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Das Schwein-e-System

Eingereicht on 22. Februar 2023 – 16:18

Wolf Wetzel.Wenn der „Kampf gegen den Antisemitismus“ genau das macht, was den Kern Antisemitismus ausmacht: von Herrschaftsverhältnissen abzulenken und sie zu beschützen.

Auf die Documenta 15 in Kassel wurde unter anderem die indonesische Künstlergruppe Ruangrupa eingeladen. Sie stellte ein großes Wandgemälde aus, mit Dutzenden von Motiven in street-art oder agitprop-style. Eigentlich hätte man sich mit dieser Einladung brüsten können und sollen. Seht her, wie offen und diskursiv wir mit der kolonialen Vergangenheit umgehen. Doch dann stieg man in die Hölle der Details und fand Motive, die zu viel Gegenwart transportierten: Das eine zeigt mehrere soldaten-ähnliche Wesen in Uniform. Hinter ihnen stehen oder fliegen Atomraketen. Die drei Soldaten tragen Helme und haben eine schweinsähnliche Nase. Die Soldaten verkörpern ganz offensichtlich die Einmischungen vom Ausland, die Unterstützung für eine blutige Diktatur im Lande. Der erste Soldat trägt als Inschrift „Asia“, der zweite wird mit „Mossad“ markiert und trägt ein Halstuch mit einem Davidstern darauf. Der dritte Soldat hat als Namenschild „Intel“, ziemlich leicht als Symbol für die wirtschaftliche Einmischung der USA zu dechiffrieren.

Man hätte die Künstlergruppe selbst zu Wort kommen lassen. Sie hatte sich klar zu dem Banner erklärt und zur Bedeutung von Bildsprache geäußert:

Die Banner-Installation People’s Justice (2002) ist Teil einer Kampagne gegen Militarismus und die Gewalt, die wir während der 32-jährigen Militärdiktatur Suhartos in Indonesien erlebt haben und deren Erbe, das sich bis heute auswirkt. Die Darstellung von Militärfiguren auf dem Banner ist Ausdruck dieser Erfahrungen. Alle auf dem Banner abgebildeten Figuren nehmen Bezug auf eine im politischen Kontext Indonesiens verbreitete Symbolik, z. B. für die korrupte Verwaltung, die militärischen Generäle und ihre Soldaten, die als Schwein, Hund und Ratte symbolisiert werden, um ein ausbeuterisches kapitalistisches System und militärische Gewalt zu kritisieren (…).“

Statt sich damit auseinanderzusetzen, switschte man in den post-kolonialen Modus: Erst deckte man das Wandgemälde zu, dann ließ man es entfernen. Unter sich und mit sich im reinen erklärten sie sinnfrei das Wandbild für entart … sorry, für einen ganz schlimmen Ausdruck von Antisemitismus.

Selbstverständlich verlor man in diesem heldenhaften Kampf gegen den Antisemitismus kein Wort über die Überschrift dieses Wandbildes:

„The expansion of ‚multicultural‘ state hegemony.“

Kann es sein, dass genau dieser Titel die Fassade der Multikulturellen in Deutschland so richtig angeätzt hat? „Multikulturalität“ als Aushängeschild für unentwegte westliche Dominanz und Hegemonieansprüche? Im Namen all jener, die heute mehr denn je, mehr Diversität im Ich-Sein mit ganz viel Krieg fürs Wir-Sein zusammenbringen.

Das fliegende Ballon-Schwein

Der Pink-Floyd-Mitbegründers Roger Waters will am 28. Mai 2023 ein Konzert in der Festhalle auf dem Frankfurter Messegelände geben. Eigentlich mögen alle Pink Floyd. Diese Band gehört schon fast zum Weltkulturerbe. Wäre da nicht das rosa Schwein. Nun ziehen Aufrufe zu Konzertverboten durchs ganze Land.

Worum geht es?

Nun, wie so oft gibt es einen Aufhänger.

