COP28-Klimagipfel: Regierungen zynisch gegenüber galoppierender Erderwärmung
Bryan Dyne. Am 30. November wurde die 28. Klimakonferenz der Vereinten Nationen vor dem Hintergrund eines rapiden Anstiegs globaler Temperaturen und einer wachsenden Zahl von extremen Wetterereignissen eröffnet. Diese Folgen des Klimawandels haben schon jetzt zu Hunderttausenden von vermeidbaren Todesfällen und zur Vertreibung von Millionen von Menschen geführt.
Zuletzt meldete der Copernicus Climate Service, dass der 17. November der wärmste Tag seit Beginn der Aufzeichnungen war und mit 2,07 °C über dem globalen Durchschnitt von 1850-1900 lag.
Beim gegenwärtigen Tempo der Entwicklung wird 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein und 2024 wird voraussichtlich noch heißer werden. Etwa ein Drittel der Tage im Jahr 2023 lagen mindestens 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Durchschnitt – einer der kritischen Grenzwerte für das Erdklima. Nie zuvor wurden so viele Tage über dem Grenzwert in einem einzigen Jahr gemessen.
In ihrem „Emissions Gap Report“ für 2023 warnen die Vereinten Nationen:
Selbst im optimistischsten Szenario, das in diesem Bericht betrachtet wird, beträgt die Chance, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, nur 14 Prozent, und die verschiedenen Szenarien zeigen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die globale Erwärmung 2 Grad Celsius oder sogar 3 Grad Celsius übersteigt.
Jeder einzelne Aspekt des diesjährigen COP28-Gipfel ist ein Ausdruck der totalen Gleichgültigkeit der kapitalistischen Regierungen gegenüber der sich beschleunigenden Klimakatastrophe. Gastgeber der Konferenz sind die Vereinigten Arabischen Emirate, ein Land, dessen Bruttoinlandsprodukt zu einem Drittel aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe stammt. Zum Präsidenten des Gipfels wurde Sultan al-Jaber ernannt, CEO der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Angesichts dessen beschrieben Kommentatoren den Gipfel als eine „Handelsmesse“ für die fossile Brennstoffindustrie.
Während der Präsidentschaftswahlen 2020 appellierte US-Präsident Joe Biden an die Wähler, insbesondere an junge Menschen, mit der Behauptung, er nehme den Klimawandel ernst. Anders als sein Vorgänger Donald Trump inszenierte er seine Teilnahme an den Klimagipfeln 2021 und 2022. In diesem Jahr kündigte das Weiße Haus jedoch an, dass Biden nicht am Gipfel teilnehmen und stattdessen Vizepräsidentin Kamala Harris schicken würde, die einzig dadurch hervorsticht, dass sie es irgendwie schafft, eine noch niedrigere Zustimmungsrate als der Präsident zu erhalten.
Seit der Entstehung des Kapitalismus wird Energie hauptsächlich durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas erzeugt, wodurch das Treibhausgas Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Infolgedessen ist die globale Durchschnittstemperatur in weniger als 200 Jahren um 1,2 Grad Celsius (2,2 Grad Fahrenheit) gestiegen.
Die Häufigkeit extremer Wetterrekorde im Jahr 2023 verdeutlicht die Gefahren der Krise. Der vergangene Juli war der heißeste Monat in der Geschichte der Aufzeichnungen und wurde von einer Hitzewelle begleitet, die in Nordamerika, Europa und Asien Tausende von Todesopfern forderte. Bei Sturzfluten im September kamen in Libyen mehr als 4.000 Menschen ums Leben und zwischen 10.000 und 100.000 werden vermisst. Ein Nebenfluss des Amazonas erreichte den niedrigsten Wasserstand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1902. Dadurch sind das Leben und die Lebensgrundlage von 481.000 Menschen in Manaus, Brasilien, akut bedroht. Bei den in der Stadt lebenden Kindern führte das Niedrigwasser in der Folge zu Durchfall, Erbrechen und Infektionen.
Solche Ereignisse sind nur ein kleiner Ausschnitt aus den zahlreichen Fällen von anhaltenden Dürren, sintflutartigen Überschwemmungen, sengenden Hitzewellen und katastrophalen Wirbelstürme, die in den letzten 15 Jahren zum Alltag geworden sind. Extreme Wetterereignisse, die einst alle 100, 200 oder sogar 500 Jahre prognostiziert wurden, treten heute alle zehn Jahre auf und sind auf dem besten Weg, zu jährlichen Katastrophen zu werden.
Je stärker sich die Erde erwärmt, desto katastrophaler werden die langfristigen Folgen sein. Mehr als ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten, schätzungsweise 3 Millionen verschiedene Arten von Flora und Fauna, werden bis zum Jahr 2050 aussterben, und die anhaltende ökologische Katastrophe wird als „sechstes Massenaussterben“ bezeichnet. Mehr als 70 Prozent aller Arten werden bis zum Jahr 2100 aussterben, wenn die derzeitigen Treibhausgasemissionen nicht sofort und drastisch reduziert werden. Die zunehmende Versauerung der Ozeane bedroht das Phytoplankton der Welt. Im extremsten Szenario, bei dem das Phytoplankton vollständig abgetötet wird, würde dies die Basis der weltweiten Nahrungskette abschneiden und die Sauerstoffproduktion der Erde um die Hälfte reduzieren.
