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Lehrer:innen in Chile kämpfen gegen „historische Schuld“ der Diktatur

Eingereicht on 13. September 2023 – 15:44

Michael Roth. Mit einem 48-stündigen Warnstreik haben Tausende Lehrer:innen in Chile auf die jahrelangen finanziellen Lohnverluste unter der Pinochet-Diktatur sowie die versprochenen Ausgleichszahlungen aufmerksam gemacht. Die Lehrergewerkschaft legte hierzu einen Forderungskatalog vor und stellte der Regierung von Gabriel Boric unter Androhung einer unbefristeten und landesweiten Arbeitsniederlegung ein Ultimatum von zehn Tagen.

Primär geht es um die „historische Schuld“ aus Zeiten der Diktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990). Zwischen 1980 und 1987 wurden tausende Schulen aus der staatlichen Verantwortung ausgegliedert und an Gemeinden, Stiftungen oder Privatleute übergeben. Diese wiederum weigerten sich, einen im Gesetzeserlass N° 3.551 verankerten staatlichen Lohnzuschuss zu bezahlen.

Den Lehrkräften entstanden hierdurch über die Jahre erhebliche Einkommensverluste und verminderte Rentenbeitragszahlungen. Nun klagt die Lehrergewerkschaft ein Wahlversprechen von Präsident Boric ein, das dieser bei seinem Rechenschaftsbericht im Mai dieses Jahres bekräftigt hatte. Die Androhung eines landesweiten und unbefristeten Streiks sowie ein Ultimatum von zehn Tagen zur Lösungsfindung soll die Regierung weiter unter Druck setzen.

Seit der Rückkehr zur Demokratie hat die Lehrerschaft immer wieder erfolglos die Begleichung der „historischen Schuld“ angemahnt. Mit dem Warnstreik am 7. und 8. August hat die Gewerkschaft nun einen neuen Anlauf unternommen und dem Bildungsministerium einen weitreichenden Forderungskatalog übergeben. Da in den Schulen auch Frühstück und Mittagessen ausgegeben werden, blieben diese jedoch für die Schülerschaft geöffnet.

Weitere Forderungen betreffen die Bonuszahlung, die je nach Berufsjahren und Stellung mehr als 20.000 Euro betragen kann, und immer dann fällig wird, wenn Staatsangestellte freiwillig in den vorzeitigen Ruhestand gehen. Ebenso fordert der Katalog eine Reform der Ganztagsschule, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie eine Reform der in ihren Augen unfairen, beruflichen Beurteilung zur Gehaltseinstufung.

Im Dezember will die Regierung eine Gesetzesvorlage für Härtefälle der „historischen Schuld“ einbringen. Die Lehrergewerkschaft signalisiert zwar Dialogbereitschaft, erwartet aber vom Bildungsminister konkrete Schritte, die er bis zum 17. August vorlegen soll, um den unbefristeten Streik abzuwenden.

Ursprünglich sollten diese mit Hilfe der inzwischen gescheiterten Steuerreform beglichen werden. Als Konsequenz müssen die fälligen Beträge nun aus regulären Mitteln des ohnehin angespannten Haushaltes bezahlt werden, was wiederum zur Folge hat, dass zunächst die Härtefälle, Lehrer:innen in fortgeschrittenem Alter oder mit Gesundheitsproblemen priorisiert werden. Die Lehrergewerkschaft wäre damit einverstanden. Ein erster Verwaltungsschritt wurde mit der Einrichtung einer Webseite getätigt, wo sich alle Betroffenen zur Überprüfung ihrer Ansprüche registrieren können.

Nach Ablauf der Hälfte der zehntägigen Frist wartet die Lehrergewerkschaft nach wie vor auf einen offiziellen Regierungsvorschlag.

#Titelbild: „20.000 Lehrer sind gestorben, während sie auf Gerechtigkeit warteten“: Demonstrierende fordern einen finanziellen Ausgleich für das Unrecht in der Pinochet-Diktatur. Quelle:@Colegiodeprofesoresdechile

Quelle: amerika21.de… vom 13. September 2023

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