1977 zeigt das Album „animals“ von Pink Floyd ein rosa Schwein, das zwischen zwei Fabrikschornsteinen schwebt. Roger Waters hat dieses Ballonschwein seit vielen Jahren in Großveranstaltungen eingesetzt. Es wird wie eine Wand (The Wall) eingesetzt und vor den Konzerten immer wieder neu mit Graphities bemalt. Über die Jahre wurde es mit diversen Symbolen und Slogans bemalt: „stay human“, „Menschlich bleiben“, „ignorant lying racist sexist pig“, „Trump and his wall“, „Together we stand, devided we fall“, „Trust Us (mit Hammer und Sichel und mit gekreuzten Hämmern)“, der Merzedesstern, „Fuck the police“, ein trauriges Smiley, ein Sarg mit Kreuz, „Don’t be led to the slaughter“, „torture“, „torture shames us all“, „religions devide“, „all religions divide“, „hey killers leave our kids alone“, „steal from the poor, give to the rich“, „welcome to the machine“, Trump der schreit: „I won“, „drink kalashnikov vodka“, Dollarzeichen, „todos peruanos somos iguales“, „no a la discriminacion“, „sean humanos“, „restiamo umani“, „fear builds walls“, ein peacezeichen, „kafka rules“, like-zeichen, Stacheldraht, „my idea right or wrong“, „ACAB“, „elbit systems“, das Shell-Logo, „what’s wrong with people?“, ein Davidstern usw usw. (Blickwinckel161)

Man könnte also als Stein des Anstoßes auch die Parole: „steal from the poor, give to the rich“ oder „torture shames us all“, also: Folter beschämt uns alle … nehmen. Aber nein, darüber wollen die Profi-Empörten nicht reden.

Ihnen reicht der Davidstern auf einem rosa Plastikschwein. Das nennt man auch Affekt-Politik. Wenn man damit lange genug BürgerInnen aufgezogen hat, dann ist allen klar: Ein David-Stern auf einem Schwein kann nur purer Antisemitismus sein. Bravo. Setzen. Wer ganz fortgeschritten ist, spricht dann auch ganz gescheit vom eliminatorischen, vom sekundären bis tertiären Antisemitismus (Antisemitismus ohne Antisemitismus).

Das Ballon-Schwein als Luftnummer

Was verbirgt sich hinter dieser Luftnummer. Man kann sagen, dass es um recht viel geht, nämlich um das politische Engagement des Pink-Floyd-Mitbegründers Roger Waters. Für gewöhnlich sind solche Superstars reich (geworden) und wollen in Ruhe ihr luxuriösen Leben genießen. Also kein Streit, der das vorgezeichnete Diskursfeld überschreitet. Im weltbürgerlichen kulturellen Establishment darf man für oder gegen Trump, für oder gegen Rassismus, für Krieg oder gegen den (laufenden und kommenden) Krieg sein. Aber in diesem Diskurskorridor gibt es keinen prominenten Platz für Kritik gegen die Staatspolitik in Israel, also eine Kritik, die über das Beklagen von Missständen hinausgeht.

Obgleich die Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) an der politischen Linie des Staates Israels nichts verändert hat, ist diese Kampagne dennoch ein moralisches Damoklesschwert. Denn diese Kampagne bringt drei eminent wichtige Umstände zur Sprache:

Seit über 50 Jahren verstößt der Staat Israel gegen UN-Konventionen und UN-Resolutionen und … es ist okay. Es gibt keine Sanktionen, es gibt keinen politischen Druck, die UN-Resolutionen umzusetzen. Im Gegenteil: es existiert eine mächtige Allianz, die den Bruch internationalen Rechts deckt.

Die illegale Besetzung fremder Territorien, die de facto Verstaatlichung von geraubtem Boden, das Besatzungsregime, das seit Jahrzehnten ausgeübt wird, erlaubt den unter der Besatzung Lebenden ein Widerstandrecht. Sie haben also alles Recht dieser Welt, sich auch bewaffnet gegen die Besetzung zur Wehr zu setzen. Dieser zweite Aspekt wird regelmäßig und mit aller Macht gerade von jenen unterdrückt, die ansonsten, also wenn es passt, die Verletzung von internationalem (Völker-)Recht anprangern und damit Kriege begründen.