Im Vorfeld des diesjährigen Klimagipfels richteten mehr als 200 Fachzeitschriften für Medizin und Gesundheit einen Aufruf an die Vereinten Nationen, in dem sie warnten: „Diese allgemeine Umweltkrise ist inzwischen so schwerwiegend, dass sie einen globalen Gesundheitsnotstand darstellt.“ Sie stellten fest, dass „der Klimawandel die Entwaldung und andere Eingriffe zur Landnutzung als Hauptursache für den Verlust der Natur demnächst überholen wird“. Sie fügten hinzu: „Veränderungen in der Landnutzung haben Zehntausende von Arten in engeren Kontakt gezwungen, was die Übertragung von Krankheitserregern und das Auftreten neuer Krankheiten und Pandemien begünstigt.“
Es gibt noch weitere existenzielle Bedrohungen. Der Meeresspiegel ist im letzten Jahrhundert bereits um mehr als 25 Zentimeter angestiegen, was zu weiteren tödlichen Sturmfluten geführt hat. Durch die Gletscherschmelze droht der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um das Fünf- oder sogar Zehnfache zu steigen. Mehr als 821 Millionen Menschen müssen hungern oder verhungern, weil das Land, auf das sie für ihre Ernährung angewiesen sind, nicht mehr bewirtschaftet werden kann. Mindestens 3,2 Milliarden Menschen leben in Gebieten, die in den kommenden Jahrzehnten aufgrund von Überschwemmungen, Waldbränden oder Wirbelstürmen unbewohnbar werden.
Diese Gefahren sind nicht neu. Das wissenschaftliche Verständnis der Wechselwirkung zwischen Treibhausgasen und dem Klima der Erde ist seit mehr als einem Jahrhundert gegeben und die spezifischen Auswirkungen auf Wettermuster, Landwirtschaft und Artenvielfalt sind seit Jahrzehnten bekannt. Wissenschaftler haben Berichte veröffentlicht, Konferenzen abgehalten, bei parlamentarischen Anhörungen ausgesagt und alle möglichen anderen Alarmglocken geläutet, um die Regierungen zum Handeln zu bewegen.
Es ist jedoch vollkommen klar geworden, dass es den kapitalistischen Regierungen schlichtweg egal ist, dass Millionen, möglicherweise Milliarden, infolge ihrer Handlungen sterben könnten. Der Fokus der imperialistischen Mächte, vor allem der USA, liegt auf Krieg. In der Ukraine stellen die USA und die NATO dem rechtsextremen Selenskyj-Regime und den Neonazi-Gruppen, die mit ihm verbündet sind, Hunderte von Milliarden Dollar zur Verfügung, um einen Krieg zu führen, der Russland destabilisieren und einen Regimewechsel herbeiführen soll. In Gaza unterstützt und finanziert Biden ausdrücklich Israels anhaltenden Völkermord an der Bevölkerung des Gazastreifens, bei dem bisher 20.000 Menschen getötet wurden und dessen Ziel darin besteht, alle 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens in die Wüste Sinai zu vertreiben. Nicht die Umwelt, sondern Blut und Öl sind für den Kapitalismus das Gebot der Stunde.
Dass jeder Appell an die Mächtigen zum Kampf gegen den Klimawandel auf taube Ohren stößt, wurde durch die jüngsten Angriffe auf die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg unterstrichen, nachdem sie den Völkermord in Gaza verurteilt hatte. Thunberg, die zuvor von den US-Medien als „Time Person of the Year“ und als eine der „Forbes 100 Most Powerful Women“ gefeiert worden war, wird nun als „Terrorunterstützerin“ diffamiert.
So wie die Regierungen verlangt haben, dass die Weltbevölkerung mit ständigen Masseninfektionen, Schwächung und Tod durch Covid-19 „leben“ soll, verlangen sie nun, dass die Bevölkerung eine vermeidbare Klimakatastrophe einfach akzeptiert.
Die wirkliche Lösung für den Klimawandel liegt in einer umfassenden Neuordnung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens auf globaler Ebene. Die Energieerzeugung, die Logistik und die Landwirtschaft müssen vollständig umgestellt werden, um zu erneuerbaren Energien überzugehen und die Atmosphäre von Treibhausgasen zu befreien. Dies wiederum erfordert internationale Anstrengungen zum Aufbau neuer Infrastrukturen und zur Erforschung neuer Technologien. Banken und Konzerne müssen enteignet und ihr gehorteter Reichtum zur Finanzierung dieser Anstrengungen verwendet werden, anstatt Billionen für völkermörderische Kriege und die Bereicherung der Wall Street und der Ölscheichtümer zu verschwenden.
Die Lösung des Klimawandels ist im Kern eine Klassenfrage. Nicht „die Menschheit“ hat den Klimawandel verursacht, sondern eine ganz bestimmte sozioökonomische Ordnung: der Kapitalismus. Umso dringlicher ist die politische Aufgabe, die sich der Arbeiterklasse stellt: der Sturz des Kapitalismus. Dasselbe System, das Kriege, Pandemien und soziale Ungleichheit hervorbringt, wird auch den Planeten für Profite in Flammen aufgehen lassen. Die einzige Lösung ist ein revolutionärer Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus.
#Titelbild: COP28-Präsident Sultan al-Jaber auf dem Weg durch den Veranstaltungsort des COP28-Klimagipfels der UN am Mittwoch, 29. November 2023, in Dubai. (AP Photo/Peter Dejong) [AP Photo]
Quelle: wsws.org… vom 4. Dezember 2023
Tags: Ökologie, Ökosozialismus, Politische Ökonomie, Strategie
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