen imperialistischen Mächte und ihrer halbkolonialen Vasallenstaaten zu einem zentralen Instrument im neuen Kalten Krieg, im Kampf um die Neuaufteilung der Welt geworden wäre.

Vorbei sind die gar nicht lange zurückliegenden Zeiten, als die NATO von Donald Trump für „obsolet“ und von Emmanuel Macron für „hirntot“ erklärt worden war. Vorbei sind jene Zeiten, als SPD und Grüne mit dem 2 %-Ziel haderten und vor überzogenen Rüstungsausgaben warnten. Vorbei sind die Zeiten, als manche NATO-Staaten die Partnerschaft mit Russland wieder aufleben lassen und die Beziehungen entspannen wollten.

Grundlegende Änderungen

Der Krieg um die Ukraine hat die Verhältnisse in wenigen Monaten grundlegend verändert und der NATO-Gipfel von Madrid ratifizierte, kodifizierte diese Veränderungen.

  1. Die NATO hat wieder einen klaren Feind

Vorbei sind jene Zeiten, wo die Ziele und Gegner:innen des zur „Verteidigungsallianz“ verklärten Paktes unschärfer wurden. Russland wird nunmehr offiziell zur größten und direktesten Gefahr der internationalen Ordnung, zum militärischen Hauptgegner erklärt. An zweiter Stelle steht China, das als „Herausforderung für die Sicherheit, Interessen und Werte der NATO“ beschrieben wird. Die USA wollten diese Passage eigentlich deutlicher formulieren, aber Deutschland und andere Länder lehnten dies ab. Schließlich ist China der wichtigste Handelspartner und die Interessen aller US-Verbündeten sind eben nicht deckungsgleich.

  1. Der Krieg um die Ukraine ist „unser“ Krieg

Die Unterstützung der Ukraine, die faktisch so behandelt wird, als wäre sie schon NATO-Mitglied, steht weiter ganz oben auf der Tagesordnung. Weitere Waffenlieferungen, logistische und finanzielle Unterstützung sowie Sanktionen gegen Russland wurden versprochen. Angesichts der russischen Fortschritte um Donezk und Luhansk werden diese auch dringend benötigt, denn eine Niederlage der Ukraine wäre natürlich auch eine der NATO. So berechtigt die Selbstverteidigung der Ukrainer:innen ist, so wird der Krieg mehr und mehr zu einem, in dem die Kiewer Regierung als Stellvertreterin der NATO und der sie dominierenden imperialistischen Mächte, allen voran der USA, fungiert.

  1. Aufrüstung und Erweiterung

Der reaktionäre Einmarsch und brutale Angriff des russischen Imperialismus dient der NATO als willkommener Vorwand, um ihre eigenen politischen und militärischen Ziele voranzutreiben und diese demokratisch-humanitär als „Verteidigungsakt“ zu verbrämen.

Fast alle Staaten haben Aufrüstungsprogramme beschlossen, teilweise in einem Ausmaß, das einer geschichtlichen Zäsur gleichkommt. Deutschland geht hier mit dem 100-Milliarden-Programm und Verfassungsänderungen tatsächlich voran.

Insgesamt hat die NATO ihre Doktrin massiv verändert. Armeen für einen europäischen Landkrieg werden gebraucht. Die „schnelle Eingreiftruppe“ an der Ostflanke – eine andere kennt die NATO ohnehin nicht – soll von 40.000 auf 300.000 Soldat:innen, die kurzfristig mobilgemacht werden können – aufgestockt werden. In den baltischen Staaten, Polen, Ungarn, Bulgarien und Rumänien werden zusätzlich Kampfgruppen, sogenannte Battlegroups, stationiert. Die USA stocken ihre militärische Präsenz massiv auf.

Schweden und Finnland werden in die glorreiche NATO-Familie aufgenommen. Die Grenze zu Russland wird damit um 1.300 Kilometer verlängert.

Zur Freude aller NATO-Länder gab die Türkei ihren Widerstand gegen einen Beitritt der beiden skandinavischen Länder auf, genauer, die beiden erfüllten die Forderungen des Erdogan-Regimes. Um in das „Verteidigungsbündnis“ der westlichen Mächte aufgenommen zu werden, ließen die nordischen Demokratien die kurdischen politischen Flüchtlinge und ihre Organisationen fallen und sagten ihre volle Unterstützung im Kampf gegen die PKK zu. Das türkische Regime hat nicht nur seine Ziele erreicht, sondern bereitet auch gleich den nächsten Angriff auf die kurdische Enklave in Rojava vor, ohne Kritik von den „demokratischen“ Verbündeten fürchten zu müssen.

Neuer Kalter Krieg

Die Beschlüsse von Madrid ratifizieren einen neuen Kalten Krieg, der schon seit Jahren Form annimmt und mit dem Kampf um die Ukraine einen neuen militärischen Höhepunkt erreicht hat. So wenig wie es für die NATO-Staaten dabei um Freiheit und Demokratie geht, so wenig handelt es sich bei dem imperialistischen Bündnis um einen „Verteidigungspakt“.

Die NATO bildet vielmehr ein zentrales Element der Konfrontation mit dem sich formierenden anderen imperialistischen Block um Russland und China im Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Sie ist alles andere als hirntot oder obsolet für die herrschenden Klassen in den USA, Deutschland, Britannien oder Frankreich. Ihre nun auch offiziell beschlossene strategische Ausrichtung stellt eine Drohung für die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten auf der gesamten Welt dar, mag sie ihre imperialen Ziele angesichts des reaktionären Angriffs Russlands auf die Ukraine auch „demokratisch“ verbrämen und ihre eigen Aufrüstung zur Verteidigungsaktion verklären.

In Deutschland und allen anderen NATO-Staaten müssen wir dem Kriegskurs unserer eigenen Bourgeoisie und der Aufrüstung entschlossen entgegentreten – auf der Straße, in Betrieben, im Kampf gegen Krieg und Krise. Nein zu jeder Aufrüstung, Rückzug aller Truppen und Militärberater:innen! Keinen Cent, keine Person für NATO und Bundeswehr! Austritt aus der NATO-Allianz!

Quelle: Neue Internationale 266… vom 6. Juli 2022

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