Der besagte Boykott-Aufruf ist also das „zivilste“ Mittel, um gegen die Besatzung zu opponieren. Sich darüber zu empören ist geradezu infam, wenn dieselben das Völkerrecht wie eine Panzerwaffe benutzen, um Kriege zu begründen.

Um es ganz deutlich zu formulieren: Dieser Boykott-Aufruf ist selbst dann legitim, wenn er von antisemitischen Politiken benutzt wird.

Dann wäre erst recht eine wichtige Debatte, eine öffentliche Debatte notwendig: Was hat das mit dem Aufruf zu tun? Ist der Boykott-Aufruf ein Grundrecht auf Widerstand gegen die Besatzung?

Genau diese Debatte soll und darf nicht geführt werden. Denn sie würde offenbaren, dass es nicht darum geht, sich gemeinsam zu überlegen, wie man jahrzehntelanges Unrecht beseitigt, wer diesen kontinuierlichen Völkerrechtsbruch möglich macht. Der Vorwurf, diese Boykott-Kampagne sei antisemitisch folgt dem gut eingeübten Prinzip der Täterumkehr. Nicht diejenigen, die jahrzehntelang internationales Recht brechen und dies decken, stehen am Pranger, sondern ausgerechnet jene, die sich dagegen wehren.

Und es gibt einen sehr wichtigen dritten Punkt, der weit über den Boykott-Aufruf und den „Nahost-Konflikt“ hinausragt: Man müsste in aller Öffentlichkeit einmal begründen, in der Diskussion, im Widerspruch, was genau an diesem Boykott-Aufruf antisemitisch sein soll. Damit wäre man endlich an dem Punkt, öffentlich zu erklären, was man (alles) unter Antisemitismus verstehen will.

Darüber kann man sich sicherlich bis an Ende der Tage streiten. Aber es reicht doch, an ein Grundaxiom des Antisemitismus zu erinnern:

Im Antisemitismus wird nicht die Herrschaft bekämpft, sondern von ihr abgelenkt

Der (religiöse und politische) Antisemitismus imaginiert einen omnipotenten Feind, der übermächtig ist, der alles in der Hand hat, die Wirtschaft, die Wissenschaft, das Leben … Es sind die Juden, die die Welt regieren, sich also an den Schalthebeln ökonomischer und politischer Macht befinden. Die Wirksamkeit und Mächtigkeit dieser antisemitischen Theoreme setzt analog voraus, dass sie tatsächlich auf ein lang stigmatisiertes und vor allem wehrloses Opfer treffen. Der Antisemitismus bekämpft nicht einen wirklichen Feind, sondern einen selbst erzeugten Avatar, der tatsächlich machtlos ist.

Der Antisemitismus und seine Wirkmächtigkeit besteht also in der Täuschung über die wahren ökonomischen und politischen Machtverhältnisse. Er verortet die Macht dort, wo sie nicht ist. Der Antisemitismus ist das Gegenteil von Erkenntnis: Er verblendet, verschleiert Herrschaftsverhältnisse.

Wenn man diese Grundbedingungen des Antisemitismus vor Augen hat, dann ist der Vorwurf, die Kritik an der Politik des Staates Israels sei ein „versteckter“ Antisemitismus, zu aller erst ein plumper Versuch, die eigene Beteiligung an völkerrechtswidrigen Handlungen zu verschleiern. Wenn sich irgendetwas „versteckt“, dann ist es diese Bereitschaft, unerträglichen Herrschaftsverhältnissen zu dienen.

Another brick in the wall

Die liberale Frankfurter Rundschau (FR) wusste, was jetzt zu tun ist: Man muss alles zusammenkratzen, was ein Konzertverbot möglich machen würde. Dazu gehört zu aller erst: keine Diskussion mit dem „Angeklagten“! Man hätte ein Interview mit ihm führen können, was er über das Schwein denkt, wie er zur Boykottkampagne steht. Aber genau das würde die Denunziationsmaschine nur ins Stocken bringen. Stattdessen kratzte die FR alle Stimmen für den „heftigen Gegenwind“ zusammen, die echt empört und enttäuscht sind:

„Heftigen Gegenwind erhielt Waters zuletzt auch von David Gilmour (76), seinem einstigen Bandkollegen bei Pink Floyd („The Wall“). Gilmours Frau, die Songwriterin Polly Samson (60), schrieb in einem Tweet an Waters gerichtet: „Leider bist du antisemitisch bis ins Mark.“ Waters sei ein Putin-Apologet und ein „lügender, diebischer, heuchlerischer, steuervermeidender, Playback singender, frauenfeindlicher, neidzerfressener Größenwahnsinniger“. Gilmour teilte den Post und schrieb: „Jedes Wort nachweislich wahr.“ Waters antwortete auf Twitter und sprach von „aufrührerischen und völlig unzutreffenden Kommentaren“, die er zurückweise. (FR vom 10.02.2023)

Damit war klar: Wenn selbst Bandmitglieder Waters für irre halten, dann dürfen wir das auch – selbstverständlich blind.

Auf diesen Beitrag antwortete ein „Blickwinckel161“ in der Kommentarleiste:

1977 zeigt das Album „animals“ von Pink Floyd ein rosa Schwein, das zwischen zwei Fabrikschornsteinen schwebt. Roger Waters hat dieses Ballonschwein seit vielen Jahren in Großveranstaltungen eingesetzt. Es wird wie eine Wand (The Wall) eingesetzt und vor den Konzerten immer wieder neu mit Graphities bemalt. Über die Jahre wurde es mit diversen Symbolen und Slogans bemalt (…) Wer unter Ausblendung all dieser Tatsachen den Eindruck von Schweineköpfe auf jüdische Friedhöfe schmeißenden Nazis zu erwecken versucht, indem mit massivem Tunnelblick nur die Worte „Schwein“ und „Davidstern“ wiederholt werden, hat offensichtlich kein Interesse an einem umfassenden Blick auf die Sachlage oder einer darauf basierenden Einordnung. Worauf sonst stützt sich der Vorwurf des „aggressiven Antisemitismus“? Roger Waters unverblümtes Engagement für Menschenrechte auch in den von Israel unter Verletzung von zahlreichen einschlägigen UN-Resolutionen und unter Verletzung der Genfer Verträge besetzten Gebieten in Palästina rückt dabei ins Zentrum. Eine Nähe zur Initiative „Boycott, Divestment and Sanctions“ wird als Beweis angeführt. Boykott- und Sanktionsaufrufe sind in der Geschichte von Solidaritätsbewegungen immer dann diskutiert worden, wenn alle politischen Möglichkeiten auf Ungerechtigkeit hinzuweisen, ausgeschöpft waren oder unterdrückt wurden. Diese Situationen gab es im Kampf der schwarzen Bevölkerung gegen das burische Apartheitsregime in Südafrika und gibt es noch heute im Kampf der KurdInnen um Anerkennung gegen die AKP-Türkei. Festzustellen bleibt hier, wer solche Aufrufe startet, sucht immer noch nach Mitteln jenseits des bewaffneten Kampfes. Eigentlich wäre politisch die Hilflosigkeit zu diskutieren, die in derartigen Aufrufen steckt, anstatt auch diese noch zu kriminalisieren zu versuchen. Der zynische Vergleich des BDS-Ansatzes mit der SA-Kampagne „Kauft nicht bei Juden“, der von der NSDAP-Regierung gegen einen Teil der deutschen Gesellschaft mit dem Ziel der sozialen Liquidierung geplant und durchgeführt wurde, kann daher auf keinen Fall eine Gleichsetzung zum Ergebnis haben. Den bürgerlich juristischen Blickwinkel vertritt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anlässlich des Verbots einer Veranstaltung mit Bezug zu BDS. Hierzu heißt es in der Presseerklärung zum Urteil vom 20.01.2022:

„Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Der Stadtratsbeschluss greift in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ein, weil er eine nachteilige Rechtsfolge – den Ausschluss von der Benutzung öffentlicher Einrichtungen – an die zu erwartende Kundgabe von Meinungen zur BDS-Kampagne oder zu deren Inhalten, Zielen und Themen knüpft. Die darin liegende Beschränkung der Meinungsfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit unterliegt den Grenzen der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Der Stadtratsbeschluss ist schon kein Rechtssatz. Er trifft auch keine in diesem Sinne allgemeine Regelung. Der Beschluss ist nicht meinungsneutral. Er ist auch nicht mit dem Schutz von Rechtsgütern zu rechtfertigen, die schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützen sind. Das ist der Fall, wenn Meinungsäußerungen die geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen, weil sie die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression und Rechtsbruch markieren.“

Schwerer als die juristische Argumentation wiegt aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorwürfen. Die Behauptung der BILD-Zeitung: „Waters nutzt in den vergangenen Jahren seine Konzerte immer wieder zu Israel-Hass. U.a. ließ er ein Kunststoffschwein mit einem Davidstern aufsteigen (BILD berichtete) – Antisemitismus pur.“ ist unbegründet. Die Äußerung von Uwe Becker: „Waters ist ein schlimmes Beispiel für aggressiven, israelbezogenen Antisemitismus und er sollte daher in Hessen keine künstlerische Plattform erhalten“ kann so nicht stehenbleiben. Diese falschen Aussagen vergiften selbst die Auseinandersetzung und geraten in den Verdacht, es aus egoistischem politischen Kalkül nicht so genau mit der Wahrheit nehmen zu wollen. Es bleibt zu beobachten, ob der billige Ausweg über die juristische Unmöglichkeit der Verhinderung gewählt wird, um gesichtswahrend aus der selbstverschuldeten argumentativen Sackgasse zu kommen!

Dieser Kommentar schaffte es nicht zur „Freigabe“: https://www.fr.de/kultur/musik/streit-um-roger-waters-auftritte-verbote-gehen-zu-weit-zr-92079314.html

Diskussion deaktiviert

Denn die Zensoren räumten auf und ab. Jetzt findet man nur noch den piepsigen Hinweis, dass die Kommentarfunktion „für diese Diskussion deaktiviert“ wurde. Man ist aber dreist genug zwei Kommentare stehen zu lassen:

„Antisemitismus ist keine politische Meinung, und hat auch Nichts mit der Kunstfreiheit zu tun.“

„Antisemitismus ist häufig auch links.“

Ein klägliches Bild über eine „liberale“ Tageszeitung kann man nicht abgeben.

Was sind das doch für Feiglinge! Ist das der Kampf gegen Antisemitismus? Man „deaktiviert“ die Diskussion und lässt ganz zufällig zwei Kommentare stehen, die selbstgefälliger kaum ausfallen können.

Was macht also den Zensoren so viel Angst, dass sie nicht mit diesem Einwand beschäftigen wollen? Mehr noch: Wenn sie nur halbwegs souverän wirken wollten, hätte sie den gelöschten Kommentar einfach ausgesessen und ignoriert. Aber, und da haben sie vollkommen recht: Sie wissen, wie haltlos ihr Vorgehen ist und sie fürchten noch mehr, dass ihr angeblicher Kampf gegen den Antisemitimus eine extrem dünne Schürze ist, um Herrschaftspolitik zu verteidigen, um reaktionäre und staatsterroristische Handlungen zu decken – ob diese in Israel, in Afghanistan oder im Irak begangen werden.

Der Kampf gegen den Antisemitismus als Regierungsformat bekämpft nicht den Judenhass, sondern schützt imperiale und postkoloniale Verhältnisse.

Schweinisches Nachspiel (in der Dauerschleife): Macht kaputt, was euch kaputt macht

Hinter vorgehaltener Hand weiß man, dass ein Prozess, der den „aggressiven Antisemitismus“ beweisen soll, eine peinliche Sache werden kann. Also verlegt man sich jetzt mit allen Krieger*innen darauf, Privatjustiz zu betreiben: „Staatsanwälte“ ohne Beruf und Robe, aber mit kulturellem Kapital werden nun in Stellung gebracht. Sie sprießen nur so aus dem Boden:

Der „Rolling Stone“ berichtet über die Tirade der Frau des Ex-Band-Kollegen David Gilmour gegen Waters, die ihn als „antisemitisch bis ins Mark“ bezeichnet. Die „Jüdische Allgemeine“ nennt Waters einen „Hassbarden“, seine Konzerte seien „Judenhass auf Tour“. Die „Deutsche Welle“ fragt, ob Waters nicht als „Propaganda-Instrument für Moskau“ zu bezeichnen wäre. Die „Süddeutsche Zeitung“ attestiert Waters, „ein perfider Mann“ zu sein, der „mit einem Wahnwitz wie aus dem Petersburger Troll-Handbuch“ argumentieren würde.

(Tobias Riegel, NDS vom 15. Februar 2023)

Ich bin mir ganz sicher, dass das Schwein, um das es irgendwann einmal ging, ein russisch-chinesischer Spionage-Ballon (als Schwein verkleidet) ist. Das wird man doch noch rausbekommen können.

Aufruf zum staatsdevoten Boykott

Nun hat sich auch die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) in Stellung gebracht: Zuerst vergießt sie eine Träne über vergangene wilde Zeiten, als sie als Managerin von Ton Steine Scherben den Refrain noch mitgesungen hatte: Und die rote und die schwarze Front sind wir. Damit waren sozialistische und anarchistische Ideen gemeint.

Ja, verdammt lange her. Nachdenken über ihren eigenen Frontwechsel ist nicht in ihrem Portfolio.

Ich bedauere außerordentlich die Entwicklung eines Musikers, der mit der Gruppe Pink Floyd für viele eine große Bedeutung hatte“, sagte die Grünen-Politikerin der Zeitung Jüdische Allgemeine.

(Berliner Zeitung vom 8. Februar 2023)

Schnief und Schluss mit diesen Rührseligkeiten. Wenn es nach ihr ginge, müsste das Konzert verboten werden, aber … das geht noch nicht:

Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat sich zu den umstrittenen Auftritten von Roger Waters in Deutschland geäußert und deutlich gemacht, dass sie in ihrer Funktion seine Konzerte nicht verbieten kann und will.

(s.o.)

Dann muss man es eben anders machen. Also etwas von oben nach Mitte unten delegieren, und den Gerufenen freies Geleit anbieten. Das hat in Deutschland Übung. Die Brandspur hat sie gelegt:

Waters sei mittlerweile „offenkundig zu einem aktiven BDS-Unterstützer und darüber hinaus -Verschwörungstheoretiker geworden“. BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) ist eine israelkritische Boykottbewegung, der unter anderem laut Bundestagsbeschluss antisemitische Tendenzen nachgesagt werden. Roth sieht im Kampf gegen Antisemitismus eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ und wünscht sich deshalb, dass Veranstalter auf Konzerte mit Roger Waters verzichten, „und wenn sie dennoch stattfinden sollten, dass er vor leeren Hallen spielt“. Sie wünscht sich also einen Boykott.

(s.o.)

Ich wünsche mir ein ausverkauftes Konzert.

Quellen und Hinweise:

Streit um Roger-Waters-Auftritte: „Verbote gehen zu weit“, FR vom 10.2.2023: https://www.fr.de/kultur/musik/streit-um-roger-waters-auftritte-verbote-gehen-zu-weit-zr-92079314.html

Der Proteststurm gegen die Documenta 15 – Ein Dokument „progressiven“ Herrenmenschentums, Magazin Overton vom 20.7.2022: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/der-proteststurm-gegen-die-documenta-15-ein-dokument-progressiven-herrenmenschentums/

50 Jahre israelische Besatzung in Palästina – Was ist daran Kritik und was Antisemitismus? Wolf Wetzel: https://wolfwetzel.de/index.php/2017/06/07/50-jahre-israelische-besatzung-in-palaestina-was-ist-daran-kritik-und-was-antisemitismus/

Claudia Roth und der Boykott: Cancel Culture legt (nochmals) zu, Tobias Riegel, NDS vom 15. Februar 2023: https://www.nachdenkseiten.de/?p=93811#more-93811

Claudia Roth wünscht sich Boykott von Roger-Waters-Konzerten, Berliner Zeitung vom 8. Februar 2023: https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/antisemitismus-claudia-roth-wuenscht-sich-boykott-von-roger-waters-konzerten-li.315625

Quelle: overton-magazin.de… vom 22. Februar 2023

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